POKAL UND FEST

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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P R O L O G

Das zweite Schuljahr in Beauxbatons bringt dem Zauberschüler Julius Andrews eine Menge überraschender Wendungen, einige gute, doch auch einige sehr schlimme. Seine frühere Hogwarts-Klassenkameradin Gloria Porter kommt für ein Gastschuljahr nach Beauxbatons, ohne daß er es vorher erfahren hatte. Er lernt einen Zaubertrank kennen, der einen Zauberer oder eine Hexe befähigt, mit einem vertrauten, magischen Tierwesen wie mit einem Menschen sprechen zu können und nimmt auf diese Weise Verbindung zu der Knieselin Goldschweif auf, die im Verlauf des Schuljahres vier Junge bekommt und ihn weiterhin mit einer Mitschülerin aus dem roten Saal verkuppeln will.

Als Überbleibsel von Orions Fluch, den Julius und Béatrice Latierre gerade noch austreiben konnten, erwarten mehrere im Sommer im Sonnenblumenschloß gewesene Hexen Nachwuchs, darunter auch Catherine Brickston.

Die Beziehung zu Claire droht zu zerbrechen, weil sich auch andere junge Mädchen um ihn bemühen und Claire von Angst und Eifersucht getrieben vermutet, daß er sich davon betören lassen könnte. Erst ein gemeinsamer Zauber bringt hervor, daß sie einander wirklich innig lieben und macht sie bereits mit vierzehn zu Verlobten. Doch das enthüllte Glück soll nicht lange dauern, weil durch eine Kette von ereignissen, die mit Träumen von einer verlassenen Stadt und einem alten Gemälde in Beauxbatons beginnen, Julius die Angst der magischen Brüder vom blauen Morgenstern weckt, weil sie ihn für den prophezeiten Erben der letzten den hellen Künsten verbundenen Herrscherin von Atlantis erkennen und ihn gefangenhalten wollen. Zwar kann Claires Großmutter Aurélie ihn noch in Sicherheit bringen, wird dafür jedoch dem Blutrachefluch unterworfen, der sie und ihre weiblichen Verwandten zu töten droht, darunter auch Claire. So kämpft Julius in der alten Festung der Bruderschaft gegen verschiedene Kreaturen orientalischer Magie und schafft es fast, Aurélie zu befreien, wird dabei aber fast von dem Führer der Bruderschaft mit dem Todesfluch getroffen. Aurélie wirft sich in die Bahn des unverzeihlichen Fluches und löst sich dabei in reine Energie auf, die zu einer überirdischen Erscheinung wird, in der Julius vor weiteren Angriffen geschützt ist. Doch weil Claire aus der Ferne mitbekommt, daß er in tödlicher Gefahr schwebt, gibt sie ihren Körper auf und erreicht ebenfalls jene überirdische Erscheinung. Ihr Geist kann nicht mehr in den eigenen Körper zurückkehren. Mit ihrer ebenfalls entkörperten Großmutter wird Claire zur engelgleichen Erscheinungsform Ammayamiria, die über eine übermenschlich starke Magie verfügt. Sie nimmt Julius das Versprechen ab, nicht lange um Claire zu trauern, deren nun lebloser Körper in Millemerveilles beerdigt wird.

Die Monate nach Claires körperlichem Tod stürzt sich Julius in die Schularbeiten. Nur die Weihnachtsferien bieten eine kurze Unterbrechung. In diesen werden seine Mutter und er offiziell in der großen Eauvive-Familie willkommen geheißen und feiern die Geburt der Zwillinge Esperance und Felicité Latierre nach, wobei sich deren glückliche Mutter nicht nehmen läßt, Julius einem Lebenskraftverstärkungsritual zu unterziehen, durch das sie ihm einen Teil ihrer Lebensenergie überträgt, wodurch er stärker und widerstandsfähiger wird. Nach den Ferien rangeln sich die beiden Mitschülerinnen Belisama Lagrange und Mildrid Latierre um ihn, so daß die Heilerin von Beauxbatons Julius anweist, in den Osterferien klarzustellen, mit welcher von beiden er sich neu binden möchte oder keine von beiden als Partnerin annehmen will.

Gloria und er sind erschüttert, als im Februar Glorias Großmutter Jane stirbt. Zusammen mit Julius Mutter, Professeur Faucon und Catherine Brickston nehmen sie an der Trauerfeier teil, zu der auch prominente Hexen und Zauberer aus aller Welt kommen, darunter auch Professor Albus Dumbledore, der Glorias und Julius' Schulfreundin Pina Watermelon mitbringt. Einige Tage danach erfährt Julius, daß Jane Porter nicht wirklich gestorben ist, sondern ein lebendes Abbild ihrer Selbst getötet wurde, weil Jane geahnt hat, daß in den Reihen ihrer Mitstreiter eine Verräterin umgeht. Sie offenbart Julius, daß sie vermutet, daß jene Hexe, die ihn damals vor der Abgrundstochter Hallitti gerettet hat, eine wiederverkörperte Dunkelhexe aus der Zeit Sardonias sei, womöglich Sardonia selbst oder ihre ihr erfolgreich nachahmende Nichte Anthelia. Leider darf Julius Gloria nicht erzählen, daß ihre Großmutter noch lebt. Denn diese muß verborgen bleiben, bis geklärt ist, mit wem genau sie es zu tun haben.

In den Osterferien besucht er ein profi-Quidditchspiel und läßt sich von den Latierres in ein Café in der Rue de Camouflage bringen, wo er bemerkt, daß er langsam wieder freier denken und sprechen kann. Um dem Gezänk zwischen Mildrid und Belisama endgültig ein Ende zu machen entscheidet Hippolyte Latierre, daß ihre beiden Töchter versuchen sollen, Julius über die magische Brücke der vereinenden Leichtigkeit in die Festung der Töchter der Himmelsschwester zu bringen. Martine und er schaffen es nicht, die gläserne Zauberbrücke zu überqueren. Doch als Millie ihn auf ihren Schultern auf die Brücke trägt ist es so, als würden sie darüber hinwegschweben. Julius erkennt dabei, daß er innerlich schon immer schon für Mildrid empfand und sie ihn nicht nur zum reinen Vergnügen umwerben wollte. In der Festung selbst lassen beide die letzten Hemmungen fallen und lieben sich das erste Mal in ihrem gemeinsamen Leben. Damit steht fest, daß sie von nun an ein festes Paar bilden.

Natürlich wird diese neue Beziehung und wie sie letztendlich zu Stande kam nicht von allen gerne gesehen. Professeur Faucon, die einen seit der Schulzeit gehegten Groll gegen die Latierres hegt, will haben, daß Julius' Mutter gegen diese Verbindung Einspruch erhebt. Doch diese läßt sich durch Gespräche mit Millie und ihren Eltern überzeugen, daß es keinen echten Grund gibt, das Ende der Beziehung zu erzwingen. Professeur Faucon bringt sich selbst in eine Situation, in der sie nicht mehr all zu viel ausrichten kann. Außerdem gibt es größere Probleme.

Die beinahe in Vergessenheit geratenen Insektenwesen aus der Zeit Sardonias tauchen wieder auf. In den vereinigten Staaten von Amerika werden der amtierende Zaubereiminister und sein Gegenkandidat getötet, und Julius gerät in eine Falle des russischen Schwarzmagiers Igor Bokanowski, der ihn von einer durch dunkle Kräfte erzeugten Kopie von Belle Grandchapeau entführen und in seine Burg bringen läßt, die mit von ihm erschaffenen Ungeheuern und Mehrerer Dutzend Ebenbilder seiner Selbst angefüllt ist. Bokanowski interessiert sich für die besonderen Kräfte der Ruster-Simonowsky-Zauberer, von denen es außer Julius noch einen lebenden auf der Welt gibt, der ebenfalls in die Burg verschleppt wurde. Doch Bokanowski holt sich damit ohne es zu ahnen ein Kuckucksei ins Nest. Denn sein Vorhaben wurde von jener geheimnisvollen Hexe vorhergesehen, die sich als Erbin Sardonias versteht. Sie schickt die wieder aufgetauchten Entomanthropen gegen die Burg aus, wartet, bis diese mit den Ebenbildern und Monstern richtig im Schlachtgetümmel liegen und dringt heimlich in die Burg vor. Julius gelingt die Flucht aus der unmittelbaren Gefangenschaft. Doch erst als die Wiedergekehrte den Burgherrn wohl kampfunfähig gemacht hat und mit ihm den zweiten Gefangenen, den spanischen Zauberer Orfeo Colonades befreit hat, entkommen sie der Monsterburg Bokanowskis, die kurz darauf mit lautem Knall in die Luft fliegt. Nach einer Befragung durch den russischen Zaubereiminister kann Julius nach Paris zurückkehren. Dort findet er die Einladung zu einem Quodpotspiel in Viento del Sol vor. Er fragt Millie, ob sie mitkommen möchte. Sie erhält die Erlaubnis dazu. So verbringen sie einige abwechslungsreiche Tage in Viento del Sol, wo sie mit den dort wohnenden Jugendlichen aber auch jemanden aus der Profi-Mannschaft Quodpot üben, ein fröhliches Tanzfest mitmachen und am Samstag vor Ferienende die spannende Partie der Viento del Sol Windriders gegen die Rossfield Ravens ansehen. Julius kauft für sich und seine Freundin ein magisches Schmuckstück in form eines Herzens, das in zwei Hälften zerlegt an Ketten getragen einem Partner zeigt, ob es dem anderen gut geht. Er lernt die etwas unheimlich wirkende Daianira Hemlock flüchtig kennen. Millie hält diese Hexe irgendwie für gefährlich. Eine Stunde vor Abreise nach Beauxbatons treffen sie wieder in Paris ein. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, wo alle anderen Mitschüler erfahren, daß Millie und Julius zusammen sind.

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Madame Maxime, die die aus Paris eintreffenden Schüler begrüßte, blickte etwas befremdet auf die rubinroten Herzanhänger, die Millie und Julius trugen. Céline Dornier hielt sich derweil schön von ihm fern, als habe er eine ansteckende Krankheit oder könne jederzeit gewalttätig werden. Die an die drei Meter große Schulleiterin verlor über den Halsschmuck jedoch kein einziges Wort, sondern trieb die angekommenen Schüler mit energischen Gesten an, sich so aufzustellen, daß die noch erwarteten Schüler sich ohne großes Gedränge dazustellen konnten. Dann entlud die nächste Reisesphäre ihre Passagiere, jene aus Calais, zu denen auch Belisama Lagrange und Hercules Moulin gehörten. Hercules suchte und fand Julius, sah ihn erwartungsvoll an und stutzte dann, während Belisama zuerst einen leicht verschüchterten Eindruck machte, als sie Julius entdeckte und dann, als sie seinen roten Halsschmuck sah und den dann auch noch über Millies Brustkorb ausmachte, verzog sie das Gesicht, als habe ihr ein unsichtbarer Elefant kräftig auf die Füße getreten. In ihren Bergquellklaren Augen glomm ein Funkeln auf. Sie wandte wild ihren Kopf um, so daß ihr honigfarbener Schopf wild ausschwang. Als sie Céline ansah, die ihr verlegen zunickte, lief sie schnell zu ihren Kameradinnen vom Weißen Saal, die aus Paris eingetroffen waren. Julius war sich sicher, daß Belisama die "unerhörte" Neuigkeit noch erzählt bekäme, bevor die nächste Reisesphäre im Ausgangskreis erschien. Hercules Moulin überlegte offenbar, ob er zu ihm hingehen oder sich wie Céline von ihm fernhalten sollte. Das konnte noch was geben, wenn er nachher am grünen Tisch saß, dachte Julius. Doch er war fest entschlossen, sich nicht auf unnötige Zankereien mit Hercules oder Robert oder Gérard einzulassen, die eh nichts an seiner Entscheidung änderten. Als dann noch die Schüler aus dem Süden Frankreichs eintrudelten, erst die aus Marseille, dann die aus Millemerveilles, waren alle da. Sabine und Sandra Montferre sahen Millie und Julius an und grinsten dann. Sandrine blickte auf ihre Mitschüler und machte ein Gesicht, das Julius nicht deuten konnte. Irgendwas zwischen Bestätigung und Enttäuschung, als sei wider alle Erwartung doch was schlimmes passiert. Auch mit ihr würde es vielleicht noch was geben, falls Madame Rossignol nicht gleich ein Machtwort sprechen würde.

"Alle Schüler in den Speisesaal!" Befahl die halbriesische Schulleiterin. Professeur Faucon machte schon anstalten, auf Julius zuzustürmen. Doch ihre Vorgesetzte hielt sie mit einer zu sich weisenden Handbewegung davon ab. Die Lehrer, die die Schüler aus verschiedenen Teilen des französischsprachigen Raumes herübergebracht hatten, verfolgten den Einmarsch der Junghexen und Jungzauberer, die leise miteinander schwatzend und Blicke und Gesten austauschend in den weißen Palast gingen und den Speisesaal ansteuerten. Julius reihte sich in den Zug der Mitbewohner aus dem grünen Saal ein, wo Robert, Hercules und Gaston Perignon ihn erst wortlos ansahen. Noch sagten sie nichts. Erst als sie alle an den Saaltischen platzgenommen hatten ergriff Hercules das Wort.

"Das ist doch wohl nicht dein Ernst, Julius. Du mit der Latierre?"

"Welcher, hier laufen vier rum", konterte Julius.

"Der blöden Zicke Millie natürlich. Oder warum trägst du dasselbe kitschige Ding um den Hals wie sie?"

"Achso", tat Julius jetzt erst verstehend. "Ja, es ist mein Ernst, und ja, ich bin mit Millie zusammen, Hercules. Wir haben uns in den Ferien sehr lange miteinander unterhalten und festgestellt, was wir eigentlich schon immer für gemeinsame Interessen hatten."

"Niemals, Julius! Die schleimige Kröte hat dir was vorgemacht, damit die dich einwickeln kann, damit sie dich wie einen Pokal in die Hände nehmen kann, ja, damit die mit der anderen roten Brut den Quidditchpokal kriegen können", protestierte Hercules. Robert meinte dazu:

"Deshalb hat meine Süße so giftig gekuckt. Aber Julius, vor den Ferien hast du erzählt, dir ginge das Getue von der und Belisama auf die Nerven. Könnte es dann nicht sein, daß du jetzt nur meinst, mit der was anfangen zu müssen, um diesen Krach von dir fernzuhalten?"

"Das auch, aber nicht nur deshalb", erwiderte Julius völlig trocken. "Und was den Pokal angeht, Hercules, der ist noch nicht verloren. Oder denkst du, Millie hätte ausgerechnet mich umgarnt, nur weil sie für ihre Mannschaft einen geschenkten Pokal rausschlagen will? Naja, du hast ja gesagt, du hältst sie für dumm, dann würde es ja passen."

"Mit was hat die dich gekriegt, irgend'nem Liebestrank? Oder ist dieses bescheuerte Herzding da verhext, daß du meinst, für die zu schwärmen, solange du es umhast?" Schnaubte Hercules wie ein angriffslustiger Drache und machte Anstalten, nach Julius' Halsschmuck zu langen. Doch dieser wehrte die Hand ab und meinte ganz lässig:

"Dann solltest du es besser nicht anfassen. Weil wenn du recht hättest, dann könnte das, was da angeblich dran verhext ist dich erwischen, oder?"

Hercules zuckte zusammen. Gaston grinste belustigt, während Gérard nicht wußte, was er von der Sache halten sollte und Robert einen hilflosen Blick zu Céline hinüberwarf, die mit Laurentine in eine erregte Debatte verwickelt war, deren Thema Julius unschwer erraten konnte.

"Glaubst du echt, daß du der einzige bist, den die im Leben haben will?" Versuchte Hercules einen neuen Vorstoß. Er sah Gérard an, der wild den Kopf schüttelte. "Gérard hier war doch mit der im ersten und die Hälfte vom zweiten Jahr zusammen", packte Hercules etwas aus, das Julius bisher nicht von Gérard gewußt hatte. "Und was hat's ihm gebracht?"

"Sandrine, nehme ich an", erwiderte Julius so trocken wie Wüstensand. Robert mußte lachen, obwohl er das nicht wollte, und Gaston sah Hercules mit einem schadenfrohen Grinsen an. Gérard lief an Ohren und Wangen rot an und warf Hercules einen vorwurfsvollen Blick zu. Dieser schien von Julius' Antwort versteinert zu sein. Mit unbeweglichem Gesicht und ohne jede Regung saß er auf seinem Stuhl und konnte fünf Sekunden lang nichts sagen. Dann straffte er sich und knurrte

"Vor Sandrine meine ich. Die hat ihn förmlich benebelt, ihm vorgemacht, wie toll er sei und oft in Ärger mit Königin Blanche reingetrieben, weil der seine Schularbeiten nicht mehr so wichtig fand und ..."

"Es reicht, Culie! Sonst hole ich gleich mal alles aus dem Müll, was du mit Bernie so alles erlebt hast", fauchte Gérard sichtlich verärgert. Dann meinte er noch: "Aber in einem Punkt hat dieser Schwätzer hier recht, Julius. Wenn du echt meinst, Millie würde irgendwie länger was von dir wissen wollen, dann wart mal ab, bis die mit wem anderen an der Hand rumläuft. Die steht nämlich nicht auf kleine Jungs, zumindest kam das von ihr bei mir so an."

"So klein bin ich doch jetzt nicht mehr", erwiderte Julius, der mit einer derartigen Vorhaltung gerechnet hatte. "Abgesehen davon hat Millie damals wohl ausprobieren wollen, ob sie schon alt genug für 'ne Beziehung war. Daß du ihr Freund warst, Gérard, hat sie mir nicht aufs Brot geschmiert. Vielleicht wollte sie nicht, daß wir beide uns wegen ihr in die Wolle kriegen oder sowas."

"Wahrscheinlich eher, weil ich der leichtfüßigen Göre nicht wichtig genug war, ein blödes Versehen oder sowas", entgegnete Gérard mißmutig.

"Hmm, sogesehen denkst du das von ihr wohl auch", versetzte Julius, und Hercules mußte ungewollt grinsen. Gérard schnaubte nur und wandte sich von ihm ab. Robert meinte dann noch zu ihm:

"Sieh es so, Gérard, daß die Fehler, die Millie und du gemacht habt zwischen dir und Sandrine nicht mehr passieren können und die Beziehungskiste mit ihr deshalb besser hält."

"Pack dir an den eigenen Zinken, Robert", fauchte Gérard. Hercules, der sich nicht so einfach zufriedengeben wollte streute gehässig ein:

"Wahrscheinlich wollte die rollige Straßenkatze Gérard nur haben, um sich besser mit Professeur Laplace zu stellen."

"Oh, das wußte ich nicht", entgegnete Julius so tuend, als sei ihm etwas ziemlich heftiges mitgeteilt worden, legte dann aber so trocken wie gerade eben nach: "Daß ihr hier schon Arithmantik seit der ersten Klasse habt. Abgesehen davon hat Gérards Maman Millie nie anders behandelt als den Rest von uns, was die Mutter eines ins Unglück gestürzten Sohnes wohl doch nicht kalt läßt, oder?"

"Die will nur den Pokal haben, Julius. Was immer die dir für Zeug erzählt hat oder mit was die dich geangelt hat geht sofort weg, wenn die roten Luder den Pokal haben, weil du so blöd bist, den denen zu überlassen", knurrte Hercules. Julius befand, daß hier die Grenze überschritten war und sagte sehr ernst und unmißverständlich verärgert:

"Hercules, ichh sagte es gerade, daß Millie sich nicht nur wegen des Quidditchpokals für mich interessiert. Abgesehen davon muß ich mir von einem, der selbst 'ne Freundin im roten Saal hatte nicht irgendwelche Moralpredigten anhören. Ich habe dir bisher nur zugehört und geantwortet, weil ich dich als Klassenkameraden respektieren muß, aber nur als Klassenkameraden. Spiel dich wegen deiner noch immer nicht überwundenen Enttäuschung wegen Bernadette nicht als meinen großen Bruder oder Vaterersatz auf. Mein Vater ist tot und als Einzelkind komme ich auch ganz gut ohne großen Bruder aus, damit das mal klar ist. Ich kapiere, daß du sauer bist, weil eine der Roten dir wehgetan hat. Aber das gibt dir echt kein Recht, über andere Beziehungen zwischen Grünen und Roten derartig herzuziehen, schon gar nicht über meine. Du kannst keine von den Mädels aus dem roten Saal ab. Das wissen wir alle hier ja längst. Aber das heißt nicht, daß das für alle aus deiner Klasse gelten muß, klar? Also sei ja friedlich, wenn du schon nicht verstehen kannst, warum jemand wie ich mit einem Mädchen wie Millie zusammenkommen kann!"

"Ach, dann hat die dich noch nicht gefragt, ob sie dieses Jahr den Pokal nicht zu ihrer Madame Denk-nicht-Dran rüberholen darf?" Knurrte Hercules und starrte auf das rote Herz an der silbernen Kette. Julius schüttelte den Kopf und entgegnete:

"Denkst du, die Roten wollten so einen Pokal haben, den ihnen irgendwer schenkt? Offenbar hältst du die für so schwach, daß die solche Methoden brauchen. Dann wäre das mit dem Pokal, an dem du dich gerade heftig aufhängst ja schon eine ausgemachte Sache für uns, weil die dann nämlich schon die Spiele vorher so heftig versemmelt hätten, das die nur noch mit billigen Tricks arbeiten könnten. Ich fürchte, wenn du einer von den Roten vorknallst, daß Millie nur wegen des Pokals mit mir gehen will, kannst du von Glück reden, wenn die dich nur auslachen. Alles andere wäre dann ein Fall für Madame Rossignol, und da könnte es dir passieren, daß Millie dich versorgen muß, Hercules."< Gérard mußte lachen, ebenso Gaston und Robert. Gaston meinte dann noch:

"Unser abgelegter Culie ist eben noch voll auf Bernie, obwohl er gerade das nicht machen durfte, nicht wahr?"

"Ey, du hältst mal ganz dein Schmutzmaul, Gaston!" Blaffte Hercules wie ein gereizter Kettenhund. Doch Gaston hatte nun erst recht Oberwasser und stichelte weiter:

"Der hat gedacht, bor die Roten sind alle so scharf und wollen es so früh wie möglich treiben und hat sich ausgerechnet die einzige aus dem Stall ausgesucht, die nicht so gebacken ist."

"Na warte, das kriegst du wieder", schnaubte Hercules und ballte drohend die Fäuste. Doch Gaston hielt seine Fäuste ebenfalls hoch und winkte lässig damit.

"So, die Herren, bevor Sie sich und mich vor dem Abendessen noch durch kindische Handgreiflichkeiten blamieren", schlug Professeur Faucons Stimme wie das Fallbeil einer Guillotine in die Auseinandersetzung ein, "worum es auch immer ging oder geht, ich werde hier und in Ihrem Saal keine gewaltsamen Auseinandersetzungen dulden, damit Sie mich ganz klar verstehen, Messieurs. Monsieur Andrews, es hat wohl jetzt jeder, den es in irgendeiner Weise interessieren oder berühren mag gesehen, daß Sie und Mademoiselle Mildrid Latierre eine partnerschaftliche Beziehung kundtun wollten. Verbergen Sie nun unverzüglich jenes Schmuckstück, welches Sie umgehängt haben, oder verstauen Sie es in einer Tasche! Die Demonstration ist beendet!" Schnarrte sie dann noch und blickte sehr vorwurfsvoll auf das von Julius getragene Herz. Er nickte ihr ruhig zu und verbarg das rubinrote, sachte pulsierende Kleinod unter seinem Umhang, ja sogar unter seinem Unterhemd, wo er es nun sacht und warm auf der Brust vibrieren fühlte. "Da ich nicht unmittelbar mitbekam, was genau Sie, Monsieur Moulin und Monsieur Perignon dazu trieb, sich mit den Fäusten zu bedrohen, belasse ich es nur bei jeweils fünf Strafpunkten wegen undisziplinierten Auftretens vor der gesamten Schülerschaft und dem Lehrkörper. Sie sind hier nicht im roten Saal, Messieurs. Was Sie betrifft, Monsieur Andrews, so sehe ich von der Zuteilung von Strafpunkten ab, sofern Sie in Zukunft eine derartige Zurschaustellung unterlassen." Sie sah alle Beteiligten noch einmal mit ihrer gefürchteten strengen Miene an und eilte dann zurück an den Lehrertisch, wo gerade auch ihre Kollegin Fixus wieder an den ihr zustehenden Platz zurückkehrte. Julius sah kurz zum roten Tisch hinüber, wo Millie zwischen Caro und Leonie saß und sichtlich entspannt aussah. Auch sie trug ihren Herzanhänger nicht mehr offen.

"Königin Blanche ist immer noch auf Zack", meinte Robert, der über die zwei Beinahestreithähne schmunzelte. Dann sagte er zu Julius: "Ich seh's ein, daß du dem Theater zwischen Belisama und Millie ein Ende machen wolltest, wo die in der Pflegehelfertruppe mit dir zusammenhängen. Ich hab's ja mitgekriegt, wie das zwischen der und Gérard gelaufen ist und hoffe, du machst nicht denselben Mist durch wie der, mal abgesehen davon, daß es ja nie an einem alleine hängt, ob 'ne Beziehung hält oder zerbröselt."

"Daß ich dich nicht nachher mal zerbrösel", schnaubte Gérard, der das nicht gerade nettfand, was Robert da über ihn sagte. Doch Célines Freund blieb ruhig. Er wollte bestimmt keine Strafpunkte vor dem Abendessen und meinte nur: "Wenn dir dann besser ist, mach das, Gérard. Dann kriegst du es zwar mit Céline zu tun, aber das muß mich dann nicht mehr jucken." :

"Du findest das also in Ordnung, Robert, daß Julius sich ausgerechnet mit dieser großmäuligen rotblonden Kuh einläßt?" Fragte Hercules herausfordernd.

"Ich hab 'ne Freundin, Hercules. Ich muß mich nicht in anderer Leute Beziehungen reinhängen", erwiderte Robert ganz cool. Julius grinste innerlich. Dann sagte er noch:

"Bevor noch irgendwer von euch meint, ich hätte das mit Claire sehr schnell abgeschlossen und würde deren Eltern heftig wehtun, das hat Céline schon gebracht. Also sage ich's euch allen noch, damit ihr mal über was oder wen anderen reden könnt: Claire wollte nie, daß ich wenn ihr was passierte zu lange traurig und allein rumhänge. Sie hat Millie immer angeknurrt, weil sie lange vor mir wußte, daß Millie genauso gut mit mir zusammenpaßt wie sie und ihre Eltern, die das schon längst wissen, daß ich mit Millie gehe, haben mir ohne mich anzulügen viel Glück gewünscht, weil sie auch für Claires Andenken wollen, daß es mir so gut wie möglich geht. So, damit das auch hier und jetzt abgehandelt ist."

"Das wird eh ein kurzes Vergnügen mit der sein", knurrte Hercules. "im nächsten Spiel baller ich die eh raus, und die Rossignol kann dann ihre Knochen zusammensuchen oder sie gleich als Dreckhaufen zu ihren Eltern zurückschicken. Das kannst du der gerne auf die Nase binden, Julius."

"Wem, Madame Rossignol?" Tat Julius so, als verstehe er nicht, auf wen Hercules anspielte.

"Dem roten Luder Latierre", erwiderte Hercules und fügte boshaft hinzu: "Wo deren Mutter ja schon den nächsten Braten in der Röhre hat kommt die auch ohne eine Tochter weniger aus." Julius verzog zwar das Gesicht, erkannte aber sogleich, daß Hercules diesen Spruch nur brachte, weil ihm nichts vernünftiges mehr einfiel und er sich hilflos fühlte, aber das nicht raushängen lassen wollte. Er dachte kurz nach und sagte dann:

"Wenn die dir das wert ist, aus der Schule raus- und in den Bau reinzufliegen, Hercules, tu was du nicht lassen kannst!"

"Jetzt ist aber genug", knurrte Robert. "Schon schlimm genug, mir über diese Sache noch das eine oder andere von Céline anhören zu müssen. Irgendwann nervt's auch."

"Meinst du mich nicht?" Schnarrte Hercules. Da klatschte Madame Maxime in ihre gewaltigen Hände, daß es wie im Saal abgefeuerte Gewehrschüsse klang.

"Mesdemoiselles et Messieurs! Alle, die Ihre Ferien bei ihren Familien verbracht haben, heiße ich nun wieder herzlich willkommen in der erhabenen Beauxbatons-Akademie. Ich hoffe sehr, daß Sie alle die Zeit und Ruhe fanden, um für den Rest des laufenden Schuljahres genug neue Energie anzureichern und diese für Sie selbst so nutzbringend wie möglich in die Bewältigung der anstehenden Aufgaben und Endprüfungen investieren. Ich verstehe sehr wohl, daß Sie alle sich viel zu erzählen haben. Doch um Sie für den morgen schon wieder einsetzenden Schulbetrieb so gut genährt wie möglich zu wissen erwarte ich von Ihnen, daß Sie sich nun auch auf das Abendessen konzentrieren. Guten Appetit!"

"Vielen Dank, Madame Maxime, und Ihnen gleichfalls guten Appetit!" Erwiderten alle Schüler im Chor den Gruß. Dann kam das Abendessen. Robert fragte Julius, was er sonst noch so in den Ferien erlebt hatte. Julius erzählte von dem Quidditchspiel, das er sich angesehen hatte und von der Reise nach Amerika. Die Sache mit Bokanowski ließ er zunächst weg, weil er keine Lust hatte, sich damit noch irgendwie hervorzutun. Was die Festung der Himmelsschwester anging waren Millie und er sich ja darin einig, daß das keiner hier wissen mußte. Außer ihren Müttern, Catherine Brickston und ihrer Mutter, sowie Millies Schwester und ihrer Tante Béatrice und der Latierre-Matriarchin Ursuline hatte das ja auch sonst keiner mitbekommen, der es in Beauxbatons herumerzählen würde. Robert meinte noch:

"Im Zauberspiegel stand was, du hättest Probleme mit einem dunklen Magier gekriegt, der Grandchapeau und andere Minister gegen Doppelgänger eintauschen wollte und hinter Ruster-Simonowsky-Zauberern her sei. Zumindest hat die Chermot sowas rausgelassen."

"Oh, interessant. Ich habe seit Dienstag keine Zeitung mehr gelesen", meinte Julius so selbstbeherrscht wie möglich sprechend. "Was hat die nette Ossa Chermot denn so behauptet?" Robert und Hercules sahen sich einander an, als wüßten sie nicht, was sie jetzt sagen sollten.

"So'n spanischer Zauberer namens Colonades hat verschiedenen Zaubererzeitungen was erzählt, er sei entführt worden und in einer Burg irgendwo in Russland gelandet, wo mehrere gleichaussehende Leute herumgelaufen wären und echt fiese Monster gehaust hätten. Er wäre eingesperrt worden, bis ihn so'ne strohblonde Hexe und du ihn befreit hätten. Später soll dann rausgekommen sein, daß dieser Typ, Bokanowski, hinter Ruster-Simonowsky-Zauberern her sei, Muggelstämmigen, die irgendwann früher mal in beiden Vorfahrenlinien echte Hexen und Zauberer gehabt hätten. Also was ist da gelaufen, Julius?" Fragte Robert nun und meinte, daß Céline sich deshalb schon Gedanken gemacht habe.

"Das wurde zur Geheimsache erklärt, Leute. Da darf ich nichts zu sagen. Daß der Spanier das rausgelassen hat war 'ne Panne. Der könnte dafür noch Ärger kriegen, den ich nicht haben will", erwiderte Julius.

"Jetzt, wo's in der Zeitung drin ist kannst du es auch erzählen", erwiderte Hercules. Julius holte tief Luft und sagte nur:

"Leute, was da passiert ist wollt ihr echt nicht wissen und ich habe gelernt, daß bestimmte Sachen nicht für alle geeignet sind. Deshalb kriegt ihr von mir nix dazu erzählt."

"Ja klar, aber der Latierre-Schnäpfe hast du es bestimmt erzählt, wie?" Fragte Hercules verschnupft. Julius nickte lässig und meinte: "Das war, bevor es zur Geheimsache erklärt wurde. Aber selbst der habe ich nur das erzählt, was ihr keine Alpträume macht. Genügt echt schon, wenn ich welche kriege, Leute. Aber sie darf jetzt auch nichts dazu weitererzählen."

"Vielleicht hat dieser Colonades auch nur Stuss erzählt, weil der Geld haben wollte und nicht wußte, wie da ohne wen auszuplündern dranzukommen ist", erwiderte Gaston nur. "Und Julius verarscht euch jetzt, weil ihr den Mumpitz glaubt." Julius grinste und tat überführt und nickte.

"Dann hätte die Chermot eine dicke Ente in den Zauberspiegel reingesetzt?" Fragte Robert verdrossen. Julius nickte. "Oh, das könnte der heftigen Ärger bringen. - Aber ich glaube das nicht. Die muß schon höllisch aufpassen, was die rausbringt. Außerdem war ja noch 'ne amerikanische Kollegin mit dabei, die das Interview mitgeführt hat. Knowels oder so ähnlich. Dann wäre das ja ein dicker Bock, den zwei Zeitungsmacher da geschossen hätten."

"Wo immer der Spruch genau herkommt", erwiderte Julius lässig. Das war doch auch eine Lösung, so zu tun, als hätte Colonades da reinen Humbug verkauft. Er dachte kurz an die Sache, die in Deutschland mal passiert war, wo er wohl gerade angefangen hatte, sich an Möbeln hochzuziehen, um ein bißchen mehr von der großen Welt zu sehen und dabei immer auf den mit Windeln gut gepolsterten Po geplumpst war. Da hatte jemand einem Sensationsreporter angeblich echte Tagebücher von Adolph Hitler angedreht, und als aufflog, daß die gefälscht waren, hatte es das Blatt, für das der Reporter gearbeitet hatte ziemlich arg runtergezogen. Sein Vater hatte ihm die Story erzählt, als er groß genug war und gut genug lesen konnte, um Zeitung zu lesen, damit er zum einen nicht alles glaubte, was in der Zeitung stand und zum zweiten nicht jedem Reporter was erzählte, der meinte, den großen Knüller zu landen. Die Erfahrungen, die er mit dem Geschreibsel von Rita Kimmkorn gemacht hatte bestätigten das ja auch. Die hatte zwar wahrheitsgetreu berichtet, aber so überzogen, daß es schon unverschämt war, noch dazu gegen Leute gehetzt, die das nicht verdient hatten.

"Lass dich nicht einwickeln, Robert. Die von Grandchapeau wollen das den Leuten so verkaufen, als sei da nix passiert, weil das ja sonst zu heftig wäre", knurrte Hercules. Julius sagte dazu aber nichts, zumal der erste Gang des Abendessens gerade eingetroffen war.

Nachdem sie über ihre sonstigen Ferienerlebnisse gesprochen hatten und es in die Wohnsäle zurückging, nutzte Julius seine Pflegehelferprivilegien und wandschlüpfte einfach in den grünen Saal. Carmen Deleste traf kurz nach ihm ein.

"Ist da echt was mit dir und der Millie Latierre?" Fragte die Drittklässlerin, die auch in der Pflegehelfertruppe war. Julius nickte.

"Dann ist das bei euch wie bei meinen Eltern auch. Mein Vater ist 'n Violetter gewesen und meine Mutter war eine von den Blauen. Gegensätzlicher geht's ja hier nicht", erwiderte sie schmunzelnd.

"Und dann hat es dich zu uns Grünen gebracht?" Fragte Julius. Er hatte ja nicht mitbekommen, wie Carmen eine Bewohnerin des von Viviane Eauvive gegründeten Wohnsaales wurde.

"Tja, bis zum neunten Schritt hätte ich auch bei den Blauen oder Violetten reinkommen können. Die Farben waren außer Grün noch auf dem Teppich. Meine Großmutter väterlicherseits war eine Grüne. Deren Erbteil hat das wohl gemacht, daß ich hier gelandet bin", sagte sie ganz unbekümmert.

"Du hast es ja letztes Jahr gesehen, daß ich auch zu den Roten hätte hinkommen können", sagte Julius. Carmen nickte. Dann fragte sie noch, ob Madame Rossignol das schon wüßte.

"Ja, die weiß das schon", antwortete Julius ruhig. In Gedanken fügte er hinzu, daß sich das ja nicht vermeiden ließ.

Als dann alle Nichtpflegehelfer durch die Steinwand den grünen Saal betraten konnte Robert seine Freundin nur schwer zurückhalten, auf Julius loszustürmen. Statt dessen kam Laurentine herüber und baute sich vor ihm auf.

"So, du findest also, Millie sei für dich besser als Belisama?" Fragte sie, ohne ihn wie es anständig gewesen wäre zu begrüßen. Er nickte verhalten und sagte dann ruhig:

"Einen schönen guten Abend, Laurentine. Hattest du schöne Ferien?"

"Ey, ich will jetzt wissen, was da genau gelaufen ist. Ich habe dir damals doch schon gesagt, die blöde Gans spielt nur mit dir und will nur sehen, ob es klappt. Kann doch echt nicht sein, daß die irgendwas gemacht hat, womit sie bei dir landen konnte, wo du vor den Ferien noch gesagt hast, daß dir ihr Getue auf die Nerven ginge."

"Einen schönen guten Abend, Laurentine. Hattest du schöne Ferien?" Wiederholte Julius seinen Gruß. Bébé knirschte mit den Zähnen und erwiderte dann barsch:

"Danke der Nachfrage, ja, ich hatte sowas wie schöne Ferien."

"Okay, dann zu deinen Fragen", setzte Julius an. "Zum einen hat mich das Getue von Millie und Belisama genervt. Zum zweiten hatten Millie und ich in den Ferien durch ein Quidditchspiel, daß wir besucht hatten viel Zeit, miteinander zu reden, wo ihre Verwandten dabei waren. Zum dritten habe ich rausgefunden, daß Millie mich gut ergänzt, wie Claire das ja auch gemacht hat. Womit wir zu Viertens kommen, daß Céline, du oder Sandrine nicht meint, jetzt auf mich einreden zu müssen, ich hätte Claire verraten oder sowas. Claire ist nicht mehr da. Sie wollte immer haben, daß es mir gut geht. Und wenn Millie mir dabei helfen kann, daß es mir gut geht, dann ist das in Claires Sinne, damit wir das Ding durchhaben. Morgen gehen die Schulsachen weiter, und da will ich mich nicht andauernd von den Jungs aus meinem Schlafsaal oder von Céline oder dir annerven lassen."

"Dann hättest du dir wen anderen suchen sollen", erwiderte Bébé, der Julius' Erklärung ganz und gar nicht paßte. "Denkst du echt, daß Claire dich mit der zusammensehen wollte? Die hat doch immer gegen dieses rote Aas geschimpft, wenn es dich mal wieder so anzüglich angemacht hat."

"Mann, Mädel, du hättest mir zuhören sollen, wenn du schon was wissen willst", schnaubte Julius nun genervt. "Ich sagte, daß Claire es haben wolle, daß es mir gut ginge und Millie, wenn sie mir dabei helfen könne dann voll in Claires Sinne handele, weil sie, Claire eben nicht mehr da ist, zumindest nicht so, daß sie hier und jetzt irgendwas dagegen sagen oder dem zustimmen könnte."

"Claire hat ganz bestimmt nicht gewollt, daß du dich gleich dieser roten Schlampe in die Arme wirfst, nur weil sie deine Einsamkeit für sich ausgenutzt hat!" Keifte Laurentine. Da eilte Virginie mit wehendem Rockschoß heran.

"Laurentine, was soll das hier? Was nimmst du dir gerade heraus?" Fragte die Saalsprecherin mit sehr drohendem Blick, der Julius sehr stark an ihre Mutter denken ließ. Bébé sah sie an und antwortete gereizt:

"Du hast das doch mitgekriegt, daß Julius mit der Pute Latierre was angefangen hat, oder was sollte das mit diesen roten Herzen sonst sein?!" Céline entwand sich Roberts lockerem Griff und fegte nun auch noch heran. Das wiederum nahmen Hercules und Robert zum Anlaß, ebenfalls näherzutreten, um ja nichts zu verpassen.

"Nun, soweit ich von meiner Mutter weiß, haben die beiden in der Tat ausgelotet, ob sie sich auf eine partnerschaftliche Beziehung einlassen mögen. Sie ist davon zwar nicht sonderlich angetan, kann aber, da sie nicht das Sorgerecht für ihn hat dagegen Einspruch erheben, zumal sie durch meinen kleinen Bruder nun selbst genug eigene Familienangelegenheiten um die Ohren hat. Meine Mutter ist ein wenig wichtiger als du, Laurentine. Das hast du im letzten Sommer gelernt. Wenn sie sich nicht in die Sache einmischt, dann weiß ich nicht, wer oder was dir das Recht dazu gibt", erwiderte Virginie sehr zornig. Giscard Moureau, der Saalsprecher der Grünen, trat langsam zu der Gruppe um Julius und Bébé hin und hörte ebenfalls gut zu.

"Julius und Claire waren zusammen, und Claire wollte nie, daß er sich auf dieses rote Dreckstück einläßt", rechtfertigte Laurentine ihren Auftritt. Julius seufzte nur. Er hatte wohl doch gegen eine Steinwand oder in leere Luft gepredigt.

"Achso, natürlich. Du meinst, er habe Claires Andenken beschmutzt", seufzte auch Virginie. Dann sagte sie so kühl, daß alle meinten, in einem eisigen Windhauch zu stehen: "Er kann für Claires Tod nichts, Laurentine. Also hat er auch nicht dafür zu büßen, indem er sich sein Leben lang nur für sie aufhebt. Wenn er also für sich befindet, daß es an der Zeit sei, eine neue Freundin zu haben, ohne daß er ein schlechtes Gewissen dabei hat, dann hast du ihm das gefälligst zu gönnen, auch in Claires Namen. Oder hast du dir selbst etwas ausgerechnet?"

"Öhm, nein, habe ich nicht. Ich meine ...", brachte Bébé heraus. Hercules sah Giscard an und wandte sich dann an Virginie:

"Das mit der Latierre ist doch nur ein abgedrehtes Manöver, um den Roten den Pokal zu sichern, wo Brochet keinen Schnatz gefangen hat und den auch gegen Agnes nicht erwischen wird. Deshalb hat die den doch umgurrt, vielleicht mit diesem roten Herzen bezaubert, das er umhängen hat, damit er sie bloß nicht angreift, wenn wir gegen die ranmüssen. Am besten stellst du den nicht auf."

"Ach wie nett", meinte Julius verächtlich. Virginie sah Giscard an, der Hercules ansah und dann den Kopf schüttelte. Dann sagte sie:

"Drei Dinge, Monsieur Moulin. Zum einen glaube ich nicht, daß Millie nur wegen eines einzigen Quidditchpokals irgendwen wie auch immer umgarnen würde. Bei der Mutter und der Schwester wäre das für sie höchst problematisch. Die könnte dann nicht nach Hause kommen und sagen, daß sie wen von den angeblich so dummen Grünen dazu gekriegt hätte, ihretwegen auf den Pokal zu verzichten. Was denkt ihr, was die sich dann anhören müßte?

Zum zweiten, die Damen und die Herren, bin ich hier die Mannschaftskapitänin, bis dieses Schuljahr vorbei ist. Das heißt, ich entscheide, wen ich in welchem Spiel aufstelle oder nicht. Und zwar entscheide ich das danach, wie gut ich die Spielerinnen und Spieler auf ihren Positionen erlebt habe und für wie stark ich die Gegner halte. Julius ist zu einem hervorragenden Jäger geworden, Hercules. Gegen die Roten, die alle starke Jäger und ein überaus schlagkräftiges Treiberduo besitzen werde ich nur die besten aus unserer Mannschaft aufstellen, was heißt, daß Julius beim nächsten Spiel gegen die Roten antreten wird. Was dich angeht, Hercules", wobei sie den angesprochenen Schüler genau ins Auge faßte, "so gilt meine Ankündigung, die du gerne als Drohung auffassen magst, immer noch, daß ich dich nicht aufstellen werde, wenn ich den Eindruck habe, daß du nur noch darauf spielst, die Spieler der roten Mannschaft regelwidrig zu verletzen. Sollte ich das während des nächsten Spiels merken lasse ich dich noch während des Spiels von Professeur Dedalus vom Feld schicken, auch wenn wir dann in Unterzahl spielen müssen. Dies nur, damit du nicht behauptest, nicht gewarnt worden zu sein.

Drittens war Jeanne Dusoleil im letzten Jahr die Kapitänin, und ich kann mich nicht entsinnen, daß irgendwer von uns ihr unterstellt hätte, wegen ihres damals schon mehrjährigen festen Freundes Bruno, der der Kapitän der Roten war, den Pokal an die Roten gehen zu lassen oder von Bruno Zugeständnisse zu bekommen, der Pokal ginge auch so an die Grünen. Jeanne und Bruno haben gegeneinander gespielt, wie die, die letztes und vorletztes Jahr schon dabei waren genau wissen. Also verbitte ich mir jede ungerechtfertigte Anschuldigung, Millie könnte Julius wegen des Pokalgewinns für sich begeistert haben. Was die Sache mit dem roten Herzen angeht, so sehe ich es im Moment nur als Schmuckstück, ähnlich einem Freundschafts- oder Verlobungsring. Anderes wäre ja auch gegen die Schulregeln, und daß Julius gegen die Schulregeln verstoßen würde will ihm hier doch keiner unterstellen, oder?"

"Wenn er es nicht weiß", warf Céline ein, die auf Hercules' Gedankenzug aufgesprungen war. Julius zog sachte das rubinrote Herz unter dem Umhang hervor und zeigte es Virginie. Dabei berührte er es sachte mit dem silbernen Pflegehelferarmband. Tatsächlich wurde das Herz etwas wärmer. Doch sonst passierte nichts.

"Wo hast du das her?" Fragte Virginie interessiert und keineswegs alarmiert.

"Ich habe es für Millie und mich in einem Laden in Viento del Sol gekauft. Wie teuer es war sage ich nicht. Aber es ist eine amerikanische Anfertigung. Da Professeur Fixus Millie wohl drum gebeten hat, es wegzustecken dürfen wir es wohl behalten."

"Wie kommst du darauf?" Fragte Virginie und scheuchte die anderen außer Giscard zurück.

"Weil ich Millie angesehen habe. Sie wirkte nicht verärgert oder enttäuscht, weil sie es hätte abgeben müssen. Außerdem ist da echt ein Zauber drauf. Das ist nämlich die untere Hälfte eines vereinten Schmuckstückes, dessen obere Hälfte Millie hat. Wenn zwei, die sich sehr gut mögen sie tragen, pulsieren die Hälften sanft und fühlen sich warm an. Ich habe gerade, wie ihr alle gesehen habt, das Pflegehelferarmband drangehalten. Im Pflegehelferarmband ist ein Curattentius-Zauber eingewirkt, der dunkle Wesen oder Objekte abwehrt. Das Herz und das Armband haben sich bei der Berührung nur erwärmt, aber nicht abgestoßen oder einen Blitz zwischen sich erzeugt. Glaub's mir bitte, Virginie, daß ich mittlerweile weiß, wie der Zauber im Armband auf echte dunkle Kreaturen reagiert. Außerdem pulsiert das Herz noch, was heißt, daß Mildrid es auch noch bei sich hat."

"Darf ich es mal in die Hand nehmen?" Fragte Virginie behutsam. Julius nickte, zog die Kette über den Kopf und gab ihr das rote Herz. Sie betastete es vorsichtig und wandte sich dann wieder ihm zu.

"Jetzt fühlt es sich wie kalter Stein an und pulsiert nicht mehr", sagte sie und näherte sich Julius. "Oh, jetzt wird es richtig warm und vibriert sanft, und fühlt sich an wie mit Fell überzogen", flüsterte sie. Dann hängte sie Julius vor allen Augen die Kette wieder um. Er bot noch an, das Schmuckstück von Professeur Faucon überprüfen zu lassen, die ja mehr von dunklen Artefakten verstehe als alle hier zusammen. Doch Giscard, der mit Virginie einige Worte wechselte, meinte:

"Wenn sie das Ding nicht von sich aus beschlagnahmen will brauchst du es nicht abzugeben. Und sie hat es ja nicht beschlagnahmt, oder?"

"Nöh, das hätte sie ja sofort getan, wo wir am Tisch saßen", erwiderte Julius. Hercules warf dazu ein, daß sie es vielleicht in dem Moment nicht bedacht habe. Darauf meinte Giscard:

"Hercules, wenn jemand Sachen nach Beaux reinbringt, die bezaubert sind und die sie nicht kennt, zieht Professeur Faucon sie sofort ein, wenn sie die Gelegenheit dazu hat. Soll ich dir echt Strafpunkte geben, weil du ihr Unfähigkeit unterstellen willst?"

"Keiner ist unfehlbar, Giscard", warf Hercules trotzig ein. Giscard nickte ihm zwar zu, sagte dann aber:

"Eben gerade deshalb würde sie lieber erst prüfen, was das ist, was sie nicht kennt. Demzufolge hat sie von dieser Art Schmuck schon gehört und weiß wohl auch, woher er kommt und wie er bezaubert wurde und ihn für harmlos genug befunden, ihn bei Julius zu belassen."

"Moment mal, seit wann dürfen wir Zaubersachen aus Amerika in Beauxbatons benutzen?" Fragte Céline argwöhnisch. "Mit den Besen aus anderen Ländern geht das ja nicht, und die Amis haben heftige Außenhandelsbeschränkungen."

"Ich habe das Ding verzollen müssen", erwiderte Julius schlagfertig. Das stimmte zwar nicht, weil niemand ihn gefragt hatte, ob er irgendwas ausführen oder in Frankreich einführen wolle, aber als passende Antwort gefiel ihm das schon.

"Du hast erzählt, du wärest mit der Sphäre über den großen Teich rüber", warf Hercules ein. "Da gibt's doch keine Grenzwachen wie bei den Kaminen."

"Deshalb hat das amerikanische Zaubereiministerium ja einen von der Grenzwache hingeschickt. Wenn du da ankommst mußt du erst durch ein Tor gehen", sagte Julius. Virginie nickte. Offenbar kannte sie das auch schon von irgendwoher. Hercules verzog zwar das Gesicht, sagte dazu aber nichts weiteres. So sagte Virginie:

"Wir spielen in zwei Wochen gegen die Roten. Wenn du dich gut benimmst, Hercules", wobei sie diesen ansah, "stelle ich dich genauso auf wie Julius", womit sie Millies neuen Freund ansah. "Ende der Diskussion!" Dann wandte sie sich wieder Laurentine zu, die nun wieder herantrat und Julius finster ansah. Doch das trieb sie ihr aus: "Was dich angeht, Mademoiselle Hellersdorf, wirst du dich in Zukunft mit deiner Wortwahl sehr in Acht nehmen und dich wesentlich gesitteter benehmen. Sonst lasse ich bei meiner Mutter gleich das Gästezimmer für die Sommerferien herrichten, abgesehen davon, daß ich dir bei weiteren Ausfälligkeiten Strafpunkte verpasse, damit das klar ist."

"Deine Mutter findet das bestimmt nicht gut, wenn Julius, den sie ja fast als deinen Adoptivbruder gekriegt hätte, sich ausgerechnet mit einer von den Latierres einläßt. Ich schreibe ihr das gerne, was ich davon halte, wenn du nicht fähig bist, da was gegen zu machen."

"Wie gesagt weiß meine Mutter das schon längst, daß die beiden zusammen sind und kennt auch die Umstände, die du nicht von ihm erfragen kannst", sagte Virginie. "Wie ebenfalls gesagt, kann und darf sie nichts dagegen einwenden, weil sie eben nicht das Sorgerecht für Julius hat. Da du das auch nicht hast steht es dir noch weniger zu, ihm die Partnerschaft mit Mildrid zu verbieten. Du kannst sie kritisieren und ablehnen. Aber du wirst ab jetzt gefälligst anständig sprechen, junge Mademoiselle, bevor meine Mutter es für geboten hält, das Sorgerecht über dich zu beantragen. Ich werde ja ab Schuljahresende nicht mehr da wohnen. Dann würde ein Zimmer frei." Bébé wich erschrocken und mit geröteten Ohren zurück, passierte im Rückwärtsgang Céline, die sich ihr nun anschloß und zu einem freien Tisch hinüberdeutete.

"Hoffentlich war's das jetzt", knurrte Julius, als auch Hercules den Rückzug antrat. Giscard meinte:

"Das kommt davon, wenn du dir ein Mädchen aussuchst, das es sich mit anderen Mädels verdorben hat. Ich weiß das noch, wie Yves sich das von seinen Klassenkameradinnen anhören mußte, daß er mit Nicole von den Blauen zusammen war. Aber wenn die Millie Latierre dir das wert ist wirst du morgen schon über diesen Unsinn von eben lachen." Der Saalsprecher ging an einen Tisch, wo seine Kameraden aus der sechsten Klasse saßen. Virginie stand nun alleine bei Julius, der sich umsah, wo er sich hinsetzen sollte. Sie hielt ihn sanft am linken Arm fest und sagte ihm leise:

"Das ist das erste Mal, seitdem ich hier in Beaux bin, daß sich so viele Leute wegen einer Beziehung von jemanden aufregen." Sie schnüffelte demonstrativ an ihm und meinte: "Vom Geruch her ist es nichts, was mir auffiele."

"Hercules hat seinen Privatkrieg mit den Roten, vor allem den Mädels von denen, Laurentine und Céline spulen sich auf, weil sie meinen, ich hätte Claire verraten oder mich nicht lange genug zurückgehalten, wie es einem Witwer anstehen sollte, Gérard weiß wohl nicht, wie er das jetzt finden soll, daß seine Ex nun mich ausgesucht hat und Robert muß aufpassen, daß er es sich nicht mit Céline verscherzt oder sowas", seufzte Julius. "Dann kriege ich wohl bald noch von Belisama was ab, eventuell von Deborah, die sich über Belisama aufregt und womöglich noch was von den Jungs aus dem roten Saal, die sich gerne mit Millie zusammengetan hätten."

"Tja, das ist das Abenteuer Jugendliebe", feixte Virginie. Dann lächelte sie und sagte ruhig: "Giscard hat völlig recht, daß das deine Sache ist und wenn sie es dir wert ist stehst du da drüber und kommst mit allem klar. Und ich habe schon den Eindruck, daß dir die Beziehung mit Millie schon viel bedeutet."

"Woran machst du das fest?" Fragte Julius eher neugierig als genervt.

"Weil du im wesentlichen ganz ruhig geblieben bist Heute Abend bei Tisch und eben gerade. Du warst nicht verlegen, hast dich nicht gleich aufgeregt und vor allem hast du es uns allen sofort gezeigt, daß du mit Millie zusammen bist, weil du dein Herzchen da nicht versteckt hast. Millie hätte ja nichts dagegen machen können, wenn du gesagt hättest, daß das nicht jeder sehen soll."

"Du sagtest gerade, daß deine Mutter das von uns genau weiß. Hat die dir was erzählt?"

"Nein, hat sie nicht. Sie sagte nur, daß es wohl wirklich was ernstes sei und ihr das wohl bis zum Ende eures Lebens durchhalten könntet, wenn Millie oder du nicht was ganz heftiges anstellt, um die Beziehung zu zerstören. Sie meinte nur, daß es sehr praktisch sei, daß du bereits in Familienplanung und Säuglingspflege vorgebildet wärest, weil Millie, wenn sie nach ihrer Mutter und beiden Großmüttern käme nicht lange mit dem Kinderkriegen warten würde, oder wie Maman sich ausgedrückt hat: "Sie dürfte, wenn die von ihrer Mutter und beiden Großmüttern vererbten Anteile vollständig zur geltung kommen nicht so geduldig warten, bis sie zum ersten Mal ein Kind empfängt. Also sollte das mit euch beiden halten, und auch wegen Claire gönne ich es dir, daß es hält, dann wirst du nicht umhin kommen, ihr Extragepäck zuzustecken, mit dem sie aus Beauxbatons herausgeht.""

"Du findest das nicht, daß ich mir das falsche Mädchen ausgesucht habe?" Fragte Julius immer noch neugierig.

"Abgesehen davon, daß ich Millie fragen müßte, ob sie sich den richtigen Jungen ausgesucht hat weiß ich ja auch nicht, ob ich für Arons Kumpels nicht "das falsche Mädchen" bin. Was meine Mutter angeht, die wollte eigentlich schon, daß du dich nach einer ihrer Auffassung nach kultivierteren, von echten Damen erzogenen Junghexe umsiehst. Aber da deine Mutter da wohl nichts gegen unternommen hat und wohl mit Millies näherer Verwandtschaft auch sehr gut klarkommt kann sie nichts machen, wie ich es Bébé erzählt habe."

"Professeur Faucon hatte einen kleinen Ausraster, als sie das mitbekam. Aber die hat dann irgendwie klein beigegeben", meinte Julius.

"Ich weiß, weil sie meinte, mit dem Exosenso-Zauber in deine Empfindungen reinzulauschen und dabei in Madame Latierres Unterleib gelandet ist. Jetzt kuck mich nicht an, als dürfte ich das nicht wissen! Das weiß ich, daß ich das nicht wissen sollte. Aber da du es ja selbst mitbekommen hast sehe ich nicht ein, das dir zu verschweigen. Immerhin ist es durch halb Millemerveilles gegangen. Castello ist ein Tratschonkel erster Güte, wenn es was ganz lustiges zu erzählen gibt."

"Dabei hat ihn unsere Saalkönigin bestimmt darauf festgenagelt, nix auszuplaudern", warf Julius ein. Dann mußte er grinsen. Virginie ließ von ihm ab und ging zu ihren Schulfreundinnen hinüber. Julius sah sich um. Hercules und Gaston waren bereits aus dem Gemeinschaftsraum hinaus. Womöglich wollten sie in den Schlafsaal. Julius hoffte nur, daß sie sich nicht an seinen Sachen vergriffen. Bei Hercules war er sich nämlich im Moment nicht sicher, ob der nicht aus lauter Wut was dummes anstellen würde. Er sah Robert, der sich noch mit Céline und Laurentine unterhielt, etwas entspannter als einige Minuten vorher. Er sah Gérard, der an einem Tisch saß. Als dieser Merkte, daß Julius ihn genau anblickte, winkte er ihm zu und deutete auf einen freien Stuhl. Julius nickte und ging hinüber. Als er saß knurrte Gérard:

"Also, ich könnte Culie für seine Geschwätzigkeit glatt mit dem Kopf in ein vollgekacktes Klo stecken und dann spülen." Dann sagte er: "Millie und ich haben uns ruhig getrennt, als Königin Blanche mir eingeheizt hat, ich solle nur an die Schule denken und die Finger von "Diesem Mädchen" lassen und es ihr gesagt habe. Einen Tag später sah ich sie dann mit einem aus der damals sechsten Klasse rumlaufen. Als ich sie dann fragte, was das sollte, meinte sie, sie habe es satt, mit einem kleinen, leicht einzuschüchternden Jungen rumzulaufen. Ich habe ihr dann noch viel Spaß gewünscht und gemeint, ich hätte von ihr genug gelernt, daß mir so'n Fehler wie mit ihr nicht mehr passiert. Sie meinte dann auf ihre Art, die du entweder schon kennst oder bestimmt noch kennenlernen wirst, daß sie sich beim nächsten Mal auch genauer umsehen würde, ob ein Typ, den sie mag, es wert sei, daß sie seine Freundin würde. Seitdem habe weder ich über sie, noch sie über mich was gesagt. Culie und die anderen Jungs haben mich erst bedauert. Aber weil Culie da gerade mit Bernie anfing hat der sich doch sehr zurückgehalten, und Robert war schon seit dem dritten Monat unserer Schulzeit mit Céline zu sehen. Es dauerte dann drei Monate, bis ich mich wieder durchgerungen habe, mit einem Mädchen über mehr als nur Schulsachen zu sprechen. Das war Sandrine. Die ist zwar auch nicht ohne, wie du ja auch weißt, weil die ja auch in eurer Truppe ist, aber zumindest nicht so ungestüm wie Mildrid. Damit du nicht denkst, ich müßte jetzt mit dir Krach haben, weil du dich von meiner Exfreundin hast anlachen lassen - Konnte ja jeder sehen, daß die hinter dir her war - wollte ich dir nur sagen, daß ich mit Sandrine im Moment sehr gut klarkomme und Millie keine Träne nachweine, geschweige denn auf ihre Freunde eifersüchtig werde. Das hätte die vielleicht gerne. Aber so läuft die Sache nicht."

"Daß du Millies erster Freund warst hat sie mir nicht erzählt. Könnte sein, daß das nicht so wichtig für sie war oder sie nicht wollte, daß ich mit dir Krach wegen ihr kriege", erwiderte Julius, froh, zumindest einen vernünftig denkenden Klassenkameraden zu haben. Gérard erwiderte darauf:

"Meine Mutter meinte, sie dürfe mir nicht in meine Liebesangelegenheiten reinreden, weil ich das alleine lernen müsse, und wenn ich mich von wem trenne dürfe sie diejenige nicht dafür büßen lassen, weil das ihre Neutralität verbiete. Also bitte ich dich, ihr das nicht irgendwie aufs Brot zu schmieren!"

"Mache ich nicht, Gérard. Ich würde auch weiterhin gerne mit Hercules klarkommen. Aber was ich ihm entgegenhalten mußte meinte ich auch so. Der klammert sich an die Kiste mit dem Pokal, weil er eigentlich noch nicht von Bernadette weg ist. Der hat eine neue Freundin wesentlich nötiger als ich. Aber ich muß dem keine aussuchen."

"Meine Meinung", erwiderte Gérard. "Aber solange der so drauf ist wie im Moment wird den keine mehr ansehen. Naja, wird er eben an Walpurgis auf dem Boden bleiben müssen, wie die anderen Jungs, die keine Einladung kriegen."

"Hätte mir ja auch passieren können", warf Julius ein. Darüber mußte Gerard lachen.

"Du auf dem Boden! Du hättest bestimmt zehn Einladungen gekriegt, von deinen Pflegehelferkameradinnen, die nicht verbandelt sind, von Edith Messier, die wohl immer noch Hoffnungen hatte, seitdem du damals Prinzessin Grandchapeaus Zwillingsschwester warst oder die Duisenberg-Mädchen und die Monti-Zwillinge. Dann hätte Céline Bébé lange genug bequatscht, daß die dich auch einläd, damit die lernt, wie toll das ist. Bei einer von denen hättest du hinten aufsitzen müssen, wenn du nicht an jeder Ecke 'ne wütende Hexe treffen wolltest."

"Kann mir immer noch passieren, so wie Céline und Bébé drauf sind. Und ob deine Süße Sandrine das so wecksteckt weiß ich auch nicht", warf Julius ein.

"Wird dir zwar passieren, daß sie wissen will, warum Millie und nicht Belisama, aber dran rummeckern wie Culie wird sie dann nicht. Sie wird dir wohl ehr viel Glück und Durchhaltevermögen wünschen, auch wegen Claire. Immerhin waren die beiden ja sehr gute Freundinnen." Julius nickte. Er verschwieg, daß er Sandrine auf der Traumwiese gesehen hatte, wo Claires Geist, bevor er sich mit dem ihrer Großmutter vereinigte, die möglichen Nachfolgerinnen vorgestellt hatte.

"Hercules wird sich beruhigen. Da kommt zwar noch das Spiel, wo er egal wie's ausgeht motzen wird, weil wir den Pokal entweder verlieren oder er meint, Millie hätte uns den geschenkt. Aber dann wird der sich wieder beruhigen."

"Wenn er sich wieder einkriegt und sich auf eine andere einläßt vielleicht schon früher", erwiderte Gérard. Dann sah er sich um. André Deckers kam aus dem Schlaftrakt der Jungen und sah sich suchend um. Dann steuerte er Robert an, sprach mit ihm. Robert schüttelte den Kopf. Daraufhin kam er zu Gérard und Julius herüber.

"Habt ihr Gaston und Culie gesehen?" Fragte er. "Ich wollte mich mit Gaston noch über was für Madame Denk-nicht-dran unterhalten. Die sind nicht im Schlafsaal und auch nicht im Badezimmer." Julius sah auf seine Uhr. Es war jetzt halb zehn Abends. in einer halben Stunde war Saalschluß, was hieß, daß dann alle Schüler in ihren Wohnsälen zu sein hatten.

"Vielleicht sind die noch mal in die Bibliothek runter, auch so für irgendwas aus den Hausaufgaben", vermutete er. Dann fragte er André was er noch wissen wolle.

"Ich dachte, ihr beiden hättet noch was wegen Millie zu klären", meinte André.

"Damit sind wir fertig", meinte Gérard. "Meine Freundin heißt Sandrine, und wenn Julius Millies Bedürfnisse und Erwartungen besser erfüllen kann als ich soll er mit ihr glücklich werden. Ich fang bestimmt nicht an, mich mit ihm zu zanken."

"Also, was möchtest du noch wissen, André?" Bot Julius noch mal seine Hilfe an. André sah ihn erleichtert an und stellte seine Fragen. Julius half ihm mit den Rezepturen aus, die noch verlangt wurden. André freute sich wie ein Schneekönig, daß er doch keine Fehler gemacht hatte, bedankte sich überschwenglich und verabschiedete sich. Kaum war er gegangen, vibrierte Julius' Pflegehelferarmband. Er legte den Finger auf den weißen Stein und brachte damit Sandrines Abbild zwischen sich und Gérard. Die Pflegehelferkollegin von Julius und Freundin Gérards nickte beiden zu und sah dann Julius an.

"Ich fang nicht an, dich auszufragen, wie das mit dir und Millie zusammengekommen ist, Julius. Ich möchte von dir nur hören, ob du dir da ganz sicher bist, mit Millie besser klarzukommen als mit Belisama."

"Ja, da bin ich mir sicher", sagte Julius.

"Gut, mehr wollte ich nicht von dir. Gute Nacht ihr beiden!"

"Nacht, Kleines", wünschte Gérard, und Julius verabschiedete sich angemessen von Sandrine. Deren Abbild verschwand darauf übergangslos.

"Die hat nicht lange gefackelt", meinte Gérard schmunzelnd. Julius nickte und grinste zustimmend. Dann sah er sich um. André saß nun bei Carmen aus der dritten Klasse. Dann sah er Robert, der sich von Céline abgesetzt hatte und sich zum Schlaftrakt umwandte, die beiden Mädchen immer noch aufgeregt gestikulierend hinter ihm herlaufend.

"Oh, der will sich von denen absetzen", meinte Julius leicht schadenfroh. Gérard grinste.

"Besser wir gehen da auch hin, bevor wir Céline und Bébé bei uns rumhängen haben", meinte Julius' Klassenkamerad und stand auf. Zusammen eilten sie durch den Gemeinschaftsraum, umkurvten Laurentine und Céline, die knapp vor dem Eingang zu den Jungenschlafsälen abbremsten und sich verärgert anblickten. Als Bébé Julius sichtete wollte sie los, ihn noch festzuhalten. Doch da hüpfte er durch die noch offene Tür und war über die Grenze, die nur Jungen oder erwachsene Schulbedienstete überqueren durften. Gérard gönnte es sich, den beiden ein "Angenehme Nacht noch, Mädels", zuzurufen, bevor auch er durch die Tür schlüpfte und sie hinter sich schloß. Feist grinsend stiegen die beiden Jungen die Treppen zu den Schlafsälen hoch und betraten den für Viertklässler.

"Ob die Carmen jetzt anquatschen, die könnte mich übers Armband rufen?" Fragte Julius amüsiert, als sie Robert begrüßt hatten, der gerade sein Nachtzeug aus dem Koffer holte.

"Kriegen die dann nicht Ärger mit Madame R.?" Fragte Gérard.

"Die nicht. Carmen höchstens, wenn die sich drauf einläßt", meinte Julius.

"Genug von deiner Süßen für heute, Robert? Hast du ihr denn zumindest noch ein Gutenachtküßchen gegeben?" Stichelte Gérard.

"Komm, Gérard, nicht du auch noch!" Maulte Robert angenervt. "Die redeten nur über Julius und Millie, Millie und Julius, daß er Claire so böse verraten hätte und die irgendwie nicht richtig aufgepaßt hätten. Es reichte mir irgendwann."

"Sah aber doch schon etwas entspannter aus als eben, wo Virginie Bébé zur Ordnung gerufen hat", meinte Julius.

"Na klar, weil die beiden sich einig sind und ich nach ein paar Fragen an Céline gemerkt habe, daß ich mich nur unnötig aufregen würde. Aber irgendwann war es genug", meinte Robert.

"Ich habe Sandrine noch 'ne gute Nacht wünschen können. Die hat Julius hier über das Silberarmband angerufen und wollte nur wissen, ob das ein Jux sei, daß Julius mit Millie geht."

"Bitte nicht ihr auch noch", knurrte Robert. "Julius, nichts für ungut. Ich bin ja froh, daß du bei einer lebenslustigen Hexe angekommen bist. Aber deinen Namen und ihren möchte ich bis morgen Früh nicht in einem Satz hören. Ich habe die Schnauze voll für heute."

"Sag das Culie, wenn der hochkommt!" Warf Gérard ein.

"Der ist mit Gaston raus vor die Tür, vielleicht noch mal runter zur Bibliothek, vielleicht auch ganz raus aus dem Palast. Die haben sich beide so giftig angesehen, daß ich mich nicht wundern würde, wenn die sich einen stillen Ort zum Verkloppen gesucht haben."

"Öhm, könnte sein", grummelte Julius. "Hercules hat Gaston ja Keile angedroht, weil der ihn vorhin so heftig verspottet hat."

"Mach keinen Witz", knurrte Gérard. "Sollte Culie dabei mehr abkriegen als Gaston hängt er Millie und ...", Robert schüttelte heftig den Kopf. "... also der und dir das auch noch an", Julius."

"Vielleicht duellieren die sich sogar", unkte Julius.

"Na und. Dann kriegen die Krach mit Königin Blanche", meinte Robert abfällig. "Da kannst du doch nix für, Julius. Binde dir das also nicht selbst ans Bein, wenn die beiden es so nötig haben, sich gegenseitig zu ramponieren!"

"Ich will nur nicht blöd aussehen, wenn Madame Rossignol mich fragt, ob ich das nicht hätte verhindern können."

"Hups, haben die neuerdings unsichtbare Saalsprecherbroschen?" Fragte Gérard und blickte Julius Umhang genau an. Dann meinte er: "Das sollen die Lehrer oder Giscard auf die Kappe nehmen. Immerhin hat Königin Blanche ja mitgekriegt, daß die beiden sich bedroht haben. Dann kann die sich den Haufen Drachenmist ans Bein klatschen." Julius nickte. Warum maßte er sich an, sich für das jungenhafte Krawallbedürfnis der beiden verantwortlich zu fühlen?

Etwas miaute leise vor dem Fenster. Julius hörte dabei eine Frauenstimme sagen:

"Julius, mach das weg, damit ich zu dir kann!"

"Kuck mal, Maman Goldschweif ist auch schon wieder da", meinte Robert. Julius nickte und öffnete das Fenster. Die silbergraue Knieselin mit dem goldenen Schweif sprang geschmeidig auf seine Schultern hinüber.

"Hallo, Goldi!" Grüßte Julius. "Ich dachte, wegen deiner Kinder könntest du nicht mehr zu mir", sagte er mit einer leicht erhöhten Stimme, als spreche er zu einem kleinen Kind.

"Meine Kinder sind im Moment gut aufgehoben. Ich wollte nur zu dir und dir sagen, daß ich bald wieder häufiger zu dir kommen kann", schnurrte Goldschweif. Dann lauschte sie aufmerksam und schnüffelte. "Du hast wen gefunden", schnurrte sie dann sehr behagt. "Du bist mit dem Weibchen Millie zusammen." Julius flüsterte:

"Ja, mit der bin ich zusammen."

"Ihr habt schon die Stimmung erlebt", schnurrte Goldschweif. Julius war froh, daß nur er seine vierbeinige Vertraute verstehen konnte. "Du trägst etwas bei dir, was dir Kraft von ihr und ihr Kraft von dir bringt", hörte er Goldschweifs Stimme warm an sein rechtes Ohr dringen. Er bewunderte es einmal mehr, wie fein die Sinne der Knieselin waren. Offenbar konnte sie das kleine Herzschmuckstück hören, nicht nur als Schallquelle, sondern auch und vor allem als Zauberkraftquelle. Er fragte so leise es ging:

"Ist das was freundliches oder böses?"

"Das ist was sehr freundliches", klang Goldschweifs Stimme warm zur Antwort.

"Was turtelt die da mit dir, Julius?" Fragte Robert. Julius setzte Goldschweif vorsichtig ab, die mit erhobenen Schwanz durch das noch offene Fenster kletterte und in die nacht entschwand.

"Sie hat gerochen, daß ich mir eine neue Freundin ausgesucht habe. Da das eine von denen ist, mit denen sie mich schon immer verkuppeln wollte hat sie sich gefreut", antwortete Julius. Innerlich war er froh, daß er nun die endgültige Bestätigung hatte, daß sein neues Schmuckstück keine dunklen Kräfte besaß. Denn Goldschweif konnte, soviel wußte er von seinem Abenteuer in Slytherins Galerie des Grauens, die Auswirkung von Zauberkraft wahrnehmen, besser als ein umständlich aufgerufener Fluchenthüller. Er schloß das Fenster und folgte Roberts Beispiel, sein Nachtzeug herauszuholen und Sachen für morgen bereitzulegen.

Als um zehn Uhr noch immer nichts von Hercules und Gaston zu sehen war, fragte Julius, ob noch jemand mit ihm runterginge, um nachzusehen.

"Wenn Céline und Bébé schon in ihrem Schlafsaal sind kein Problem", meinte Robert. Gérard wollte hierbleiben.

Die beiden Mädchen waren noch unten, so daß Robert schnell wieder hinter die Tür verschwand. Julius kümmerte sich nicht drum. Er ging durch den Gemeinschaftsraum und blickte sich um. Hercules und Gaston waren jedoch nirgends zu sehen, obwohl die große Standuhr bereits eine Minute nach zehn Uhr zeigte. Er sah Waltraud, die sich mit zwei fünftklässlern unterhielt und fragte sie, ob sie die beiden gesehen hatte.

"Die sind hier nicht reingekommen, Julius", sagte Waltraud. "Das gibt bestimmt heftig viele Strafpunkte."

"Die haben sich wohl immer noch in der Wolle wegen was", meinte einer der beiden älteren Jungen. Dann sah er Julius verschmitzt an und fragte:

"Na, Julius. Hast dich auf 'ne Rassebraut eingelassen. Wie kam denn das?"

"Ich dachte eigentlich, du hättest es nicht nötig, von jüngeren was zu lernen", meinte Julius amüsiert. "Aber damit du heute Nacht gut schlafen kannst: Mir war es langsam lästig, mir von zwei Mädchen nachjagen zu lassen. Da bin ich so schnell gerannt, und sie war die einzige, die mithalten konnte." Die beiden Jungen lachten laut.

"Guter Trick, dann weißt du zumindest, daß die Braut kräftige Beine hat", meinte der Kamerad des Fünftklässlers. Dann fragte er Julius noch:

"Waltraud hier meinte, in Kräuterkunde seist du ihr noch über. Hast du mal was von Blauwurz gehört? Professeur Trifolio hat uns gedroht, darüber übermorgen 'ne Zwischenprüfungsarbeit zu schreiben, obwohl er uns dieses Unkraut noch nicht gezeigt hat. Er meint, wir sollten lernen, auf ein Stichwort hin was zu recherchieren."

"Ach, und dafür habt ihr morgen keine Zeit mehr?" Fragte Julius. "Aber ich kenne das Zeug. Ist echt ein Unkraut. Das wächst in Flußbetten und gibt da Sporen ab, die andere Pflanzen vertrocknen lassen. Wer mit diesen Sporen versetztes Wasser trinkt kriegt einen tierischen Durst. Allerdings wachsen die Pflanzen nur alle fünf Jahre und nur da, wo jemand ertrunken ist. Deshalb heißt sie auch Indicatrix mortis aquaticae." Er holte eines seiner Kräuterkundebücher hervor und diktierte den beiden Mitschülern die wesentlichen Daten und empfahl für eine Zeichnung noch "Wild- und Schadkräuter der gemäßigten Breiten". Die beiden bedankten sich und wünschten Waltraud eine gute Nacht.

"Du hast doch nicht echt mit Mildrid und Belisama ein Wettrennen veranstaltet, oder?" Fragte sie geheimnisvoll lächelnd.

"Sollte ich den Burschen da jetzt eine lange Geschichte erzählen, die die mir eh nicht abkaufen würden?" Fragte Julius zurück, während er die Centinimus-Bibliothek wieder fortpackte.

"Auch wieder wahr", meinte Waltraud. "Ist nur die Frage, wie Mademoiselle Honighaar das hinnimmt. Hat die dich schon über das Armband angerufen?" Julius schüttelte den Kopf. Sie nickte. "Dann will sie dir das sagen, wenn sie dich greifbar vor sich hat."

Die Wand ging auf, und Professeur Faucon kam herein. Sie sah sich um und rief dann Giscard Moureau zu sich. Als sie sah, daß Julius auch noch da war winkte sie ihm. Er ging schnell hinüber zu ihr.

"Monsieur Moulin und Monsieur Perignon befanden offenbar, daß es sehr männlich sei, sich wegen irgendwas im nördlichen Park mit Händen und Füßen zu malträtieren. Schuldiener Bertillon fand sie erst vor fünf Minuten. Sie befinden sich zur Zeit in der Obhut von Madame Rossignol. Womöglich werden die beiden in wenigen Minuten zurückkehren. Richten Sie den beiden unverzüglich aus, daß sie sich morgen früh, gleich nach dem Wecken, ordentlich gewaschen und bekleidet bei mir im Sprechzimmer einzustellen haben! Widrigenfalls werde ich zu den jeweils einhundert Strafpunkten noch weitere einhundert hinzufügen. Eine Angenehme Nachtruhe wünsche ich!"

"Sehr wohl, Professeur Faucon", erwiderten die beiden Jungen und wünschten ihr ebenfalls eine angenehme Nachtruhe. Die Verwandlungslehrerin verließ den ihr unterstellten Saal durch die sich öffnende und hinter ihr wiederverfestigende Wand.

"Weißt du was die beiden zu einer Rauferei getrieben hat, Julius?"

"Weil Hercules getönt hat, wie bescheuert das sei, daß ich jetzt mit Millie ginge und Gaston meinte, ihn wegen Bernadette aufziehen zu müssen, daß sie ihn nicht rangelassen also zum Sex mit ihr ermutigt hätte."

"Ui, das ist schon sehr dreist", meinte Giscard. "Ach das war die Sache, warum die beiden sich die Fäuste gezeigt haben?" Julius nickte. "Ich fürchte, Hercules ist in argen Schwierigkeiten, wenn er nicht lernt, seine Wut über das Ende der Beziehung mit Mademoiselle Lavalette zu zügeln oder diese junge Hexe ganz zu vergessen."

"Vielleicht sind die beiden jetzt friedlich. Hoffe nur, daß ich gleich nicht noch was abkriege", meinte Julius.

"Geh schon mal hoch! Ich warte hier auf die beiden Helden", sagte Giscard. Julius nickte und ging zum Schlaftrakt zurück. Doch Céline und Bébé standen davor.

"Robert hat mir keine gute Nacht gewünscht", knurrte Céline. "Wünsch ihm bitte eine von mir!"

"Mach ich", erwiderte Julius und verließ unangefochten den Gemeinschaftsraum.

Kurz vor der Bettkontrolle der Viertklässler brachte Giscard die beiden Streithähne in den Schlafsaal und sagte noch:

"Jetzt legt euch hin und schlaft! Wenn ich morgen früh mitkriege, daß irgendwas passiert ist, gibt's Ärger. Gute Nacht!"

"Na, wer hat gewonnen?" Fragte Robert mit feistem Grinsen, als die beiden Jungen äußerlich unversehrt aber mit ramponierter Kleidung vor den Betten standen und ihr Nachtzeug hervorkramten. Hercules knurrte nur was, daß das keinen was anginge, während Gaston meinte:

"Culie ist zwar ein guter Drescher. Aber die Beinarbeit ist schwach. Habe ihm mindestens vier Pfund eingeschenkt. Das hat das eine volle, das er mir verpasst hat gut ausgeglichen."

"Daa wo das herkam sind noch mehr, Lästermaul. Kannst bei der Rossignol schon mal ein Dauerbett reservieren", schnarrte Hercules. Dann sah er Julius an, der bereits in Abwehrbereitschaft war.

"Alles wegen deiner blöden roten Zicke."

"Oh, ehr wohl wegen deiner", feixte Gaston.

Hercules wandte sich um und holte aus. Doch Gaston tänzelte zur Seite, und krachend erwischte Hercules' rechter Schwinger den Bettpfosten. Dem Knall folgte ein dumpfes Stöhnen.

"Das hast du jetzt davon", kicherte Gaston, auf der Hut vor weiteren Attacken.

"Haua, meine Hand", quängelte Hercules und biss die Zähne zusammen. Julius stand auf und trat zu ihm.

"Komm, lass mich mal bitte sehen!"

"Vergiss es!" Schnaubte Hercules und drohte mit der linken Faust. Doch Julius grinste nur.

"Was bist du, ein Mann oder ein Baby?" Fragte er. Hercules holte aus, doch Julius tauchte im selben Moment weg, als der linke Haken auf ihn zuflog. Dabei bekam Julius den Arm zu fassen, hebelte ihn einmal kräftig herum, so daß Hercules aufs Bett schlug.

"Also offenbar das zweite. Soll ich dir den passenden Körper ... Ach, das könnte auch Professeur Faucon machen", sagte er, während er Hercules im Polizeigriff hielt, wie er es aus dem Fernsehen kannte.

"Ey, lass los, Mann!" Schnaubte Hercules.

"Nur wenn du friedlich bist und mich sehen läßt, was mit deiner Führungshand passiert ist", versetzte Julius zwischen Wut und Entschlossenheit.

"Okay, ich seh's ein!" Schnaubte Hercules. Er entspannte sich, und Julius ließ ihn los, jedoch auf einen Revancheschlag gefaßt. Hercules zeigte ihm die rechte Hand, deren Gelenk bereits blau und rot anschwoll.

"Tolle Prällung. Kriege ich aber auch so weg", sagte Julius und bezauberte die Schwellung solange, bis das Handgelenk wieder unversehrt aussah. Dann überprüfte er noch, ob nicht vielleicht doch ein Knochen von Hand oder Finger gebrochen war, befand, daß kein weiterer Schaden entstanden sei und stellte das geschundene Handgelenk mit einem Bandagierzauber ruhig.

"Ist ja gut, daß wir jetzt eh pennen müssen", meinte Robert, als Hercules sich hauptsächlich mit links umzog. Julius nickte und meinte, daß sich die Hand bis morgen früh wieder erholt haben würde. Dann zog er sich zu seinem Bett zurück, kroch hinein und schloß den Vorhang.

"Mit dir bin ich noch nicht fertig", Gaston. Das nächste Mal hole ich den Zauberstab raus."

"Neh, lass mal. Das winzige Ding wollte Bernie schon nicht haben", lästerte Gaston. Robert erwiderte darauf:

"Jetzt ist aber gut, Leute. Ihr habt euch schön verkloppt. Das sollte doch reichen, ey."

"Ist ja gut, ey!" Knurrte Gaston.

Julius überlegte, ob er sich vor nächtlichen Übergriffen schützen sollte. Irgendwie schmeckte ihm das nicht, daß Hercules noch sauer auf ihn werden könnte. Doch er hatte ihm nichts getan, sich nur gewehrt. Ihm Fiel ein zauber aus der Blitzschulung bei Professeur Faucon ein, der Pacibiculum hieß und eine Schlafstelle oder ein Zelt so bezauberte, daß der darin liegende vor böswilligen Wesen geschützt war, solange er darin lag. Das war zwar eine Dreingabe, um ihn auf die wirklich heftigen Feindesabwehrzauber einzustimmen, kam ihm jetzt jedoch gut zu Pass. Er Nahm seinen Zauberstab, Legte sich richtig ins Bett und hielt sich die Stabspitze an den Bauchnabel. "Evoco Pacibiculum!" sagte er, durch den Vorhang sicher vor Mithörern. Ein warmes Kribbeln durchpulste Seinen Bauch und verband ihn mit dem Bett. Fünf Sekunden später ließ es nach. Solange Julius nun im Bett lag würde ihn kein Wesen körperlich angreifen können. Doch dafür wurde er auch schlagartig müde. Er schaffte es gerade noch, den Zauberstab fortzupacken. Da übermannte ihn auch schon der Schlaf.

__________

Wie mit einem eimer Kalten Wassers übergossen erwachte Julius am nächsten Morgen. Als er auf seine Uhr sah war es gerade halb sechs. Offenbar hatte der Bettfriednszauber, wie Professeur Faucon ihn auch genannt hatte, sein Schlafbedürfnis restlos befriedigt. Er fühlte sich noch nicht einmal müde. Auch erinnerte er sich an Traumfetzen.

"Könnte sein, daß ich den jetzt jede Nacht bringe", dachte er und schlüpfte leise aus dem Bett. Die anderen schliefen wohl noch. Er holte seine Sportsachen hervor.

"Ach, die kommen auch wieder!" Knurrte Robert, der genervt den Bettvorhang aufgezogen hatte. "Sag deinen zukünftigen Cousinen, daß sie die doch abhängen sollen!"

"Wahrscheinlich machen die das erst, wenn Millie mich auf den Besen gehoben hat", meinte Julius dazu nur. Dann sah er belustigt, wie die gemalten Mariachis durch die Bilder zogen und somit jeden aufweckten. Zwischendurch waren sie nur für die zu hören, deren Bilder hinter geschlossenen Vorhängen hingen. Julius beschloß, loszuziehen und auf die Saalöffnungszeit zu warten.

"Am besten steht ihr beiden auch schon auf, damit ihr das mit dem Anziehen hinkriegt", meinte Robert zu Hercules und Gaston. Doch diese blieben hinter ihren Vorhängen.

"Ich geh dann mal an die frische Luft", sagte Julius und verließ den Schlafsaal.

Beim Morgentraining traf er die Montferres und Latierres. Sabine meinte, ob Hercules sich wieder beruhigt habe. Julius fragte, was sie meine.

"Das hat doch jeder gesehen, wie der und Gaston sich gedroht haben. Ist da noch was nachgekommen?"

"Nichts, was in fünf Minuten nicht geheilt werden konnte", meinte Julius zu Sandra. Er freute sich, daß er mit den beiden Montferres so locker mitlaufen konnte, ohne nach Luft schnappen zu müssen. Millie lief einmal auf seiner Höhe mit und sagte ihm:

"Fixie hat sich nur kurz dein Ostergeschenk für mich angesehen und gemeint, daß wenn du mir schon sowas gönnst ich aufpassen solle, daß du das nicht bereust. Wie haben deine Jungs das weggesteckt?"

"Hercules grüßt schön, du solltest deine Knochen nummerieren, weil er dich beim nächsten Spiel in deine Einzelteiel zerhauen will, Robert ist angenervt, weil Céline angenervt ist, weil wir zusammen sind, Gaston hat sich gestern noch mit Hercules gestritten, weil der was über Bernadette losgelassen hat und Gérard ist froh, daß er Sandrine als Freundin hat", sagte Julius ruhig.

"Angeblich ist die ja nicht so anstrengend wie ich", erwiderte Millie tiefgründig lächelnd. "Dann haben sie dir wohl aufgebunden, daß Gérard und ich es miteinander probiert haben. Hat er dir noch einen guten Rat mitgegeben?"

"Ja, ich soll nicht alle Fragen von dir beantworten", erwiderte Julius. Millie lachte. Dabei kam sie aus dem Trott und fiel zurück.

"Ein bißchen mehr Tempo, der junge Held", meinte Sabine und stupste Julius in die Seite. "Bis zum Spiel übernächsten Samstag mußt du in Form sein. Sonst behauptet noch wer, du hättest uns den Pokal schenken wollen. Aber den holen wir uns anständig."

"In zwei Jahren vielleicht", erwiderte Julius. "Den stellt Professeur Faucon wieder schön in ihrem Zimmer unter."

"Wirst sehen, den holen wir uns noch."

"Nur wenn wir euch Agnes zum Suchen ausleihen. Sonst kriegen wir schon mal hundertfünfzig Punkte sicher."

"Der fängt den Schnatz dieses Mal", knurrte Sandra, die nun ebenfalls neben Julius herlief. Er grinste nur.

"Millie erzählte, ihr hättet in demselben Zimmer geschlafen wie unsere Eltern", meinte Sandra noch. "Sind die Betten immer noch so schön breit?"

"Ich weiß nicht, welches Zimmer eure Eltern hatten. Wir hatten einhundertneunundvierzig."

"Genau dasselbe", meinte Sabine, die gleichmäßig atmend neben Julius herjoggte. "In dem Zimmer sind wir entstanden."

"Echt?" Tat Julius verwundert, obwohl er das doch schon längst wußte.

"Sagt zumindest Raphaelle. Sie hätten da ihre Hochzeitsreise wiederholt mit allem Zubehör, nur daß sie dann mit etwas mehr Gepäck abgereist ist", erwiderte Sandra.

"So schwer werdet ihr damals nicht gewesen sein", nahm Julius den gespielten Ball auf. "Die paaar Mikrogramm."

"Raphaelle hat es aber gefühlt, daß sie mit etwas mehr im Bauch herumgelaufen ist. Die waren ja vier Wochen da."

"Bei den Preisen", meinte Julius. Immerhin hatte das Zimmer zehn Galleonen pro Tag gekostet, vielleicht auch damals schon, wenn nicht noch etwas mehr. Das ergab bei 28 Tagen 280 Galleonen.

"Wag dich jetzt zu behaupten, daß wir beide den Preis nicht wert seien, Julius. Dann kannst du in den Ferien Raphaelle bei unseren kleinen Brüdern helfen."

"Oh, die Drohung muß ich wohl ernstnehmen", erwiderte Julius keck. Er konnte sich jedoch schon vorstellen, daß er in den Sommerferien mehr schreiende Babys als erwachsene Leute um sich haben könnte, wenn die im Château Tournesol ausgelöste Babyflut eingetroffen war.

"Ist euer Culie immer noch auf dem Kriegspfad gegen uns?" Fragte Sabine.

"Wirst du merken, wenn er gegen euch spielt", erwiderte Julius, der jetzt langsam merkte, wie ihm doch die Luft knapper wurde.

"Der soll sich benehmen, sonst binden wir ihn auf Callistos Rücken", meinte Sandra. "Falls mir nicht noch was fieseres einfällt."

"Da gibt es einiges, aber das meiste davon ist verboten", meinte Julius. Er dachte an die ZAG-Feier von Virginie, wo er die Montferres zum ersten Mal getroffen hatte. Sie hatten ihre betrunkenen Freunde nach Hause bringen müssen und ihnen Zettel hingelegt, wie schön doch die Nacht mit ihnen gewesen sei.

"Wenn wir den Pokal haben, wird er sich schon beruhigen", sagte Sabine.

Als sie mit dem Frühsport fertig waren wünschten die Montferres Julius noch einen erfolgreichen Schultag. Sie würden sich ja dann am Nachmittag im Verwandlungskurs wiedersehen.

Hercules und Gaston waren wohl schon bei Professeur Faucon, als Julius noch einmal kurz in den Schlafsaal ging. Ihn kümmerte es im Moment nicht. Was die beiden sich anzuhören hatten konnte er sich eh denken. Womöglich bekamen sie eine Strafarbeit aufgebrummt, wenn sie nicht noch einmal in einem Goldfischglas wohnen durften.

Als er dann aber zum Zählappell vor dem Frühstück in den Gemeinschaftssaal eintrat, sah er an Virginies und Giscards Miene, daß irgendwas nicht stimmen konnte. Er reihte sich bei seinen Klassenkameraden ein und wartete ab, bis alle begutachtet worden waren. Dann rückten sie gemeinschaftlich aus dem grünen Saal aus.

"Die Alte ist heftig hart drauf", knurrte Hercules. "Die hat mir verboten, am Spiel gegen den roten Sauhaufen dabeizusein."

"Hups, so heftig?" Fragte Julius. Gaston grinste schadenfroh.

"Die hat uns beide erst einmal runtergemacht, was uns geritten habe, wie die Bergtrolle aufeinander einzuprügeln. Der Feigling hier mußte der das dann auch noch haarklein auftischen. Als sie mich dann gefragt hat, was mir denn einfiele und ich standhaft ihren Blick ausgehalten habe sagte dieser Drachenfurzfänger hier, daß ich doch eh alle Mädels aus dem roten Saal verkloppen würde, wenn ich die Gelegenheit hätte." Er funkelte Gaston an, der immer noch schadenfroh dreinschaute. Dann sprudelte der Rest der Geschichte aus Hercules raus. "Was hat die dann gemacht?! Die hat Giscard und Virginie zu sich bestellt und denen knallhart gesagt, daß sie es nicht verantworten könne, daß so ein undisziplinierter, bösartiger Bursche wie ich an einem ohnehin schon gefährlichen Wettkampf teilnehmen dürfe und denen gesagt, sie wolle mich erst dann wieder auf einem Besen bei Quidditch sehen, wenn ich meine Gefühle wieder unter Kontrolle hätte und sie müßten unseren Reservetreiber aufstellen, den Virginie gegen die Gelben gebracht hat. Der geht doch beinhart gegen die Montis unter." Dann wandte er sich noch mal Gaston zu und schnaubte sehr verächtlich: "Noch mal vielen Dank für deine Hilfe, Kameradenschwein!"

"Oink, oink, oink", machte Gaston darauf nur. Dann sagte er feist: "Sei froh, daß die Faucon dir nicht die Walpurgisnacht versaut hat. Die hätte dich ja wie die Rossignols von allen Flugsachen fernhalten können. Aber so wie du drauf bist läd dich eh keine ein."

"Dich mach ich demnächst noch so richtig fertig", knurrte Hercules.

Julius fühlte sich einerseits erleichtert, daß Hercules im Moment keine Wut auf ihn oder Millie hatte. Andererseits ärgerte er sich, daß Hercules wegen seinem Geschwätz von früher, das Gaston weitererzählt hatte, bei dem so wichtigen Spiel nicht dabei sein würde und der am Ende noch mal behaupten könnte, der Pokal wäre den Roten überlassen worden, falls die den echt gewönnen. Dann fühlte er sich auch ein wenig traurig, weil Hercules beim letzten Spiel nicht mitmachen durfte und machte sich Sorgen um die Stimmung im Schlafsaal.

Vor dem Eintritt in den Speisesaal nahm Giscard Hercules bei Seite und sagte ihm: "Du sitzt heute bei mir. Dieser Zank soll nicht die Stimmung verderben."

So kam es, daß die Jungen aus der vierten Klasse nur zu fünft nebeneinander am grasgrün gedeckten Tisch saßen. Robert meinte zu Julius:

"Kann das 'ne Krankheit sein, die einen so durchdrehen läßt, Julius?"

"Ich fürchte, daß kommt von den Hormonen, also den Botenstoffen, die uns zu bestimmten Gefühlen und Bedürfnissen treiben", meinte Julius.

"Das wird's wohl sein", meinte Gérard. "Der braucht was zum Ankuscheln. Kann die Rossignol dem nicht wen dafür verschreiben?"

"Nicht in Beauxbatons", meinte Julius dazu. "Und für sowas läßt Madame Maxime den bestimmt nicht aus der Schule raus."

"Das wird noch lustig", knurrte Robert. Dann sah er Gaston vorwurfsvoll an und schnaubte: "ihr beide, Culie und du, hättet doch einfach nur ruhe geben müssen und es Julius überlassen sollen, ob der mit Millie oder einer anderen Roten zusammen ist oder nicht. Aber nein, der reißt das Maul auf, und du mußt dann auch noch 'ne dicke Lippe riskieren, Gaston."

"Ey, soll ich nicht sagen, was stimmt?" Fragte Gaston.

"Nicht in dem Ton und wo alle dabei sind, daß er sich herausgefordert fühlen muß", erwiderte Robert genervt. "Abgesehen davon daß Hercules damit recht hat, daß du ja nicht mitreden kannst, wenn's um Beziehungen geht."

"Nur weil ihr das nicht mitkriegt heißt es nicht, daß ich keine Beziehung hätte", knurrte Gaston. Julius hörte nicht weiter darauf. Für ihn war das jetzt zu albern.

Als der Morgenposteulenschwarm in den Speisesaal einflog blickten sich viele um. Robert meinte:

"Wetten, daß die ersten Einladungen dabei sind?"

"Einladungen?" tat Julius begriffsstutzig.

"Von Hexen, die nicht alleine auf ihren Besen sitzen wollen, wenn unter denen das große Feuer brennt", meinte Robert.

"Ach das", spielte Julius den gerade erst begreifenden. Die anderen Jungen lachten. Da segelten auch schon die ersten Eulen vor ihnen herunter.

"Hui, vier auf einmal?" Fragte Robert, als er die verschiedenen Eulen vor Julius landen sah, die sich mit den Flügeln anstießen, um sich vorzudrängeln. Dann landete noch eine vor ihm, während Robert drei Eulen bekam.

"Ein paar sind immer dabei, die es wissen wollen", meinte er. Auch die anderen Jungen bekamen Eulen. Julius sah zu Hercules hinüber. Vor dessen Teller hockte ein Sperlingskauz.

"Ob das die fünf einzigen bleiben, die du kriegst, Julius?" Fragte Robert, der zwei der drei Briefe bereits zur seite gelegt hatte und den dritten gut wegsteckte. Julius schwieg dazu. Er nahm die Umschläge und las die Absender. Einer war von Patrice Duisenberg. Damit hatte er irgendwie gerechnet. Der zweite war von Edith Messier, die mit ihm zusammen Arithmantik hatte. Der dritte Brief war von Laurentine Hellersdorf. Also hatte Céline sie doch rumgekriegt, ihm eine offizielle Einladung zu schicken. Der vierte war mit "Such dir aus, welche Montferre" beschrieben. Dann war da noch ein Brief von Millie. Als er diesen zuerst lesen wollte landete noch eine Eule vor ihm. Er wunderte sich. Das war doch die von den Latierrre-Zwillingen. Die durften doch noch nicht alleine fliegen, geschweige denn mit Sozius. Um die Neugier zu stillen steckte er die ersten fünf Briefe gut weg und las den sechsten zuerst:

Hallo, Monju,

leider hatte ich meine Eule mit der Einladung zu Walpurgis schon losgeschickt. Da fiel mir ein, daß es doch netter aussieht, wenn ich dir auch eine offizielle Einladung zu meinem fünfzehnten Geburtstag schicke. Wie du ja weißt, ist der jedes Jahr am fünfundzwanzigsten April. eigentlich sollte ich ja am zweiten Mai ankommen. Aber ich wollte unbedingt bei der Walpurgisnacht draußen mitfeiern. Zumindest hat Maman es immer so erzählt.

hiermit lade ich, Mildrid Ursuline Latierre, Sie, Monsieur Julius Andrews, für mittwoch, den 25. April, zu einer kleinen, beschaulichen Feier im östlichen Park von Beauxbatons ein.
Da Sie leider nicht in meinem Wohnsaal untergebracht sind, ein Umstand, den nicht nur ich zu tiefst bedauere, habe ich mit den weiteren Gästen überlegt, daß wir uns zwischen dem Abendessen und den abendlichen Freizeitkursen treffen, um miteinander anzustoßen und diesen Tag nicht ganz ungewürdigt verstreichen zu lassen.

Ich hoffe, Monju, daß du das irgendwie einrichten kannst, vorbeizukommen. Falls nicht, bin ich dir nicht böse. Aber dann sage mir das bitte früh genug, damit Maman weiß, wieviel Butterbier sie schicken soll!

Aber das mit der Walpurgisnacht, das ist ja dann wohl klar, oder? Ich hörte, die Montferres wollten dir, nur um mich zu ärgern, auch eine Einladung schicken. Falls du lieber mit einer von denen fliegen willst, nimm Sandra, weil ich bei der keine Bedenken habe, daß die dich mir wegnehmen könnte!

Bis nachher, Monju!

"War das von Millie die Walpurgisnachteinladung?" Fragte Robert, als Julius den Brief schnell fortsteckte.

"Ja, war es", sagte er rasch. Dann holte er die anderen Briefe hervor und las den von den Montferres zuerst. Die schrieben, daß sie zwar verstehen könnten, daß er eine gleichaltrige Freundin aus ihrem Saal haben wolle, was natürlich die richtige Wahl war, aber ihm in ihrem letzten Jahr noch etwas vom Flugspaß großer Hexen bieten wollten und es ihm überließen, ob er sich hinter Sabine oder Sandra auf den Besen zu setzen wagte. Millie hätte da bestimmt nichts gegen, zumal sie ihn ja dann den Rest der kommenden drei Schuljahre haben könne. Er mußte grinsen. Dann las er den Brief von Patrice Duisenberg. Diese schrieb, daß sie sehr gerne mit ihrem guten Pflegehelferkameraden fliegen würde und es ihr egal sei, ob er mit Millie zusammen sei oder nicht und er ja dadurch nicht Millies Eigentum wäre und sich ja doch noch selbst entscheiden könne. Sie würde es ja auch nicht so streng nehmen. Dann las er noch den Brief von Laurentine:

Hallo, Julius,

Céline hat mir erzählt, daß es durchaus schön sei, wenn eine wirkliche Hexe mit einem Besenpartner an Walpurgis fliegen würde. Ich denke schon, daß du noch andere Einladungen gekriegt hast. Nur für den Fall, daß du dieser Millie zeigen willst, daß du nicht ihr persönliches Eigentum bist, lade ich dich für den 30. April ein. Céline hat gesagt, daß die Latierre schon zu gut flöge und daher bestimmt nicht auf der Anfängerhöhe bleiben dürfe. Wir hätten dann also keinen Stress mit der.

Also, wenn du der roten Krawallhexe zeigen willst, daß du nicht von ihr allein gebucht bist, schreibe mir das oder sag es mir, am besten so, daß die es erst am Walpurgisabend mitkriegt, weil ich keine Lust habe, mir wegen der noch einen Fluch oder sowas einzufangen. An dem Abend dürfen Hexen ja nicht gegen andere Hexen kämpfen, hat Céline mir erzählt. Und danach kann es der ja egal sein.

Also, wenn du der zeigen willst, wie selbständig du bist, sage mir zu!

Mit freundlichen grüßen
                    Laurentine Hellersdorf

"Neh, Mädel, das war nix", seufzte Julius leise und steckte den Brief fort. Robert fragte, was für'n Mädel genau. Julius sah sich um. Céline und Laurentine hatten ihn unter Beobachtung. Er fragte zurück:

"Vom wem hast du denn noch Einladungen gekriegt außer Céline?"

"Von Béatrice aus dem gelben saal, Irene Pontier, die im Moment wohl Krach mit Céline hat, worum auch immer und Céline halt."

"Bei mir waren es Edith aus dem Violetten Saal, die es im letzten Jahr schon versucht hat, die Montferres, die beide schreiben, ich könnte mir eine aussuchen, wo Millie nix gegen hätte, Patrice Duisenberg aus meiner Pflegehelfertruppe, Millie natürlich und dann noch Bébé. Aber da hätte mich deine Freundin gleich selbst einladen können."

"Häh, wieso'n das?" Wollte Robert wissen. Julius deutete auf Céline und Bébé. Die beiden beugten sich etwas weiter vor. Das nutzte Irene Pontier, um Céline die Haare ins Gesicht zu werfen.

"Nette Mädchen, nicht wahr?" Meinte Robert. "Genau wie wir Jungs."

"Manchmal auch schlimmer", sagte Julius. Doch weil Laurentine und Céline gerade mit Irene zu tun hatten gab Julius Robert schnell Bébés Brief weiter. Robert nahm ihn und las ihn unter dem Tisch, als er so tat, als sei ihm die Serviette runtergefallen.

"Och nöh, ist die blöd", knurrte er unter der Tischplatte. "Da hätte die doch gleich schreiben können: "Céline hat mir gesagt, ich soll dich bloß einladen, damit die dumme Latierre-Kuh sich richtig schön ärgert." Willst du die Einladung annehmen?"

"Bin ich hirnamputiert? Damit Céline es Millie immer wieder aufs Brot schmiert und Bébé voll zwischen den Fronten hängt? Nein Danke, der Stress ist auch so schon groß genug", bekräftigte Julius.

"Mesdemoiselles et Messieurs, fertig machen zum Unterricht!" Verkündete Madame Maxime. Robert steckte Julius Laurentines Brief zu und sah hinüber, wo seine Freundin sich wieder ordentlich hingesetzt hatte.

Nach dem ersten Unterrichtstag hatten viele Schüler das Gefühl, die Ferien seien bereits wochen her. Als Julius dann nachmittags mit den meist älteren Mitgliedern aus dem Verwandlungskurs für Fortgeschrittene vor der verschlossenen Kursraumtür stand meinte Sabine Montferre zu ihm:

"Hast du doch ein paar Einladungen mehr bekommen, wie? Weißt du schon, mit wem du fliegen wirst?"

"Hmm, vielleicht mache ich das erst fest, wenn wir um den Pokal gespielt haben. Wenn der grün bleibt, will vielleicht keine von euch Roten mit mir fliegen, und wenn der rot wird will ich vielleicht mit keiner von euch Roten fliegen", antwortete er verschmitzt grinsend.

"Will sagen, du hast auch von Mädchen aus den anderen Sälen eine Einladung bekommen", schlußfolgerte Sandra. "Von wem denn so?" Hakte sie nach.

"Damit würde ich eine grobe Indiskretion begehen", antwortete Julius. "Sonst könnte ich euch ja auch fragen, wen ihr so alles eingeladen habt." Sabine sah ihn darauf sehr vergnügt an und meinte:

"Millie weiß, daß wir dich eingeladen haben. Wir wollten nur keine getrennten Einladungen verschicken. - Hallo, Connie!" Constance Dornier kam gerade herbei und sah die rothaarigen Zwillingsschwestern etwas pickiert an. Dann wandte sie sich an Julius.

"Meinen die beiden jetzt, weil dich das Latierre-Luder an sich gebunden zu haben glaubt, dich könne jede von denen kriegen?" Fragte sie herausfordernd.

"Dann hast du den nicht eingeladen?" Erwiderte Sandra keck, und Julius lächelte.

"Hat deine kleine Schwester dir erzählt, daß sie ihre Freundin vorgeschickt hat, um sicherzustellen, daß eine Grüne mich einläd?" Fragte er im Flüsterton. Connie errötete an den Ohren. Sabine lächelte überlegen.

"Ich dachte, du könntest jetzt zumindest wieder an der Walpurgisnachtfeier teilnehmen", tat Sandra verwundert. Constance schob daraufhin ab.

"Soso, eure Ex-Verweigerin hat sich breitschlagen lassen, dich einzuladen", schnurrte Sabine. "Klar, als Debütantin, die höchst selten geflogen ist müßte sie ja keine Angst vor wilden Hexen haben. Die könnte ja hinter Madame Maxime bleiben."

"Kein Kommentar", erwiderte Julius. Die Montferres lachten. Dann erschien Professeur Faucon und begrüßte die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer. Sie sperrte den Kursraum auf und ließ ihre Kursteilnehmer an sich vorbei in den Raum hinein.

"Ich hoffe, Sie haben sich alle gut erholt, die, die ich heute noch nicht im Unterricht antreffen konnte", sagte die Verwandlungslehrerin nach der üblichen Begrüßung. "Für einige von Ihnen stehen dieses Schuljahresende ja die ZAG- beziehungsweise die UTZ-Prüfungen an. Ich hoffe doch sehr, daß das in diesem Kurs vertiefte Wissen und Können Ihnen zu einem erfreulichen Prüfungsergebnis verhelfen wird. Wagen Sie es ja nicht, meine diesbezüglichen Erwartungen zu enttäuschen! So, beginnen wir!" Sie ging herum und verteilte Übungsaufgaben. Julius fragte sich, ob er nun, wo er die Beschwörung dauerhafter Dinge und kleinerer Lebewesen aus dem Nichts so häufig geübt hatte, daß er selbst diese schweren Zauber ungesagt wirken konnte, schon an die eingeschränkten Selbstverwandlungen herangeführt würde. Als die Lehrerin dann bei ihm und den Montferres anlangte sprach sie zu Sabine und Sandra:

"Sie beide fahren mit Übungen der Vivo-ad-Vivo-Autotransfiguration fort." Sie händigte den beiden einen Übungszettel aus. Dann wandte sie sich an Julius.

"Sie vollführen heute noch einmal Materialisationen toter Objekte und lebender Wesen, Monsieur Andrews. Wenn ich mit dem Ergebnis zu einhundert Prozent zufrieden sein darf, beginnen Sie nächste Woche mit er eingeschränkten Human-Heterotransfiguration, will sagen, der eingeschränkten Veränderung an anderen Menschen." Sie gab ihm den für ihn bestimmten Übungszettel und ging weiter.

"Ui, dann lernst du wirklich nützliche Verwandlungszauber", meinte Sabine und sah auf ihren Übungszettel. "Öhm, kannst du, bevor du deinen Zettel abhandelst zwei große Blumentöpfe hinstellen und die mit frischer Erde auffüllen?"

"Ach, kommt jetzt die Mensch-zu-Pflanze-Nummer?" Fragte Julius keck. Bei den Montferres konnte er sich das herausnehmen.

"Jawohl", meinte Sandra. Julius überlegte, ob er nicht zwei Stühle in geeignete Behälter verwandeln sollte. Das wäre wesentlich einfacher als welche heraufzubeschwören. Doch Professeur Faucon könnte das mitkriegen, wenn Stühle fehlten. So konzentrierte er sich auf einen großen Tontopf, vollführte mit dem Zauberstab eine Bewegung, die diesen Blumentopf nachzeichnete, worauf aus dem Zauberstab ein feiner Dunst wich, der sich an der bezeichneten Stelle zu einem Nebelwirbel zusammenballte und dann zu einem sich drehenden Tontopf verfestigte, der leise klappernd auf dem Boden landete. "Ui, den hätte es fast zerdeppert", meinte er leicht unbehagt. Sabine sagte ihm dann, er könne mit dem Repetitio-Zauber den zweiten Topf hinstellen. Julius hatte schon mal davon gehört, daß Zauberstäbe die zuletzt mit ihnen gewirkten Zauber anzeigen oder wiederholen konnten. Sabine erklärte ihm, daß damit die drei zuletzt gewirkten Zauber wiederholt werden könnten, solange noch keine Stunde seit ihrer ersten Anwendung vergangen sei. So schaffte er es, den zweiten Topf übergangslos aus dem Nichts erscheinen zu lassen. Sandra lächelte ihn an und meinte:

"Mit deiner Veranlagung könntest du sogar einen Dauerzauber wirken. Denn der Repetitio-Zauber kann mit der Voranstellung Durato zur ständigen Wiederholung eines bereits gewirkten Zaubers benutzt werden."

"Hups, dann könnte ich ja eine Art Dauerfeuer mit einem Fluch geben", meinte Julius. Professeur Faucon, die wie zufällig gerade herankam und die beiden Töpfe betrachtete hatte wohl den Rest der kurzen Unterhaltung gehört und fühlte sich als Fachkraft gegen die dunklen Künste berufen, dazu was zu sagen.

"Das ist eine der ungeahnten Nebenerscheinungen des Repetitio-Zaubers, Mesdemoiselles et Monsieur. Ursprünglich wurde er im Zweig der Zauberkunst entwickelt, um häufige Bezauberungen zu vereinfachen, weil bei der Wiederholung nur ein Achtel der nötigen Eigenkonzentration und Kraft aufgewandt werden muß. Es stellte sich dann heraus, daß der Wiederholungszauber auch im Bereich Verwandlung benutzt werden kann - wie Sie, Monsieur Andrews offensichtlich gerade erprobt haben - aber auch im Aufruf von Flüchen und Gegenflüchen angewendet werden kann. Natürlich könnten Sie damit eine ununterbrochene Folge von Flüchen aufrufen. Das hat aber für den Anwender zwei entscheidende Nachteile: Erstens können Sie dann nicht richtig auf Gegenangriffe reagieren, weil sie dazu erst einmal die Folge beenden müßten. Zweitens entzieht eine Folge innerhalb von kurzer Zeit alle körperlichen und geistigen Kraftreserven, abhängig von der Stärke des in Folge gewirkten Fluches oder gegenfluches. Hinzu kommt auch, daß der Anwender fähig sein muß, den dauerhaft wiederholten Fluch wortlos zu wirken. Bei manchen Flüchen geht das wegen ihrer Mächtigkeit nicht- Im Bezug auf Avada Kedavra zu unser aller Glück. Und wo wir es schon von diesem Mordwerkzeug haben: Wer es wagt, eine ununterbrochene Folge von mittelstarken Flüchen zu schleudern und nicht rechtzeitig den Zauberstab fallen läßt oder "Finite Incantatem!" denkt oder ruft kann sich selbst unrettbar erschöpfen, will sagen, alle Lebenskraft verbrauchen und sterben. Insofern wirken nur wenige Hexen und Zauberer eine ununterbrochene Folge von Flüchen. Soviel zu Ihrer Schlußfolgerung, Monsieur Andrews. Offenkundig haben die beiden Damen Sie gebeten, Ihnen bequeme Behälter für ihre eigenen Übungen bereitzustellen. Dann füllen Sie diese bitte noch mit frischem Erdreich und etwas Wasser auf!"

"Fertilihumus", Murmelte Julius, als er den Zauberstab in den ersten hohen Topf hineinhielt. Leise prasselnd fielen braune Erdkrumen aus dem Stab und sammelten sich am Boden, wuchsen zu einem immer höheren Erdhaufen an und füllten bald den halben Topf aus. "Finis Incantato!" Dachte er dann, und der Erdregen versiegte.

"Den Zweiten noch und dann noch Wasser!" Forderte Professeur Faucon. Offenbar wollte sie sich das nicht entgehen lassen, wie ein Viertklässler Zauberte, was einem Sechstklässler noch den Schweiß auf die Stirn treiben mochte. Jetzt, wo er ihn kannte, benutzte Julius den Wiederholungsaufruf und füllte den zweiten Topf ohne Anstrengung mit frischer Erde aus dem Zauberstab auf. Doch diesmal prasselten nicht einzelne Krumen heraus, sondern erschien mit leisem Plopp genau die vorher heraufbeschworene Menge. Dann dachte er: "Aguamenti!" und spritzte einen feinen Wasserstrahl in den Topf hinein, bis er "Finis Incantato" dachte und den Wasserstrahl damit abbrach. Dann wiederholzauberte er in den zweiten Topf frisches Wasser, wobei nicht ein Strahl wasser erschien, sondern genau die Menge Wasser, die er vorher dosiert hatte im Topf und versickerte im eingefüllten Erdreich.

"Hups, das wußte ich nicht, daß bei Elementarzaubern, die wiederholt werden die vorangegangene Gesamtmenge des Stoffes auf einmal erscheint", sagte er. Professeur Faucon nickte den Montferres zu, und Sabine erklärte ihm, daß bei Zaubern wie dem Fertilihumus oder Aguamenti auch die Menge des gezauberten Stoffes mitgemerkt wurde und bei einem Wiederholzauber fast zur gleichen Zeit freigesetzt wurde.

"Oh, dann könnte ein Zauberer, der nicht nur mit dem Brandlöschzauber ein Feuer löschen will einen starken Wasserstrahl zaubern, den einige Sekunden wirken und dann mit dem Dauerwiederholzauber riesige Wassermengen freisetzen."

"Da wirkt genauso die Selbstauszehrungsbeschränkung und auch die Verfügbarkeit des heraufzubeschwörenden Stoffes", sagte professeur Faucon. "Doch in Fragen zu dieser Rubrik diskutieren Sie dann bitte mit meiner Kollegin Bellart! So, Monsieur Andrews, bitte beginnen Sie nun die von mir aufgetragenen Übungen!"

Julius Andrews mußte weiße Mäuse, dann Goldhamster, dann Schildkröten aus dem Nichts beschwören, während die Montferres sich in verschiedene Topfpflanzen verwandelten, was bei Sabine fast einmal auf halbem Weg verhungert wäre, weil sie einmal in einer Mischung aus Blume und Frau im Topf stand und es fast nicht mehr hinbekam, die Verwandlung zu vollenden oder umzukehren. Erst ihre Schwester konnte ihr zur gewohnten Gestalt zurückverhelfen. Julius fühlte sich bei diesem beinahe Fehlschlag an die Blumenwiese in Ashtarias Obhut erinnert, wo er Sabine und Sandra in ähnlicher Form gesehen hatte.

"Oha, das wäre fast schiefgegangen", meinte Sabine, während Julius eine Serie Regenwürmer produzierte, dabei aber schon gut erschöpft aussah. Er schaffte es noch: "Finite Incantatem" zu denken, bevor er sich um sein Bewußtsein brachte.

"Sie sehen, Monsieur Andrews, wie tückisch der dauerhafte Wiederholvorgang ist", meinte Professeur Faucon und beseitigte mit zwei Schlenkern des Zauberstabes alle niederen Lebewesen, die Julius hervorgebracht hatte. "Gehen Sie es besser doch auf die gewohnte Weise an, bevor Sie und ich uns den berechtigten Unmut Madame Rossignols zuziehen, daß ich Ihnen die Erprobung eines derartig auszehrenden Zaubers gestattete und Sie der Versuchung erlagen, ihn übermäßig zu verwenden. Sie haben Ihren Zettel Punkt für Punkt abgearbeitet?" Julius nickte. "Gut, dann machen Sie bitte fünf Minuten Pause, bevor Sie den nächsten Übungszettel abarbeiten! Allerdings verzichten Sie dabei bitte auf den Repetitio-Zauber!"

Der Rest des heutigen Kurstages verlief ohne weitere Besonderheiten. Am Ende gab professeur Faucon Julius noch einen Zettel mit, den er erst im grünen Saal lesen durfte. Als er dorthin gewandschlüpft war und den Viertklässlerschlafsaal aufgesucht hatte las er, daß er am kommenden Samstag um neun uhr Abends bei Professeur Faucon zur voraussichtlich letzten Occlumentie-Stunde antreten möge. Er nickte dazu nur und ließ den Zettel im Nichts verschwinden.

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Das Hercules von seiner Saalvorsteherin für das kommende Spiel gesperrt worden war wußten nach dem Dienstagsunterricht sämtliche Schüler in Beauxbatons. Offenbar hatten welche ihre guten Freunde oder Verwandten eingeweiht, die ihrerseits guten Freunden und anderen Verwandten die Hiobsbotschaft der Grünen weitergetratscht hatten. Dementsprechend mißmutig war Hercules gestimmt, als sie am Nachmittag die letzte Unterrichtsstunde des Tages beendeten. Vor allem als ihm noch die Montferres über den Weg liefen und ihm ihr Bedauern aussprachen, daß sie nicht mehr gegen ihn antreten durften meinte er:

"Das spart euren Eltern die Särge, blöde Hühner." Sabine sah ihn nur bedauernd an und meinte:

"Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher gewesen, ob wir dich uns derartig hätten beharken lassen, Kleiner. Schönen Tag noch!"

Virginie hatte die Anweisung, Hercules auch nicht beim alldienstäglichen Quidditchtraining mitfliegen zu lassen, damit sie den Reservespieler noch gut genug in die Mannschaft einbinden konnte. Giscard sollte beim kommenden Spiel gegen die Roten Julius oder einen anderen Jäger absichern, der einen Direktvorstoß machen wollte. Julius, der durch das Quodpottraining in hervorragender Form war, doppelachserte alle gegen ihn aufgebotenen Jäger aus und feuerte neun von zehn Torwürfen durch einen der drei Ringe. Monique war davon nicht gerade begeistert, nickte aber bei der abschließenden Manöverkritik.

"Du hast diese Technik auch in Amerika benutzt, Julius, wo Millie dabei war?" Fragte Virginie. Julius nickte. "Hat sie die dadurch von dir gelernt?" Julius schüttelte den Kopf. "Gut, aber sie werden damit rechnen. Womöglich werden sie dann zwei Abfangjäger vor dem Tor lassen. Das gibt uns zwar etwas Luft im eigenen Torraum, Monique", wobei sie Monique ansah, "macht den Montferres aber auch Freiraum, um die Klatscher auf unsere Hüterin zu spielen. Ich rechne jetzt auf jeden Fall damit, daß wir die Treiberinnen von den Klatschern fernhalten müssen und zwei Jäger in Torraumnähe halten. Julius, du spielst erst einmal wieder Abfangjäger und bedienst Waltraud und mich. Sollte sich rausstellen, daß die doch mit allen Jägern in vorderer Linie spielen gehst du vor und wirst zum Vorstoßjäger, während wir Monique hinten absichern und dir die Quaffel zuspielen!"

"Und Giscard ist dann hauptsächlich vorne oder Manndecker?" Fragte Julius. Er erklärte dann, daß im Fußball Abwehrspieler auf bestimmte Angriffsspieler angesetzt werden konnten und ihnen die Angriffe vereiteln sollten.

"Wenn es klappen könnte, die Montferres von den Klatschern zu trennen brauchen wir sowas nicht", meinte Virginie. "Außerdem müssen die angreifenden Jäger und unsere Sucherin besser abgesichert werden", meinte Virginie. Dann bedankte sie sich bei ihren Mannschaftskameraden, die sich noch einmal darüber beklagten, daß Hercules sich nicht besser beherrschen konnte und deshalb die Sache mit dem Pokal schwieriger geworden sei.

Im Zauberwesenseminar sprachen sie weiter über Werwölfe und den Umgang mit ihnen. Gloria meinte dazu einmal:

"In den Staaten sind die Zauberer jetzt angewiesen, Werwölfe in dafür eingerichtete Lager zu sperren. Offenbar hat jemand in Umlauf gebracht, daß Sie-wissen-schon-Wer alle Werwölfe der Welt hinter sich zu bringen versucht."

"Also doch", knurrte Julius. Er hatte in den Osterferien nichts davon mitbekommen, aber es ja schon von Jane Porter gehört, daß die Suche nach Werwölfen zu einer unmenschlichen Jagd zu werden drohte. "Ich dachte, die Schweinerei mit Konzentrationslagern wäre nur bei Muggeln aufgekommen. Aber in den Zeitungen in den Staaten steht dazu nix, zumindest nicht in den neueren."

"Ist auch gerade erst im Ministerium beschlossen worden, Julius", meinte Gloria. "Meine Cousinen haben mir per Blitzeule den Herold und den Westwind zugeschickt. Das könnte noch Ärger geben", erwiderte Gloria unaufgefordert. Madame Maxime ließ ihr das jedoch durchgehen und sagte dann:

"Nun, wir sprachen ja zu einem früheren Zeitpunkt schon davon, mit welchen Behauptungen andersartige Mitgeschöpfe der Zaubererwelt interniert werden könnten und wie aufmerksam und wehrhaft die Zauberergesellschaft sein muß, um echte Gefahren nicht durch Propaganda und von außen geschürte Ängste zu überzeichnen. Ich gehe davon aus, daß Sie die Ausgaben der von Ihnen erwähnten Zeitungen noch besitzen, Mademoiselle Porter." Gloria nickte. "Dann händigen Sie mir diese umgehend aus, sobald das heutige Seminar Zauberwesen beendet ist! Vielen Dank, Mademoiselle!" Julius ärgerte sich ein wenig, weil das ach so freie Amerika jetzt die Methoden der Nazi-Diktatur und der Sowjetunion kopierte, und sei es nur in der Zaubererwelt. Allerdings erinnerte er sich daran, daß im zweiten Weltkrieg japanische Bürger der USA in Internierungslagern eingesperrt waren, weil von ihnen angeblich oder wirklich die Gefahr ausging, für das japanische Kaiserreich zu spionieren oder in dessen Namen Anschläge in den Staaten zu verüben. Also war das zusammentreiben und Wegsperren von unbeliebten Mitgeschöpfen keine rein europäische Erfindung, weder in der technischen, noch in der magischen Zivilisation, sofern eine solche Gesellschaft das Recht hatte, sich zivilisiert zu nennen. Waltraud warf dann noch ein, daß in Deutschland diese Methode von Minister Güldenberg und den betreffenden Abteilungschefs strickt abgelehnt worden sei, obwohl es einige hochrangige Mitglieder der magischen Bevölkerung gebe, die darauf bestanden, Werwölfe entweder restlos auszurotten oder zumindest wie gefährliche Raubtiere einzusperren. "Das haben Muggel vor sechzig Jahren schon mit Ihresgleichen getan", habe Güldenberg gesagt, "und deshalb werden wir diese Barbarei nicht nachmachen." Damit hatten sie einen wunderbaren Aufhänger für die Diskussion pro und contra Werwolfinternierungslager, weil durchaus auch welche im Seminar saßen, die Angst vor Werwölfen hatten und sich wesentlich sicherer fühlen würden, wenn deren Fluch sich nicht weiter ausbreitete. Julius war auf der Seite der Ablehner solcher Internierungslager und sagte:

"Es ist richtig, daß die Werwut eine ansteckende Krankheit ist. Es ist auch richtig, daß die, die sie in sich haben, sie an arglose Mitmenschen weitergeben können. Es ist aber ebenso klar, daß die meisten Werwölfe ihre tierhafte Phase nicht kontrollieren können und daher ohne es zu wollen andere Menschen anfallen, infizieren oder töten. Es ist aber nicht so, daß dieser Fluch wie die Pest oder eine Grippe weitergegeben wird, was Quarantänelager oder dergleichen erfordern würde oder das, was im Mittelalter mit Leprakranken gemacht wurde, sie in Aussätzigenlager zu verbannen. Also läuft dieser ganze Feldzug gegen Werwölfe doch nur deshalb, weil jemand, womöglich jener sogenannte Lord Voldemort, behauptet, diese armen Mitgeschöpfe stünden auf seiner Seite oder könnten jederzeit von ihm in Dienst genommen werden. Fälle wie Fenrir Greyback, der mit einigen von der fortgesetzten Ausgrenzung und Mißachtung der Werwölfe an sich zum Haß auf alle unversehrten Menschen getrieben wurde, schüren leider dieses Feuer. Aber wenn sich die magische welt wirklich als den Muggeln geistig überlegen nennen möchte, sollte sie nicht die gleichen Fehler machen, die in der Muggelwelt gemacht wurden, wo erst Angst und dann Haß zu eben solchen Barbareien geführt hat, wie es der deutsche Zaubereiminister gesagt hat. Ich habe auch Angst davor, von einem Werwolf angefallen und gebissen zu werden und habe auch Angst, daß meinen freunden oder Familienangehörigen sowas passiert. Aber es sind keine Ungeheuer im eigentlichen Sinne, sondern kranke Mitmenschen, die Hilfe brauchen und keinen Haß. Ich danke für die Aufmerksamkeit!" Einige klatschten laut. Andere sahen ihn merkwürdig an. Madame Maxime nickte ihm anerkennend zu, ebenso Mildrid, Gloria und Waltraud. Die Montferres schinen sich noch zu überlegen, wie sie das nun finden sollten, nickten dann aber auch.

Zum Schluß ließ Madame Maxime noch einmal abstimmen, wer nach den ganzen Argumenten noch für oder gegen eine dauerhafte Internierung von Werwölfen war. Die Mehrheit stimmte dagegen, wo vorher ein ausgeglichenes Verhältnis gewesen war.

"Schon daran gedacht, ins Ministerium zu gehen?" Fragte Mildrid, als sie den Seminarraum verlassen hatten. Julius schüttelte bedächtig den Kopf.

"Also gerade nachdem, was ich in den letzten Wochen und Monaten aus den verschiedenen Ministerien so mitbekommen habe will ich kein Beamter werden, der tut, was ihm jemand befiehlt. Ich will mich morgens noch im Spiegel ansehen können."

"Das mit dem Haß der aus Angst entsteht war gut", lobte Waltraud ihren derzeitigen Klassen- und Saalkameraden. "Genau so haben die Muggel es in Deutschland und anderswo ja hingekriegt, daß ein großer Bevölkerungsanteil nichts dagegen getan hat, das anders denkende oder anders lebende Menschen verschleppt und in Massen umgebracht wurden. Deshalb konnte Güldenberg sich mit seinem klaren Nein ja auch durchsetzen, weil viele Muggelstämmige in Deutschland Verwandte haben, die entweder Mitläufer oder Opfer der Hitler-Zeit gewesen sind."

"Die Engländer waren nicht besser, wenn ich mir die Kolonialgeschichte so angucke, wo die alle dunkelhäutigen Menschen für unwert und nur zu niederen Diensten zuzulassen angesehen haben", wandte Julius ein.

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Am Donnerstag Nachmittag diskutierten Madame Maxime und ihre AG-Mitglieder Magizoologie die Kreuzungen gutartiger und bösartiger Tierwesen, jetzt, wo in den Ferien jener Fall Bokanowski durch die Presse gegangen war. Julius bekam die schriftliche Erlaubnis des Ministers, über seine Erfahrungen mit den Monstern des russischen Schwarzmagiers zu berichten und auch die Entomanthropen zu beschreiben, die gegen diese Züchtungen gekämpft hatten. gloria meinte dazu:

"Er hat also Wesen erschaffen, die den Willen anderer Menschen ausschalten können. Wieso hat er dich oder diese ominöse Hexe nicht damit versehen, oder den Spanier, der diese Gabe hat, durch Gesang zu bezaubern?"

"Wahrscheinlich wollte er das, hatte aber keine Zeit mehr dafür", wandte Julius ein. "Auf jeden Fall waren diese Dinger nicht eigenständig. Sie wechselwirkten wohl mit einem Basisorganismus, der von Bokanowski kontrolliert wurde. Für mich sah das Geschöpf einem grünen Schlauch aus Gallerte ähnlich."

"Nun, Bestrebungen, parasitäre Wesen zu züchten, die den Willen eines Menschen unterdrücken und ihn entweder für Befehle eines anderen empfänglich zu machen oder Befehle auf gedanklichem Wege einzuflößen, die ihn wie unter dem Imperius-Fluch zu allen möglichen Handlungen zwingen konnten, sind leider schon so alt wie die hermetische Zauberei selbst. Im bösartigen Bereich des Schamanismus, soweit ich da richtig informiert bin, besteht sogar die Möglichkeit, die Seelen von Menschen einzukerkern und als körperlose Sklaven zu halten", sagte Madame Maxime. "Was die Entomanthropen angeht, die zur Zeit Sardonias in Erscheinung traten und von jenem Bokanowski wohl nachgezüchtet wurden, so besteht die Gefahr, daß jene, die jetzt aus jahrhundertelanger Vergessenheit wieder aufgetaucht sind, sich vermehren werden. Es ist daher wichtig, ein wirksames Gegenmittel zu entwickeln, um sie entweder zu vertreiben oder in großer Zahl zu vernichten. Ich darf Ihnen vertraulich verkünden, daß im Ministerium an unterschiedlichen Methoden geforscht wird, diesen Ungeheuern beizukommen, da sie, wie Monsieur Andrews uns bestätigen konnte, gegen die meisten Flucharten resistent sind und auch vor magischen und nichtmagischen Feuern größtenteils gefeit sind. Eine der wenigen natürlichen Mittel gegen diese Kreaturen sind ... Ach, das könnten Sie eigentlich selbst beantworten. Wer möchte es versuchen?"

Die Teilnehmer überlegten. Julius zeigte zuerst auf, sollte aber noch nicht antworten. Dann zeigten Waltraud, Gloria und Mildrid noch auf. Hercules schien über irgendwas nachdenken zu müssen. Dann hob auch er die Hand. Er sollte zuerst antworten.

"Insekten sind wechselwarm, können sich also nur bei ausreichend hohen Temperaturen bewegen. Dann dürften diese Monster bei Kälte wertlos sein, wenn deren menschliche Bestandteile ihnen keinen gleichwarmen Körper geben wie wir ihn haben."

"Ja, das stimmt, Monsieur Moulin. Zehn Bonuspunkte für Sie", bestätigte Madame Maxime. "Soweit wir bisher aus den Zeugenberichten wissen, griffen die Entomanthropen Sardonias niemals im Winter an oder waren oberhalb der Schneefallgrenze der Alpen und Pyrenäen zu beobachten. Können Sie sich noch weitere natürliche Barrieren vorstellen?"

Julius zeigte als einziger auf.

"Große Höhen dürften denen auch nicht bekommen, Madame Maxime", meinte er. "Die Geschöpfe, die Colonades und mich weggetragen haben flogen nie höher als ein paar hundert Meter. Das kann sein, daß diese Hexe, die sie ferngesteuert hat weiß, daß Muggel mit Funkmessstrahlen fliegende Objekte aufspüren können oder diese Kreaturen nicht besonders hoch fliegen können, weil sie entweder Atemprobleme kriegen oder die Flügel nicht genug Auftrieb erzeugen können. Normale Insekten haben ja andere Auftriebseigenschaften als Vögel. Das liegt ja auch daran, daß die Durchdringung von Luft bei abnehmender Größe schwieriger wird. Irgendwann in der Urzeit gab es wohl mal Libellen von einem Meter größe. Das hat sich dann aber geändert. In Afrika gibt es Schmetterlinge und Käfer, die an die vierzig Zentimeter groß sind. Aber mehr geht wohl bei nichtmagischen Insekten nicht."

"Hui", meinte Hercules. Madame Maxime hatte mehrmals genickt. Sie sah Hercules tadelnd an, beließ es aber nur bei einem Blick und wandte sich Julius zu.

"Nun, gewöhnliche Insekten haben ein anderes Atmungs- und Blutgefäßsystem als Säugetiere. Die Entomanthropen besitzen jedoch richtige Lungen, wie Sektionen an den wenigen getöteten Exemplaren, die nicht von ihren überlebenden Artgenossen fortgebracht wurden ergaben. Allerdings schlagen zwei zweikammerige Herzen in ihren Körpern. Eines regelt die Sauerstoffzufuhr und das Andere versorgt die Hinterleibsorgane und die Flugmuskeln mit frischem Blut. Überhaupt sind die Flügel der Entomanthropen wegen ihrer insektenartigkeit von einem speziellen Nervengeflecht versorgt, das unabhängig von den Hauptnervenbahnen angelegt ist und nur eine schmale Verbindung zum Gehirn besitzt. Somit laufen alle Flügelbewegungen noch eigenständiger ab als es im Verdauungssystem höherer Tiere der Fall ist, das ja auch unabhängig von bewußter Steuerung arbeitet. Ein Entomanthrop braucht also zum Fliegen nur einfache Kommandos wie "Fliegen", "Schnell vorwärts" "Langsam vorwärts" und so weiter zu denken und kann sich unabhängig von den Flugbewegungen selbst auf die ihm angewiesenen Ziele konzentrieren. Wie sie ihre Befehle erhalten, will sagen, wie sich ihre Meisterin ihnen gegenüber als Anführerin durchsetzt und sie auch über große Entfernungen herbeirufen kann wissen wir nicht", erwiderte Madame Maxime. Julius hob die Hand und sagte, als ihm das Wort erteilt worden war:

"Vielleicht hat Sardonia einen magischen Gegenstand geschaffen, der den Entomanthropen die Anweisungen als Gedankenbotschaften übermittelt, ähnlich wie es der Imperius-Fluch oder die geistige Zauberkunst des Mentiloquierens vermag, eben nur steuerbar für einen oder alle Schwarmmitglieder."

"Können die eigentlich selbständig denken?" Fragte Gloria. Julius hätte jetzt sagen können, daß sie ein Bienenstockbewußtsein hätten, ähnlich den Borg aus Star-Trek. Aber das berührte ein anderes Erlebnis, über das er hier nicht sprechen durfte. So sagte er nur, daß er weder das eine noch das andere mitbekommen hätte. Waltraud und die Montferres hoben die Hände.

"Laut den Berichten aus der Zeit Sardonias haben alle überlebenden Zeugen eines Entomanthropenangriffs ausgesagt, daß diese Wesen sich als Bestandteile des Schwarms bezeichneten, Zweiter von neun oder sowas", sagte Sabine. Waltraud ließ ihre Hand sinken.

"Ja, so steht es in einigen Berichten aus der Zeit Sardonias, die in unserer Bibliothek nachzulesen sind", bestätigte Madame Maxime. "Für diese freiwillige Fleißarbeit, diese Berichte durchzulesen erhalten Sie zehn Bonuspunkte, Mademoiselle Sabine Montferre. Da ich an den Handzeichen ablesen konnte, daß Ihre Schwester wohl mit Ihnen zusammen den Bericht studiert hat erkenne ich ihr ebenfalls zehn Bonuspunkte zu."

"Scheiß Zwillinge!" Schnarrte Hercules leise, aber nicht leise genug für Madame Maximes große Ohren.

"Monsieur Moulin, legen Sie es darauf an, sich meinen Zorn zuzuziehen?" Stieß Madame Maxime laut aus, so daß alle zusammenschraken. Hercules sah sie trotzig an und meinte, daß es nicht üblich sei, nur weil jemand richtig geantwortet habe gleich einem Geschwister dieselbe Menge Bonuspunkte zu geben. Darauf erwiderte Madame Maxime: "Was üblich ist oder nicht befinden wir vom Lehrkörper gemäß der Sie und auch uns gegebenen Schulregeln. Da ich die ranghöchste Lehrperson in Beauxbatons bin ist es schon sehr dreist, mir die Berechtigung abzusprechen, wem ich wofür wie viele Bonus- oder Strafpunkte zuerkennen kann. Offenbar hungert es Sie nach Strafpunkten, Monsieur Moulin. Da ich weiß, daß Sie diese Woche schon sehr viele erworben haben muß ich dies wohl als gegeben annehmen. So sei es! Sechzig Strafpunkte für Sie, Monsieur Moulin, weil Sie zum einen einen an dieser Akademie unzulässigen Ausdruck benutzten und fünfzig für fortgesetzte Aufsässigkeit und Impertinenz. Da Sie, wie mir berichtet wurde, von der aktiven Teilnahme am Quidditch ausgeschlossen wurden, werden Sie sich mir für den kommenden Samstag, den kommenden Dienstag Nachmittag und den darauf folgenden Samstag für Hilfsarbeiten ohne Benutzung von Zauberei zur Verfügung stellen. Sollten Sie weiterhin derartig undiszipliniert auftreten, werden meine Lehrkollegen und ich darüber nachdenken müssen, ob Sie weiterhin an dieser Akademie verbleiben oder nicht. Sie sind hiermit gewarnt!"

Die Roten grinsten Hercules an, die Duisenbergs sahen sich gegenseitig an, und Gloria, Waltraud und Julius sahen bekümmert auf ihren Klassenkameraden. Belisama war jedoch kreideweiß geworden und schien sich sehr anstrengen zu müssen, ihre Selbstbeherrschung zu bewahren. Keiner sagte ein Wort. Erst nach zwanzig Sekunden sprach Madame Maxime mit gemäßigter Stimme weiter. "Zurück zu der Organisation der Entomanthropen. Da sie, wie gerade erwähnt wurde im Schwarm leben, steht zu vermuten, daß sie auf der Basis von Gedankenübertragung miteinander kommunizieren, wie auch durch die drei Basisregeln für Mitglieder eines in Bewegung befindlichen Schwarmes und auch die Duftstoffverständigung miteinander Informationen austauschen. Eine derartig umfassende Kommunikationsgrundlage ermöglicht die Umstrukturierung von Schwärmen innerhalb von Sekundenbruchteilen."

"Bitte was für drei Regeln?" Fragte Corinne Duisenberg, nachdem sie artig gewartet hatte, bis ihr das Wort erteilt wurde. Madame Maxime gab die Frage weiter. Julius zeigte zusammen mit Waltraud auf. Hercules ließ den Arm einen Moment auf Brusthöhe schnellen, ihn dann aber wieder sinken. Trotz stand in seinem Gesicht. Offenbar wollte er die gerade aufgeladenen Strafpunkte nicht durch mühsame Bonuspunkte ausgleichen. Julius durfte antworten.

"Wenn ich das bei Madame L'ordoux in Millemerveilles richtig gelernt habe, die da Bienenzucht betreibt, gelten neben der Regel, beim Schwarm an sich zu bleiben und in Bewegung zu bleiben drei Regeln: Richtung, also wo fliegt die Hauptmacht hin? Abstand zu den anderen Mitgliedern und noch die Geschwindigkeit, mit der die Hauptmacht des Schwarmes fliegt."

"Das kann ja wirklich jede Biene", meinte Patrice unaufgefordert. Madame Maxime räusperte sich, sagte aber sonst nichts dazu.

Der Rest der Kursstunde verging mit weiteren Einzelheiten, die Julius aus Bokanowskis Burg mitbekommen hatte. Dann entließ Madame Maxime ihre Kursteilnehmer.

Hercules befand, er müsse noch einmal mit Madame Maxime reden. Doch auch Belisama Lagrange blieb zurück, als die anderen in Richtung Speisesaal loszogen. Patrice nahm Julius kurz bei Seite und fragte ihn im Flüsterton:

"Na, wann zieht Hercules zu uns um?"

"Ach, ihr wollt den bei euch haben?" Fragte Julius zurück.

"Nachdem, wie der sich in der Woche schon mit Strafpunkten eingedeckt hat könnten welche von uns eifersüchtig werden, daß ein Grüner so gut darin ist."

"Er hätte besser fragen sollen, woher Madame Maxime so genau wisse, daß San und Bine gleichviel getan haben, um gleichviele Bonuspunkte zu kriegen."

"Hat er aber nicht", erwiderte Patrice spöttisch grinsend. Julius konnte nur nicken.

"Belisama ist ja ziemlich gut damit fertig geworden, daß wir zusammen sind", meinte Millie dann noch, als Patrice Julius alleine weiterziehen ließ. "Hast du von der noch 'ne Einladung zu Walpurgis gekriegt?"

"Neh, habe ich nicht. Vielleicht ist die so sauer auf uns beide, daß die erstmal nicht weiß, was sie machen soll. Vielleicht kommt aber noch 'ne Einladung von ihr, wenn die Woche um ist. Bis zwei Wochen vor dem Fest dürfen die Hexen ja noch wen einladen, oder?"

"Das ist korrekt, Julius", erwiderte Millie verschmitzt grinsend. "Apropos, die andere Einladung von mir hast du auch bekommen. Geht das bei dir oder nicht?"

"Ich seh zu, daß ich hinkommen kann, Millie. Dann darf ich nur nicht anfangen, mir auch noch Strafpunkte einzuhandeln", erwiderte Julius darauf.

"Würde ich dir nicht empfehlen", knurrte Millie. Dann grinste sie. "Bis morgen dann!" Sie winkte ihm und ging in eine andere Richtung als er davon.

Hercules Moulin tauchte erst fünf Minuten nach den anderen im Speisesaal auf und ging an den Tisch. Als Robert ihn wegen seiner miesepetrigen Miene ansprechen wollte zückte der einen Zettel und hielt ihn für alle lesbar hin:

"Sprechbann von Maxime!"

"Ui, hast du es dir mit der großen Madame auch noch verdorben?" Stichelte Gaston. Julius preßte die Lippen aufeinander. Robert meinte nur:

"Der wird wohl irgendwas böses gesagt oder sie sonst dumm angemacht haben. Vielleicht kriegen wir das von Giscard ja noch erzählt. Also laßt ihn mal in Ruhe!"

"Das muß dann wohl bei euch im Tierwesenkurs gelaufen sein", wandte sich Gérard an Julius. Dieser sah Hercules fragend an, der verdrossen nickte. so erzählte er nur, daß Hercules sich darüber zu laut geärgert habe, daß Madame Maxime den Montferres gleichviele Bonuspunkte gegeben hatte und er dafür sechzig Strafpunkte abbekommen habe und nach dem Kurs wohl noch mal mit ihr reden wollte.

"Ui, dann darf er der großen Madame demnächst sämtliche Schuhe putzen", feixte Gaston. Hercules schnellte hoch. Doch Robert und Julius zogen ihn auf seinen Sitz zurück. Julius zischte ihm zu, ob er denn unbedingt von der Schule fliegen wolle.

"Gaston, es reicht langsam", schnauzte Robert den Klassenkameraden an. "Ihr habt euch geprügelt, beide dafür was abbekommen und gut jetzt. Wir sollten uns doch echt mal wieder wie große Jungen benehmen und nicht wie im Kindergarten, verdammt noch mal!"

"Ja, Papi", erwiderte Gaston Perignon verächtlich. Robert knurrte nur verbittert, sagte aber nichts weiteres.

Nach dem Abendessen versammelte Giscard die Jungen aus der Vierten um sich und scheuchte alle anderen auf Abstand. "Also, Leute", begann er, "langsam reicht es. Als ich hier zum Saalsprecher ernannt wurde ging ich davon aus, ihr wäret alle vernünftig genug, daß ihr es mitkriegt, wenn bestimmte Grenzen überschritten sind oder würdet möglichst wenig Strafpunkte haben wollen. Hercules hier", wobei er auf den Missetäter des Tages deutete, "hat sich knapp am Rauswurf entlangschrammend mit Madame Maxime angelegt und insgesamt zweihundert Strafpunkte und einen Sprechbann bis zum Sonntag, vom Unterricht abgesehen, und die Suspendierung von den Freizeitkursen eingehandelt. Das macht mit den einhundertfünfzig Strafpunkten vom Sonntag und Montag dreihundertfünfzig innerhalb einer Woche, und die ist noch nicht zu Ende." Fast alle Jungen der vierten Klasse schauten betroffen drein. Nur Gaston grinste schadenfroh. "Du brauchst nicht so blöd zu grinsen, Gaston. Dafür gebe ich dir zehn Strafpunkte. Sei froh, daß du nicht auch noch fünfzig abkriegst. Ich kriege das schon mit, daß du Hercules immer wieder provozierst. Das ist verdammt dünnes Eis, Burschi", sagte Giscard noch. Gaston hörte zu grinsen auf. "Abgesehen davon, daß Hercules sich und uns in Gefahr gebracht hat, den Quidditchpokal zu verspielen, steht mir das jetzt bis hier", wobei er auf seinen Kehlkopf deutete, "daß wegen zweier Viertklässler unser Strafpunktedurchschnitt einer Woche verdoppelt wurde. Unabhängig davon, daß Madame Maxime sehr ungehalten ist und bei der nächsten drastischen Strafpunktezuteilung keinen Platz mehr für dich hat, Hercules, - gilt auch für dich, Gaston - stehen wir dann in der Jahreswertung auch blöd da. Das mag für euch vielleicht nicht so wichtig sein, macht aber doch einen Großteil des Gesamtbildes aus, den ein Saal vermittelt und wie sich das auf die Schüler auswirkt, die darin wohnen. Wenn mir jetzt einer kommt, das seien wohl die Mormonen oder wie diese Körpersachen heißen, die einen umtreiben - Was gibt's denn jetzt zu grinsen, Julius?"

"'tschuldigung, Giscard, wollte dich nicht unterbrechen. Aber die Mormonen sind eine Glaubensgemeinschaft, die vor allem in den vereinigten Staaten zu finden ist. Du meinst die Hormone, Botenstoffe. Bitte versteh das jetzt nicht als Maßregelung!" Sprach Julius belustigt.

"Dann eben das", knurrte Giscard verdrossen. "Also was diese Hormone angeht, darauf können wir uns doch hier nicht berufen, Leute. Ich war auch mal in der vierten Klasse und habe mir auch einige Strafpunkte eingefangen, weil ich mich über irgendwen oder irgendwas aufgeregt oder lustiggemacht habe. Aber ich wurde in den grünen Saal geschickt, nicht in den roten oder gar den blauen. Das gilt doch auch für euch hier. Also reißt euch zusammen und seht bitte zu, daß wir am Jahresende nicht mit einem Schüler weniger als am Jahresanfang und mit einem Riesenberg an Durchschnittsstrafpunkten noch hinter den Blauen zurückfallen. Es sei denn ihr wollt, daß wir hinter die Blauen zurückfallen, was nach allen Erfahrungen der letzten Schuljahre hieße, die schlechteste Gesamtwertung zu kriegen, weit hinter den Violetten oder gar den Roten. Dann kriegen die vielleicht nicht nur den Quidditchpokal, sondern auch noch Grund, uns wegen unserer tollen Jungs hier auszulachen. Am besten sammeln wir ab heute nur noch Bonuspunkte und halten den Mund, wenn uns was aufstößt. Es sei denn, ihr wollt, daß wir hinter den Roten und Blauen landen. Dann macht so weiter! Das warr's von meiner Seite. Hercules wird gleich statt zur Blechbläsergruppe von mir zu Madame Maxime geleitet, wo er heute schon mit seinen Strafarbeiten anfangen muß. Die anderen machen, was sie an Donnerstagen sonst machen. Bis bald dann, Messieurs!"

Die Jungen traten weg, und Julius sah zu, möglichst aus Gastons Sprechweite zu bleiben. Nachher kam der ihm noch damit, daß Hercules den grünen Saal nur so tief reingeritten hatte, weil er, Julius, sich unbedingt mit Millie einlassen mußte. Er hoffte auch, daß Hercules es jetzt begriffen hatte, daß die Akademie ihn nicht mehr lange dulden würde. er begab sich in den Schlafsaal, wo im Moment niemand sonst war und setzte sich auf sein Bett. Was hatte Hercules noch angestellt, daß er zu den sechzig schon aufgeladenen Strafpunkten noch einhundertundvierzig dazubekommen hatte? Er erinnerte sich, daß er Hercules und Belisama zusammen zu Madame Maxime hatte gehen sehen. Er hob sein Armband und legte einen Finger auf den weißen Stein. Er rief nach Belisama Lagrange. Zehn Sekunden später erschien ihr räumliches Abbild. Sie sah ihn erst verdrossen an und dann so, als habe sie mit seinem Anruf gerechnet.

"Ich wußte, daß du mich irgendwann anrufen würdest. Sei froh, daß ich im Moment alleine bin. Möchtest du mir was bestimmtes sagen?" Kam ihre Stimme kühl aus dem Armband.

"Eher fragen, Belisama. Was hat Hercules angestellt, um wo wir schon weg waren noch mal einen Sack Strafpunkte hinten draufgepackt zu kriegen? Oder möchtest du mir das nicht sagen?"

"Nun, er war der Meinung, und ich bin das immer noch, daß Madame Maxime ohne Ansehen der erbrachten Leistung den Montferres gleich viele Punkte gegeben hat und daß das ungerecht sei. Als ich Madame Maxime dann fragte, woran sie die Leistung denn ermessen könne sagte sie mir im ruhigen Ton, daß es ja merkwürdig sei, wenn Zwillinge, die sonst nirgendwo alleine seien nicht auch die gleiche Lernarbeit bewältigten. Hercules fing dann an, daß die Roten doch alle nur vergnügungssüchtig seien und von echter Lernarbeit nicht viel hielten und Madame Maxime den Montferres doch nur Punkte gebe, weil sie selbst mal eine von denen war. Dann hat sie ihm, weil er auch über ihr wütendes Schimpfen hinweggezetert hat den Sprechbann versetzt und ihm zu den bereits kassierten Strafpunkten noch welche draufgeladen und ihm gesagt, er könne jetzt jede unterrichtsfreie Minute bei ihr arbeiten, ohne Zauberstab natürlich. Mich hat sie dann ganz böse von oben herab angeglotzt und gemeint, ich hätte ihm das ausreden sollen, ihr noch mal so frech zu kommen."

"Ach, weil du mit ihm zusammen da hin bist?" Fragte Julius. Belisama nickte. Dann straffte sie sich und meinte:

"Der wäre nicht so aus der Bahn geflogen, wenn du und Gaston ihn nicht so wütend gemacht hättet."

"Moment mal, ich ihn?" Brach es aus Julius aus.

"Natürlich. Du wußtest genau, daß Hercules mit den Roten nicht klarkommt, was ich voll verstehe. Und was hast du gemacht? Du hast dir mit dieser blöden Zicke Mildrid so'n Freundschaftsschmuckstück besorgt und so hängen lassen, daß alle sehen sollten, hier, wir sind jetzt zusammen oder so. Dann hat Gaston ihn noch wegen Bernadett, 'ner genauso bescheuerten Schnäpfe von den Roten, aufgezogen und sich mit ihm geprügelt. Ich hätte gerade dich für vernünftig gehalten, dich nicht mit diesem roten Dreckbesen einzulassen. Oder hat die dir was untergejubelt?"

"Nope", erwiderte Julius locker. Die Frage war ihm hier schon so oft gestellt worden, daß sie ihn langweilte.

"Häh? Soll das nein heißen?"

"Yep", erwiderte Julius genauso trocken wie eben.

"Das kann nicht dein Ernst sein, daß du dich von dieser verfilzten Kaninchenbrut hast einwickeln lassen, Julius. Ich hätte echt gedacht ..."

"Das du die einzige bist, mit der ich echt gut zurechtkommen kann", vollendete Julius Belisamas Satz. Sie errötete, ob vor Verlegenheit oder Wut erkannte er nicht sofort. Er sagte dann: "Aber immerhin hast du es ja akzeptiert. Sonst hättest du mich am selben Abend ja noch angerufen."

"Aus dem ganz einfachen Grund, weil ich mich bestimmt nicht herablassen wollte, Millie oder dir zu gestehen, wie weh ihr beide mir getan habt. Da wollte ich lieber warten, bis du mich anrufst. Aber offenbar ist dir das ja ganz recht, mit dieser Zicke zusammenzusein. Dann hast du die wohl auch verdient, und ich war 'ne blöde Gans, zu glauben, daß du echt kultiviert seist."

"Mädchen, denk dran, daß wir noch drei Jahre miteinander klarkommen müssen, Millie, du und ich. Also fang jetzt bitte nicht an, dich mit mir rumzuzanken. Ich weiß, daß du dir mehr ausgerechnet hast und nehme es zur Kenntnis, daß dir das weh tut. Aber entschuldigen werde ich mich dafür nicht. So ist das Leben, sagen sie hier in Frankreich doch. Außerdem ist das schon unverschämt, von dir zu behaupten, kultiviert genug zu sein und andere, die nicht mit dir zusammen sein wollen seien das dann nicht. Ich weiß nicht, ob Madame Rossignol das so hinnimmt."

"Du hättest bei dem Quidditchspiel zu uns runterkommen sollen, anstatt da oben bei denen aus dem Latierre-Klüngel zu hängen. Offenbar stehst du doch auf Goldscheißer."

"Belisama, das war ein Wort zu viel", schnarrte Madame Rossignols Stimme aus dem Armband. Schlagartig verschwand Belisamas Bild.

"Die große Schwester hört uns zu", knurrte Julius auf Englisch. Aurora Dawns Vollportrait hinter ihm räusperte sich.

"Gut das Viviane das jetzt nicht mitbekommen hat", sagte die gemalte Aurora Dawn.

"Wegen der Sprache? Soll sie doch. Sie kann mir keine Strafpunkte geben. Wie geht's dir, beziehungsweise deinem natürlichen Ich denn?"

"Jetzt, wo Tante June und ihre Familie zu Mum und Dad zurückgezogen sind hat mein natürliches Ich wieder ein großes, leeres Haus. Ist schon 'ne Umstellung. Wie geht es dir denn? Offenbar hast du bei der jungen Mademoiselle Latierre ja doch den nötigen Halt gefunden. Orion meinte schon, daß wäre seine Rache dafür, daß du und Béatrice sein nettes Erbstück kaputtgemacht hättet. Jetzt müßtest du mindestens zwölf Latierre-Kinder auf den Weg bringen, abgesehen davon, daß du Millies Nachnamen annehmen mußt, wenn ihre Schwester nicht vorher heiratet."

"Bestell dem schöne Grüße, daß zwischen seine Beine noch mein Fuß reinpaßt und zwischen seine Augen meine Handkante. Was geht in Hogwarts?"

"Hmm, da läuft echt wieder was schräges ab, was mir und meinem natürlichen Ich nicht so recht schmeckt. Einmal ist mein Hogwarts-Ich durch ein Bild im siebten Stock geflogen und hat zwei Slytherin-Mädels aus der ersten Klasse vor einer Wand gesehen, die sie dann eine halbe Minute später in einem Korridor Richtung Bibliothek gesehen hat. Von da oben zur Bibliothek brauchst du zu Fuß bald zwei Minuten, wegen der ganzen Umwege und Tricktreppen. Apparieren können die ja auch nicht."

"Du meinst, da wären Doppelgängerinnen unterwegs, wie Klone. Aber Bokanowski hat sich in Hogwarts doch nicht ... Öhm, hat Professor Slughorn irgendwo einen Schluck Vielsaft-Trank rumstehen lassen?" Fragte Julius.

"Hmm, wenn mein Hogwarts-Ich das mitgekriegt hat hat er einmal einen großen Kessel davon im Unterricht vorgeführt, zusammen mit Amortentia und Veritaserum. - Das habe ich mir auch gedacht. Aber wer hat dann das Zeug getrunken und warum?"

"Die standen auf dem siebten Stock vor einer Wand, die ersten, die du gesehen hast? Ist da irgendein Geheimraum?"

"Kann man so sagen. Da in der Gegend liegt der Raum der Wünsche, ein bezauberter Raum, in dem je nach Bedarf die Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände wechseln. Ich habe damals meinen siebzehnten Geburtstag drin gefeiert, und Harry Potter hat da vor einem Jahr Dumbledores Armee ausgebildet, wenn du noch weißt, was damit gemeint war."

"Klar, stand ja in der Zeitung", erwiderte Julius. Dann überlegte er, was zwei verdoppelte Slytherin-Mädchen vor einem solchen Raum zu schaffen hatten, wenn sie nicht reingehen wollten. Vielleicht, so fiel ihm ein, weil er das selbst ja auch schon ausprobiert hatte, wollten ein paar Jungs ausprobieren, wie das war, als Mädchen rumzulaufen, aber warum dann als gerade mal Elf- oder Zwölfjährige? Entweder hätten die bei größeren Mädchen Probleme mit den Haren oder sonst welchen Bestandteilen bekommen oder wollten einfach nicht zu erwachsen aussehen, lieber klein und unauffällig. Aber warum hingen die dann vor der Wand rum anstatt den Raum zu suchen oder durch die Schule zu laufen? ...

"Öhm, das waren zwei und die standen so vor dieser Wand rum, Aurora?" Fragte Julius.

"Genau", meinte Auroras Bild-Ich. Dann verzog sie das Gesicht, als habe sie ein heftiger Schlag oder eine genauso heftige Erkenntnis getroffen. Julius sagte dann:

"Die haben Schmiere gestanden, nicht war. Womöglich sollten die beiden aufpassen, daß wer immer in dem Raum ist nicht gestört wird oder im unpassenden Moment rauskommt." Aurora nickte heftig. "Mist verdammt!" Fluchte Julius. "Aurora, weiß Dumbledore davon?"

"Das würde nur was bringen, wenn wir wüßten, wer sich da hingestellt hat", meinte Aurora.

"Das ist doch einfach. Wenn die beiden wieder irgendwie verdoppelt rumlaufen sucht ihr einfach alle Räume ab und kuckt euch an, welche Schüler noch da sind und welche nicht. Die die nicht da sind wären das dann. Würde mich nicht wundern, wenn das ausgerechnet Crabbe und Goyle wären."

"Wie kommst du auf die?" Fragte Aurora.

"Weil die immer zu zweit auftreten, obwohl es keine Zwillinge sind und die immer als Doppelschatten von Drecksau Draco Malfoy herumlaufen. Falls die drei Mistkäfer also nicht zu finden sind, während die beiden Mädchen in zweifacher Ausgabe in Hogwarts rumlaufen oder andere in doppelter Ausgabe rumlaufen, dann ist klar, wer da oben rumhängt und warum."

"Wir können nicht alle Räume untersuchen, abgesehen davon, daß die Bild-Ichs, die ihre Stammbilder in Slytherin haben mit denen dann unter einer Decke steckten und nicht rausließen, ob die bei denen sind oder nicht. Da können wir Bild-Ichs nichts machen. Und wenn jemand wie du Dumbledore schreibt, daß da etwas merkwürdiges im Gange sein könnte, will der bestimmt mehr haben als nur eine zufällige Beobachtung. Vielleicht wollten ja zwei Jungs ausprobieren, wie sich ein Mädchenkörper anfühlt und fanden keine, die dafür was von ihren Haaren hergegeben hätten. Wäre nicht das erste Mal in Hogwarts.""

"Das habe ich zu erst auch gedacht. Doch dann kam mir das so komisch vor, daß zwei auf einmal vor einer bestimmten Wand rumstehen, ohne sonst was zu machen."

"Also wenn das echt Crabbe und Goyle wären, die für Draco Malfoy was absichern, dann wäre das bestimmt nichts gutes", erwiderte Aurora betroffen. Ihr Original hatte Julius bei Claires Beerdigung ja erzählt, daß sie damals den sehr kleinen Draco Malfoy vor randalierenden Todessern gerettet habe. Mittlerweile war aus dem unschuldigen, hilflosen Baby ein überheblicher, dem Irren Voldemort zugetaner Schnösel geworden, der allen die es hören wollten oder nicht vorschwärmte, wie toll doch sein Vater und wie reinblütig seine Ahnenlinie sei. Derselbe Draco Malfoy hatte vor fast einem Jahr Slytherins Galerie des Grauens zum Leben erweckt, die Julius fast das Leben gekostet hätte und die wegen der Benutzung von Darxandrias Haube und anderen Sachen danach zum körperlichen Tod von Claire geführt hatte. An und für sich müßte er diesen arroganten Papasohn abgrundtief hassen. Doch zum einen würde er selbst dadurch kein besserer Mensch, Claire bekäme ihren eigenen Körper nicht mehr wieder und Voldemort würde dadurch nicht aus der Welt verschwinden. Doch ein gewisser Groll rührte sich schon in Julius, wenn er daran dachte, was dieser überhebliche Bengel wieder im Schilde führte. Ja, was gutes war das bestimmt nicht. Konnte es sogar angehen, daß er was mit den Anschlägen mit der verfluchten Kette und dem Gift zu tun hatte? Würde zu ihm passen, feige Anschläge aus dem Hinterhalt, ohne daß man es ihm nachweisen könne, wenngleich auch dilletantisch, wenn Katie Bell und Ron Weasley nicht die wirklichen Ziele gewesen waren. Er sagte noch zu Auroras Bild-Ich:

"Egal, ob ihr irgendwas rauskriegen könnt oder nicht, sagt Dumbledore, daß womöglich wer in seiner Schule wieder was anleiert! Jetzt, wo der sogenannte Unnennbare wieder offen auftritt könnte sich jemand veranlaßt fühlen, ihm einen Dienst zu erweisen."

"Wie gesagt, wir Bild-Ichs sind in der Hinsicht eingeschränkt. Wenn du so etwas schreibst, möchte Professor Dumbledore schon mehr wissen, um es dann abstellen zu können."

"Verdammt noch mal, wenn ich 'ne brennende Zündschnur sehe muß ich doch nicht wissen, wo die Sprengladung liegt. Dann trete ich die Lunte aus und suche dann", erwiderte Julius aufgebracht und etwas überheblich. Aurora nickte ihm zu und meinte:

"Vielleicht können wir was drehen, daß die Schüler oder Lehrer da was mitbekommen können. Aber wie gesagt, wir können nicht jeden Raum überprüfen."

"Okay, ich verstehe, daß da im Moment nicht mehr zu machen ist. Vielleicht war es ja auch nur ein Gag, den sich zwei geleistet haben. Vielleicht gibt's auch einen anderen Geheimgang, durch den die beiden Mädchen durchschlüpfen konnten, um so früh unten zu sein. Also kuckt, was ihr machen könnt und ob sowas noch mal vorkommt, bitte!"

"Machen wir", sagte Aurora Dawn.

Julius versuchte, noch einmal mit Belisama Lagrange zu sprechen. Doch ihr Abbild erschien nicht. Hoffentlich hatte Madame Rossignol sie nicht zu heftig bestraft, weil sie so heftig über Millie hergezogen hatte.

"Schwester Florence, ich rufe Sie!" Sprach er beschwörend, als er den Finger auf den weißen Stein legte. Es dauerte zehn Sekunden, bis die Heilerin als nichtstoffliche Erscheinung vor ihm im Raum stand.

"Du möchtest wissen, was mit Belisama Lagrange ist", stellte Madame Rossignol mit kühler Betonung fest. "Sie wird mit Hilfe der Schlüssel mit keinem von euch anderen Pflegehelfern sprechen, bis wir die allgemeine Pflegehelferkonferenz haben. Ich habe Mildrid und dich vorgewarnt, es sei besser, Belisama vor eurer Rückkehr zu informieren. Sie hat es zwar hingenommen, aber gut getan hat es ihr nicht. Dennoch darf ich diesen Umstand nicht als mildernden Umstand für die verbalen Entgleisungen gelten lassen oder gar von dir verlangen, du hättest dich bei ihr für deine Entscheidung zu entschuldigen, zumal durch das Überqueren der magischen Brücke ja deutlich wurde, daß Mildrid und du ernsthaft aneinander interessiert seid und miteinander gut zurechtkommen könnt. Da ich das Belisama und den anderen, die es nicht betrifft nicht darlegen will oder darf sehe ich zumindest ein, daß ihr beide euch einstweilen nicht mit ihr auseinandersetzen wolltet. Du hast auch recht, wenn du sagst, daß das ein Bestandteil des Lebens sei, bei der Partnersuche ins Hintertreffen zu geraten und sich die, die erfolgreich waren nicht deswegen schuldig fühlen sollten. Wir verbleiben also bis zur Konferenz. Mal sehen, ob sich die Wut der jungen Mademoiselle Lagrange bis dahin abgekühlt hat oder wir eine mittelschwere Krise haben. - Noch was: Der Beruhigung der Lage wegen habe ich Mildrid untersagt, von sich aus mit dir über Belisama zu diskutieren, sofern ihr dafür die Pflegehelferschlüssel benutzt und umgekehrt. Es versteht sich, daß ihr beide die Situation nicht noch schlimmer machen sollt."

"Wie sie wünschen", erwiderte Julius. Dann verabschiedete er sich höflich und beendete die Verbindung.

Den restlichen Abend vertrieb er sich mit seinen Klassenkameraden oder den jüngeren Schülern, die ihn als Hausaufgabenhilfe für Kräuter- und Muggelkunde oder Zaubertränke für sich gewinnen konnten. Carmen, die dieses Jahr ebenfalls am Walpurgisnachtflug teilnehmen würde, fragte ihn einmal, wer außer Millie ihn eingeladen habe. Er erwiderte darauf nur, daß er das gerne für sich behalten wolle.

Hercules kehrte genau um zehn Uhr ziemlich abgekämpft in den grünen Saal zurück. Da er für die nächsten Tage außer den Unterrichtszeiten mit dem Sprechbann belegt war, schrieb er für seine Klassenkameraden auf einen Pergamentzettel, daß Madame Maxime ihm abverlangt habe, den Boden im Sprechzimmer zu schrubben und daß er morgen die ganzen Figuren und den Boden im Ankunftsraum blankzuputzen habe.

"Oha, dann läßt die dich noch ihr Badezimmer scheuern oder was?" Stöhnte Robert. Hercules nickte. Julius bedauerte den Klassenkameraden. Andererseits wollte er im Moment nichts dazu sagen, weil durchaus sein konnte, daß Hercules eine Mordswut auf ihn hatte. So belegte er kurz nach der Bettkontrolle sein Bett mit dem Pacibiculum-Zauber, um unangreifbar schlafen zu können.

__________

Die Zauberkunst-Ag und der Duellierclub boten Julius die Gelegenheit, den diese Woche im Verwandlungskurs für Fortgeschrittene gelernten Zauberwiederholungszauber zu üben. In der Zauberkunst-AG ließ er zehn Stühle einen Stepptanz vorführen, jagte drei Minitornados durch den Saal und füllte ungesagt zehn Eimer mit Wasser. Dann erst meinte Professeur Bellart, daß er sich eine Pause gönnen solle. Im Duellierkurs wagte er es einmal, eine Dreiersalve Schockzauber auf Sabine abzufeuern, die hinter dem größeren Schildzauber Deckung genommen hatte. Professeur Faucon trat hinzu und erinnerte ihn an ihre Worte, daß er sich mit einer Folge schnell abfolgender Flüche erstens anderen Angriffen wehrlos auslieferte und zweitens schnell erschöpft sein mochte. Sabine meinte dann:

"Aber schon beeindruckend, drei Schocker in einer Sekunde abzukriegen. Wenn Sie schnell genug zielen können haben Sie dann in einer Sekunde drei Gegner betäubt, bevor die was machen konnten. Außerdem hat's meinen Schild ziemlich arg gebeutelt. Könnte sein, daß zu schnell hintereinander gewirkte Flüche derselben Art auf denselben Punkt geschleudert einen starken Schild doch durchschlagen können."

"Bringen Sie den jungen Mann hier nicht noch auf glorreiche Ideen, Mademoiselle Montferre, Sabine!" Schnarrte Professeur Faucon, als es in Julius' Augen hoffnungsvoll glitzerte. Gloria und Waltraud droschen derweil mit vielfarbigen Zaubern aufeinander ein, die jedoch von guten Zauberschilden abprallten und beinahe unbeteiligte Kursmitglieder erwischten. Als einmal ein giftgrüner Lichtstrahl wie eine wild gewordene Feuerwerksrakete an Professeur Faucon vorbeifauchte erschrak sie erst, wurde dann jedoch sehr ungehalten.

"Mademoiselle Porter, bei allem Respekt vor der Hingabe ihrer seligen Frau Großmutter, die Ihnen wohl diesen Fluch beibrachte, möchte ich Sie doch sehr bitten, mögliche Querschläger zu bedenken. Fünf Strafpunkte für unzureichende Aufmerksamkeit."

"Was war denn das für'n Feger?" Wollte Julius später von Gloria wissen, als der Kurs vorbei war.

"Der grüne Strahl, der halb so hell ist wie der Todesfluch?" Fragte Gloria zurück. "Retropositus. Den hatten wir im Unterricht noch nicht. Hat Oma Jane mir im Sommer noch beigebracht. Der dreht alle Lebensvorgänge und Gedankenbahnen um, bis er erneut gewirkt wird. Will sagen, der davon erwischte tut, denkt und sagt alles rückwärts und erlebt auch seine Umwelt so, als liefe die Zeit in die andere Richtung. Ich wollte wissen, ob der durch Waltrauds Schild geht. Die hat den ja gut gelernt."

"Ein Rückwärtsgangfluch? Auch nicht ohne. Geht der nur bei Lebewesen oder kann man damit auch Uhren rückwärts laufen lassen?" Wollte Julius wissen.

"Dieser Fluch wirkt ausschließlich auf Lebewesen. Allerdings hält er nur einen vollen Tag vor", erwiderte Professeur Faucon leicht ungehalten. "Aber in der Zeit, bis jemand ihn erneut wirkt, um ihn aufzuheben kann der Betroffene keinen brauchbaren Zauber mehr wirken, da er entgegen der üblichen Zeitrichtung agiert. Das ist schon sehr heimtückisch, ihn zu wirken, Mademoiselle Porter. An und für sich müßte ich Ihnen dafür noch Strafpunkte zuerkennen, wenn ich selbst nicht gesagt hätte, daß alle aufhebbaren Flüche im Duellierkurs gestattet sind."

"Ja, aber dann könnte doch jeder ein Duell mit diesem Fluch entscheiden, ja einen Gegner gut außer Gefecht setzen oder töten", meinte Julius. Professeur Faucon schüttelte den Kopf.

"Wie Ihre Klassenkameradin aus dem weißen Saal gerade erläuterte kehrt dieser Fluch alle Regungen und Vorgänge im Körper des Betroffenen um. Um ihn zu betäuben müßte der Schockzauber exakt rückwärts gesprochen werden, nicht einfach nur so, wie die Buchstaben rückwärts stehen, sondern exakt betont. Außerdem müßte jemand den Stab erst ausrichten, ihn dann senken und genau nach der Zeitspanne, die der Schockzauber bei normalem Aufruf nach dem Sprechen freigesetzt wird das Zauberwort rückwärts ausrufen. Das ist schon mal Schwierig. Ähnlich verhält es sich mit dem tödlichen Fluch. Einzig körperliche Gewalt kann einen vom Retropositus-Fluch betroffenen schädigen, da Giftstoffe bei umgedrehtem Stoffwechsel nicht wie üblich wirken. Allerdings heißt das auch, daß der Betroffene keine Nahrung oder Wasser aufnehmen kann. Da die Verdauungsprozesse andersherum ablaufen."

"Ups, schon krass", sagte Julius. "Dann könnte jemand das, was er vor einer Stunde gegessen hat unverdaut und unzerkaut wieder ausspucken?"

"Ganz genau", knurrte Professeur Faucon.

"Mich auf Rückwärts drehen wollen, Gloria. Schäm dich", erwiderte Waltraud, mußte jedoch dabei schalkhaft grinsen.

"Am besten besprechen wir diesen Fluch im regulären Unterricht ihrer beiden Säle", wandte Professeur Faucon ein. "Dabei werden Sie hoffentlich lernen, daß er eben nur dazu taugt, um Mitzauberer oder -hexen vom Zaubern abzuhalten, sofern das Angriffsziel weniger als anderthalbmal so mächtig ist wie der Angreifer. Daher ist er im direkten Duell zwischen sehr mächtigen Zauberern eher unnütze Zauberkraftvergeudung. Noch ein angenehmes Wochenende", entgegnete Professeur Faucon und ließ ihre schüler ihres Weges ziehen.

__________

Am Samstag abend traf sich Julius mit Professeur Faucon zur letzten Occlumentie-Übungseinheit vor der von ihr erwähnten Endprüfung. Er schaffte es, sie mehr als eine halbe Stunde am Stück von seinen Gedanken abzuhalten. Dann sagte sie:

"Ich hörte von deiner Mutter, du hättest Daianira Hemlock getroffen und dich ihrer Neugier entzogen. Wie ich weiß ist sie selbst eine gute Occlumentin oder Okklumentorin, wie sie in den englischsprachigen Ländern sagen. Es war auf jeden Fall richtig, dir diese Kunst schon jetzt beizubringen. Sicher kann es dir passieren, daß du doch auf einen Widersacher oder eine Widersacherin triffst, der oder die skrupelloser ist als ich und mit aller Gewalt deine innersten Regungen und Erinnerungen zu entreißen trachtet. Aber je besser du dich gegen einen solchen Widersacher behaupten kannst, desto sicherer kannst du dein Leben und das deiner Lieben schützen", sagte sie. Dann fügte sie noch hinzu: "Zumal ich mir bei Daianira Hemlock nicht sicher bin, daß sie wirklich nur aus Neugier und Mißtrauen Fremden gegenüber diese Kunst benutzt. Aber wie dem auch Sei, am Sonntag nach dem Spiel findet deine Endprüfung statt. Ein Zeugnis kannst du dafür zwar nicht beanspruchen, aber die Gewißheit, etwas so gut es dir möglich ist erlernt zu haben. Bis also nächste Woche am Sonntag und Hals und Besenbruch für das Spiel nächste Woche!"

Am Sonntag fand die Pflegehelferkonferenz statt. Belisama hatte sich bis dahin schön von Julius und Millie ferngehalten. Die beiden saßen nun ruhig da, machten keine herausfordernden Mienen oder Gesten der Kameradin aus dem weißen Saal gegenüber. Als Schwester Florence die Tagesordnung vorgetragen und die allgemeinen Punkte wie die weitere Entwicklung Cytheras in Beauxbatons, die Vorbereitung des am nächsten Samstag ablaufenden Quidditchspiels und den Stress der ZAG- und UTZ-Kandidaten besprochen hatte, sah sie Belisama, Mildrid und Julius an und sagte ernst und ruhig:

"Vor den Ferien bat ich euch drei darum, den immer weiter ausartenden Konflikt um eine mögliche oder nichtmögliche Partnerschaft zwischen Julius und Belisama oder Mildrid zu klären und zu beenden. Das hat auch stattgefunden und auf eine Weise, daß sich Julius und Mildrid auf eine Beziehung eingelassen haben, ohne Belisama um Zustimmung zu bitten, was ja auch völlig in Ordnung ist. Allerdings mußte ich in dieser Woche erkennen, daß sich das Klima innerhalb unserer Truppe dadurch nicht wie gewünscht gebessert hat, sondern jetzt noch ehr eine gereizte Stimmung vorhanden ist, die ich an und für sich nicht mehr vorfinden wollte, als wir alle aus den Ferien zurückkamen. Da dieser Konflikt alle von uns betrifft, möchte ich hier und jetzt alles besprechen, was ihn trotz der Entscheidung von Mildrid und Julius nicht beendet hat und wie er nach möglichkeit heute beendet werden kann. Um das mal klar und deutlich zu sagen, die Damen Lagrange und Latierre, ich unterhalte hier keinen Zankverein für in Beziehungsdingen konkurrierende junge Mädchen. Da es im Moment eher danach aussieht, als seist du, Belisama", wobei sie die Angesprochene sehr genau ansah, "nicht daran interessiert, diesen unerträglichen Zustand zu beenden. Erzähl uns jetzt also bitte, was dich umtreibt und wie wir dir helfen können!"

Belisama errötete, während Millie doch für einen Moment schadenfroh zu ihr hinüberblickte. Dann sah Belisama Julius an und sagte kühl und durchdringend:

"Ich ging ganz stark davon aus, daß du von deiner Herkunft und deinen Interessen her eher an jemandem interessiert seist, die gelernt hat, sich in jeder Situation gut zu benehmen, höflich und zurückhaltend und nicht nur auf die eigenen Bedürfnisse eingestellt ist. Ich war bis vor den Ferien der Meinung, daß du, Julius, niemals so kopflos sein würdest, dich von einer einfach nur weil sie toll aussieht oder dir nette Sachen ins Ohr flüstert einfangen zu lassen, gerade auch, weil dir das mit dieser Bestie passiert ist, die deinen Vater an sich gebunden hat. Ich habe mich wohl gründlich geirrt."

Julius mußte schlucken, um Belisama nicht wütend anzuschreien. Daß sie die Sache mit Hallitti und seinem Vater erwähnte kam einem tritt in den Unterleib gleich. Daß sie ihn nicht mehr für kultiviert und gebildet oder überlegt hielt wußte er ja seit Donnerstag schon. Er krallte sich mit beiden Händen an seinen Stuhl fest und atmete gepreßt ein und aus. Madame Rossignol sah Millie an und erteilte ihr das Wort:

"Also zum einen, Belisama, weißt du genauso wie ich, daß Julius sehr lange gebraucht hat, um mit dem Verlust von Claire fertig zu werden. Jaja, ich weiß, du meinst gleich noch, er hätte sie verraten, weil sie immer was gegen mich hatte. Zumindest meinst du, daß so mitgekriegt zu haben. Aber jetzt noch zwei Sachen, für die ich dir schon längst eine runtergehauen hätte, wenn ich mich nicht doch gut beherrschen könnte, Mademoiselle Lagrange: Zum einen bist du genauso'n Mädchen wie ich. Du hast Eltern, die in der Zaubererwelt wichtig sind. Deshalb habe ich genauso wie du gelernt, immer zu kucken, wer was warum von mir will oder erwarten kann. Aber im Gegensatz zu dir bin ich ehrlich, wenn ich jemandem sage, daß er mir gefällt, ohne es vor ihm und mir groß und umständlich begründen zu müssen. Was du wolltest war ein Freund, mit dem du dich in feiner Gesellschaft bewegen und ihn vorführen kannst wie ein schickes Kleid oder ein teures Schmuckstück. Ja, und gerade weil Julius nicht blöd ist hat er sich anders entschieden. Gib's also bitte zu, daß du ihn und mich verkehrt eingeschätzt hast. Dann brauchst du dich auch nicht mehr aufzuregen!"

Belisama sah Millie sehr verstimmt an. Die anderen Pflegehelferinnen und Sixtus Darodi saßen nur stumm dabei, nicht sicher, auf wessen Seite sie jetzt eigentlich sein sollten. Julius bat durch Handzeichen ums Wort. Als Madame Rossignol ihm zunickte sagte er:

"Okay, zum einen wollte Mildrid dir das sofort über die Pflegehelferschlüsselverbindung mitteilen, daß sie und ich miteinander gehen. Ich habe ihr gesagt, sie möchte damit warten, bis wir wieder hier sind. Dann haben wir beide in Amerika dieses nette Schmuckstück hier gefunden", wobei er seinen Herzanhänger hervorholte, vorzeigte und wieder unter den Umhang steckte. "Weil wir keine lange Zeit mehr hatten uns genau abzustimmen, wie wir es dir, Belisama und den anderen hier ruhig genug beibringen können sind wir beide drauf gekommen, die Anhänger offen zu tragen, damit alle sehen, daß wir uns zusammengetan haben. Das hat ja auch funktioniert. Mildrid und ich brauchten uns die wertvolle Zeit nicht mit übervorsichtigen Erklärungen zu vertun. In meinem Saal wohnen auch welche, die mir um die Ohren gehauen haben, ich wäre doch einfältig, blöd oder hätte von jetzt auf nachher aufgehört, mit dem Gehirn zu denken und würde statt dessen was anderes zum denken ...", Madame Rossignol schüttelte sacht den Kopf. "Jedenfalls ist das jetzt so, daß Millie und ich miteinander gehen. Wir haben eben vor der Reise in die Staaten lange miteinander geredet und das nicht nur einvernehmlich. Aber jetzt ist das eben so, und ich fühle mich nicht schuldig deswegen. Ich denke schon, daß du damit klarkommen kannst, Belisama, wenn du wirklich willst, daß es mir gut geht und ich glücklich und ausgeglichen bin, wenn das nicht so wäre hätte Millie ja mit ihrem Vorwurf recht, daß du nur kucken wolltest, daß ich schön um dich rumschnurre und mich mit dir gut sehen lassen kann. Also, wenn du echt willst, daß es mir gut geht und nicht willst, daß Millie mit dem, was sie gerade über dich gesagt hat recht hat, dann bitte ich dich hier vor allen, daß du uns die Möglichkeit läßt, gut bis sehr gut miteinander auszukommen."

Die älteren Mitschülerinnen im Pflegehelferkurs sahen ihn erst verdutzt und dann anerkennend nickend an. Millie lächelte überlegen, während Belisama mit versteinerter Miene von ihr zu Julius und dann zu Madame Rossignol sah, die sachte genickt hatte, als Julius seine Bitte vortrug. Die bergquellklaren Augen funkelten für einen Moment wütend. Dann straffte sich Belisama, sah Millie an und zischte:

"Wenn er echt mit dir zusammen sein will, dann hat er dich wohl auch verdient. Aber laßt mich bloß in Ruhe mit allem, was dabei läuft!" Dann warf sie ihren Kopf herum, starrte Julius entschlossen in die Augen und sagte kalt wie ein eisberg: "Wie immer die dich gekriegt hat, Julius, komm bloß nicht angekrochen, wenn du rausfindest, daß das mit ihr nichts war!"

"Danke für deine Einsicht", erwiderte Julius ebenso kühl.

"Darf ich das jetzt als Ende dieser leidigen Streiterei auffassen?" Fragte Madame Rossignol. Die drei Betroffenen nickten, wobei Julius sehr energisch und Belisama sehr verhalten nickte. Damit war die Konferenz beendet, und der normale Übungstag der an diesem Sonntag verbleibenden Gruppe Pflegehelfer begann.

__________

Am Montag bekam Hercules wieder Sprecherlaubnis und erzählte den Jungen, wie anstrengend es war, für die Schulleiterin zu arbeiten, nicht nur in den Wohn- und Arbeitsräumen, sondern auch und vor allem in den Gehegen, wo er ohne Zauberkraft hantieren mußte, solange er nicht mit großen Zaubertieren zu tun hatte. Einmal nahm er Julius bei Seite und meinte:

"Wehe, die Rote bringt dich auf irgendeinen Unsinn, daß du deshalb auch nicht spielen kannst. Dann gibt's mordsmäßigen Ärger."

"Hercules, ich habe dir nicht gesagt, du sollst dich mit Gaston oder Madame Maxime anlegen, und Millie auch nicht", versetzte Julius dazu nur. "Also droh mir bitte nicht, wenn wir beide die nächsten drei Jahre hier nicht durch 'ne hohe Mauer durch den Schlafsaal abgetrennt bleiben sollen! Irgendwo ist bestimmt auch meine Grenze überschritten, und das möchtest du dann bestimmt nicht erleben, bei dem, was die mir hier alles beibringen und dem, was ich vorher schon gelernt habe.""

"Spiel dich nicht auf!" Knurrte Hercules verbittert. Julius sah ihn ungehalten an und entgegnete:

"Danke gleichfalls!" Dann zog Hercules wieder seines Weges. Julius entging dabei nicht, daß er schnurstracks zu Céline und Laurentine hinüberging. Robert, der erst versuchte, den Kameraden zu beschwichtigen, schob frustriert ab, als die beiden Mädchen sich mit Hercules unterhielten. Er kam zu Julius herüber und meinte verächtlich:

"Also wenn dir gleich die Ohren klingeln, daß sind die drei da." Julius nickte.

"Denen will nicht in den Kopf, warum Millie und ich auf einmal miteinander klarkommen sollen. Ich meine, wenn mir wer vor einem Jahr erzählt hätte, daß ich was an Millie finde, daß sie für mich interessant macht, hätte ich gelacht und den einen Blödmann genannt. Aber jetzt ..."

"Ich kapier's zwar auch nicht, was du an der findest. Sicher, die ist flotter drauf als Bernadette, aber im Vergleich zu Belisama doch er ein Bauernmädchen gegenüber einer Prinzessin."

"Ey, danke, das ist die Begründung", erwiderte Julius nun überlegen lächelnd. "Prinzessinnen können wesentlich anstrengender sein als ehrliche Bauernmädchen. Bei denen weißt du zumindest, wo du dran bist. Außerdem sieht Millie auch nicht schlecht aus, Robert, wenn es nur das wäre, worauf es ankommt."

"Na gut, ihre große Schwester war schon eine heiße Hexe. Wenn du die als Werbebild für Millie im Kopf hast, hast du dich echt von einer anlachen lassen, die mal was hermacht, und dumm ist die ja echt nicht, weil die schön gewartet hat, bis du für sie oder Belisama wieder empfänglich bist. Céline kann die nur nicht ab, weil Millie ihr zu stark ist und das ihr gegenüber auch immer raushängen läßt. Vielleicht hört die ja ein wenig auf dich und läßt das sein. Bébé kann Millie nicht ab, weil die zum einen Céline so runtermacht, ihre Freundin Claire wegen dir geärgert hat und jetzt noch Belisama abgehängt hat. Zumindest denke ich das mir so", erwiderte Robert dazu. Julius überlegte und nickte sachte. Dann sagte er:

"Ich kann und werde dir nix versprechen, daß das zwischen Millie und Céline verträglicher wird. Millie sagt ja selbst, daß sie einiges ausgeteilt hat. Aber Céline rastet auch ziemlich leicht aus, was eigentlich rote Eigenschaften sein sollen. Was Laurentine angeht hat das auch was mit deren Sturheit zu tun, weil die sich bei euch in den ersten zwei Schuljahren so störrisch wie'ne Mauleselin benommen hat. Sowas bringt einem auch keinen Jubel. Und was Claire angeht, Robert, so bin ich mir da vollkommen sicher, daß die wollte, daß ich mit einer zusammen bin, die ähnlich wie sie gelagert ist und die mir offen zeigt, wie sie gerade drauf ist oder ob irgendwas anliegt, womit ich mich auseinandersetzen muß. Deshalb waren die beiden ja so zickig zueinander, weil Claire Angst hatte, daß Millie mir doch besser gefallen würde. Deshalb haben Claire und ich ja gezaubert, um zu sehen, ob wir beide füreinander was empfinden, weil sie Angst hatte, ich wäre schon so gut wie von ihr weg. Aber jetzt, wo sie nicht mehr da ist bin ich mir eben sicher, daß sie dann lieber Millie als Nachfolgerin haben wollte oder eine von den Montferres, wenngleich ich mir das vor Claires Tod auch nicht vorstellen konnte." Julius flunkerte ein wenig, als er den letzten Satz sagte. Denn er hatte es sich sehr wohl schon vorstellen können, mit Sabine oder Sandra was anzufangen, bevor Claire durch seine Neugier dazu gebracht wurde, ihren Körper aufzugeben und mit ihrer Großmutter Aurélie zu Ammayamiria zu werden.

Der heftige Abschluß des seit Monaten geführten Umwerbungskampfes um Julius verflog im Angesicht des entscheidenden Quidditchspiels, wo die Mannschaften der Roten gegen die der Grünen antreten sollten. Die ganze Woche herrschte eine ständig zunehmende Spannung zwischen den Bewohnern der beiden im Moment die Tabelle anführenden Säle. Im Moment besaß der grüne Saal ein Punktekonto von 1320 Punkten. Die Roten besaßen 920 Punkte in der Quidditchwertung. Da die Jäger der Roten in dieser Saison zu gefürchteten Torraumstürmern avanciert waren und die beiden Treiberinnen Sabine und Sandra Montferre tatkräfftig den Vorstoß der gegnerischen Jäger vereiteln konnten war es fraglich, ob die Grünen den Pokaltriumph vom Vorjahr wiederholen konnten, zumal die anderen Säle durchaus auch starke Mannschaften aufboten, darunter vor allem die von Maurice Dujardin aus dem gelben Saal, die zu Jahresbeginn niemand außer den Gelben selbst auf der Rechnung hatte. Julius empfand jedoch bei der ansteigenden Spannung nicht diese unangenehme Stimmung wie damals in Hogwarts, wo die Slytherins und Gryffindors im Endspiel gegeneinander rangemußt hatten und die beiden Häuser sich schon vor dem Anpfiff außerhalb des Stadions reichlich beharkt hatten. Wenn er mit Spielern aus dem roten Saal zusammentraf, sei es im Unterricht, sei es in den Freizeitkursen, scherzten beide Gruppen wie bei einem Gelage alter Krieger, die sich darauf freuten, heute miteinander zu trinken und morgen einander die Köpfe einzuschlagen. Vor allem bei den Montferres hatte er das Gefühl, als wollten die ihn bloß nicht vor dem Spiel ausfallen lassen. Das einzig Unangenehme an dieser Hochspannung waren die Blicke, die Céline, Belisama und Bébé Mildrid im Arithmantikunterricht zuwarfen. Seitdem Hercules sowohl als Mannschaftsmitglied gesperrt und zu Madame Maximes Putzmannstrafkompanie abkommandiert worden war hielt er sich so weit es ging zurück. Die wirklich versuchten, gegen die gute Stimmung vor dem Spiel anzukämpfen waren die aus dem violetten und die aus dem blauen Saal. Das bekam Julius einmal mit, als Jacques Lumière auf dem Pausenhof zu Laertis Brochet, dem Sucher der Roten hinüberging und ihm was zuflüsterte. Der ältere Junge wirbelte darauf herum und versuchte, den frechen Bengel zu erwischen, der jedoch wieselflink zwischen den anderen hindurchsauste und zwei gekonnte Haken schlug, die Brochet ziemlich dumm aussehen ließen. Robert meinte zu Julius:

"Hat der Bursche dem Nixfänger der Saison gesagt, daß er auch in dem Spiel den Schnatz nicht kriegt?"

"Entweder das oder was noch gemeineres", meinte Julius. Da bildeten sich zwei Lager aus Jungen des blauen und des roten Saales. Bei den Roten traten auch Laertis Brochet und Hannibal Platini aus der Mannschaft an, während auf der Seite der Blauen die Rossignol-Zwillinge und die Mistrals mitmischten. Doch bevor es zu einer offenen Keilerei kommen konnte, schleuderte Professeur Paralax, der die Pausenhofaufsicht hatte, mehrere feuerrote Knallfrösche zwischen die einander nähernden Fronten.

"Oh, das wär's doch gewesen, wenn die Brochet und Platini wegen einer Rauferei gesperrt hätten", feixte Hercules, der wie Julius und Robert zugesehen hatte. "Nur blöd, daß die Latierre und Montferres nicht in dem Haufen zusammenstanden."

"Die werden sich nicht wegen ein paar blauer um den Spaß bringen lassen, Leute", raunte Julius.

"Na klar, wo die glauben, weil du dich von dieser Latierre-Schnäpfe hast beschwatzen lassen könnten die den Pokal beim Spaziergang holen", legte Hercules nach. Doch Julius hörte nicht drauf. Die Schallplatte von Hercules war schon so oft abgelaufen, daß sie für ihn nur noch ein unbedeutendes Knistern und Rauschen produzierte.

Am Freitag abend wies Professeur Faucon die Montferres, Waltraud und Julius an, außerhalb des Duellierfeldes bei Madame Rossignol zu bleiben.

"Ich möchte mir morgen weder vorwerfen noch vorwerfen lassen, die Mannschaften des roten oder grünen Saales mutwillig gefährdet zu haben", sagte sie streng. So saßen die vier Quidditchspieler am Feldrand und verfolgten wie Zuschauer bei einer Kampfsportveranstaltung die Übungsduelle.

"Das ist das erste Mal, daß sie uns beide nicht aufs Feld läßt", meinte Sabine zu Julius. Dieser nickte. "An und für sich könnte ich jetzt auch in meinen Saal gehen und da ein wenig an den Hausaufgaben für Montag weiterbasteln", flüsterte Julius. Währenddessen beharkte Gloria Golbasto Collis aus dem violetten Saal. Als sie dann einen Fluch anbrachte, der wie eine blutrote Feuerkugel aus dem Zauberstab fuhr und Golbasto in eine rot-violett flimmernde Funkenwolke einhüllte, in der der Junge noch kleiner und schmächtiger wirkte als er es eh schon war, taumelte und mit verdrehten Augen hinfiel, erklärte Professeur Faucon das Duell für beendet.

"Ui, die Rache des Mars", bemerkte Julius. "Astrale Flüche sind nicht einfach und nicht ohne. Gloria packt langsam die härteren Hämmer aus."

"Woher kennst du den schon? Den hatten wir erst in der Sechsten", warf Sandra ein. Waltraud sah Julius ebenso fragend an.

"Ihr wißt doch, daß mich Professeur Faucon durch so einen Parcours jagen will, daß ich am Jahresende wie die ZAG-ler geprüft werden soll", sagte Julius, während Madame Rossignol aufs Übungsfeld ging und den total erschöpften und orientierungslosen Golbasto versorgen mußte, während die Übungsleiterin mit Gloria sprach.

"Kannst du den denn schon?" Fragte Waltraud. Julius sagte nur, daß er ihn wohl praktisch lernen sollte, aber noch nicht wisse, wie und bis wann.

"Aber deine blondgelockte Freundin aus Hogwarts hat den original gebracht", meinte Sandra. "Jetzt kapiere ich's, warum wir vier nicht mitmischen durften. Kuckt euch Collis an. Der ist ja nur noch zwei Drittel so groß wie sonst", feixte sie leise. Waltraud zog Julius sachte an sich und fragte:

"Was macht dieser Fluch genau?"

"Er entzieht dem Getroffenen alle Kampfeslust und die halbe körperlich-geistige Kondition. Wer den voll abkriegt muß, wenn er nicht mit dem Gegenzauber behandelt wird alle körperlichen und geistigen Fähigkeiten neu trainieren. Römische Zauberer haben damit germanische Krieger zu Schwächlingen verflucht, bis deren Zauberer und die keltischen Druiden Tränke und Gegenzauber dagegen hinbekommen konnten."

"Und den hat die schon gelernt?" Fragte Sabine auf Gloria deutend, die jetzt, wo der Kampf vorbei war, selbst nicht mehr so recht gut auf den Beinen war. Sie sah blaß und mit leicht eingetrübten Augen zu, wie Madame Rossignol sich um Golbasto kümmerte, der wie unter starken Drogen am Boden lag und ins Leere blickte.

"Julius, kümmerst du dich bitte um Gloria!" Forderte die Heilerin. Julius stand auf und eilte auf das Feld.

"O Mist, dieser Fluch macht einen ja selbst platt", stöhnte Gloria, die sich ganz gegen ihre sonstige Art wie ein Gassenjunge ausdrückte. Julius sah sie an und meinte:

"Wenn du den von deiner Oma gelernt hast verstehe ich nicht, daß die dir nicht erzählt hat, daß du bei der Nummer selbst die halbe Tagesausdauer verbrätst."

"Das entzieht sich mir ebenso", knurrte Professeur Faucon. Julius holte aus dem mitgenommenen Ersthelferkasten eine Flasche mit einem Kräftigungstrank, von dem er Gloria jedoch nur die halbe Dosis gab, damit sie nicht die ganze Nacht wie unter Dampf stehen mochte. Madame Rossignol behandelte zusammen mit Professeur Faucon den niedergestreckten Sucher der Violetten.

"Ich dachte, ich wäre schon fähig, den ohne mich selbst zu erschöpfen zu wirken", meinte Gloria. "Auf jeden Fall habe ich ihn überrumpelt."

"Eindeutig, Gloria. Am besten feuerst du demnächst nur den Mondlichthammer ab. Der zieht nicht so leicht runter."

"Ich weiß, den haben Oma Jane und du mal benutzt, als ihr gegen Swifts Fangkommando gekämpft habt, wo ihr deinen Vater gesucht habt", erwiderte Gloria. Inzwischen flog Golbasto auf einer Trage aus dem Saal. Professeur Faucon kam zurück und sah Gloria ernst an:

"Ich weiß nicht, ob Sie sich das als Ruhmestat oder Unglücksfall anrechnen möchten, Mademoiselle Porter. Jedenfalls haben Sie Monsieur Collis mit der größten Härte erwischt, die ich von diesem Fluch her kenne. Leider haben wir die Ingredentien für seine Wiederherstellung nicht in Beauxbatons. Er wird also in die Delourdes-Klinik überwiesen. Wahrscheinlich kann er erst morgen Abend wieder zu uns zurückkehren."

"Öhm, ich dachte, da gäbe es einen direkten Gegenzauber", wunderte sich Gloria.

"Ja, aber der wirkt nur, wenn Angreifer und Opfer das gleiche Geschlecht besitzen. Deshalb sind Sie von dem Fluch ebenfalls stärker ausgelaugt worden als üblich ist", antwortete die Lehrerin. Gloria errötete an den Ohren.

"Das wußte ich nicht. Sonst hätte ich den Jungen bestimmt nicht damit angegriffen. Aber der wollte wissen, wie gut ich gegenhalten kann. - Na ja, das weiß er zumindest jetzt", seufzte Gloria nun im ganzen Gesicht errötend. Julius mußte trotz des Ernstes grinsen. Professeur Faucon sah ihn warnend an und meinte:

"Machen Sie sich bloß nicht darüber lustig, Monsieur Andrews. Gerade Sie sollten wissen, wie leicht jemand bei Zaubererduellen über das Ziel hinausschießen kann." Julius nickte behutsam. Professeur Faucon beendete den Kursabend und schickte die Teilnehmer in ihre Säle zurück.

"Kannst du den Gegenzauber gegen den Mars-Fluch?" Fragte Waltraud Julius. Dieser nickte verhalten. Dann fragte er:

"Willst du den lernen?"

"Wenn ich wieder gegen deine frühere Schulkameradin antreten muß sollte ich auf diesen Fluch vorbereitet sein", sagte die deutsche Gastschülerin. "Den Golbasto Collis hat's ja sehr übel erwischt."

"Echt, Gloria hat den Kleinen von der violetten Gurkentruppe mit 'nem Hammerfluch plattgemacht?" Fragte Hercules enthusiastisch. Waltraud und Julius erzählten, was passiert war.

"Hups, noch kleiner? Dann wäre der ja ganz weg oder gerade mal so groß wie'n Wickelkind", seufzte Hercules. Julius beruhigte ihn, daß Golbasto nur ein wenig kleiner geraten sei, das aber wegen der eingeschrumpften Muskeln so aussähe.

"Gut, daß deine blonde Schulfreundin aus Hogwarts dich nicht so erwischt hat. Dann könnten die Roten ganz locker das Spiel nach Hause reiten."

"Es liegt nicht nur an mir, wie das morgen läuft, Hercules", erwiderte Julius. Waltraud nickte ihm zustimmend zu.

"Ja, aber du hast den Zehner, als einziger von uns. Außerdem kannst du dieses Dawn-Doppelachsenmanöver fliegen, wenn du deiner neuen Süßen das nicht beigebracht hast als Einziger", warf Hercules ein.

"Ich habe es ihr nicht beigebracht, Hercules", sagte Julius. Doch das war nur insofern wahr, daß er ihr nicht den Unterricht gegeben hatte, den er von Aurora Dawn bekommen hatte.

"Brunhilde Heidenreich hat auch einen Zehner, und Platini im Tor soll auch einen bekommen haben."

"Was, der auch?!" Entfuhr es Hercules. "Ey, woher weißt du das. Hat die Latierre dir das zugesteckt? Dann könnte das auch 'ne Einschüchterungstaktik sein", knurrte er dann noch.

"Das werden wir morgen sehen", sagte Julius ruhig.

"Hoffentlich hat Virginie die richtige Taktik gegen diese roten Rabauken drauf", seufzte Hercules.

"Im Zweifelsfall stellen wir schnell genug um", sagte Waltraud.

"Antoine Lasalle ist gegen die Montferres doch ein Witz", knurrte Hercules verärgert. "Mann, die alte spinnt doch, mich wegen Gaston ausgerechnet bei dem Spiel nicht mitmachen zu lassen."

"Ey, was hast du da g'rad gesagt, Hercules? Ich sei ein Witz oder was?" Tönte die brüchige Stimme von Antoine Lasalle, einem Fünftklässler, der zwar hochgewachsen aber dafür dünn wie eine Bohnenstange war.

"Du Kletterstange willst mir doch nicht etwa erzählen, daß du gegen die Doppelmädel der rothaarigen Duttelkönigin auch nur eine Minute was hinkriegst. Die putzen dich doch schon weg, wenn die Klatscher losgelassen werden", tönte Hercules. Julius fragte sich, was das jetzt bitte mit Mannschaftsgeist und Aufmunterung vor diesem wichtigen Spiel zu tun hatte. Waltraud rümpfte die Nase, als Lasalle herüberkam. Julius stand auf und sagte sehr entschlossen:

"Antoine, Hercules ist nur sauer, weil er die beiden in ihrem letzten Spiel nicht beballern darf. Geht nicht gegen dich."

"Achso, dann findest du nicht, daß Lasalle gegen die Montferres total untergeht?" Fragte Hercules herausfordernd. Julius straffte sich und sagte:

"Eine ganz einfache, logische Antwort: Da ich ihn bisher nicht gegen die beiden habe spielen sehen können, weiß ich das nicht, wie gut er im Vergleich ist. Also freue ich mich drauf, wenn wir morgen alle spielen."

"Hast recht, Julius. Warum soll ich mich jetzt noch auf 'ne Klopperei einlassen, damit mich Königin Blanche auch noch aus dem Spiel rausholt? Bis morgen dann!" Erwiderte Lasalle und ging seiner Wege.

"Die hätte den wegen dir auch noch suspendiert", fauchte Waltraud an Hercules' Adresse. "Schlimm genug, daß Irene und Céline sich gerade wie im Kindergarten benehmen. Ich denke, ich werde mich jetzt schon hinlegen, um genug Schlaf zu kriegen." Sie stand auf und ging. Julius sah ihr nach, bis der weizenblonde Schopf der athletisch gebauten Fünfzehnjährigen von der Tür zum Mädchenschlaftrakt verdeckt wurde. Julius befand, daß das mit dem früher zu Bett gehen eine gute Idee sei. Aus der Vierten war er ja der einzige Junge in der Mannschaft. So war er um Viertel nach zehn bereits im Bett und störte sich auch nicht an den anderen, die erst kurz vor der offiziellen Bettzeit im Saal eintrafen.

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Sie sind alle aufgeregt, da wo Julius wohnt. eines der jungen Männchen, Hercules, ist richtig böse, weil es nicht bei diesem Flugastspiel mitmachen darf. Aber ich fühle auch, daß es nicht dieses Spiel ist. Er sucht wen, weil er sich alleine fühlt. Julius ist jetzt wesentlich lockerer, seitdem er endlich mit einem zu ihm passenden Weibchen zusammengefunden hat. Er hat ja auch schon deren Stimmung erfahren und dabei gespürt, daß er gerne mit einem Weibchen Liebe machen will. Deshalb ist er jetzt etwas ruhiger und kann sich auf dieses Flugastspiel, Quidditch sagen sie, einstimmen. Das ist für die Jungen im Steinbau wie jagen. Sie bewegen sich schnell und versuchen, etwas zu fangen oder anderswo hinzubringen. Sie sollten vielleicht richtig jagen. Aber dafür können sie zu schlecht hören, sehen und riechen.

Das Weibchen Belisama ist traurig, weil Julius nichts mit ihm anfangen will. Es kommt jetzt immer kurz bevor sie in ihrer Schlafhöhle sein muß zu mir. Ich zeige ihr die Jungen, die ich bekommen habe. Das macht sie etwas fröhlicher.

Leckermaul ist richtig rund geworden. Deshalb kann Leonardo ihn jetzt immer so leicht umstoßen. Ich denke, ich werde heute nacht mal eine Ratte fangen und sie den Jungen zum Üben mitbringen. Die kleine Prinzessin und Drahtbürste können damit bestimmt schon was anfangen.

Julius schläft jetzt. Er ist ganz ruhig. Das kleine Ding, in dem die Kraft singt liegt auf seinem Körper. Irgendwie beruhigt es ihn so, als würde ich ihm leise sagen, daß es mir gut geht. Vielleicht singt es mit dem, was Millie trägt zusammen. Ihrer beider Zuneigung fließt darin hin und her. Womöglich können sie sich damit sogar was unhörbar sagen.

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"Einen wunderschönen guten Morgen alle miteinander! Und besonders möchte ich unsere Schulleiterin, Madame Maxime, sowie Professeur Faucon und Professeur Fixus begrüßen, die dem heutigen Spiel gewiß alle Aufmerksamkeit widmen", begrüßte Ferdinand Brassu das Publikum im Stadion. Julius prüfte noch einmal den Sitz seines grasgrünen Spielerumhangs, vergewisserte sich, daß sein Practicus-Brustbeutel sicher und fest anlag, ebenso wie das rote Herz an der Silberkette. Er fühlte förmlich, daß es ihm warme, pulsierende Ströme in den Körper trieb, die ihn beruhigten, aber auch belebten. Allerdings pulsierte das Herz ein klein wenig stärker und schneller. Lag es daran, daß sein Zwillingsgeschwister um Millies Hals ganz in der Nähe war und daß beide Träger sehr aufgeregt waren? Professeur Faucon hatte keinem der beiden verboten, den rubinroten Zauberanhänger zu tragen. Noch am Morgen hatten beide ein leichtes Fitnesstraining hier am Stadion absolviert. Beim Frühstück hatten beide heute spielenden Säle ihre Hausfahnen gehisst und einander zugerufen, daß der Pokal ihnen gehören würde. Vielleicht, sollten die Grünen oder die Roten heute sehr früh den Schnatz fangen, waren die Gelben die lachenden Dritten. Das wäre dann ein geschichtliches Ereignis dritten Grades, dachte Julius, während er seinen Ganymed 10, mit dem er letztes Jahr schon den Pokal geholt hatte, über die Schulter legte und mit seinen Mannschaftskameraden aufs Spielfeld ging, wo Professeur Dedalus vor einem großen Kasten stand, der merklich ruckelte. Die beiden Klatscher meuterten, weil sie noch nicht losgelassen worden waren. Auf die mußte er heute gut aufpassen. Er wollte zwar nicht in Hercules' trotziges Tuthorn stoßen, daß Lasalle gegen die Montferres nichts bestellen konnte. Doch irgendwie ärgerte es ihn doch, daß dieser unbeherrschte Typ ausgerechnet vor diesem Spiel so ausgerastet war.

"Und da kommen die Helden des grasgrünen Saales, die im Moment noch den Pokal in Händen halten. Allen Voran die Kapitänin Virginie Delamontagne, die heute ihr letztes Spiel in Beauxbatons bestreitet. Denn wenn alles gut geht, wird sie uns nach den UTZ-Prüfungen verlassen. Wenn sie die Prüfungen verpatzt, wird sie von ihrer strengen Mutter rausgeholt und eingebunkert."

Viele Zuschauer lachten. Virginie konnte zwar nicht sonderlich darüber lachen, nahm diese gehässige Bemerkung jedoch hin. "Hinter Virginie ihr Saalsprecherkollege und Seniortreiber Giscard Moureau, der in den letzten Spielen hervorragend die Klatscher bedient hat. Vielleicht findet er heute seinen Meister, beziehungsweise seine Meisterin, Mesdames, Mesdemoiselles et Messieurs", ergoss Brassu einen weiteren derben Scherz über einen Spieler der Grünen. Julius schwante schon, daß er gleich auch noch sein Fett wegbekam. Doch was immer Brassu über ihn loslassen würde konnte ihm nur das Grinsen ins Gesicht treiben. "Der säulengleiche Bursche neben Giscard, Antoine Lasalle soll heute die Ehre der Grünen hochhalten, weil Hercules Moulin, der ursprünglich auf der zweiten Treiberposition spielt, es sich mit zwei wichtigen Personen unserer Lehranstalt verdorben hat und heute nicht einmal in der Loge der nicht spielenden Mannschaften zu sehen ist. " Blaue skandierten "Cuuuuuli! Cuuuulie! Cuuuulie!" Der Ruf wurde von den Roten aufgenommen und mit rhythmischem Klatschen unterlegt.

"Hinter Delamontagne, Moureau und Lasalle die zwei Fremdenlegionäre des grünen Saales. Dieses Jahr für ein beschwingtes Austauschjahr in unsere große Nation gekommen Mademoiselle Waltraud Eschenwurz, die sich mit der ihrem Volk so eigenen Gründlichkeit und Verbissenheit sehr rasch auf unsere Erfolgsbesen umgestellt hat und mit dem Ganymed 9 einen immer noch hervorragenden Besen fliegt. Auch für sie wird dieses Spiel das letzte auf dem Boden von Beauxbatons, was für die junge Hexe, die nicht nur körperlich sondern auch geistig eine hervorragende Figur macht ein besonderer Ansporn ist, den Pokal im grünen Saal zu behalten, weil Professeur Faucon ihr ja möglicherweise ins Zeugnis schreiben könnte, daß wegen ihr der Quidditchpokal nicht bei den Grünen bleiben konnte."

"Was du nicht sagst", grinste Waltraud neben Julius. Sie legte ihm den linken Arm um die Schulter. Er verstand und legte seinen Arm um ihre Schulter.

"Der zweite Legionär, der bereits als Alptraum schlafloser Nächte der Roten im Turnierverzeichnis von Beauxbatons steht trägt neben seinem Ganymed 10, immer noch dem besten Rennbesen französischer Fertigung, eine schwere Last auf den Schultern, weil er hier und heute beweisen muß, daß sein Einstand im letzten Jahr kein Glücksfall war. Zusätzliche Brisanz kommt bei ihm noch dazu, weil er sich vor kurzem erst mit Mildrid Latierre, einer der Jäger des roten Saales auf eine vielleicht sehr tiefgehende Beziehung eingelassen hat. Wird seine Holde ihm dafür den Pokal lassen, oder hat er ihr vielleicht versprochen ihr den größten aller Kelche von Beauxbatons heute auf einem grünen Samtkissen zu servieren? Wir werden es erleben."

"Wenn der wüßte", dachte Julius und grinste feist zur Sprecherloge hoch.

"Zum Schluß aber ganz bestimmt nicht am geringsten präsentiert sich Agnes Collier heute wieder als Sucherin, die die schwerste Aufgabe übernommen hat, nämlich den kleinsten Ball in diesem Spiel zu finden und zu fangen", sagte Brassu. Dann traten die Spieler in kirschroten Umhängen aufs Feld. "Und hier kommen die Herausforderer aus dem roten Saal, die dieses jahr ein Trio Infernale als Punktebeschaffer aufbiten. Angeführt wird die Mannschaft von Brunhilde Heidenreich, die ihrem Vorgänger Chevallier nacheifern, ja ihn überflügeln will, der jetzt schon längst bei den Millemerveilles Mercurios von den ruhigen Partien hier in Beauxbatons träumt. Dahinter die rassigen rotharrigen Zwillingsschwestern, Sabine und Sandra Montferre. Wie für Delamontagne und Eschenwurz auf der anderen Seite ist es auch für die schlagkräftigen Zwillingsschwestern das letzte Spiel in ihrer hoffentlich glücklich endenden Zeit hier an der Beauxbatons-Akademie, und da wollen die zwei doch noch mal den Pokal küssen, um ihren bald eintreffenden Geschwistern noch Jahre Lang von ihrer Heldentat berichten zu können." Julius fragte sich, ob Madame Maxime heute einen Humortrank geschluckt hatte oder warum sie Brassu so ungehemmt über die Spieler herziehen ließ. "Hinter dem Zwillingsalptraum für die ganzen bisherigen Mannschaften marschieren der von seinen Eltern immer gut gefütterte und schön in der Sonne gewärmte Apollo Arbrenoir und die nicht minder quirlige Mildrid Latierre heran, die das infernalische Jäger-Trio vervollständigen. Apollo will heute klarstellen, daß er auch im nächsten Jahr als Jäger weiterspielen will, wo er ursprünglich als Treiber eingesetzt werden sollte, wenn die Montferres nicht mehr für die Roten spielen können. Mildrid Latierre hat Quidditch schon im Mutterleib eingeflößt bekommen und will ihrer in guter Hoffnung befindlichen Maman heute gewiß noch eine Eule schicken, daß sie es geschafft hat, den Pokal zu gewinnen. Doch wird die junge Liebe, die sie mit dem im letzten Sommer durch tragische Umstände schneller herangewachsenen Julius Andrews verbindet diesem Ziel im Weg stehen oder es ermöglichen?" Viele von den Grünen pfiffen Millie aus. Julius konnte Céline und Bébé unter denen sehen, die ihr Mißfallen kundtaten. Doch dann kam Brochet an die Reihe.

"Aber die größten Hoffnungen der Mannschaft aus dem roten Saal ruhen heute auf dem Sucher, Laertis Brochet, der seiner Kapitänin nun endlich beweisen will, daß er weiß, wie der Schnatz aussieht und wozu er gefangen werden muß." Schallendes Gelächter brauste wie ein höllischer Orkan durch das Stadion. Die Grünen und die Blauen sangen ohne sich abzustimmen:

"Die besten Jäger auf dem Platz,
hab'n die Roten.
Doch ihr fangt nicht einen Schnatz,
ihr Idioten."

"Das ist fies", meinte Agnes, die hinter Julius stand. "Der kerl da oben will mir jetzt ein schlechtes Gewissen machen, weil ich dem den heute auch nicht gönne." Dann lachte sie mit den anderen.

"Um das noch einmal für alle Interessierten zu sagen: Der Schnatz, das ist der ganz kleine, goldene Ball mit den vier silbernen Flügeln, der gleich von unserem gestrengen Unparteiischen, Professeur Aeolos Dedalus freigelassen wird. Das Spiel läuft solange, bis dieser Ball von einem der beiden Sucher eingefangen wird. Das ist nicht nur eine geniale sportliche Übung, sondern bringt der Mannschaft des erfolgreichen Suchers einhundertfünfzig zusätzliche Punkte. Traurigerweise ist das Spiel dann aber auch vorbei."

"Den lerne ich noch von Fixus", meinte Julius zu Waltraud.

"Was?" Wollte Waltraud wissen.

"Den Komikertrank. Vielleicht hat der Typ auch nur 'n Clown gefrühstückt."

"Dann wohl eher Madame Maxime", grinste Waltraud. "Die hat sich während der ganzen Juxe von dem nicht einmal beschwert."

"Kommt noch, wenn der Humorverstärkertrank nachläßt", feixte Julius.

"Ein bißchen weiter vor!" Zischte Virginie und wedelte mit den Armen, bis ihre Spieler einen Halbkreis um sie bildeten. Ebenso hatte Brunhilde ihre Leute dirigiert. Millie und Julius vermieden es, sich noch einmal zuzuwinken. Der Stadionsprecher da oben hatte ja schon erzählt, daß sie sich gut leiden mochten, obwohl der nicht wußte, wie verbunden die beiden schon gewesen waren. Vielleicht konnte er sich das mit dem Gehirn eines Halbstarken ja gut genug vorstellen.

"Begrüßen Sie sich, Mesdemoiselles Kapitäninnen!" Forderte Dedalus. Virginie trat zu Brunhilde und schüttelte ihre Hand. Julius hörte noch, daß sie sich beide viel Glück wünschten.

"Auf die Besen!" Rief der Schiedsrichter, während Brassu noch einen Witz für die Zuschauer vom Stapel ließ, daß die beiden sich noch einmal über den genauen Punktestand verständigen wollten und verkündete noch einmal den aktuellen Stand der beiden Mannschaften. Die Spieler saßen auf. "Drei!" Zählte Dedalus los und öffnete die Kiste. Sofort flog der goldene Schnatz auf und schwirrte in den gerade ganz aufklarenden Frühlingshimmel. "Zwei!" Rief Dedalus und zog einen Riemen, worauf die beiden Klatscher wie abgefeuerte Kanonenkugeln emporrasten und sofort im Zickzack über dem Feld dahinsausten, bereit den ersten zu treffen, der sich ihnen in den Weg warf. "Eins!" Rief Dedalus und hob den scharlachroten Quaffel an. Dann stieß er den Ball so kräftig es ging nach oben und blies in seine Trillerpfeife. Da waren die vierzehn Spieler in der Luft.

"Die rote runde Beute ist frei, und die rote und grüne Meute ist ihr schon auf den Fersen. Latierre auf dem Ganymed 10 wie Andrews macht bereits gut Tempo, kommt an den Quaffel und hat ihn sicher. Zieht schon zum Tor los, Andrews fast im eigenen Besenschweif. Das geht schon gut los, werte Zuschauer. Latierre versucht einen Wurf. Wird von Andrews fair abgeschirmt, muß zurückwerfen auf Heidenreich, die gerade von Eschenwurz wegkommt, die sie offenbar von Latierre abhalten wollte. Ui! Beinahe von einem sacht gestreichelten Klatscher von Moureau böse erwischt. Verliert den Quaffel an Eschenwurz. Die startet durch. Der Ganymed 9 ist eben schon ein schnittiger Besen ... Ohohohoi! Beide Klatscher zugleich gespielt von den Montferres, die Eschenwurz jetzt umzingeln. Kann nicht mit dem Quaffel weiter. Wirft zu Delamontagne, die zu Andrews, der immer noch vor dem Tor der grünen. Kriegt den Quaffel mit der Linken. Latierre versucht an ihm vorbeizuziehen! ... Was ist das denn?!" Julius hatte den Quaffel gerade sicher, als Millie sich ihm von links in die Flugbahn warf. Da machte er schnell eine Doppelachsen-Punktwende um 180 Grad und war bereits unterwegs zum Torraum der Roten, flach auf dem Besen liegend, weil gerade beide Klatscher auf ihn zuflogen. "Der legendäre Dawn'sche Doppelachser. Hätte nicht gedacht, den hier in Beauxbatons mal zu sehen zu kriegen. Damit wird der Ganymed 10 endlich mehr als die Summe seiner Teile, werte Zuschauer. Andrews hat schon einen satten Vorsprung, ist beschleunigungsmäßig genauso gut wie Latierre, die vorbei an einer der Montferres. Wird von Delamontagne und eschenwurz gleichzeitig bedrängt, taucht nach unten, fällt dadurch noch mehr zurück. Julius ante Portas, Hannibal!"

"Öi!" Rief Hannibal Platini, als Julius vor dem Tor auftauchte, einmal nach links, dann fast übergangslos nach rechts vor ihm querte und knapp vor dem rechten Ring den Ball abwarf, der durch den Ring flog. Knapp an seinem Arm vorbei zischte Hannibal auf seinem Ganymed 10, der obwohl technisch gleichwertig gegen die zwei schnellen Wenden knapp vor dem Tor nichts hatte ausrichten können.

"Die zehn ersten Punkte für Saal Grün!" Rief Brassu, und die Zuschauer aus dem grünen Saal johlten. Julius fühlte wie der rubinrote Herzanhänger, den er sich sicher unter das Unterhemd geschoben hatte warm und heftig pulsierte. Er blickte auf seine Armbanduhr, die er strategisch so hielt, daß er sie als improvisierten Rückspiegel benutzen konnte. Da preschte Millie heran und wartete auf den Abwurf aus dem Torraum. Julius zog sich auf den erlaubten Minimalabstand zurück, bereit, den Ball sofort wieder zu erbeuten und durchzuwerfen. Das Quodpottraining gab ihm mehr Zuversicht, sich nun sehr schnell bewegen zu können, wenn er mußte. Hannibal blickte jedoch zu Brunhilde hinüber, die sich vor Waltraud einen Besentanz lieferte. Julius dachte schon, der wolle den Ball der Kapitänin zuwerfen, als der rote Ball in der anderen Richtung aus dem Tor sauste. Millie erwischte ihn und sauste los. Jetzt hatte sie den Vorsprung. Julius entsann sich, daß er dann, wenn Millie als Vorstoßjägerin fliegen sollte im gegnerischen Torraum bleiben sollte. Virginie machte ihm das entsprechende Zeichen und zog sich schon zurück, um den Vorstoß von Millie und anderen zu unterbinden.

"Andrews bleibt wo er ist, hat wohl die Anweisung, Hannibal vor den Toren zu beschäftigen, bis er den Quaffel kriegen könnte", kommentierte Brassu mitreißend. Da sausten die beiden Klatscher heran, hinter jedem eine der Montferres, die sofort die beiden schwarzen Bälle auf Julius spielten. Die wollten ihn tatsächlich vom Besen hauen. Er wartete eine Zehntelsekunde, dann tauchte er weg. Beide Klatscher passierten sich. Einer sauste auf Hannibal zu, der sich sofort im Rosselini-Raketenaufstieg nach oben flüchtete. Da erscholl der Torschrei der Roten.

""Ausgleich! Zehn zu zehn durch Latierre!" Rief Brassu.

"Falsche Seite, Süße", knurrte Julius. Jetzt hätte er das Tor machen können, wo Hannibal erst einmal wieder auf seine Spielhöhe zurückfliegen mußte. Er sah sich nach den Klatschern um. Diese segelten gerade aus großer Höhe herunter und nahmen ihn aufs Korn. Warum auch nicht? Er wartete, bis beide Bälle seine Flugbahn erreichten. Dann warf er sich nach vorne, ließ die beiden Bälle aufholen und stieß knapp vor ihnen nach unten weg und doppelachserte so, daß er keine Sekunde später hinter den Bällen war und einen Zickzackkurs beschrieb. Er sah kurz nach dem Quaffel. Virginie und Waltraud blockierten Millie, die versucht hatte, den Quaffel sofort wieder im Tor unterzubringen. Waltraud sah, daß Julius gerade hinter den Klatschern herflog und dabei eine der Montferres erreichte, die versuchte, einen der Bälle umzuleiten. Flach auf dem Besenstiel liegend sauste er zwischen ihren Beinen hindurch, so daß sie den Klatscher nicht traf und ins Leere schlug.

"Jetzt sind wir Quitt, Bine!" Hörte er sie hinter sich rufen und wußte, daß er diesmal Sandra Montferre gefegt hatte, wie dieses unterquerungsmanöver genannt wurde.

"Andrews sucht seine Kameraden, die gegen Latierre, Heidenreich und Arbrenoir gerade wieder in Bedrängnis geraten. Er kann den Quaffel erfliegen! Dafür hat er Latierre wieder im Genick, zieht erst einmal gerade durch. Achtung!!! - Huiiiiii!" Julius war losgespurtet, Millie knapp hinter sich. Dann sah er einen Klatscher, steuerte ihn an und doppelachserte nach links aus der Bahn, so daß Millie, die den schwarzen Eisenball zunächst nicht gesehen hatte frontal auf diesen zubrauste und knapp vor dem Zusammenstoß mit dem Springfeld-Wellenreiter über die schwarze Kugel hinwegsetzte. Julius, der durch die abrupte Kursänderung hinter Millie zurückgefallen war versuchte, sie jetzt vor dem Tor der Roten festzunageln. Gelang dies, konnte er den Quaffel abspielen.

"Der Dawn'sche Doppelachser ist eines der kreativsten Manöver im Amateurquidditch und wird heutzutage eher im australischen Busch vorgeführt, wo dessen Erfinderin lebt, die unser junger Hakenschläger offenbar gut genug kennt, um ihre Tricks in Vollendung zu lernen", bemerkte Brassu, weil Julius und Millie sich gerade vor dem Tor etwas mit Austanzübungen die Sekunden vertrieben. Hannibal war zu nahe vor den Ringen, um ihn mit einer Richtungsänderung zur Preisgabe eines Ringes zu verleiten. Doch weil Julius gerade sah, wie die Montferres hinter ihm die Klatscher zu einer Art Tennis mit zwei großen, schweren, schnellen Bällen hin- und herschlugen und die beiden anderen Jäger sich wieder zurückwarfen, sollte er es wohl alleine machen. Er doppelachserte nach rechts, schwenkte auf dem Punkt nach vorne zurück, daß er einen rechten Winkel in die Luft schrieb und passierte Millie in einem Abstand von fünf Metern. Sie schlug einen halben Looping, so daß sie in Rückenlage gerit und rollte sich seitlich herum, womit sie nun ebenfalls zum eigenen Torraum unterwegswar. Julius sah Hannibal und warf einen Blick nach hinten. Er holte aus und schwang den Arm durch. Hannibal rückte einen Meter weiter vor. "Tor!" Rief Brassu, als Julius den Quaffel knapp hinter seinem Rücken durch den rechten Ring bugsierte.

"Hat der Typ mich schon wieder verladen", knurrte Hannibal, als seine Kameraden aufrückten. Da Julius der einzige Jäger der Grünen in Torraumnähe war, war die Wahrscheinlichkeit nicht groß, den Abschlag des Hüters zu erwischen. Tatsächlich bekam Apollo den Ball, weil Julius durch die Erfahrung mit Venus Partridge zu lange gewartet hatte, als Hannibal einen Rechtsschwenk machte. Millie zischte los, gedeckt von den Montferres, die Julius zu oft an die Klatscher kamen. Doch einen der schwarzen Bälle erwischte Lasalle und legte auf eine der Zwillingschwestern um. Millie brauste gerade an Waltraud vorbei, die sich herumwarf und ihr nachsetzte. Doch innerhalb der nächsten zwei Sekunden erscholl der nächste Torschrei der Roten, und es stand auf beiden Seiten zwanzig Punkte.

Dann folgten drei ungemütliche Minuten für die Grünen. Julius durfte nur zusehen, wie die drei Jäger der Roten sich durch schnelles Zupassen den Quaffel stück für Stück für einen Torwurf zurechtlegten und dann einer der drei den entscheidenden Wurf machte. Er wollte schon hin, sich in das Getümmel stürzen, doch Virginie rief ihm zu:

"Bleib vor Hannibals Ringen. Wenn wir uns alle drei hinten reindrücken lassen kriegen wir keinen Angriff mehr hin!" Er wollte schon rufen, daß er mit dem Besen wendiger war und lieber hinten reingehen wollte, als der nächste Torschrei aus den Reihen der Roten kam. Und so ging es weiter, bis die Roten zwanzig tore Vorsprung hatten. Julius konnte keine Auszeit erbitten oder die Aufstellung nach belieben ändern. Doch als das einundzwanzigste Tor für die Roten fiel und Monique ziemlich konfus vor ihren Ringen herumflog beschloß er, sich nicht an Virginies Anweisung zu halten. Hannibal meinte einmal hämisch:

"Langweiliger Sport für uns, was Julius?"

"Können wir ändern", knurrte Julius und wendete herkömmlich, um sich in das Getümmel zu stürzen. Die Montferres hatten die Klatscherhoheit. Giscard und Antoine schafften es nie, schnell genug an die beiden Klatscher zu kommen, die sich die Montferres aus untershiedlichen Stellungen hin- und herschlugen. Da Julius von seinen Leuten und dem Quaffel abgeschnitten war war er erst einmal unschädlich, dachten sie. Doch er stieg nach oben, sauste dabei an Brochet vorbei, der auf der Suche nach dem Schnatz war und stürzte sich auf der anderen Seite wieder hinab, um gerade noch den Torwurf Brunhildes zu vereiteln. Virginie sah ihn und verzog erst das Gesicht. Dann nickte sie und flog los. Julius erwischte den Quaffel, doppelachserte Millie und Apollo aus und bediente Virginie, die nun vor Hannibals Torringen lauerte. Sie nahm an und verlängerte zum erst dritten Tor für die Grünen. Julius fragte sich, warum sie das nicht schon vor zwei Minuten gemacht hatten.

"Ah, Saal Grün hat das gegnerische Tor wiedergefunden", feixte Brassu. "Somit stehen nur noch zweihundert Punkte mehr auf der Seite von Saal Rot als auf der von Saal Grün."

"Okay, bleib du hier", befand Waltraud und raste los, gedeckt von Giscard, der einen sie anfliegenden Klatscher auf Sandra Montferre umlegte, die den Ball gekonnt abstoppte und zu Waltrauf hinüberdrosch, die wie Millie zuvor über das Geschoß hinwegsprang. Millie verließ nun auch den Torraum der Grünen, da Virginie den roten Ball bekam und diesmal auf der anderen Seite den Ring traf. Da sie mit einer schnellen Rückwärtsbewegung vom Tor weg Hannibal zum Herauskommen verlockte, konnte sie ihn auskontern.

Als die Grünen auf diese Weise vier Tore in Folge erzielten riefen einige aus dem blauen Saal "Schiebung! Schiebung!" Doch dann kam der Quaffel wieder zu Julius und Monique zurück. Julius bekam den Ball, wurde jedoch von Millie und Apollo gleichzeitig abgeschirmt. Abwerfen war also nicht drin. Er mußte den Ball selbst durchbringen. So tauchte er unter Apollo hindurch und machte Tempo, wobei er fast wieder jemanden fegte, in diesem Fall Waltraud. Diese hüpfte mit dem Besen nach oben und ließ ihn durch, Millie immer noch hinter ihm.

"Das ist wahre Liebe, wenn die beiden so eng zusammenfliegen", spottete Brassu und beschwor in den Reihen der Blauen und Roten Lacher, während die aus dem grünen Saal ungehalten murrten.

"Lang nicht mehr gesehen!" Rief Hannibal, als Julius vor seinen Torringen auftauchte.

"Das hier schon!" Rief Julius zurück, wedelte dreimal schnell nach links und rechts und brachte den Ball gerade im linken Ring unter, als Millie den Arm ausstreckte und ihm den Ball abjagen wollte. Hannibal zerrte den Ball durch den Ring zurück und warf ihn aufs Geratewohl ins Feld zurück, wobei er mit einem Klatscher kollidierte und in Schlangenlinien davonflog. Millie löste sich aus Julius Windschatten. Doch dieser war ihr keine Zehntelsekunde später wieder auf den Fersen. Millie sah, daß Virginie den Ball annahm und in zwei Sekunden vom linken zum rechten Spielfeldrand überwechselte. Millie brach nach rechts aus, um ihr den Ball abzujagen. Julius punktwendete und sauste zum gegnerischen Tor zurück, gerade als der Quaffel herankam. Er nahm ihn auf und sah gerade, daß beide Klatscher gleichzeitig auf ihn zurasten. Er warf sich zur Seite, verlor dabei den Quaffel und hörte noch einen lauten Knall, als hiebe ein Schmied wütend mit dem Hammer auf seinen Amboss. Er fühlte ein heißes Prickeln. Er sah nach oben, wo gerade beide Klatscher wie gewöhnliche Eisenkugeln herabstürzten und schnurstracks ins Feld einschlugen. Er meinte, ein leichtes, rötliches Schimmern auf den Bällen zu sehen. Gerade eben riefen die Roten das nächste Tor für ihre Mannschaft ins Stadion hinaus, als der Schiedsrichter eine Auszeit pfiff. Alle landeten.

"Die beiden Klatscher sind frontal zusammengeprallt und haben sich dadurch entladen. Ich hole zwei neue, dann geht es weiter", verkündete Dedalus.

"Ey, hast du den Montferres was getan, daß die dir beide zugleich an die Birne knallen wollten?" Fragte Antoine Lasalle Julius. Dieser war noch etwas irritiert durch das schnelle Spiel und den Zusammenprall der Klatscher, zwischen die er selbst fast geraten wäre.

"Nicht das ich wüßte", seufzte er. "Die haben mich wohl versetzt erwischen sollen, damit ich nicht vor einem wegspringen konnte, ohne in den anderen reinzuknallen. Aber wieso konnten die bitte beide gleichzeitig auf mich losgehen?" Fragte er den bohnenstangengleichen Treiber, der den Schläger locker in der rechten Hand hielt.

"Die waren mir zu schnell", knurrte Lasalle. "Ich dachte, die kämen mit dem Cyrano Express nie rechtzeitig an die beiden Klatscher und ... Verdammter Drachenmist!"

"Okay, nur die Klatscher sind kaputt. Ich bin noch im Spiel", erwiderte Julius, der sich selbst beruhigen mußte.

Als die beiden neuen Klatscher im Spiel waren schaffte es Saal Grün nur, Tore zu erzielen, wenn der Quaffel rechtzeitig weit aus dem eigenen Torraum befördert wurde. Julius blieb die meiste Zeit vorne, weil Virginie eindringlich befahl, sich für Weitwürfe bereitzuhalten, weil die Jäger der Roten sofort den gegnerischen Torraum besetzten, sobald sie ein Tor mehr geschossen hatten. So quälten sich die Grünen trotz Julius' Doppelachsenmanöver gerade fünfzehn Tore ab, während die Roten insgesamt fünfundvierzig erzielten. Einige von den Roten utzten schon, ob die Anzeigetafel vierstellige Punktzahlen anzeigen konnte, als die Grünen sehr hektisch wurden. Julius, der gerade den nächsten Fernwurf aus dem eigenen Torraum annehmen wollte fühlte etwas an seinem rechten Ohr vorbeischwirren wie einen turboschnellen Kolibri oder eine große Mücke. Dann sah er den Schatten über sich, tauchte nach links weg und gewahrte Agnes, die im Sturzflug an ihm vorbeischoss, Dicht gefolgt von Brochet, der versuchte, ihr in den Besenschweif zu greifen. Sie machte eine halsbrecherische drehung senkrecht zum Boden und preschte einem winzigen Schimmer nach, der gerade knapp über dem Boden dahinzuckte. Da kam der Quaffel. Julius nahm ihn, sah, wie Millie hinter ihm heranbrauste und warf einfach in Richtung Brochet, der den Roten Ball an den linken Fuß bekam und unfreiwillig zurückkickte, dabei aus der Flugbahn von Agnes heraustrieb, die gerade eben die linke Hand vorschnellen ließ .... "Jaaaaaaaaaaa!!!!!!" Entlud sich ein vielhundertstimmiger Jubelschrei aus den Mündern der Grünen, der Blauen und der Violetten. Julius sah zu Millie hinüber, die ihn feist angrinste. Er grinste zurück, wies auf die Anzeigetafel, wo "Saal Rot 450 : Saal Grün 300" zu lesen stand. Die Roten hatten das Spiel gewonnen. Er schwenkte auf einen langestreckten Sinkflug ein, der ihn punktgenau zwischen seinen Kameraden zu Boden führte. Da sangen die Grünen, die Blauen, die Violetten und die Weißen:

"Die besten Jäger auf dem Platz
hab'n die Roten.
Doch ihr fangt nicht einen Schnatz,
ihr Idioten!!!"

"Okay, Julius, du hattest recht, daß wir mit der Taktik nicht sonderlich glücklich wurden", sagte Virginie, die Julius triumphierendes Gesicht sah und ihm dann unvermittelt zwei Küsse auf Jede Wange gab. "Aber dafür haben wir den Schnatz gefangen und damit die entscheidenden Punkte geholt.

"Das Spiel ist aus. Die Hölle für die Grünen schließt bis zum nächsten Jahr ihre Pforten, Mesdames, Mesdemoiselles et Messieurs!" Rief Brassu über den immer noch dröhnenden Spottgesang gegen die Roten hinweg. Julius sah Brochet, der Anstalten machte, auf ihn oder sonst einen der Grünen loszugehen. Dedalus schien nicht sicher zu sein, ob er den Grünen den Schnatzfang wirklich zuerkennen sollte. Doch weil Julius nicht gezielt auf Brochets Kopf oder Körper abgespielt hatte und Waltraud in der Flugbahn gewartet hatte, mußte er das Ergebnis anerkennen. Dann rief Brassu: "Für alle Freunde der höheren Mathematik. Zwar haben die Spielerinnen und Spieler des roten Saales horrormäßig hoch gewonnen und ihren Punktestand durch vierhundertfünfzig Punkte von neunhundertzwanzig auf eintausenddreihundertsiebzig erhöht, die scheinbar so schwachen Helden in Grün haben jedoch bereits vor dem heutigen Spiel eintausenddreihundertzwanzig Punkte erspielt und konnten ihren Endtstand auf eintausendsechshundertundzwanzig Punkte ausbauen. Das ist eine schier unüberwindliche Messlatte, und nur die Mannschaften aus dem gelben oder blauen Saal könnten diese theoretisch noch erreichen. Aber, Leute, sein wir ehrlich, drunter durch ist einfacher als drüber weg, wenn die Latte schon sooooo hoch liegt!" Alle lachten, die nicht zu den Blauen oder Gelben gehörten. Denn die Roten hatten heute ihr Pulver verschossen, den Pokal zu gewinnen, und wenn nicht von den beiden erwähnten Mannschaften eine mehr als sechzig Tore und den Schnatzfang hinbekam, blieb der Pokal auch im nächsten Jahr bei den Grünen. So sangen sie denn auch, die die grasgrünen Fahnen, Schals und Hütchen trugen: "Grün bleibt der Pokal!
Grün bleibt der Pokal!
Danke, danke,
Danke noch einmal!"

"Von dem Spiel werde ich in den nächsten Nächten träumen", keuchte Monique, als sie von ihren Kameraden umarmt und getröstet wurde.

"Wir brauchen alle den Zehner im nächsten Jahr", knurrte Giscard, während Agnes sich gerade von Julius hochheben ließ, damit sie alle sehen konnten, die Heldin, deretwegen der Pokal überhaupt noch ein Jahr bei den Grünen bleiben durfte. Julius hatte von den fünfzehn Toren zwar acht geschossen, fühlte sich aber heute nicht als Held des Tages. Antoine Lasalle trollte sich, als er seine Glückwunschpflichten erfüllt hatte. Doch da kamen die Spieler der Roten herüber. Virginie errötete und eilte schnell zu Brunhilde, um ihr zum Sieg in diesem Spiel zu gratulieren. Julius fand das irgendwie fies. Sicher, die Roten hatten das Spiel gewonnen, aber wegen des verfehlten Schnatzfangs war ihnen der Pokal, an dem sie schon anderthalb Hände zu haben glaubten, im letzten Moment noch durch die Lappen gegangen. Es ging jetzt nur noch darum, ob es eine wunderbare Ampeltabelle war, Grün, gelb, rot, oder ob die Roten zumindest noch die Silbermedaille behalten konnten.

"Wird die dir nicht zu schwer?" Fragte Sabine Montferre Julius, der Agnes immer noch hochhielt, die sich das jedoch widerstandslos gefallen ließ.

"Unverschämtes Luder", knurrte Agnes. Julius erwiderte, daß er gut trainiert habe. Sandra eilte gerade hinter Antoine Lasalle her, der schon fast vom Spielfeld runter war, als die Meute gratulationshungriger Fans wie eine Flutwelle heranströmte. Sandra erwischte Lasalle, pflückte ihn vom Boden und trug ihn aufs Feld zurück, obwohl er sich mit Händen und Füßen zur Wehr setzte.

"Ey, runterlassen, du rotes Biest!"

"Ich glaube, der gehört noch zu euch", trällerte Sandra und klemmte die Beine des Ersatztreibers fest genug zwischen ihre Rippen und Oberarme ein.

"Lass den bitte Runter, Sandra!" Rief Virginie. Doch da bekam Brunhilde Heidenreich sie zu fassen, hob sie an und lud sie sich auf die Schulter.

"Wenn ihr schon so weit oben seid, dann mit Stil!" Sagte Brunhilde. Giscard, der ahnte, was die roten vorhatten, suchte das Weite, fand es jedoch nicht mehr, weil Sabine ihrerseits hinter ihm herlief, ihn umfaßte und ebenfalls auf ihre starken Schultern wuchtete.

"Neh, Leute, für den Krempel bin ich zu alt. Ey, laßt das!" Rief Waltraud, als Apollo mit breitem Zahnpastareklamelächeln bei ihr auftauchte und sie ebenfalls auf die hohen Schultern nahm. Monique Lachaise sah Hannibal an, der sie spielerisch vom Boden pflückte und sich ebenfalls auf die Schultern hob. Julius trug Agnes immer noch. Brochet stand weit abseits und ballte die Fäuste gegen Julius.

"Herzlichen Glückwunsch, Monsieur Brochet!" Rief Julius und setzte Agnes ab. Das war für jemanden das Signal, auch ihn mal eben mit dem Kopf aufzugabeln und geschmeidig in die Höhe zu heben. Als er nicht nur ahnte, sondern sah, wer ihn selbst aufgeladen hatte, griff er vorsichtig in das rotblonde haar und zog es frei, damit seine Besitzerin kein Ziepen fühlte, wenn sie den Kopf drehte.

"Bin ich dir nicht zu schwer?" Fragte Julius. "An und für sich tragen die Jungen die Mädchen auf den Schultern."

"Dann hättet ihr uns den Schnatz und den Pokal überlassen müssen, Monju", erwiderte Millie noch ganz locker. "Abgesehen davon habe ich dich vor drei Wochen erst auf den Schultern gehabt", säuselte sie noch. "Du bist mir ganz bestimmt nicht zu schwer. Brochet stürmte heran, sah wohl eine Gelegenheit, sich an Julius für den verpatzten Schnatzfang zu rächen.

"Du unfairer Muggelbastard hast mir den blöden Quaffel ans Bein geworfen."

"Ich wollte auf Waltraud abgeben, weil mir vor dem Tor selbst kein Platz blieb. Im Fußball läuft sowas immer."

"Fußball!" Schnaubte Brochet. "Dieser öde langweilige Krempel."

"Ey, sag nix gegen Fußball, Laertis. So wie du den Quaffel mit dem Fuß geklärt hast wäre das doch voll dein Spiel", tönte Julius. Er war bereit, sofort von Millies Schultern zu gleitten, wenn der verladene Sucher sich echt prügeln wollte. Doch Millie trabte lässig mit ihm aus Brochets Reichweite. Sie sagte:

"Du könntest mich treffen, Laertis, und dann weiß jeder Rote, daß du Frauen und Mädchen schlägst."

"Dann lass deinen hinterhältigen grünen Bettwärmer runter, damit ich das mit ihm klären kann!" Knurrte Brochet. Brunhilde rief jedoch:

"Laertis, geh zu Agnes. Das war so abgesprochen."

"Vergiss es, Brunie, ich hab' die Schnauze voll von der Mannschaft."

"Was habt ihr abgesprochen?" Fragte Julius, der sich bemühte, Millie nicht zu schwer zu werden.

"Das wenn ihr den Pokal behaltet jeder Spieler von uns seinen oder ihren Gegenspieler auf die Schultern läd und einmal übers Feld trägt. Wenn wir den Pokal bekommen hätten hättest du mich tragen dürfen."

"Du bist mir auf jeden Fall nicht zu schwer", konnte Julius dazu nur sagen.

Die Fans wußten nicht, was sie machen sollten, weil die Helden der einen Mannschaft die Helden der anderen Mannschaft übers Feld trugen. Erst als die Roten ihre grüne Last wieder abluden und jeden dann einzeln umarmten, ergossen sich hunderte von begeisterten Zuschauern auf das Feld. Professeur Fixus eilte zu ihrer Mannschaft. Professeur Faucon kam zu ihrer Mannschaft. Sie beglückwünschte Virginie, tröstete Monique wegen der vielen Tore, tadelte die Treiber, weil sie ihre Jäger nicht beschützt hatten und gratulierte Waltraud zu diesem großartigen Abschluß ihrer Mannschaftszugehörigkeit. Dann kam sie zu Julius.

"Ich bedanke mich bei Ihnen, Monsieur Andrews, daß Sie uns allen gezeigt haben, daß private Beziehungen nicht die Disziplin und den Einsatz für eine gemeinsame Sache gefährden. Sie beide, Mademoiselle Latierre und Sie, haben uns gezeigt, daß sie in dieser Situation ausschließlich für den Erfolg Ihrer Mannschaft gearbeitet haben, unabhängig davon, ob taktische Mißgriffe Sie nicht zum Zuge kommen ließen oder nicht.

"Ich bin froh, daß das zumindest jetzt vorbei ist, egal, ob die Gelben den Rückstand zu uns noch einholen", sagte Julius. Doch Professeur Faucon lächelte. Das passierte selten. Sie antwortete:

"Ich bezweifel, daß die Mannschaft des gelben Saales gegen die des blauen auch nur annähernd so viele Tore erzielen wird wie die Mannschaft des roten Saales heute. Ich gehe sehr stark davon aus, daß ich den Quidditchpokal auch im nächsten Jahr in meinem Sprechzimmer bewundern werde. Noch einmal vielen Dank für dieses spannende wie faire Turnier! Ich hoffe, Sie werden bei der obligatorischen Feier rechtzeitig genug zum Schlafen kommen, um für morgen nachmittag um drei Uhr ausgeruht genug zu sein."

"Ich hoffe das auch", sagte Julius. Dann ging Professeur Faucon, und die in respektvollem Abstand wartenden Schülerinnen und Schüler traten vor. Sandrine kam zusammen mit Gérard, Céline mit Robert. Dann traten noch Hercules und Belisama zu ihm hin.

"Jetzt hast du es fast um die Ohren gehauen gekriegt, daß Lasalle zwar lang, aber auch nutzlos ist. Na ja, vielleicht kriegen die Roten ja im nächsten Jahr ein paar Luschen als Treiber, damit wir beide wieder unser gewohntes Spiel durchbringen", sagte Hercules. Belisama umarmte Julius und sagte:

"Ich verstehe es immer noch nicht, was dich an dieser roten Krawallhexe begeistert, Julius. Aber während des Spiels hatte ich schon Angst, dir könnte doch noch was passieren."

"Als mir zwei Klatscher gleichzeitig um die Ohren flogen war mir auch anders", gab Julius zu.

"Dafür hast du die rotblonde Zimtzicke aber auch fast in einen Klatscher reinkrachen lassen. Wenn die das für Liebe hält schenk ich dir zu deinem Geburtstag 'n Klatscher, mit dem du die weiterbeballern .... mmmpF!" Hercules verächtliche Rede wurde von Belisamas rechter Hand auf seinem Mund abgewürgt. Sie sah den Jungen, den sie eigentlich zum festen Freund haben wollte noch einmal an, lächelte und sagte:

"Ich bin froh, daß du unverletzt geblieben bist, Julius. Wir sehen uns dann im Unterricht wieder." Sie zupfte an Hercules grasgrünem Fan-Schal und bugsierte ihn so, daß er unwillkürlich losging und sie ihn mit um ihn gelegtem Arm weiterschob.

"Ei, kuck mal, Julius", sagte Mildrid, die gerade ihre Cousinen bei sich hatte, "offenbar orientiert sich die süße Belisama nun um. Soll sie ruhig!"

"Du meinst, die wäre jetzt mit Hercules zusammen? Wohl nur, weil er was gegen dich hat und sie auch und ... Nicht noch mal!" Diesmal hoben ihn die beiden Latierre-Zwillinge hoch, trugen ihn unbeschwert einige Meter und setzten ihn wieder ab. Dann gratulierten noch andere Anhänger der Grünen. Dann kam noch Corinne Duisenberg, die Sucherin und Kapitänin der Blauen, zusammen mit ihrer Tante Patrice, die ein Jahr jünger als sie selbst war.

"Der Pokal gehört wohl euch", sagte Corinne sehr zuversichtlich. "Da wir im letzten Spiel gegen die Gelben müssen werden die ganz bestimmt nicht die nötigen Punkte kriegen. Wir zwar auch nicht mehr, aber dafür wissen wir, daß die Roten den dieses Jahr wieder nicht bekommen haben."

"Ich werde mir euer Spiel auf jeden Fall ansehen", sagte Julius zu Corinne und Patrice.

Als er endlich freie Bahn in den Palast von Beauxbatons hatte, nutzte er das Wandschlüpfsystem, um lange vor den anderen im grünen Saal einzutreffen. Er genoss die Stille, die unbeweglichkeit der Wände und Möbel und erkannte, daß er heute eine große Portion Glück gehabt hatte, aber auch etwas sehr schönes und aufregendes erlebt hatte. Er freute sich, daß trotz der Häme und dem Lästern über seine Beziehung zu Millie weder diese Beziehung noch der Zusammenhalt in der Mannschaft gelitten hatte. Er verstand zwar nicht, warum Virginie nicht mit frei fliegenden Jägern gespielt hatte, aber was sollte es? Das Spiel war zwar verlorengegangen, der Pokal dafür jedoch so gut wie sicher. Er dachte an die nächste Aufgabe, die Occlumentieprüfung. Was würde sein, wenn er sie nicht bestand? Wahrscheinlich würde Professeur Faucon ihn dann noch einige Wochen länger unterrichten. Mehr würde ihm nicht passieren.

Er ging in den Viertklässlerschlafsaal, wo er im Bild der Musikzzwerge die mexikanische Wanderkapelle und diverse gemalte Musiker aus anderen Bildern fand, die gerade ansetzten, etwas zu musizieren.

"Huch, ausgerechnet hier? Was ist der Anlaß?" Wollte Julius wissen.

"La Noche de Valpurga, Señor", erwiderte einer der mexikanischen Gitarrenspieler.

"Die üben für Walpurgis, Julius", sagte Aurora Dawn. "Dein Musikerbild ist vom gemalten Hintergrund her das größte, und so können sie dort alle ihre Stücke einüben. Ihr habt gewonnnen?" Fragte sie dann noch.

"Den Pokal wohl ziemlich sicher. Aber dafür haben uns die Roten mit fünfundvierzig Toren regelrecht versenkt. Wir hatten Glück, daß deren Sucher immer noch nicht weiß, wie der Schnatz aussieht", sagte Julius lächelnd. Dann meinte er noch:

"Kannst du das in Hogwarts an Kevin oder Pina weitergeben, bitte?"

"Wieviele Tore für wen?" Fragte Aurora.

"Die roten haben fünfundvierzig geschossen, wir fünfzehn. Dann fing unsere Sucherin den Schnatz, und damit hatten wir genau die Punkte mehr, die wir brauchten, um die Tabellenführung zu halten. Die werden im nächsten Jahr neben zwei Treibern einen neuen Sucher suchen. Würde mich nicht wundern, wenn dann der halbe Latierre-Clan, der gerade hier in Beauxbatons ist in der Mannschaft spielt."

"Oha", erwiderte Aurora. dann nickte sie ihm zu und verschwand aus dem Bild.

Die Grünen feierten vom Nachmittag an bis kurz vor Mitternacht. Erst als Professeur Faucon hereinkam und sehr unerbittlich befahl, die Feier in zehn Minuten zu beenden, sank die Hochstimmung, und die Schüler und Schülerinnen zogen sich in ihre Schlafsäle zurück.

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Julius hatte wohl durch drei gutartige Zauber, die bei ihm gerade zusammenwirkten einen tiefen Schlaf und war am nächsten Morgen schon um Viertel vor sechs hellwach. Zum einen hatte er trotz der Hochstimmung gestern den Pacibiculum-Zauber wieder gewirkt, weil er dadurch noch besser in den Schlaf fand und vielleicht doch noch mit einem nächtlichen Wutausbruch von Hercules rechnen mußte. Zum zweiten fühlte er sich durch das kleine Schmuckstück, daß er trug herrlich belebt. Zum dritten wirkte in ihm seit den Weihnachtstagen Ursulines magisches Lebenskraftverstärkungsritual. So kam er wieder einmal gut aus dem Bett und machte sich zum Frühsport bereit.

Am Quidditchstadion angekommen traf er die Latierres, Montferres und einige Jungen aus dem violetten Saal, die den Sonntag nutzten, um zu trainieren, ohne auf Ausgeruhtheit achten zu müssen. Millie meinte zu Julius:

"Na, habt ihr gestern schon den Pokal gefeiert?"

"Ja, sowas in der Art", erwiderte Julius lässig. "Ihr habt ja wohl nicht gefeiert, oder?" Legte er noch nach. Millie erwiderte lächelnd:

"Natürlich haben wir gefeiert. Wir haben ja schließlich das Spiel gewonnen. Laertis ist allerdings sehr früh verschwunden, vor allem, weil ihm einige Jungs und Mädels aus den höheren Klassen vorgeworfen haben, wegen ihm den Pokal verspielt zu haben. Das stimmt ja auch. Aber wie sie es ihm aufs Brot geschmiert haben war nicht gerade dankbar."

"Seit wann ist das bei euch wichtig, ob was höflich oder behutsam rübergebracht wird?" Fragte Julius herausfordernd.

"Bine, was haben Callisto und die Jungs aus eurer Klasse über Brochet losgelassen?!" Rief Millie zu den Montferres hinüber, die gerade Partnerübungen mit Schwermachern ausführten. Sabine kam herüber, lächelte Julius an und meinte:

"Ach, Callisto hat getönt, daß Laertis in Brunies Bett wohl mehr bringen würde als auf dem Quidditchfeld. Wenn die ihn nicht so gern für sich gehabt hätte, wäre der schon beim zweiten Spiel nicht mehr dabei gewesen und so weiter."

"Das Gerücht hält sich wohl hartnäckig", sagte Julius. Dann meinte er: "Wenn es nicht jeder hätte sehen können, daß wir uns von euch zu leicht in den eigenen Torraum hätten drängen lassen würde wohl auch noch mancher Hahn krähen, daß das mit dem Spiel gestern wegen uns wäre, Millie."

"Na klar, wir gewinnen das Spiel, aber ihr den Pokal", knurrte Sabine. Klar, sie hatte es wieder nicht geschafft, diese Trophäe zu halten. Mildrid meinte dazu nur:

"Ihr habt einfach darauf gesetzt, mich als Jägerin auf dem Ganymed abblocken zu müssen anstatt euch übers Feld zu verteilen. Dann war das natürlich kein Ding, euch hinten reinzudrücken. Hättest ja fast mit Virginie Krach gekriegt, wie?"

"Gut, sie war die Kapitänin und hatte zu sagen, wo's lang ging. Aber sie hat zu lange gewartet und auf Konter gesetzt", erwiderte Julius.

"Tja, jetzt weiß sie's", entgegnete Sabine und nickte den beiden zu, bevor sie wieder zu ihrer Schwester zurückkehrte.

"Schade, daß das Tor zum Strand noch nicht aufgemacht wird. Dann hätten wir heute Nachmittag am Meer sitzen können. Die Sonne geht gerade wieder so schön auf", sprach Millie leise. Julius nickte ihr zu und sah zum Himmel hinauf.

"Heute Nachmittag geht eh nicht. Sonderaufgaben bei Professeur Faucon."

"Das, was du keinem sagen durftest?" Fragte Millie verschmitzt grinsend. Julius nickte. Dann fragte er, ob Fixus das vielleicht mitbekommen hätte. Millie sagte dazu nur:

"Solange deine Saalvorsteherin dir nicht die Hucke vollhaut, weil ich das mitgekriegt habe werde ich von Fixie nix entsprechendes abkriegen. Schönen Tag noch, Monju!"

"Dir auch, Mamille", erwiderte Julius leise.

Den Morgen verbrachte er im Gemeinschaftsraum, wo er sich mit jüngeren Schülern über Zaubertränke unterhielt, während Céline Dornier sich mit Irene Pontier über irgendwas hatte. Einmal horchte er auf, weil Céline meinte:

"Julius wollte diesem roten Luder und ihrer Truppe doch nur mehr Spielraum lassen. Ich glaube nicht, daß Virginie das so hingenommen hätte."

"Da sie mit Waltraud so geflogen ist wollte sie das wohl", antwortete Irene schnippisch. "Hast doch gesehen, daß Julius versucht hat, sich besser anzubieten."

"Wir haben die beste Mannschaft und alle Spiele gewonnen. Deshalb haben wir jetzt den Pokal sicher. Aber sowas hat im nächsten Jahr nicht mehr zu passieren."

"Dann kuck zu, daß du bei der Mannschaft dabei bist. Dein Papa besorgt dir bestimmt den Zehner, damit die dich reinlassen", schnarrte Irene.

"Ich komme auch so in die Mannschaft rein, wenn ich das wirklich will", schnaubte Céline daraufhin. Julius überlegte schon, warum Céline bisher nicht in die Mannschaft gewollt hatte, wo ihre Schwester doch so gerne für ihren Saal weitergespielt hätte. Irene spottete dann, daß Céline ja nur nicht in die Mannschaft wollte, weil sie nicht dummm angequatscht werden wollte, wenn es gegen die Weißen ging. Céline schnarrte darauf, daß das sich jetzt eh erledigt habe, und falls der neue Kapitän oder die Kapitänin sie ließe, wolle sie im nächsten Jahr mitspielen, allein schon um Millie zu zeigen, daß die mit ihr nicht alles machen könne. Irene hatte dafür nur ein leicht verächtliches Lachen übrig.

Um etwas Ruhe vor der am Nachmittag stattfindenden Prüfung zu haben zog sich Julius nach dem Mittagessen in den östlichen Park zurück und meditierte im Pavillon über alle Erinnerungen, die er auf jeden Fall verbergen wollte. Dabei gelang es ihm zwar nicht, die absolute innere Ruhe zu finden, aber er bekam die notwendige Übung, bestimmte Gedanken im Ansatz zurückzudrängen. Als es dann kurz vor drei Uhr war, suchte er das nächstgelegene Wandstück, daß zum Wegesystem der Pflegehelfer gehörte und begab sich in die Nähe von Professeur Faucons Sprechzimmer. Dort selbst erwartete ihn neben der Inhaberin auch Professeur Tourrecandide und der Zeremonienmagier Laroche, der heute in einer abenddämmerungsblauen Robe erschinen war.

"Wie ich es Ihnen angekündigt habe, werde ich Sie heute einer informellen Endprüfung in der mentalmagischen Kunst der Occlumentie unterziehen, Monsieur Andrews", sprach Professeur Faucon, nachdem sie einen Klangkerker errichtet hatte. "Um Sie auf ihre Disziplin, Konzentration und geistige Beweglichkeit zu prüfen werde ich nicht alleine diese Prüfung abnehmen, sondern meine kompetente Kollegin Tourrecandide, welche Ihnen ja vertraut ist, sowie der Ihnen bereits vorgestellten Magister Laroche wird Sie prüfen. Da die beiden Ihre innersten Geheimnisse bisher nicht kennen gilt es für Sie verstärkt, sich gegen geistige Zugriffe von außen zu wehren und diese zu vereiteln. Fühlen Sie sich körperlich und geistig frisch genug, um sich dieser Prüfung zu stellen?"

"Ja, mir geht es gut und ich bin wach genug", sagte Julius.

Die nächsten fünfundvierzig Minuten waren für Julius so anstrengend wie vier Schulstunden zusammen. Denn er mußte höllisch aufpassen, daß die kleinsten Gedankenbilder nicht zu klar sichtbaren Erinnerungen wurden und mußte unter anderem mit seiner Selbstbeherrschungsformel verräterische Gefühlsregungen verdrängen, die von seiner Saalvorsteherin erweckt wurden, um daran interessante Erinnerungen hervorzuholen. Als dann Professeur Tourrecandide mit voller Wucht versuchte, seine schlimmsten Erinnerungen hervorzuzerren, fühlte er, wie es in seinem Kopf merklich rumorte. Dennoch hielt er dagegen und schob sofort Abwehrgedanken dazwischen und war immer dabei, seinen Geist von allen bewußten Gedanken zu entleeren, wenn er die Möglichkeit dazu sah. Er befolgte sehr gründlich die Anweisungen seiner Lehrerin und konnte auf die Erfahrung zurückgreifen, die er im Umgang mit der Verhüllung der eigenen Gedanken gemacht hatte. Dennoch flackerten Schreckensbilder von einem wütenden Wespenschwarm oder die grüne Feuersäule, in die sich das gemalte Ich Salazar Slytherins verwandelte kurz auf, wie auch Mildrids Gesicht, daß er jedoch sofort in tiefe Dunkelheit versinken ließ. Laroche ging bei seinem Test etwas feinsinniger vor, indem er versuchte, alltägliche Gedankensplitter zu anscheinend bedeutungslosen Gedankensträngen zu verflechten und daran die wirklich bedeutsamen Erinnerungen hervorzuholen. Doch Julius hielt ihm nach den ersten fünf Sekunden stand. Als er dann merkte, daß er scheinbar unzusammenhängend an die Hexe in Rosa und eine Geburtstagstorte mit neun Kerzen dachte, schwante ihm, daß er von zwei Legilimenten zugleich angegangen wurde. Er stemmte sich dagegen, drängte alle Gedanken in ein Meer aus Dunkelheit und Schweigen ab, fühlte, wie etwas in seinem Kopf wie ein wilder Wespenschwarm zu summen begann, verdrehte die Augen und begann wie bei einem Marathonlauf zu keuchen. Sein Herz schlug nun mit doppeltem Tempo, um den Sauerstoffbedarf seines Gehirns mit frischem Blut zu stillen. Er fühlte, wie sein Anhänger nun auch schneller pulsierte, ihm warme, aufmunternde Ströme durch den Körper schickte und bekam dadurch zusätzliche Kraft, um den Doppelangriff abzuschlagen. Es war ihm sogar, als durchstieße er eine dünne Bretterwand. Einmal vermeinte er, Professeur Tourrecandide mit einer bleichgesichtigen Frau zu sehen, die sie triumphierend angrinste und dabei zwei dolchartige Fangzähne entblößte. und zugleich in einem Waschraum in Beauxbatons zu stehen, umringt von hämisch grinsenden Mädchen. Dann war es ihm, als rase ein großer Lastwagen durch seinen Kopf, zum rechten Ohr hinein und zum linken hinaus. Er meinte, in einen tiefen schwarzen Schacht zu fallen, jedoch anstatt aufzuschlagen heftig keuchend und mit verschwommenem Blick in Professeur Faucons Sprechzimmer wieder aufzutauchen. Die beiden Hexen sahen erst sich und dann ihn merkwürdig an, als sei etwas nicht so gelaufen wie es sollte. Dann ergriff Professeur Faucon das Wort:

"Sicher ist es für Sie noch eine relativ ungeübte Kunst, weshalb sie in einigen Momenten doch etwas haben erkennen lassen. Aber sowohl mir, als auch Professeur Tourrecandide als auch Monsieur Laroche gelang es nicht, zusammenhängende Erinnerungen aus Ihnen herauszuschöpfen oder die wenigen aufblitzenden Gedanken zuzuordnen. Sie haben wohl auch gemerkt, daß wir beide, Meine Kollegin und ich, sie zur selben Zeit legilimentiert haben, denn sie haben sich dabei erstaunlich wendig bewegt, ja sogar etwas erreicht, weswegen es selten vorkommt, daß mehr als ein Legiliment zugleich einen fremden Geist zu durchdringen trachtet. Sie haben unser beider Erinnerungen berühren lassen, so daß wir beide aufpassen mußten, uns selbst nicht gegenseitig zu legilimentieren. Sie haben die Prüfung bestanden, Monsieur Andrews. Allerdings möchten wir Sie warnen, sich nicht zu sicher zu fühlen. Zwar haben wir mit grober Gewalt oder filigraner Feinarbeit versucht, Sie auszuforschen, haben dabei jedoch Ihre Belastungsgrenze respektiert. Wahrhaft skrupellose Legilimenten dürften darauf keine Rücksicht nehmen. Daher sollten Sie in Zukunft stets weiterüben, um nicht das Gespür für geistige Verhüllung zu verlieren."

"Im Grunde hatte ich in den Ferien ja genug Gelegenheiten, zu üben", meinte Julius. Professeur Faucon nickte, ebenso Professeur Tourrecandide. Dann fragte diese unvermittelt:

"Könnte es sein, Blanche, daß dieser junge Mann etwas von außen zugeführt bekam. Ich hatte das Gefühl, als fließe ihm von irgendwoher zusätzliche Kraft zu."

"Notfallreserven, Austère. Jeder Mensch greift auf solche schlummernden Kräfte zurück, wenn er in große Bedrängnis, ja tödliche Gefahr gerät", erwiderte Professeur Faucon trocken. Ihre frühere Lehrerin schien mit dieser Deutung nicht so ganz zufrieden zu sein. Doch sie stellte keine weiteren Fragen. Sie übergab ihrer jüngeren Kollegin einen Zettel und sagte dann:

"Nun, Blanche, jedenfalls haben Sie den jungen Zauberer hier sehr vorzüglich unterwiesen. Ich gehe davon aus, daß er sich bei ernsten Zugriffsversuchen lange genug behaupten kann, um den, der ihn auszuforschen versucht abzuschütteln. Ich empfehle mich bis zu den Prüfungen im Juni." Dann wandte sie sich noch einmal an Julius und sagte: "Ich gehe sehr stark davon aus, Sie dann wieder in einer praktischen Prüfung begutachten zu können. Auf Wiedersehen!"

"Auf Wiedersehen!" Erwiderte Julius. Dann verließen Professeur Tourrecandide und Monsieur Laroche Professeur Faucons Sprechzimmer durch den Kamin. Als sie fort waren versperrte die Büroinhaberin den Kamin und meinte zu Julius:

"Dir ist klar, daß ich meine frühere Lehrerin leicht hinters Licht geführt habe. Ich hätte vielleicht darauf bestehen sollen, daß du das rubinrote Schmuckstück ablegst, daß du um den Hals trägst. Aber ich ging davon aus, daß es lediglich eine belebende Wirkung auf das Gemüt hat, aber nicht dazu angetan ist, den Geist im ganzen zu kräftigen. Außerdem hätte dieses Herz zu viele Fragen aufgeworfen, da Professeur Tourrecandide es ebenso kennt und dann hätte wissen wollen, wer das Gegenstück besitzt. Mir liegt keinesfalls daran, die Lieson zwischen dir und Mademoiselle Mildrid Latierre zum Diskussionsthema zu erheben. Wie du weißt ist mir die ganze Angelegenheit sehr peinlich. Immerhin konnten wir prüfen, was wir prüfen wollten, ohne durch die belebende Kraft deines Anhängers verfälschte Ergebnisse zu erhalten. Es hat sich ja nur eingemengt, als Austère und ich zugleich legilimentiert haben. Mir war so, als würden wir drei uns gegenseitig ausforschen, und ich hatte Mühe, mich schnell genug zurückzuziehen. Auf dem Zettel hier steht nur, daß meine ehrenwerte Vorgängerin und zwischenzeitliche Fachkollegin einen Insektenschwarm gesehen hat, verbunden mit Angst, der aber dann sofort verblaßt sei, ohne daß sie hätte ergründen können, ob es sich um ein konkretes Erlebnis, eine urtümliche Angst oder nur einen besonders einprägsamen Alptraum gehandelt habe und einmal das Gesicht eines Mädchens in Dunkelheit gesehen habe, als sie dich auf erotische Gedanken hin überprüft habe, hätte aber nicht genau sagen können, um wen es sich dabei handelte. Auch die grüne Feuersäule war ihr nicht klar zuzuordnen, wenngleich sie vermutet, daß das Licht die gleiche Farbe und Stärke habe wie der tödliche Fluch", erklärte sie, wobei sie den Zettel zu Rate zog. "Alles in allem eine passable Vorstellung für jemanden, der in dieser Kunst erst ein Jahr unterwiesen wurde", lobte sie ihn noch. "Ich habe Schüler und Schülerinnen erlebt, die keine zwei Minuten durchgehalten haben und dann doch zu viel von ihrem Inneren preisgegeben haben. Gehen Sie nun in Ihren Saal und erholen Sie sich! Es versteht sich von selbst, daß Sie von dieser Prüfung und ihrem Ausgang keinem erzählen mögen, wenngleich ich mit Unmut zur Kenntnis nehmen mußte, daß sich Gerüchte ja schon ausgebreitet haben und die selige Mademoiselle Dusoleil auch ihren besten Freundinnen anvertraut hat, daß ich sie in dieser Kunst unterweisen wollte. Wir sehen uns dann im regulären Unterricht wieder!"

Julius kehrte mit dumpfen Kopfschmerzen in seinen Saal zurück. Doch mit jedem Pulsieren seines Schmuckstückes vergingen die Schmerzen mehr und mehr, so daß er, kaum das er sich im grünen Saal hingesetzt hatte, schon nichts mehr davon fühlte. Er fühlte nur noch die warme, belebende Kraft, die ihm von dem roten Herzen aus in den Körper einströmte. Mochte das an dem Lebensverstärkungszauber oder dem Herzen allein liegen oder wirkten beide zusammen? Er wußte es nicht. Er wollte es auch keinem erzählen. In der Hinsicht war er sich mit Professeur Faucon einig. Für die anderen sollte das rote Herz nur ein leicht vibrierendes Schmuckstück ohne weitere magische Bedeutung sein.

Am Abend nach dem Essen traf er sich mit Mildrid bei Goldschweif. Sie fragte ihn, ob er bei diesen Übungen körperlich angegriffen worden sei, weil ihre Hälfte des geteilten Schmuckstückes zwischendurch wild pulsiert hatte. Julius fragte besorgt zurück, ob sie dadurch körperlich oder sonst wie ausgezehrt worden sei. Sie schüttelte den Kopf.

"Ich habe nur besorgt an dich gedacht", sagte sie. "Ich dachte immer: Monju, ich bin bei dir. Halte aus!"

"Das hat wohl gereicht", erwiderte Julius. Goldschweif sah die beiden an und maunzte dann. Julius hörte dabei jedoch wie von einer am Boden hockenden Frau mit mittelhoher Stimme gesprochen:

"Das, was ihr in zwei halbe Teile auseinandergenommen habt hat immer noch die ganze Kraft, die zwischen euch hin- und hergeht. Wenn einer geschwächt wird kriegt der Andere das mit. Dann strömt die Kraft als Munterkeit in den, der angegriffen wird.""

"Was?" Fragte Julius. Millie sah ihn und Goldschweif an. Dann nickte er. Die Knieselin hatte gerade von ihren Spürsinnen ausgehend erkannt, was das eigentlich wertvolle an dem in eine obere und untere Hälfte zerlegten Schmuckstück war. Julius hörte die Verkäuferin in dem Schmuckladen in der Morgentaustraße von Viento del Sol noch zu ihm sagen: "Dieses zerlegbare Kleinod kostet einhundert Galleonen. Aber eine wahre Liebe ist natürlich millionenmal so viel wert."

"Was hat deine vierbeinige Lebensberaterin gesagt, Monju?" Hakte Millie nach, während sie Goldschweif zärtlich hinter dem rechten Ohr kraulte. Julius räusperte sich, sah sich um, ob jemand zuhören mochte und übersetzte leise, was die Knieselin ihm offenbart hatte.

"Oh, wenn Königin Blanche weiß, was es mit dem Herzchen auf sich hat, hätte die es dir für diesen Gehirnumkrempelungstest abnehmen müssen. Wieso hat sie's nicht gemacht?"

"Weil sie dachte, das würde mir nur anzeigen, ob es dir gut geht", erwiderte Julius verschwörerisch dreinschauend. Millie lächelte zurück.

"Sag noch mal einer, daß sie nicht auch noch was neues lernt. Aber es ist zumindest keine schwarze Magie. Das hat deine fellige Freundin hier doch ausgeschlossen, oder?" Julius fragte Goldschweif noch mal, ob die Kraft in den beiden Herzen gut oder böse war. Sie bestätigte noch einmal, daß es eine angenehme, gute Kraft sei, die sie "singen hören" konnte.

Kurz vor Saalschluß verabschiedete sich Julius von Millie.

"Bis morgen dann", hauchte sie ihm ins Ohr. Beide wandschlüpften nacheinander in ihre Säle zurück. Julius saß dann noch eine Viertelstunde mit seinen Klassenkameraden zusammen. Hercules' Groll gegen Gaston und Millie schien im Moment verflogen zu sein, und das gefiel Julius zu sehr, um nachzufragen, wieso das so war.

__________

Woher Hercules die Ruhe wiedergefunden hatte stellte sich im Verlauf der nächsten Woche heraus. Robert berichtete Julius einmal, er habe den Kameraden mit Belisama Lagrange durch den Park spazieren sehen können. Sabine Montferre sprach ihn beim Frühsport einmal an, daß sich Millies ärgste Konkurrentin wohl schnell passenden Ersatz ausgesucht habe und erwähnte, daß Hercules mit Belisama gerade in den Abendstunden häufig durch die Menagerie streife und dabei sogar Tanzübungen ohne Musik mache. Sie meinte dann noch: "Solange sie dabei in voller Bekleidung auf den beinen bleiben ist das ja nix, woran die strengen Lehrer und Lehrerinnen hier Anstoß nehmen müssen."

"Ich habe das damals bei dem Spiel der Pelikane gegen die Mercurios schon gedacht, daß Belisama ihn erst zu sich gewunken hat, um mich eifersüchtig zu machen, dann aber kapiert hat, daß ich so nicht für sie zu begeistern bin. Könnte mir sogar vorstellen, daß die beiden meinten, sich gegen Millie und mich verschwören zu müssen und dabei ein Funke übergesprungen ist", erwiderte Julius darauf. "Zumindest läßt Belisama Millie und mich in Ruhe, und Hercules ist auch wieder etwas ruhiger geworden."

"Wahrscheinlich fliegen die beiden auch bei Walpurgis. Oder hat Belisama dich eingeladen?"

"Nöh, hat sie nicht, weil sie aus purem Trotz meinte, ich solle sehen, was ich davon hätte", erwiderte Julius.

Am 21. April, kurz vor Millies Geburtstag, las Julius ihre offizielle Walpurgisnachteinladung noch einmal:

Hallo, Monju,

ich weiß, daß du es sonst gewöhnt bist, offizielle Einladungen formell geschrieben zu kriegen. Aber das ist nicht mein Ding, wie du vom letzten Jahr noch weißt. Ich weiß ja, wer anderes sich noch traut, dich einzuladen, finde aber, daß jetzt, wo's alle wissen, daß wir miteinander nicht nur gehen auch die herrliche Hexennacht zusammen verbringen sollten, allein schon um anderen Hexen hier zu zeigen, daß wir eben doch am besten zusammenpassen.

Ich denke mir also, daß du, egal wer dir noch eine Einladung schickt, ganz bestimmt nur mit mir fliegen wirst. Ich weiß ja, daß du dir Helios' Hochzeitsgewand zugelegt hast. Schön, daß du schon so weit vorausgedacht hast, daß das so gut zu meinen Haaren paßt. Dann können das auch ruhig alle sehen. Oder nicht?

Schreibe mir ruhig oder sage es mir so, wenn du beim großen Flug der Walpurgisnachthexen hinten auf meinem Besen sitzen möchtest! Bis dahin, lass dich nicht unterkriegen!

Er schrieb ihr eine kurze Antwort, daß er trotz des verlockenden Angebotes, mit einer der Montferre-Schwestern zu fliegen doch lieber mit ihr fliegen wolle. Daß Bébé ihm auch eine Einladung geschickt hatte wollte er in der offiziellen Antwort nicht mehr erwähnen. Er erinnerte sich noch zu gut daran, wie verdutzt und dann amüsiert Millie geguckt hatte, als er ihr auf ihre Nachfragen, wer denn da noch Einladungen an ihn verschickt hatte alle aufgezählt hatte. Weil beide wußten, daß hinter Laurentines Einladung eher Céline steckte, richtete sich Millies Spott dann eher gegen Constances kleine Schwester. Diese hatte dadurch natürlich keine Veranlassung, sich irgendwie mit Millie auszusöhnen.

Er war froh, daß das in Viento del Sol bestellte Schmuckstück, die silberne Haarspange, die mit einem Regenabweisezauber belegt war, im allgemeinen Getümmel Pakete anbringender Posteulen nicht sonderlich auffiel. So konnte er das bereits vom Absender hübsch verpackte Geschenk für den fünfundzwanzigsten gut wegtun.

__________

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag", wünschte Julius seiner Freundin, als sie sich an jenem Mittwochmorgen zum Frühsport trafen. Millies Cousinen und ihre Tante Patricia, sowie deren wohl schon fester Freund Marc Armand stimmten mit ihm in ein Ständchen ein, bevor sie ihre täglichen Lauf- und Gymnastikübungen machten. Als Julius dann vor dem Frühstück mit Robert und Hercules bereitstand meinte Robert:

"Sag mal Julius, hat Millie Latierre nicht heute ihren fünfzehnten Geburtstag?"

"Hmm, ja, ist so", erwiderte Julius lässig.

"Feiert die dann nach, wenn die dich dabei haben will?" Bohrte Robert weiter nach.

"Hat sie nix von gesagt", erwiderte Julius wahrheitsgemäß. Da meinte Hercules verächtlich:

"Tja, dann wird sie wohl nicht mit dir feiern wollen, weil du ja nicht in den roten Saal reindarfst."

"Wer sagt das?" Fragte Julius unbekümmert zurück:

"Ja, du kannst doch nicht in deren Stall rein", knurrte Hercules. "Wenn die dann heute feiern will kann sie dich wohl nicht dazuholen."

"Wenn ich müßte käme ich auch in den roten Saal genauso rein wie in den grünen. Aber ich muß nicht", erwiderte Julius lässig. Robert bemerkte dazu:

"Wahrscheinlich hat er der eh schon gratuliert, wenn die heute wieder ihre Frühsporteinheit durchgezogen haben."

"Soso, so nennt man das also", grummelte Hercules. Dann sagte Julius ruhig:

"Ich habe 'ne Einladung von ihr gekriegt, heute zu feiern. Du nicht?"

"Öhm, wie käme ich dazu, mich von 'ner Roten einladen zu lassen?" Schnaubte Hercules. Das brachte ihm jedoch amüsiertes Schmunzeln von Robert und Julius ein.

"Dann brauchst du dich ja auch nicht drum zu scheren, ob sie feiert und wenn ja mit wem und wo", beendete Julius das Thema ganz locker sprechend. Robert lachte darüber nur, während Hercules erkannte, daß er da wohl ein Eigentor geschossen hatte.

Vor dem Zaubertrank-Klassenraum trafen die Viertklässler aus dem roten und dem grünen Saal zusammen. Céline und Laurentine starrten Millie an, die sich mit Caro und Leonnie unterhielt. Bernadette Lavalette hatte sich von ihren drei Klassenkameradinnen abgesetzt und stand an der Wand vor der Tür. Sie funkelte Waltraud an, die völlig unschuldig dreinschauend bei Julius stand und mit ihm wohl noch etwas für den Unterricht besprach. Als Millie von Leonnie darauf aufmerksam gemacht wurde, daß Céline und Bébé sie so giftig anstarrten wandte sie sich freundlich lächelnd um und fragte ruhig:

"Kann ich irgendwas für euch tun?" Sofort legte sich eisiges Schweigen über die vor der Tür wartenden.

"Ja, lern, dich selbst für immer verschwinden zu lassen!" Fauchte Bébé. "Oder sag deiner Mutter, sie soll dich zurücknehmen, wenn das Balg draußen ist, was sie gerade rumschleppt!"

"Schön, daß du heute morgen so gut aus dem Bett gekommen bist", erwiderte Millie überlegen lächelnd. "Ich denke, meine Mutter wird sich sehr über deinen Wunsch freuen, Laurentine. Das du ausgerechnet heute damit rüberkommst kommt wohl nicht von ungefähr, wie?"

"Was du nicht sagst", knurrte Laurentine. Céline meinte dann noch:

"Es sollte 'ne Schulregel geben, die Leuten aus dem roten Saal verbietet, mit Leuten aus anderen Sälen was anzufangen. Dann könnt ihr euch auch nicht so viele Frechheiten rausnehmen."

"Oha", seufzte Julius, als die Jungen und Mädchen aus dem roten Saal sie kritisch musterten. Caro meinte dann ungefragt:

"Ich kann mich nicht erinnern, daß mit dir einer von uns was angefangen hätte, Céline. Und Laurentine schwätzt doch nur, was du ihr vorgelegt hast, weil ihr beide meint, wir dürften uns in anderen Sälen keine Freunde suchen, nicht wahr, Bernadette?"

"Laßt mich aus eurem kindischen Geplänkel raus!" Schnarrte Bernadette. Gérard und Robert sahen sie darauf spitzbübisch grinsend an, während Hercules' Gesicht eine steinerne Maske zu sein schien. Apollo feixte dann noch:

"Ei, hast gedacht, euer Superspieler würde mit dir bekehrter Verweigerin auf den Besen hüpfen oder mehr, was Bébé?" Laurentine lief wutrot an. Die anderen Roten lachten. Céline trat vor, steuerte Apollo an. Doch dieser sah sie an und meinte:

"Was heizt ihr beiden da jetzt unnötig an. Wollt ihr Ärger mit uns haben? Dürfte euch schlechter bekommen als uns."

"Céline, vergiss es!" Rief Robert genervt. "Der Unsinn ist doch echt nicht nötig."

"Was stimmt stimmt", knurrte Céline. Julius trat zu ihr hin und sprach leise auf sie ein:

"Komm, Céline. Ist genug. Das bringt doch echt keinem was, hier jetzt noch mal alles aufzuwühlen." Bébé drehte sich zu ihm um und fauchte ihn an:

"Das hast du gerade nötig, ihr was zu raten, wo du dich dieser rotblonden Schickse da in die Arme geworfen hast." Sie zeigte mit dem Finger auf Millie, die im Moment noch relativ ruhig dastand. Doch Julius fühlte durch das rubinrote Herz, daß sie sich nur nach außen hin beherrschte. Falls noch ein Wort fiel, daß ihr nicht paßte, könnte sie Laurentine oder Céline eine runterhauen oder so.

"Das ist schon längst geklärt, Laurentine. Ich gehe mit Mildrid, und damit basta! Wenn du heute so'ne Welle machst, dann wohl nur deshalb, weil sie heute Geburtstag hat und du und Céline ihr mitgeben wollt, wie abartig ihr beide sie findet. Gilt das dann auch für jeden, der mit ihr klarkommt?" Alle Roten sahen ihn an, vor allem Millie, die die beiden Mädchen aus der vierten Klasse lauernd anguckte.

"Wem der Schuh paßt", knurrte Laurentine. Doch Céline warf ihr einen warnenden Blick zu und zog sie rasch einige Schritte von Julius weg.

"Wir hören!" rief Leonnie in Laurentines Richtung. Doch diese wandte sich ab. Céline sprach leise auf sie ein, wobei sie Julius verärgert anblickte, weil der ihnen diese Fangfrage gestellt hatte.

"So, jetzt ist Ruhe", knurrte er, als er wieder bei Robert stand und das Getuschel wieder einsetzte. Die Roten sahen die Wortschlacht als gewonnen an, obwohl sie sie weder angefangen noch groß dafür gekämpft hatten. Als dann noch Professeur Fixus auftauchte wurde sämtlicher Ärger sorgfältig verstaut.

Als der Zaubertrankunterricht vorüber war ging Julius zu Millie hin, während Céline und Laurentine fast fluchtartig den Klassenraum verließen und Robert Mühe hatte, seiner Freundin auf den Fersen zu folgen. Hercules sah demonstrativ an Bernadette vorbei, die mißmutig ihre Sachen zusammenräumte und den Raum verließ. Waltraud wartete einige Sekunden, bevor sie ebenfalls den Klassenraum verließ. Als Julius Anstalten machte, aus dem Klassenraum zu gehen hielt ihn die Lehrerin zurück und schickte Millie und die restlichen Schüler ihres Saales nach draußen. Dann sprach sie mit ihrer weithin gefürchteten Windgeheulstimme:

"Es ist sehr ehrenvoll, daß Sie zu der von Ihnen getroffenen Entscheidung stehen, Monsieur Andrews. Trotz der Animositäten, die Ihnen und Mademoiselle Latierre erwachsen sind lassen Sie sich nicht aus der Fassung bringen. Ich hoffe, Sie halten das durch."

"Das hoffe ich auch, Professeur Fixus", sagte Julius. Dann durfte er ebenfalls auf den Pausenhof.

"Also langsam wird's blöd, was Céline und Laurentine da machen", meinte Mildrid, als Julius sich mit ihr auf dem Pausenhof traf. "Wollten mir wohl meinen Geburtstag vermiesen. Das ging aber voll daneben."

"Die meinen immer noch, ich hätte Claire verraten oder sowas. Heute fanden die halt, daß noch mal irgendwie rüberbringen zu müssen", grummelte Julius.

"Der Hungerhaken weiß, daß ich dem über bin und eure Bébé scheint einen Mutmachertrank eingeworfen zu haben, daß die es wagt, mich vor allen so anzumachen. Bestell ihr nach der Pause bitte, sie sollte erst einmal ein paar Wochen zum Frühsport kommen, bevor die noch mal so'ne kesse Lippe riskiert. Was sie sich da geleistet hat ging nicht nur gegen uns beide, sondern auch gegen meine anderen Klassenkameraden. Die hätten die glatt festgehalten, wenn ich ihr eine hätte ballern wollen. Sage ihr das bitte."

"Sie geht davon aus, daß du als Pflegehelferin keinem was tun darfst", sagte Julius.

"Achso, deshalb meint die, sich sowas rausnehmen zu dürfen. Dann ist die ja doch eher feige als mutig"", vermutete Millie mit hämischem Grinsen.

"Die geht davon aus, daß du in deiner Klasse alleine dastehst, weil Caro ja auch versucht hat, mich für sich zu begeistern und Bernadette mit keiner von euch so recht zusammenhält und die Jungs bei euch wohl keine Mädchen schlagen würden."

"Dann wäre immer noch Leonnie dagewesen", wandte Millie ein. Da kam Professeur Bellart, die die Pausenhofaufsicht führte herüber und fragte, ob die beiden so nahe beieinanderstehen müßten. So brachten Julius und Millie einen Meter Abstand zwischen sich und schlenderten völlig unbekümmert weiter über den Pausenhof, wobei sie jedoch immer wieder darauf achteten, was Céline und Laurentine taten. Doch die beiden wurden von Robert und Waltraud beschäftigt.

"Bis heute Nachmittag dann", verabschiedete sich Millie von Julius, als die Pause nur noch zwei Minuten dauerte.

In der Alchemie-AG nutzte Bernadette die Gelegenheit, wo Millie sich auf ihren Kessel konzentrieren mußte:

"Hattest du nicht vor, dich nur noch mit den Studien zu beschäftigen. Was hat die Latierre mit dir angestellt? Liebestrank oder was?"

"Ich habe nur gelernt, daß nur lernen alleine keinen Spaß macht. Vielleicht kriegst du das ja auch mal raus", erwiderte Julius darauf nur. Millie wandte sich um und sagte:

"Du hattest deine Chance, rauszukriegen, was Julius meint. Aber du hast den Jungen, der dafür bereit war ja eiskalt abserviert. Also häng dich jetzt nicht in anderer Leute Angelegenheiten rein, wenn wir beide noch gut miteinander klarkommen sollen!"

"Fragen wird ja wohl erlaubt sein", erwiderte Bernadette unwirsch. Doch mehr wagte sie dann auch nicht mehr.

Am Abend traf Julius sich mit Millie, ihren Cousinen, ihrer Tante, deren Freund Marc, sowie Apollo und Leonnie, Caro Renard und den Montferres, um im Freien auf Millies Geburtstag anzustoßen. Eine Miniaturtorte mit fünfzehn Kerzen wurde aufgebaut, die Kerzen entzündet und ein weiteres Ständchen gesungen. Dann blies Millie die Kerzen aus und öffnete die Geschenkpakete. Als sie die Silberspange von Julius fand sah sie ihn herausfordernd an, strahlte dann aber.

"Oh, die Parapluvius-Haarspange", sagte sie und hielt das Schmuckstück hoch. "Jetzt kann ich vom Regen nicht mehr durchnäßt werden. Kommt bestimmt gut, wenn Walpurgis ist." Dann umarmte sie Julius und küßte ihn ungeniert auf den Mund. Zehn Sekunden blieben die beiden so miteinander verbunden, und Julius fühlte seinen Herzanhänger warm und lebendig pulsieren. Er erkannte, daß er diese junge Hexe mittlerweile wirklich sehr sehr gern hatte, nicht nur körperlich. Denn daß sie doch in der Lage war, ruhig und geduldig zu sein, aber trotzdem auch wild und ungebärdig sein konnte, das gefiel ihm sehr.

"Eure Holzbläsertruppe ist gleich dran", meinte Sabine vorsichtig, als die beiden sich nach dem Kuß noch in den Armen hielten. Julius nickte. Millie gab ihn frei und meinte:

"Das fühlt sich wunderschön an mit den Herzen. Irgendwie habe ich das Gefühl, die laden uns beide immer auf, wenn wir uns liebhaben."

"Das ist wohl so", erwiderte Julius verzückt. Dann verabschiedete er sich von den übrigen Geburtstagsgästen und wandschlüpfte in die Nähe des Musiksaales, wo die Holzbläsertruppe aus dem grünen Saal sich zu ihrer allwöchentlichen Übung traf.

__________

Ferdinand Brassu war leicht geknickt, weil Madame Maxime ihn nicht für den Spielkommentar der Begegnung Weiß gegen Violett haben wollte. Daß er als Bewohner des violetten Saales häufig zu parteiisch kommentiert hatte war ihr immer noch zu deutlich. Da es im Moment nicht aussah, daß die Weißen oder die Violetten in die Nähe von 1370 oder gar 1620 Punkten Endstand kommen würden, saß Sabine Montferre einmal mehr an Brassus Platz, als unter großem Jubel die beiden Mannschaften aufs Feld kamen.

"Auch wenn es derzeit so aussieht, als wäre der Pokal bereits vergeben, hoffen die Mannschaften des heutigen Spiels zumindest noch auf den zweiten oder dritten Platz, wenn nicht doch noch ein Wunder geschehen kann", sagte Sabine und stellte die beiden Mannschaften vor, wobei sie auch kleine Seitenbemerkungen zu den einzelnen Spielern fallen ließ, jedoch nicht so hart an die Anstandsgrenze stieß wie Brassu bei der letzten Partie. Julius bewunderte es, wie wortgewandt Sabine die Spielzüge kommentierte, mitreißend und so knapp wie möglich. Immerhin boten die beiden Mannschaften ihren Anhängern und dem Rest der Zuschauer eine ansehnliche Partie, wobei jedoch die von Edgar Camus geführten Weißen immer mehr Vorsprung bekamen. Bald stand es 200 : 100 für die Weißen. Millie, die es hinbekommen hatte, wie zufällig neben Julius zu landen stupste ihn an und meinte:

"Die Weißen sind schon gut. Collis hat seine Mannschaft auf Konterspielen eingestellt, wie Virginie das mit euch gemacht hat. Die waren wohl nicht im Stadion, als wir gegeneinander gespielt haben."

"Die spielen auf Schnatzfang, Millie", sagte Julius, als bereits das einundzwanzigste Tor für die Weißen fiel, und die Violetten nun immer ungehaltener wurden. Waltraud, die rechts von Julius saß meinte zu ihm und Millie:

"Da kräht aber kein russischer Goldeihahn nach, ob die das Spiel vorher abgesprochen haben oder nicht. Nichts für ungut, aber ihr seid schon ein merkwürdiger Haufen hier in Beauxbatons."

"Ja, stimmt, Waltraud", meinte Julius. "Wenn du dir mal anguckst, wie die die Klatscher spielen und die Jäger einfach durchziehen lassen, ohne groß zu stören. Dabei wollten die Violetten im letzten Jahr noch den Pokal haben."

"Das war, wo ihr die so gemein hingehalten habt, nicht wahr, Julius?" Erinnerte sich Millie an jenes zwar regelgerecht verlaufene, aber künstlich in die Länge gezogene Spiel der Grünen gegen die Violetten, wo Julius als Bewacher von Belles Cousine Suzanne Didier gespielt hatte. Damals hatte Agnes sichere Schnatzfänge ausgelassen, damit die Jäger mehr Tore schießen konnten und Golbasto Collis war mehrmals in einen aus Versehen in seine Flugbahn geratenen Quaffel geflogen, wenn er den Schnatz gerade fangen wollte.

"Buuuuuuuh!!!" Dröhnte es aus den Reihen der Violetten, als die Weißen mit einer schnellen Dreierstaffette das zweiundzwanzigste Tor machten. Die Blauen sangen was, daß Violett die Farbe der Verlierer sei, was die Unmutsäußerungen der Violetten weiter anfachte. Da geschahen zwei Sachen zur selben Zeit. Sixtus Darodi führte den Quaffel und schaffte es gerade, an Argon Odin vorbeizuschlüpfen, als Golbasto Collis sich aus großer Höhe nach unten stürzte wie ein niedersausender Greifvogel. Gerade rief Sabine das dreiundzwanzigste Tor für Saal Weiß aus, als die Anhänger der Violetten ein lautstarkes "Jaaaaaaaa!!!!" ins Stadion schrien. Der kleine Golbasto Collis hatte den Schnatz gefangen.

"Hat sich echt gut von Glorias Fluch erholt", meinte Julius und rechnete die Punkte zusammen. Vor dem letzten Spiel der Saison setzten sich die Violetten auf den dritten Tabellenplatz. Aber der wackelte, wenn die Blauen und die Gelben jeweils mehr als zweihundert Punkte erspielen mochten.

"Wenn die Blauen oder gelben beim nächsten Spiel nicht in der ersten Minute den Schnatz fangen haben die weißen heute die rote Laterne gewonnen", meinte Julius zu Millie und Waltraud.

"Die rote Laterne?" Fragte Millie belustigt. Waltraud grinste und setzte einen drauf:

"Und falls die Blauen oder gelben im nächsten Spiel ohne ein einziges Tor den Schnatz fangen gewinnen die Violetten die Bronzemedaille, und die Weißen die goldene Ananas."

"Häh, wovon habt ihr's, Julius", erwiderte Millie nun etwas ungeduldig klingend. Julius sah Waltraud an und sagte: "Genau." Dann erklärte er Millie, was gemeint war, daß die rote Laterne den Tabellenletzten bezeichnete und eine goldene Ananas kein echter Preis sei sondern als symbolische Auszeichnung für einen ansonsten wertlosen Sieg bezeichnet wurde. Demnach würde der Tabellendritte in einem Quidditchturnier schon die goldene Ananas bekommen, wenn dieser Platz beim letzten Spiel erreicht wurde.

"Sag doch gleich, daß der goldene Eulendreck ausgespielt wird, Julius! Ich glaube, meine Mutter sollte sich mit dir mal über Umgangssprachliche Sachen beim Quidditch unterhalten. Der goldene Eulendreck geht an den Letzten der Liga, sofern er trotz seines Sieges im letzten Saisonspiel nicht vom letzten Platz abrücken kann."

"Ja, stimmt, den Ausdruck habe ich auch schon gehört", meinte Waltraud.

"So oder so, Leute. Der Pokal wird jedenfalls nicht Violett", meinte Hercules Moulin. Da sangen die Grünen auch schon, daß der Pokal grün sei und grün bleibe. Darauf sangen die Blauen, daß der Pokal doch blau werde, was die Gelben natürlich nicht auf sich sitzen ließen und strickt behaupteten, daß der Pokal weil aus gold ja schon von Natur aus zu den Gelben gehören würde.

"Ey, Julius, die werden frech, die Gelben", feixte Millie. Dann deutete sie auf das Feld, wo sich bereits die ersten Gratulanten einfanden. So gingen dann auch die Mannschaften hinunter um den Gewinnern zu gratulieren und den Verlierern Trost für die nächste Saison zu spenden. Letzteres besorgte Waltraud bei Edgar Camus, der Julius finster ansah, als der auf ihn zugehen wollte.

"Dann eben nicht", knurrte Julius und sprach statt dessen mit seinem Pflegehelferkollegen Sixtus.

"Sollen die Gelben doch den Schnatz kriegen, bevor ein Tor gefallen ist. Dann kucken die beide blöd", sagte Sixtus. Da erschien Gloria zusammen mit Belisama und Constance auf dem Platz. Belisama nickte Sixtus zu und wandte sich an Julius.

"So wie's aussieht behaltet ihr wohl doch den Pokal", sagte sie, wo Millie dabeistand. "Allemal besser als bei den Roten."

"Da kommt der nächstes Jahr hin, Süße", erwiderte Millie überlegen. Belisama verzog das Gesicht und zischte, Millie solle sie nicht "Süße" nennen. Gloria sagte zu Julius:

"Dann ist die Sache wohl entschieden, falls die Gelben oder Blauen nicht noch über achthundert Punkte hinbekommen."

"Hmm, man soll ja nicht vor dem letzten Spiel feiern. Aber daß die Gelben fünfundsiebzig Tore machen und den Schnatz kriegen ist ziemlich schwierig", meinte Julius. "Da könnten die Blauen noch eher so viele Punkte machen."

"Wie gegen euch oder uns?" Fragte Millie schadenfroh. "Davon träumen die aber nur."

"Na ja, könnte nur schlechte Stimmung bei mir im Saal geben", seufzte Gloria. "Wahrscheinlich kriegen wir demnächst noch Post aus Hogwarts, ob Ravenclaw noch an Slytherin und Gryffindor vorbeiziehen kann. Pina schrieb sowas, daß Harry Potter im letzten Spiel nicht mitmachen dürfe, weil er sich Nachsitzen bei Snape eingehandelt hat. Kriegen wir dann ja demnächst, wie die Partie gelaufen ist."

"Ist das nicht auch heute?" Fragte Julius. Gloria nickte.

"Dann haben wir das in zehn Minuten, wie das ausgegangen ist", flüsterte er ihr zu. Sie nickte. Natürlich konnte Julius den heißen Draht nach Hogwarts bemühen: Auroras Bild-Ich.

"Glaubt ihr, dein Schulhaus in Hogwarts holt dieses Jahr auch noch den Pokal?" Fragte Millie Gloria. Diese wußte darauf keine rechte Antwort.

Tatsächlich bekam Julius das Endergebnis der Hogwarts-Quidditch-Saison keine Viertelstunde später von Aurora Dawns gemalter Ausgabe serviert. Gryffindor hatte den Pokal gewonnen, weil Ginny Weasley den Schnatz gefangen und Ron Weasley viele Torwürfe abgefangen hatte. Julius unterhielt sich mit Aurora über ihre Zeit in Hogwarts, wo sie für Ravenclaw mehrmals den Pokal gewonnen hatte. Dann ging er in die Bibliothek, wo Gloria mit ihrer Schlafsaalkameradin Estelle über einem Buch über Materialverstärkungszauber saß.

Bei allen Materialien außer Holz und Tierhäuten können durch Zauberstabberührung und Zaubersprüchen Verstärkungszauber aufgebracht werden. Bei Teilen von Pflanzen oder Tieren muß ein entsprechender Zaubertrank angerührt werden", wiederholte Estelle gerade. Gloria nickte. Dann sah sie Julius und ließ sich das Ergebnis aus Hogwarts mitteilen. Estelle nickte nur. Es war ja doch schon in Beauxbatons herum, daß Julius mit Erlaubnis von Madame Maxime eine gute Direktverbindung nach Hogwarts besaß. Dann ließen sich die beiden Mitschülerinnen, wo Julius schon mal da war, die Rezepturen für das Durolignum-Elixier und die Cutifortis-Lösung verraten, sogar einige Abkürzungen, die Julius in einem Buch über druidische Zaubertränke gefunden hatte. Gloria meinte nur einmal, daß ein Körperschutz aus Drachenhaut mit bestimmten Runen und Zaubern so manipuliert werden konnte, daß alle rein körperlichen Angriffe wie von einem unsichtbaren Schutzschild um den Körper abprallten. Aber so ein Drachenhautpanzer war teuer, weil ein großes, zusammenhängendes Stück Drachenhaut dafür beschafft werden mußte, und ein Quadratzoll Drachenhaut schon mehrere Sickel kostete.

"Das haben wir an den Handschuhen ja gesehen", meinte Estelle. Julius stimmte dem zu. Er selbst hatte so einen Wunderpanzer ja mal getragen, als er in Slytherins Galerie unterwegs war und verdankte diesem magischen Kleidungsstück sein Leben.

So verbrachten sie die Zeit bis zum Mittagessen in der Bibliothek. Nachmittags waren die meisten Schüler an der frischen Luft. Viele besuchten die Festwiese, wo am 30. April abends der große Scheiterhaufen errichtet und angezündet wurde, über den dann alle Hexen, die alleine oder mit Partner fliegen durften hingwegbrausen würden. Julius ging dabei Céline und Laurentine aus dem Weg, die mißmutig den großen Platz abschritten. Irgendwie merkte er jetzt, daß diese Walpurgisnacht nicht so geläufig sein würde, wie er es im letzten Jahr noch gedacht hatte. Laurentine würde wohl fliegen, aber wenn Céline ihr nicht noch wen aus dem Rock schütteln würde ohne Partner. Dabei würde sie auf dem Besen sitzen, auf dem Julius im letzten Jahr hinten gesessen hatte, mit den Armen um die Taille seiner geliebten Claire. Würde dieser Zauber, den sie beide während des Fluges verspürt hatten sich wieder einstellen, wenn er mit Millie flog? Er hoffte es sehr, wenngleich er doch dachte, daß es nicht das war, was er letztes Jahr noch für immer wiederkehrend angesehen hatte.

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Leckermaul und die kleine Prinzessin zanken sich um die tote Ratte, die vor ihnen liegt. Leonardo und Drahtbürste sehen dem nur zu. Ich habe Angst, daß die beiden nicht herausbekommen wollen, was das richtige Essen für sie ist. Sie wollen immer noch bei mir trinken, zumal Leckermaul und die kleine Prinzessin nun mit der Ratte beschäftigt sind. Ich werde wohl noch einen Mond warten müssen, bis alle vier feste Sachen essen können.

Ich höre die Laute der Jungen aus dem Steinbau und das Geräusch, das irgendwas großes aus Metall herumläuft. Ich habe es einmal gesehen, als ich gerade gelernt habe, mein Essen selbst zu suchen und zu fangen, diese zwei Kreise, die übereinanderliegen und wo die Großen in dem Steinbau sich gegeneinander herumkreisen lassen. Sie haben wohl wieder jenes wilde Treiben, bei dem sie ein großes Feuer Machen und die Weibchen mit ausgesuchten Männchen auf den fliegenden Ästen darüber herumfliegen wie Jägervögel und dabei grelles Licht machen. Ich bleibe dann immer hier, weil die Mäuse und Ratten davon in ihre Löcher zurückgeschreckt werden. Auch die anderen, die gerade Junge haben, bleiben hier. Ich höre die Kraft, die von den Flugästen ausgeht, höre auch, daß sie diese Metallkreise um sich haben, die die Weibchen durch die Kraft mit den Männchen verbinden. Ich weiß, daß das vorbei geht, wenn die Nacht halb um ist. So warte ich und sehe zu, wie meine rauflustigen Jungen sich mit der toten Ratte abmühen und fühle wie Leonardo an meinen Trinkknubbeln saugt. Ich höre das sehr schöne Singen der Kraft, die zwischen Julius und dem Weibchen Mildrid hin- und hergeht. Warum hat er nicht schon vor dem letzten Nachtgetobe mit dem Feuer hingenommen, daß Mildrid das bessere Weibchen für ihn ist? Immerhin hat er mit ihr schon die Stimmung ausgelebt und ist jetzt nicht mehr so starr. Vielleicht darf er mich demnächst mal mit dorthin nehmen, wo er hingeht, wenn er mit den anderen Jungen aus dem Steinbau verschwindet. Bestimmt sind meine Jungen dann alle soweit, sich ihr Essen selbst zu jagen.

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Glorias Mutter hatte diesmal mit Erlaubnis der Lehrer größere Mengen des im letzten Jahr so gut angekommenen Leuchthaarelixiers geschickt. Madame Maxime hatte es allen interessierten Schülerinnen und Schülern am Sonntag nach dem Quidditchspiel überreicht. So hantierten nicht nur die Mädchen fleißig mit den kombinierbaren Zauberlösungen herum, um sich passend zu den Walpurgisnachtgewändern leuchtende Haare zu machen. Julius hatte sich eine Kombination ins Haar gerieben, die es eine Stunde nach der Behandlung in einem feurigen Rotorange erglühen lassen würde. Außer ihm hatte sich keiner der Jungen ein neues Walpurgisnachtkostüm besorgt, beziehungsweise besorgen müssen. So fiel sein Hochzeitsgewand des Helios schon heftig auf, als er mit seinen Klassenkameraden aus dem Jungenschlaftrakt heraustrat. Céline trug dieses Jahr ein auf den ersten Blick unscheinbares Kostüm, das aussah wie ein Kleid mit blauen Daunenfedern. Da sie wohl auch Dione Porters Wundermittel benutzte, hatte sie die Perlen weggelassen, die sie im letzten Jahr durch die Haare geschlungen hatte. Laurentine trug ein silberweißes Kostüm, das Julius fast an einen Tarnumhang denken ließ und hatte sich eine Kette aus silbernen Kügelchen um den Hals gelegt. Offenbar wollte sie jetzt erst recht gut aussehen.

"Wau, Waltraud! Das ist ja auch was tolles", sagte Carmen Deleste gerade, als Waltraud Eschenwurz in einem goldgelben Kostüm eintrat, daß wie ein wogendes Weizenfeld im Sommersonnenlicht glänzte. Ihr farblich passendes Haar hatte sie zu mehreren Dutzend dünnen Zöpfen geflochten, die ihr selbst wie Weizenähren über die Schulter herabwallten. Die Mädchen fragten sie, ob sie das Kostüm in Frankreich oder Deutschland gekauft habe. Sie erwiderte, als Julius in Hörweite war:

"Neh, das hat meine Mutter selbst geschneidert. Die macht die Kleider für die Feensander Hexen. Ich habe ihr gesagt, ich könnte mir ja von einem Laden hier was schicken lassen. Aber da meinte sie, daß ich dann die nächste Walpurgisnacht nackt tanzen könnte, wie die Muggel es von den sogenannten Brockenhexen glaubten."

"macht das dann irgendwas?" Fragte Irene Pontier mit einer Mischung von Neid und bewunderung.

"Das werdet ihr sehen, wenn ich fliege. Hallo, Julius, daß ist also das Helios-Gewand?"

"Jau, das ist es, Waltraud", erwiderte Julius. Céline bemerkte den Klassenkameraden und fragte verhalten:

"Hast du dir auch was von Madame Porters Leuchtlösung in die Haare gerieben?" Er nickte zur Antwort und strich sich behutsam durch das glatte, mit Zauberkraft gekürzte Haar. "Hoffentlich gefällt das deiner Besenherrin", grummelte Céline etwas verbittert. Doch Robert nahm sie bei Seite und teilte leise Komplimente für das Kostüm aus, obwohl Julius noch nicht sehen konnte, was daran so überragend sein sollte. Aber das würde sich wohl im Flug zeigen.

In der großen Eingangshalle trafen sich die Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Sälen. Julius fühlte es eher durch das rote Herz, das er seit der Rückkehr aus den Ferien unter dem Unterhemd trug, daß Millie schräg links von ihm war. Die Montferres waren in grellgrüne Kleider gehüllt, die mit ihrem Haar kontrastierten. Bei ihnen war keiner, der mit ihnen fliegen würde.

"Juhu! Julius!" Rief Millie ungeniert. Sie trug ein orangerotes Kleid mit goldenen Funkenmustern und rötlich-gelbe Halbstiefel, deren Spitzen wie kleine Feuerzungen geformt waren.

"Schön grell", meinte Julius, dem der orange Farbton mit den goldenen Punkten etwas merkwürdig vorkam.

"Das mußt du im Flug sehen, Julius. Siehst in dem Helios-Gewand aber auch sehr erhaben aus", erwiderte Millie und begrüßte ihn landestypisch. Céline warf einen kritischen Blick zu Mildrid hinüber, die zurückblickte und ganz entspannt lächelte.

"Ach, das Himmelsköniginnenkostüm hat der Kleiderständer sich angezogen", feixte sie nur für Julius hörbar.

"Ist auch schön hell", sagte Julius darauf. Dann bewunderte er Millies Haar, daß sie seidenweich ausgekämmt und auf Stirnhöhe mit einer hauchzarten Silberschnur festgebunden hatte. Sie streichelte ihm vorsichtig durchs Haar, schnupperte an ihren Fingerspitzen und schnurrte:

"Hast dir wieder was von diesem Leuchthaarzeug reingerieben. Ich auch."

Julius sog das wie eine üppige Kräuterwiese duftende Parfüm in seine Nasenflügel ein, das Millie aufgelegt hatte. Er selbst hatte es nur beim Rasieren belassen und sich mit üblichen Deos beholfen.

"Neh, die ehemalige Verweigerin aus eurem Saal hat sich Gaston Perignon als Mitflieger ausgesucht?" Fragte Millie. Julius sah sich um und entdeckte Gaston, bei dem Laurentine sich untergehakt hatte.

"hat Céline wohl mit Robert und Gaston abgeklärt, weil Béb..., ähm Laurentine auf keinen Fall alleine fliegen sollte", meinte Julius leicht verlegen.

"Soll sie doch. Ui, ich hätte wetten sollen, daß Edgar Camus sich von eurem blonden Fräulein angeln läßt. Huhuhu, dann geben Callisto, Bine und San ein schönes Alleinfliegertrio ab", spöttelte Millie. Callisto Montpelier trug ein tiefschwarzes Kleid mit silbernen und weißen Mustern, die im Zickzack liefen. Julius dachte beim Anblick dieses Kostüms an ein schweres Gewitter.

"Die wütende Wetterhexe", heißt das Kostüm", erklärte Millie, während sie wie eine große Masse dem Ausgang zuströmten. Julius nickte. Mochte zu Callistos Stimmung passen.

Vor dem Palast durfte wie im letzten Jahr auch die älteste Schülerin das Auswahlroulette in Gang setzen, ein zweistöckiges Karussell, auf dem die Lehrer und Lehrerinnen unterschiedlich schnell umeinander herum im kreis gedreht wurden. Alle waren gespannt, welche Paarungen sich daraus ergaben. Doch dieses Jahr fehlte ein Zauberer unter den Lehrern, weil Madame Maxime Armadillus gefeuert hatte. So war sie nicht auf dem Auswahlkarussell. Professeur Faucon hatte dieses Jahr die Ehre, mit Professeur Trifolio ein Besenpaar zu bilden, während Professeur Fixus mit Professeur Paralax für diesen Abend ein Paar bildete. Anschließend legte Madame Maxime die magischen Metallringe um die Taillen der Hexen und Zauberer, die sich für die Walpurgisnacht zusammengetan hatten. Als Millie und Julius an die Reihe kamen sagte sie halblaut:

"Ich hoffe, Sie beide können zeigen, ob Sie tatsächlich gut miteinander harmonieren können." Als Julius dann magisch mit Millie zusammengekettet war suchten sie sich auf der großen Festwiese, wo viele Tische hingestellt worden waren freie Plätze. Dabei merkte Julius nun endgültig, daß er im Bezug auf Leute wie Hercules, Céline und Laurentine schlechter dastand. Im Klartext hieß das, daß die Kameradinnen und Kameraden sich nicht mit Millie Latierre einen Tisch teilen wollten. Julius fühlte es eher als er es sah, wie sie ihn mit ihren Blicken wegzudrücken versuchten und abwehrende Handbewegungen machten, wenn er und seine Besenherrin auch nur in Hörweite gerieten. Gérard und Sandrine hingegen wurden von Céline und Belisama, die tatsächlich mit Hercules Moulin ein Besenpaar bildete herangewunken.

"Oha, ich soll nicht sagen, daß man mich nicht gewarnt hätte", bemerkte Julius, als sie zwanzig Meter von den vier Paaren entfernt waren. Doch da hörten sie einen erfreuten Ruf.

"Hallo, Millie, Julius! Wenn ihr wollt könnt ihr zu uns kommen!" Da saßen Waltraud Eschenwurz mit ihrem Besenpartner Edgar Camus, Corinne Duisenberg mit einem ZAG-Schüler der Violetten und Gloria Porter zusammen mit Sixtus Darodi, dem Pflegehelferkameraden von Millie und Julius. Millie steuerte sofort den Tisch an und bedankte sich in ihrem Namen und den ihres Besenpartners für die Einladung.

"Patrice kommt auch noch zu uns", sagte Corinne. Sie muß sich noch die Ringe abholen."

"Oh, dann ist der Tisch aber ziemlich eng besetzt", meinte Julius. Doch da dehnte sich der runde Tisch noch ein wenig aus.

"Mit wem fliegt deine Tante?" Fragte Julius, der Corinnes helles Kostüm bewunderte, das an ihrem Körper wie eine Sonnenkugel mit eingezogenen Strahlen wirkte.

"mit Jacques Lumière", erwiderte Corinne grinsend. Auf ihrem runden Mondgesicht wirkte das niedlich wie bei einem sich freuenden Baby. Julius grinste ungewollt zurück. Jacques hatte sich einfangen lassen? Das mußte ja nicht heißen, daß die beiden davor oder danach miteinander gingen. Sonst könnte Sixtus ja auch Glorias fester Freund sein, und den Eindruck hatten die beiden bisher nicht gemacht oder sich sehr gut bedeckt gehalten.

"Ach, die Latierre mit ihrem Goldtänzer ist hier?" Knurrte Jacques. Doch Patrice ließ keinen Zweifel daran, was der Begriff Besenherrin bedeutete. Sie bugsierte ihn ohne nur ein Wort zu sagen zu einem der beiden freigehaltenen Stühle und drückte ihn darauf, während sie gewand auf den Stuhl danebenschlüpfte.

"Ja, die Latierre ist auch da. Und nächstes Jahr dürfen meine netten Cousinen auch fliegen und machen die Soziusprüfung", flötete Millie. Jacques verzog das Gesicht, während Patrice erheitert grinste. Das war bestimmt nicht das überspielende Gekicher eines Mädchens, daß nicht raushängen lassen wollte, daß es gerade gekränkt worden war sondern echten Spaß hatte.

"Dann nehme ich nächstes Jahr keine Einladung an. Ist ja sowieso nur wegen der beiden hier", sagte Jacques und deutete auf Corinne und Patrice. "Die haben Maman Pallas erzählt, ich wäre ja viel zu feige, hinter einer Hexe auf dem Besen zu sitzen. Das lasse ich mir nicht ans Bein binden."

"Stimmt, 'ne ganze Hexe angebunden zu kriegen sieht auch wesentlich schicker aus", konterte Millie. Corinne meinte dann noch zu Julius, daß sein Kostüm wohl sehr teuer gewesen sei und seine Fürsorgerin wohl nicht gewollt hatte, daß er nicht mehr mitflöge. Er bejahte das. Dann sah er zu einem Tisch hinüber, der für unverpaarte Hexen reserviert zu sein schien. Dort saßen die Montferres mit Callisto und einigen Mädchen aus dem blauen und violetten Saal.

"Da hätte eure Bébé hingehen müssen, wenn der Hungerhaken ihr nicht Gaston auf den Besen gebunden hätte", flüsterte Millie, die sah, wo er hinsah. Er nickte. Dann unterhielten sie sich über die verschiedenen Kostüme, bis das Essen aufgetragen wurde. Julius erkannte, daß er sich mit Millie wirklich eine würdige Nachfolgerin für Claire ausgesucht hatte. Denn immer wenn er ihrer Meinung nach zu wenig aß und zu viel redete, schob sie ihm eine Gabel voll von den Köstlichkeiten in den halboffenen Mund, so daß er erst einmal kauen und schlucken mußte.

"Gehört das hier zu den Tischsitten?" Fragte Gloria Mildrid interessiert, während Waltraud vergnügt grinste. Ihr Besenpartner schien etwas pickiert zu sein, weil Millie meinte, ihren Partner füttern zu müssen.

"Nur, wenn die Hexen befinden, daß die ihrer Einladung gefolgten Zauberer vor lauter Schwätzen nicht essen mögen", sagte Mildrid. Jacques lachte verächtlich. Doch da hatte ihm Patrice eine halbe Salzkartoffel in würziger Soße in den Mund geschoben. Jacques setzte erst an, den essbaren Knebel wieder auszuspucken. Doch Patrice sah ihn sehr warnend an. Waltraud zwinkerte Gloria zu und flüsterte mit ihr. Sie nickte dazu nur. Als wäre das ein Auslöser begannen die Haarschöpfe der an diesem Tisch sitzenden zu schimmern und zu leuchten. Julius sah sofort, daß Millie sich auch die orangerote Mischung verabreicht hatte, die in ihrem rotblonden Haar nun wie flammenloses Feuer loderte. Waltrauds Goldhaar wirkte nun wie aus sich selbst heraus leuchtend. Ebenso hatte Gloria ihre blonde Lockenpracht mit der Goldlichtmischung versehen.

"Wau, mit den dünnen Zöpfen wirkt das Elixier ja noch eindrucksvoller", bewunderte Edgar die Frisur seiner Besenherrin.

"Die Montferres haben sich eine blutrote Leuchtlösung gemixt", stellte Jacques fest, der als einziger an diesem Tisch keine leuchtenden Haare hatte.

"Warum nicht?" Meinte Gloria und betrachtete die verschiedenen Leuchtschöpfe.

Nach dem Essen versammelten sich alle bei Madame Maxime, die dann die Besen verteilte. Millie hatte ihren Ganymed 10 mit roten, blauen und gelben Verzierungen geschmückt. Als dann ein mehr als vier Meter hoher Holzstoß mitten auf der Wiese erschienen war und Madame Maxime diesen mit "Incendio!" in Brand gesteckt hatte, stellte sie noch mal klar, daß sie für die Debütantinnen auf der noch jungen Abraxas-Stute Cleito voranreiten würde. Professeur Faucon sei für die besser fliegenden Hexen zuständig. Dann saß sie auf ihrem Pferd auf, kommandierte "Und Los!" und trieb ihr geflügeltes Pferd zum Start.

"Halte dich ja bloß gut fest, Monju! Ich werde nämlich nicht hinter Madame Maxime herfliegen", meinte Millie und brachte den Ganymed 10 in die Luft. Augenblicklich breiteten sich weit ausladende Feuerzungen hitzelos von Millies Kleid und ihren Schuhen her aus und verschmolzen mit der goldenen Lichtschleppe, die Julius' Umhang auslegte.

"Pyroglossas Triumph, heißt das nette Kleid!" Rief Millie in Hochstimmung, während zwischen den lodernden Flammen goldene Fünkchen stoben. Julius sah sich um. Mit seinem Kostüm zusammen erzeugte Millies Aufmachung eine hitze- und qualmlose Feuersphäre um sie alle herum.

"Huch, das haben die mir bei Madame Esmeralda aber nicht gesagt!" Rief Julius, der sich gut festhalten mußte, weil Millie trotz Innerttralisatus-Zauber an Armen und Beinen zerrende Manöver flog. Gerade hatten sie sich auf der Fortgeschrittenen-Flughöhe einsortiert, als Julius Waltraud und Edgar sah. Edgar hatte sich wohl mit einem nur eine leichte Leuchtaura verbreitendem Umhang begnügt, während Waltrauds Kostüm eine große Wolke aus goldenen Lichtern versprühte. Da zuckten von oben grelle Blitze herab, und Julius vermeinte, eine pechschwarze Wolke über sich zu sehen, die wie ein Mensch geformt war. Im Zentrum der weitere Blitze schleudernden Erscheinung flog Callisto auf ihrem Besen dahin.

"Ey, das ist unfair", knurrte Millie. "Wenn die über Waltraud bleibt, kann die wegen der Blitze und Dunkelheit nicht mehr richtig sehen." Doch Waltraud sah den Gewitterspuk wohl als Aufforderung an, Callisto ihre Flugkünste vorzuführen. Immerhin hatte sie ja den Ganymed 9, und so rauschte sie behände unter der Gewitterwolkenabbildung weg und nahm Fahrt auf.

"Jetzt erzähl mir nie wieder, daß Jungen nachtragender sind als Mädchen", meinte Julius, dem der Rausch der Geschwindigkeit langsam jenes Glücksgefühl bereitete, daß er so häufig empfand, wenn er einfach nur so auf einem Besen dahinfliegen konnte. Professeur Faucon fegte in einem Wirbel von regenbogenbunten Leuchtmustern vorbei und setzte Callisto und Waltraud nach.

"So, bist du warm genug, Monju?" Fragte Millie.

"Wofür?" Fragte Julius. Übergangslos schlug Millie mit ihm einen Looping und machte eine Seitenrolle links herum.

"Mann, das hätte mich fast runtergefegt", meinte Julius, der sich so gerade noch festhalten konnte.

"Hätte es nicht, weil ich uns mit dem Bergezauber umgeben habe. Bestell Céline mal einen schönen Gruß, daß das die beste Errungenschaft der Ganymed-Werke ist!"

"Na dann kannst du solche Dinger bringen!" Rief Julius und schrie in einer Mischung aus Schreck und Angeregtheit, als der Besen mit der Spitze voran nach unten sauste, aber gut und gern vier Meter über der Debütantinnenhöhe stoppte und beinahe ansatzlos nach oben zurückschnellte. Dabei sah Julius den Besen mit Céline und Robert. Célines bisher so unscheinbares Kostüm hatte nun ein erhabenes Eigenleben entwickelt. Nun sah Céline so aus wie ein himmelblau durchscheinender Engel mit meterbreiten, deutlich gefiederten Schwingen, die munter auf- und abschwangen, als müßten sie die beiden Besenreiter durch die Luft tragen.

"Ach deshalb heißt das Kostüm Himmelskönigin!" Rief Julius, als Millie knapp an Corinne Duisenberg vorbeizischte, die wie eine Sonne mit Armen und Beinen aussah, nur nicht so gleißend hell wie das natürliche Vorbild.

"Ich wette mit dir, Monju, daß eure Céline unbedingt das heftigste Kostüm tragen wollte, das am Boden nach nix aussieht!" Rief Millie. Julius bejahte es. Da flogen die Montferres heran, die weil sie alleine waren noch ausgelassener Manövrieren konnten.

"Um nichts in der Welt hätten wir uns das entgehen lassen, noch mal hier zu fliegen!" Jauchzte Sabine. Dann gab sie Millie eine Flugfigur vor, die dise mit Julius unbeeindruckt nachfliegen konnte. So entwickelte sich wie im letzten Jahr ein Besentrio, das eigene Formationen ausflog, während Professeur Faucon wohl eher mit der wütenden Wetterhexe Callisto und ihren ausgesuchten Opfern zu tun hatte.

"Wo ist denn Patrice abgeblieben?" Fragte Julius einmal, als er sich einen schnellen Überblick verschaffte, wer alles auf der Könnerinnenhöhe flog.

"Die wird sich wohl doch weiter unten einsortiert haben", vermutete Sabine. "Deine frühere Schulkameradin fliegt ja auch auf der Anfängerinnenhöhe."

Doch da glitt Gloria auf dem ihr hier geliehenen Cyrano-Besen heran, winkte kurz und tauchte wieder hinunter zu den gemäßigter fliegenden Hexen.

"Also, es dauert nicht mehr lange und eure Königin holt Callisto runter", meinte Sabine, als die wütende Wetterhexe über sie dahinzog und eine Dreiersalve Blitze auf sie abstrahlte.

"Wir hängen uns mal an die dran. Die Blitze sind nur unter ihr zu grell", meinte Sandra. Sie beschleunigte und klemmte sich in Callistos Windschatten. Ihre Schwester und Millie folgten ihr jedoch sofort und verfolgten Callisto in V-Formation. Waltraud schien sich von der über ihr tobenden Blitzerei nicht irritieren zu lassen, weil sie immer wieder seitlich ausbrach und sich absetzen konnte.

"Ich rufe Sie das zweite Mal zur Ordnung, Mademoiselle Montpelier. Unterlassen Sie die Störung von Mademoiselle Eschenwurz oder ich befehle Ihnen die Landung!" Rief Professeur Faucon und unterstrich den Ernst ihrer Worte mit dem Ausruf von zwanzig Strafpunkten. Dann kam Professeur Fixus mit ihrem Besenpartner heran.

"Was ist dort im Gange?!" Rief sie mit ihrer unheimlichen Windgeheulstimme. Callisto schien von dieser Stimme stärker beeindruckt zu sein als von der Professeur Faucons. Sie ließ von Waltraud ab und glitt nun mit einer verhältnismäßig langsamen Geschwindigkeit von etwa fünfzig Stundenkilometern dahin. Doch das brachte ihr nicht viel. Professeur Fixus scheuchte die drei anderen Besen zurück, die nun einen Richtungswechsel über das Feuer hinweg machten und einmal in entgegengesetzter Richtung alle anderen passierten. Als sie an Waltraud vorbeisausten drehte diese mit einer etwas trägeren Dawn'schen Doppelachse bei, wobei Edgar Camus erschrocken aufschrie, weil er sich gerade so noch festklammern konnte.

"Darf man das auch?" Fragte sie die drei Hexen und den Zauberer.

"Ja, wenn du aufpaßt, nicht im ersten Ansatz mit jemandem zu kollidieren. Am Besten wechselst du diagonal übers Feuer die Richtung", erwiderte Sabine.

Oh, da kommt deine Schlechtwetterwolke wieder, Waltraud", feixte Julius.

"Nein, langsam reicht's!" Quängelte Edgar Camus wie ein kleines Kind, als Callisto heransauste.

"Hat dir da oben schon mal wer gesagt, daß du sehr kreativ bist?!" Rief Waltraud, sich mit der linken Hand die Augen zuhaltend nach oben, wo eine weitere Salve donnerloser Blitze aufleuchtete.

"Was interessiert's dich, deutsches Drecksstück?" Rief es aus der wütenden Gewitterwolke zurück.

"Das werte ich mal als nein. Dann hat dich in der Hinsicht noch keiner belogen."

"Na warte!" Rief Callisto. Millie schnaubte wild und preschte mit dem Besen los, als noch mehr Blitze aus der Wolke herabzuckten und alles wie eine Folge zerhackter Schattenbilder aussehen ließ. Da war Millie auf der Flughöhe Callistos und drang in die düstere Wolke ein, deren Lichtblitz-Inferno hier nicht wirkte.

"Du bringst es fertig und kassierst gleich Bunker und zweihundert Strafpunkte, Callisto!" Rief Mildrid wütend. Offenbar war ihr die Dauerblitzerei lange genug auf die Nerven gegangen. "Hat dir der Verkäufer, der dir dein Kostüm verpaßt hat nicht gesagt, daß die Blitzmenge nie über zwei alle vier Sekunden hinausgehen darf, weil andere Fliegerinnen sonst die Orientierung verlieren können?"

"Was geht's dich an, Latierre. Zisch doch ab mit deinem Goldtänzer!" Schnaubte Callisto.

"Ich verstehe echt eine Menge Spaß, Mademoiselle Montpelier", meinte Waltraud dann, die wohl auch die Flucht nach oben angetreten hatte. "Aber deine blöde Blitzerei macht Edgar und mich ganz dusselig im Kopf, und bei dem Tempo könnten wir leicht in wen reinkrachen und den aufspießen. Willst du das echt?"

"Wenn es dich erwischt", schnaubte Callisto und stieg schnell nach oben, um die zwei Besentandems in die Zone der grellen Blitze zurückzudrängen. Doch Millie und Waltraud hielten locker mit, und ihre Leuchteffekte erhellten die wasserlose Wolke gut genug, um Callisto zu verfolgen und mit ihr nach oben zu steigen.

"Schluß damit! Aufhören!" Rief Professeur Fixus und rauschte auf ihrem Besen herbei. "Mademoiselle Montpelier, Sie landen auf der Stelle und übergeben mir unverzüglich ihren Besen! Zweihundert Strafpunkte und für die Unterrichtsfreie Zeit Arrest bis Madame Maxime befindet, wie weiterhin mit Ihnen zu verfahren ist."

"Wegen der da?!" Rief Callisto und deutete auf Waltraud.

"Auch weil sie Cleito erschreckt haben. Seien Sie froh, daß Madame Maxime das Tier erst beruhigen muß. Sofort landen und Besen übergeben!" Callisto sank fast wie ein Stein nach unten durch. Millie, Waltraud, Edgar und Julius blieben nun allein auf der Flughöhe zurück.

"Könnte der glatt passieren, daß sie die nächste Woche in niederer Gestalt zubringt", meinte Julius zu Mildrid. Diese schnaubte nur, daß die sich das doch hätte denken können. Edgar meinte dazu noch:

"'ne Rote halt. Keinen Dunst, wann's reicht, wenn die einmal in Fahrt sind."

"Deine Besenherrin braucht bestimmt noch einen starken, klugen Partner für die Spiele nachher. Das ist dein Glück, Edgar", schnaubte Millie. Doch Edgar lachte nur hämisch. Waltraud befand, besser keinen neuen Streit aufkommen zu lassen und schwirrte davon. Millie verstand und entfernte sich von Waltraud.

Sie flogen zurück zu den Montferres, die inzwischen Gloria angeboten hatten, einige anspruchsvollere Manöver auszufliegen. So hielten sich Millie und Julius im Hintergrund.

"Ich dachte, Madame Maxime habe allen die Landung befohlen, weil sie mit ihrem Pferd runtermußte", meinte Julius.

"Professeur Faucon fliegt jetzt die Anfängerhöhe ab", sagte Gloria. "Wegen dieser Blitzhexe sollen wir nicht den Spaß verlieren, meinte sie noch.

"Die hat gerade Flugverbot bekommen", sagte Julius noch. Sixtus meinte dazu, daß die doch wohl eine Riesenklatsche hätte und das typisch für die Mädels aus dem roten Saal sei, wenn die nicht kriegten, was die wollten.

"Wie bitte?!" Riefen Millie, Sabine und Sandra wie abgestimmt.

"Ou, war wohl nicht sonderlich geschickt", knurrte Sixtus. Gloria pflichtete ihm bei.

"Sixtus, du mußt es noch ein paar Jahre mit mir im Pflegehelferkurs aushalten. Vielleicht kommen nach Gerlinde noch ein paar, die jetzt in der dritten Klasse sind nach. Also vergiss das besser, was die Mädels aus dem roten Saal so alles anstellen!" Wandte Millie noch ein.

"Is' ja gut", versetzte Sixtus beschwichtigend.

"Hast du noch Lust auf ein paar Figuren, Gloria?" Fragte Sabine.

"Warum nicht. Jetzt komme ich mit dem Besen einigermaßen klar", erwiderte Gloria. Professeur Fixus kam einmal angeflogen und sah, daß die vier Besen zwar wilde Manöver flogen, aber diszipliniert blieben.

"Was ist mit Callisto?" Wollte Sabine wissen.

"Madame Maxime hat Sie für den Rest der Woche vom Unterricht suspendiert und in den Karzer verbracht. Zusätzlich hat sie die von mir erteilten Strafpunkte um weitere zweihundert erhöht. Ich fürchte, wir werden eine Lehrerkonferenz abhalten müssen." Sabine und Sandra stöhnten. Das konnte für Callisto den vorzeitigen Schulverweis und einen alles andere als wohlwollenden Eintrag in das Zeugnis bedeuten, falls sie überhaupt eins bekam. Julius hatte sich die entsprechende Schulregel mal genauer angesehen, als Leute wie Malthus Lépin und Jasper van Minglern entlassen worden waren.

"Weiteres möchte ich nicht in Hörweite von Schülern aus anderen Sälen verkünden", sagte Professeur Fixus noch und wünschte den sechs Walpurgisnachtfliegern einen angenehmen Fortgang der Feier.

"Ich hoffe mal, die lassen sie doch noch die Prüfung machen, sonst ist die nachher ohne weitere Aussichten", meinte Gloria.

"Wenn sie's jetzt nicht kapiert hat, Gloria, dann bringt ihr der Rausschmiß auch nichts ein, da gebe ich dir recht", versetzte Mildrid und rückte etwas näher an Glorias Besen heran, das Sixtus schon bange den Abstand abschätzte.

"Hoffentlich sehen Fixie, Königin Blanche und die große Madame Maxime das auch so", seufzte Sandra. Immerhin war Callisto in ihrer Klasse und würde bei einem Rauswurf auch ein schlechtes Bild für die gesamte Jahrgangsstufe aus dem roten Saal abgeben. Julius konnte es sogar schon hören, daß Madame Maxime bei der Jahresendauswertung der Säle sagte, daß die Roten sich bei Callisto für den unerträglich hohen Zuwachs an Strafpunkten bedanken durften. Dasselbe blühte den Grünen wohl auch, weil Hercules so ausgerastet war. Womöglich nutzte die vor den Prüfungen einberufene Lehrerkonferenz die Gunst der Stunde und befand auch darüber, ob er noch länger in Beauxbatons geduldet wurde.

Um wieder in bessere Stimmung zu kommen flogen die sechs wieder ausgelassenere Manöver, bis Gloria meinte, daß es ihr doch etwas zu wild würde und lieber wieder nach unten wollte. Sabine rief ihr zu, daß wer einmal länger als zehn Minuten auf der Könnerinnenhöhe geflogen sei da unten nicht mehr geduldet würde. Doch Gloria kaufte es ihr nicht ab und ging in den Sinkflug über. So tobten sich Millie mit Julius hinten drauf und die Montferres eine halbe Stunde richtig aus. Dann meinte Mildrid, sie wolle gerne noch etwas alleine mit ihrem Freund fliegen, um das für sich zu haben. Die Montferres nickten und winkten ihnen zu, um sich selbst noch ein wenig auf die Probe zu stellen.

"Hätte eine schönere Besenreiterei werden können, nicht wahr?" Meinte Millie. Julius bejahte es. Dann meinte er:

"Ist ja noch nicht vorbei." Millie erwiderte, daß sie das auch so sähe und flog mit ihm teils sanfte, teils wilde Manöver. Dabei kehrte er zurück, jener magielose Zauber, den Julius im letzten Jahr verspürt hatte, als er hier oben mit Claire Dusoleil dahingeflogen war. Einmal ertappte er sich dabei, wie er sich vorstellte, daß Ammayamiria ihm von irgendwoher zuschauen mochte. Doch dann besann er sich. ER hielt eine junge Hexe in seinen Armen, die ihm deutlich machte, daß sein Leben, seine Gegenwart, weiterbestand und es eine Zukunft gab, in der schöne Erinnerungen darauf warteten, in sein Gedächtnis einzukehren. Er fühlte den warmen, weichen Körper, spürte die Atembewegungen, roch das belebende Wiesenkräuterparfüm, sah die wie kleine Feuerstreifen lodernden Haare und die sie umschließende Feuersphäre, hörte den Flugwind an seinen Ohren vorbeirauschen und hatte überhaupt keine Angst, obwohl er auf einer dünnen, zerbrechlich wirkenden Holzstange mehr als fünfzig Meter über dem Erdboden saß, deren Polsterungszauber alle Unanehmlichkeiten von ihm fernhielt. Tatsächlich fragte er sich dabei, warum er das im letzten Jahr nicht schon ausprobiert hatte. Doch er fand keine Antwort. Was im vergangenen Jahr gelaufen war war schön gewesen und durfte durch das schlimme nicht verdrängt werden. Millie überließ ihn seinen Gedanken, womöglich weil sie selbst ihre Gedanken hatte oder sich zu sehr auf den Flug konzentrieren mußte. Da sagte sie völlig unerwartet:

"Wundert mich, daß keiner von den Kandidaten aus dem Lehrkörper Probleme mit dem Fliegen bekommen hat. Letztes Jahr hat's doch einige arg gebeutelt."

"Wahrscheinlich hat Madame Rossignol gesehen, daß Gloria mit Sixtus und Belisama mit Hercules auf der Anfängerhöhe war und die dann gezielt angerufen. Ich mußte letztes Jahr runter, genauso wie Martine."

"Dann sei es uns gegönnt", erwiderte Millie und begann eine neue Serie wilder Figuren.

Als sie nun alle wieder landen mußten erwähnte Madame Maxime das Flugverbot für Callisto Montpelier und wies noch einmal darauf hin, daß Walpurgis ein Fest der Freude und des Miteinanders sei, wo selbst die ärgsten Erzfeindinnen für mehrere Stunden ohne sich die Augen auszukratzen miteinander feierten. Dann verkündete sie, daß nun die Spiele stattfinden würden.

Es waren Geschicklichkeitsspiele wie im letzten Jahr, nur nicht die gleichen. Die Paare mußten einen randvollen Krug voll Wasser auf einer Stange auf den Schultern über mehrere Hindernisse hinwegbugsieren, ohne einen Tropfen zu verschütten. Bei unterschiedlich großen Partnern war das schon sehr schwierig. Natürlich ging auf dem etwa fünfzig Meter langen Hinderniskurs etwas von dem Wasser verloren. Doch am Ende wartete Professeur Bellart, die das verbliebene Wasser in Messzylinder umfüllte und den erhaltenen Wasserstand notierte. Millie und Julius schafften es in der einen Minute, neunzehn Zwanzigstel vom mitgenommenen Wasser abzuliefern. Gloria und Sixtus kamen mit achtzehn Zwanzigsteln an. Belisama und Hercules brachten immerhin noch vierzehn Zwanzigstel des mitgeführten Wassers ins Ziel. Waltraud und Edgar waren mit zwölf Zwanzigsteln noch über der Hälfte. Alle anderen Paare hatten mehr als die Hälfte des Wassers verplempert.

Beim zweiten Spiel der fünf galt es, im Gleichtakt einen Mechanismus anzutreiben, einen bis zum Schluß unsichtbaren Schreibstift über eine Pergamentrolle zu führen. Wer es hinbekam, eine gerade Linie auf die Rolle zu schreiben, hatte den Gleichtakt gefunden. Millie, Belisama und Gloria schnitten hierbei mit genau geraden Linien am besten ab.

Bei der dritten Aufgabe war wieder Logik und Kopfrechnen gefordert. Sie mußten aus vierundzwanzig Galleonen vier falsche herausfinden, die um ein winziges leichter waren als die echten. Hierzu hatten sie eine ganz feine Balkenwaage, einen Topf mit den Münzen und zwei Tabletts. Sie durften die Münzen nur mit den Schäufelchen auflesen, mindestens eine, höchstens drei pro Schäufelchen. Sie hatten hierfür fünf Minuten Zeit, um die vier falschen Galleonen auf einem Tablett zu versammeln, natürlich ohne Zauberkraft.

"So lernen die bei Gringotts die Leute an", meinte Julius zu Millie. Er mußte an Glorias Vater denken. Andererseits würde dieses Rätsel seiner Mutter gefallen. Sie luden zunächst je zwölf Münzen in jede Waagschale. Zu Julius' Erleichterung entstand kein Gleichgewicht. Das hieß, daß auf einer Seite der Waage drei und auf der anderen Seite eine falsche Galleone lag. So schaufelten sie vorsichtig um, bis sie es hinbekommen hatten, alle vier auf eine Seite zu bringen.

"Also was rechts ist ist echt", stellte Julius leise fest, während es um sie herum klimperte, Schepperte und rasselte. "Okay, wir nehmen jetzt je zwei Münzen runter. Bleibt der Überhang, kommen alle abgeschöpften Münzen auf ein Tablett zusammen. Ändert er sich, tu ich meine Seite auf das Tablett für die echten Münzen und du deine auf das andere Tablett. So machen wir das, bis die Waage leer ist. Dann werfen wir die Münzen von deinem Tablett zu gleichen Teilen auf die Waage und kucken, ob es ein Gleichgewicht gibt. Falls ja wiederholen wir das spiel von ganz am Anfang, bis wir den größten Überhang am Anfang haben. Dann wiederholen wir das langsame Abschöpfen, wobei bei keiner Änderung die Münzen in den Schaufeln zu mir kommen", setzte Julius fort. Millie nickte. Julius nickte zurück. Zumindest mußte er nicht lang und breit erklären, warum sie das so und nicht anders machen sollten. So schöpften sie ab, bekamen dabei die völlig echten soweit ausgelesen, daß nur noch acht Münzen übrigblieben. Diese wurden erneut auf die Waage verteilt. Es entstand ein Gleichgewicht. So schaufelten sie sachte Münzen um, bis sie einen größeren Überhang erzielten. Als sie es schafften die Waage auf den Gewichtsunterschied von eben einzustellen, brauchte Julius nur noch die am tiefsten hängende Waagschale zu leeren, und da lagen nur noch vier Münzen. Um ganz sicher zu sein, ob sie wirklich alle falschen hatten machten sie eine Gegenprobe mit einer eindeutig echten und einer der vier falschen. Der Gewichtsunterschied betrug nun ein Viertel dessen, was sie bei Sammlung aller vier Münzen auf einer Seite hatten. Julius blickte auf seine Uhr. Sie hatten noch zwei Minuten übrig.

"Einfacher ging das nicht?" Fragte Millie leise.

"Im Grunde war die Aufgabe noch relativ leicht, aber pssst!" Millie grinste verwegen. Sie zog die Glockenschnur neben der Waage. Ihre Zeit wurde nun gestoppt. Professeur Faucon kam mit ihrem Besenpartner herüber und prüfte mit einer kleinen Waage und einer echten Galleone jede ausgesiebte Galleone, befand, daß alle vier ausgesiebt waren und notierte die Zeit. Dann füllte sie die falschen Galleonen in einen Lederbeutel und die echten in eine kleine Kiste. Dann ging sie weiter zu denen, die auch schon fertig waren. Doch bei einigen klingelte die Glocke und unterdrückte Kraftausdrücke flogen herum wie kleine Gespenster, die die anderen verhöhnen wollten.

Als entweder alle ihre falschen Galleonen ausgesiebt hatten oder die Zeitbegrenzung überschritten hatten verkündeten die Lehrer, die die Ergebnisse geprüft hatten die Bestzeit. Millie und Julius waren fünf Sekunden schneller gewesen als Gloria und Sixtus und sieben Sekunden vor Waltraud und Edgar fertig geworden. Die anderen, die es geschafft hatten, waren knapp vor Zeitende fertig geworden. Doch mehr als drei Viertel aller Paare hatte die Aufgabe nicht gelöst.

"Also es ist schon toll, wenn jemand praktisch denken kann", meinte Millie zu Julius.

Die vierte Aufgabe war ein Wettlauf auf drei Beinen, wie Julius ihn im Turnunterricht an der Grundschule schon ein paarmal gemacht hatte. Die Strecke ging über hundert Meter. Hier war wirklich partnerschaftlicher Gleichklang gefordert, und wenn ein Paar aus zu unterschiedlich großen Partnern bestand, galt die Devise, besser ankommen als zu schnell zu laufen und hinfallen. Denn wer fiel schied aus. Angefeuert von den nicht verpaarten Schülerinnen und Schülern liefen je zwanzig Paare zugleich über die improvisierte Laufbahn. Millie und Julius liefen gegen Waltraud und Edgar und gewannen mit einer Zehntelsekunde Vorsprung. Gloria und Sixtus setzten eher auf sicheres Ankommen und blieben damit in der Wertung für die Harmonie, die neben der Laufzeit zu gleichen teilen in eine Punktewertung einfloß. Am schluß hatten die Paare von Millie, Waltraud, Laurentine und Constance die höchsten Wertungen.

Das fünfte Spiel war ein Kletterspiel. Die Paare mußten an mindestens fünf Meter hohen Stangen hinaufturnen, wobei der zuerst kletternde mit einem Seil gesichert wurde, weil der zweite im Falle eines Abrutschens von der Magie der beiden Ringe aufgefangen und gehalten wurde. Es galt, von zehn oben hängenden Holzscheiben so viele wie möglich herunterzutragen, sie nicht einfach zu nehmen und fallen zu lassen. Das hatte Julius zuletzt auf einem Jahrmarkt ausprobiert. Das Problem bei dieser Aktion war die Stange, die immer weiter ausschwang, je höher jemand an ihr hochkletterte und trotz Zusatzgepäck den Halt nicht zu verlieren. Damals hatte er gerade drei dieser begehrten Scheiben ergattert, bevor er merkte, daß er den Halt verlieren würde und sich schnell an der Stange heruntergleiten ließ. Lester hatte ihn damals einen Bodenhocker genannt, der nicht an die echt süßen Früchte rankäme, wenn die ganz oben hingen. Aber er war mit fünf ergatterten Holzscheiben und einer beinahe der Schwerkraft folgenden Abwärtsbewegung auch nicht gerade der König der Kletteraffen. Als der hatte sich Ian Jenkins von der Feuerzeugbande erwiesen, der mit einem Trick alle zehn Scheiben erbeutet hatte, nämlich einige davon auf den Kopf zu legen, und sich so viele wie möglich zwischen Körper und Stange einzuklemmen. Das hatte den Bubblegum-Banditen Julius, Malcolm und Lester damals einige Tage Hohn und Spott eingetragen. An diesen Jahrmarktsbesuch vor nun sechs Jahren erinnerte sich Julius nun wieder.

"Kriegen wir das hin, die Dinger zu verteilen?" Fragte er Millie. Julius flüsterte ihr zu, was er damals erlebt hatte. Sie grinste. Dann meinte sie:

"Du läßt dich anseilen und kletterst voran. Ich bleibe so nahe wie möglich hinter dir, Du reichst mir die Scheiben an, die lege ich auf den Kopf, die nächsten auf meine kleine Abstellfläche", wobei sie flüchtig auf ihre doch schon gut ausgeprägte Büste deutete, und wenn dann noch was geht, klemm ich mir eine oder zwei mit der Stirn fest. Den Rest lädst du dir dann auf und läßt dich dann runter!"

"Dann los!"

Ja, eine fünf Meter hohe Metallstange hinaufzuturnen war echt kein leichtes Ding, fand Julius, als mit jedem weiteren halben Meter die Auslenkung immer wilder wurde. Millie blieb jedoch hinter ihm, und das seil, das von einer Haltestange über den Kletterstangen hing, war auch sehr stabil. Er zog sich immer weiter hoch. Hoffentlich wirkte Ursulines Lebenskraftspende und das Schwermachertraining bei Dunkelheit genausogut. Schließlich erreichte er die Spitze, zog sich so nahe wie möglich heran, während ringsumher die Zuschauer tuschelten.

"Also, Madame Maxime könnte mit nach oben gestreckten Armen noch drankommen", scherzte Julius und pflückte die erste scheibe, die er sich mit einem Arm und den Beinen festklammernd vorsichtig nach unten weitergab, wo Millie sie entgegennahm und sofort zwischen Stange ung Bauch einklemmte. Er pflückte die zweite Scheibe, gab sie weiter und vermutete, daß Millie sie nun auf den Brustkorb legte. Noch hatte sie Halt. Er pflückte die dritte Scheibe und reichte sie weiter. Millie legte sie zu der zweiten. Dann kam die vierte, die sie auch noch unterbrachte. Die fünfte klemmte sie sich zwischen Stirn und Stange, die sechste landete auf ihrem Kopf.

"Hey, lass das Mädel nicht alle allein tragen!" Rief einer der älteren Jungen, die nicht bei den Paarspielen mitmachten. Julius überhörte diesen Einwand und griff nach der siebten Scheibe. Beide hingen wie angeklebt an der Stange, Millie mit der Belastung von sechs Scheiben. Julius legte die Scheibe auf seinen Kopf, die Achte ebenfalls. Jetzt wurde es noch anstrengender, nämlich den Nacken gut genug anzuspannen, daß der Kopf nicht mehr ruckeln konnte. Die neunte Scheibe klemmte er sich wie Millie zwischen Stirn und Stange, um die Zehnte Scheibe mit einer Hand zu halten und sich mit den um die Stange geschlungenen Armen und Beinen halten zu können. Dann sagte er nur: "Langsam nach unten!"

Die Menge der unbeteiligten verstummte, während auf den anderen Stangen krampfhaft um Halt gekämpft wurde und nur Waltraud und Edgar so sicher hingen wie Millie und Julius, von einigen Mädchen und Jungen aus dem roten Saal abgesehen. Ganz behutsam ließen sich beide hinuntergleiten, um die erbeuteten Scheiben nicht doch noch fallen zu lassen. So kamen sie dem Festen Boden nur zentimeterweise näher und näher. Beinahe wäre Julius die Scheibe zwischen Stirn und Stange weggerutscht und hätte dann wohl die auf seinem Kopf liegenden mitgenommen. Es dauerte wohl fünfmal so lang, nach unten zu kommen als nach oben zu klettern. Doch schließlich berührten Millies füße den boden. Sie ließ die Stange los und klemmte sich die erbeuteten Scheiben unter die Arme. Dann kam Julius. Als er auf dem Boden stand, packte er schnell die Scheiben vor seinem Bauch und seinem Kopf unter den linken arm, fing die zwischen Stange und Stirn hängende Scheibe mit der bereits belegten rechten Hand auf und trat zurück. Da löste sich das Seil.

"Ui!" Machten nicht wenige.

"Das Spiel können wir also nächste Walpurgis nicht mehr wiederholen", lachte Professeur Bellart, die mit ihrem Besenpartner heraneilte und die zehn erbeuteten Scheiben übernahm, einen Zauberstabschlenker machte, und ruckzuck hingen die zehn Scheiben wieder oben.

"Frustrierend, wie schnell die mit Zauberkraft da oben sind", meinte Julius zu Millie.

"Toller Trick. Mit der richtigen Auslage geht's", hauchte ihm Millie ins Ohr.

Die, die zusammen mit Millie und Julius hochgeklettert waren, schafften es nicht, alle Scheiben zu holen. Hercules und Belisama konnten sieben von zehn erbeuten, weil sie auf eine ähnliche Idee gekommen waren wie Millie und Julius. Doch viele teilten sich die Transportmöglichkeiten falsch ein. So regnete es viele Holzscheiben und manchmal rutschte ein Paar ab und mußte sicher zu boden gebracht werden, womit der Durchgang unwiderholbar beendet war. Nach etwa einer halben Stunde waren alle zweihundert Kletterstangen wieder frei und verschwanden, als Professeur Bellart ihren Zauberstab schwang.

"Also ihr habt euch damit einen Vogel Roch am Spieß gebraten", meinte Sabine, die mit ihrer Schwester als erste zum Gratulieren rüberkam. Waltraud und Edgar, die nur sechs Scheiben erwischt hatten, weil Waltraud zuerst geklettert war sah Julius an und meinte:

"Ich hätte es doch wissen müssen, wie's geht. Der Steininger-Sepp, ein Muggelstämmiger aus der fünften bei uns in Greifennest tönte immer, daß in seiner Heimatstadt München die Kellnerinnen ganze Tabletts so unkonventionell vor sich hertragen können."

"Tja, wer hat der kann", meinte Millie auf Waltraud deutend.

"Ich bin mit dem zufrieden, was da ist", erwiderte Waltraud locker und grinste dann spitzbübisch.

Nach den Spielen ging es zum Tanz in die Mitternacht, hinein in den Mai. So konnte Julius die von der Kletterei verkrampften Beine noch einmal richtig ausschütteln. Als dann das offizielle Fest vorbei war, bedankte sich Madame Maxime bei den Lehrern und Schülern und löste bei denen, die ohne Zauberkraftbenutzung durch die Spiele gekommen waren die Partnerschaftsringe.

"Morgen früh machen wir Picknick im Park. Julius. Ich hoffe, du kannst hinkommen."

"Oh, ja, gerne", sagte Julius, der froh war, den ersten Mai nicht im grünen Saal verbringen zu müssen. Denn dieser Tag war ebenfalls mit starken Erinnerungen beladen, die er nicht unbedingt in voller Stärke wieder aufwühlen wollte, selbst wenn die meisten Beteiligten nicht mehr da waren, wie Jeanne, Edmond Danton, Martine Latierre, Barbara Lumière ... und Claire Dusoleil.

Als alle, die in Paaren am Fest teilgenommen hatten in den Schlafsälen waren meinte Gaston:

"Also Bébé hat gut fliegen gelernt. Aber der Besen ist ja auch gut für Soziusflüge."

"Das ist richtig", bemerkte Julius. "Auf dem haben Claire und ich letztes Jahr gesessen."

"o Drachenmist. Das wollte ich jetzt nicht", meinte Gaston.

"Ich habe ja auch nur gesagt, daß du recht hast", sagte Julius ruhig. "Ich hatte heute abend auch sehr viel Spaß und freue mich, daß da jemand ist, die mit mir mitfeiern wollte."

"Genieß es, Julius. Nächstes Jahr kloppe ich die im Quidditch wieder raus. Ich hoffe, die kriegen wir dann gleich im ersten Spiel."

"Vergiss du es, die Cousinen von ihr werden die neuen Treiberinnen", rückte Julius mit einer Nachricht heraus, die zwar jeder Spatz des Roten Saales von den Dächern pfiff, aber noch nicht jeder in anderen Sälen gehört hatte.

"Was, die Kraftküken?" Erschrak Hercules. "Ey, da mache ich aber dann 'ne Eingabe bei Faucon und Dedalus, daß die mit unzulässigen Kraftförderungsmitteln überzüchtet sind."

"Ist ja schon Morgen, Hercules. Also guten Morgen. Oder besser, schlaf dich noch mal richtig aus! Die Fixus hat es uns im Unterricht doch erklärt, daß bestimmte Nahrungsmittel von magischen Tieren nicht zu den unzulässigen Körperkraftverstärkern gerechnet werden. Die Latierre-Kuhmilch gehört wohl dazu", meinte Robert. "Dann könnten die demnächst noch Patricia Latierre mit in die Mannschaft nehmen." Er gähnte sehr deutlich. Das nahmen alle zum Anlaß, Ruhe zu geben.

__________

Das Picknick und der Nachmittag am ersten Mai gefielen Julius sehr. Im Grunde konnte Millie ihren Geburtstag noch einmal richtig nachfeiern. Dann kehrte der Schulalltag zurück, und Julius ahnte, daß er sich besonders ranhalten mußte, wenn er wieder auf ZAG-Niveau geprüft werden sollte.

In der folgenden Woche trainierten einige Paare Tandemflug, um bei dem Rennen vor dem letzten Quidditchspiel der Saison mitmachen zu können. Millie und Julius hatten befunden, dieses Jahr noch nicht zusammen daran teilzunehmen. So sahen sie bei dem Rennen nur zu, daß die Montferres mit großem Abstand gewannen.

"Immerhin etwas, was sie noch mitnehmen dürfen", meinte Julius zu Millie, als die beiden rothaarigen Schwestern sich von ihren Freunden und Klassenkameraden feiern ließen. Millie lächelte und erwiderte, daß sie ja keine richtigen Gegner gehabt hätten. Da mit dem Tandemrennen die Strandsaison eröffnet wurde, feierten die Gewinnerinnen gleich am schuleigenen Meeresstrand, und viele prüften, ob sie das noch ziemlich kalte Wasser vertrugen und erweckten ihre über Monate schlummernden Schwimmkünste zu neuem Leben.

Die folgenden Tage bis zum letzten Quidditchspiel der Saison waren hart aber auch lehrreich. Als dann Ferdinand Brassu die Begegnung zwischen Blau und Gelb kommentierte, fragte sich Julius, ob das blaue Wunder oder die Gelbe Großtat noch kommen mochten. Denn beide Mannschaften lieferten sich einen offenen Schlagabtausch. Doch die Blauen schossen dabei mehr Tore, weil der Hüter der Blauen besser parieren konnte als der der Gelben. So stand es nach einer knappen halben Stunde 200 : 100 für die Blauen.

"Spielen die jetzt auf Punkte?" Fragte Hercules Julius argwöhnisch. Doch in diesem Moment warf sich Corinne Duisenberg herum. Doch Maurice Dujardin stürzte sich bereits auf einen glitzernden Punkt über dem eigenen Tor. Als Corinne gerade mit der linken Hand ausholen wollte, griff Dujardin mit der rechten zu. Das letzte Spiel der Saison endete mit 250 : 200 für Mannschaft Gelb. Großer Beifall der Gelben, sowie der Grünen tönte.

"Grün ist der Pokal! Grün ist der Pokal!" Skandierten die Anhänger der Grünen.

"Uff!" Machte Hercules. Waltraud sagte dazu nur:

"Die hätten beide ja mindestens sechshundert Punkte erspielen müssen. Und dieser Dujardin sah nicht so aus, als wollte der noch mehr Tore kassieren. Jetzt sind die Gelben auf dem dritten Platz."

Unter großem Jubel mußten die drei besten Mannschaften der Saison sich noch einmal auf dem Feld versammeln. Dann bekamen die roten die silberne Medaille umgehängt, während die Grünen wie im letzten Jahr den Pokal übernehmen durften. Julius trank von dem Champagner und fühlte sich wieder sehr glücklich. Die schrrecklichen Monate, wo Claire seinetwegen ihren Körper verloren hatte, der Beinahetod von Jane Porter und nicht zu vergessen die Entführung in Bokanowskis Burg und die zweite Begegnung mit jener Wiederkehrerin, all das war jetzt so weit von ihm weg wie der Sirius von der Erde.

professeur Faucon stand bei den Helden aus ihrem Saal und freute sich mit ihnen. Da apparierte mir nichts dir nichts eine Hauselfe vor ihr. Es war Gigie, die Hauselfe der Delamontagnes.

"Meisterin Eleonore hat mich geschickt, weil Meisterin Hera sie gebeten hat, der großmächtigen Professeur Faucon ganz schnell zu sagen, daß ihre Tochter Catherine gerade ein Kind bekommt."

"Ey, was macht denn die Hauselfe hier?" Kam die Frage von der Zuschauertribüne. Julius hörte es jedoch nur mit halbem Ohr. Er notierte sich im Geist das Datum, den zwölften Mai. Zwei Tage vorher hatte Babette Geburtstag gefeiert, und jetzt kam Claudine, ihre kleine Schwester, zur Welt.

"Ist Catherine in ihrem Haus?" Fragte Professeur Faucon aufgeregt aber überblücklich.

"Oja, zusammen mit Meisterin Hera und dem Vater von dem Kind und der jungen Meisterin Babette."

"Oh, vier Tage vor dem vorhergesagten Termin", sagte Professeur Faucon. Dann schickte Sie Gigie ohne Dankesworte zu ihrer Meisterin zurück.

"Gehen Sie zu Catherine hin?" Fragte Julius aufgeregt.

"Falls Madame Maxime uns beide läßt, Ja."

"Uns beide?" Fragte Julius, der gerade erst den Pokal an Hercules weitergegeben hatte. "Ich bin doch nicht mit Catherine verwandt ..."

"Immerhin bekommt sie ihr Kind von dem Mann, den sie wirklich liebt und nicht in Folge einer von einem Fluch erzwungenen Vereinigung. Ich finde, das macht dich verwandt genug", flüsterte Professeur Faucon und winkte Madame Maxime, die die Pokalhelden feierte. Sie wechselte mit dieser ein paar Worte. Dann nickte sie ihr und Julius zu.

"Komm!" Sagte die Verwandlungslehrerin nur. Julius, berauscht von der Ehrung und dem kleinen Schluck Champagner, eilte ihr nach. Unterwegs liefen sie den Latierres über den Weg. Millie fragte, ob der Wettlauf, wer zuerst zur Welt käme jetzt eröffnet sei. Professeur Faucon hielt inne und wandte sich um. Julius fürchtete erst, sie würde Millie gleich Strafpunkte wegen Frechheit aufbraten. Doch sie lächelte.

"Sagen Sie Ihrer Frau Mutter und den Tanten, die zurzeit in freudiger Erwartung sind, daß meine Enkeltochter sich auf den Weg gemacht hat. Es steht zu vermuten, daß alle anderen aus dem sogenannten Club der guten Hoffnung bald folgen. Schönen Tag noch, die jungen Damen!"

"Das ist unfair, miriam ist für morgen vorhergesagt", lachte Mildrid. Julius lachte zurück.

"Wir nehmen den Kamin, weil das unauffälliger ist", sagte die Verwandlungslehrerin. So wechselten sie aus dem Sprechzimmer Professeur Faucons in die Rue de Liberation 13 in Paris über, wo Professeur Faucons Schwester madeleine sie empfing.

"Ach, du hast den Jungen mitnehmen dürfen. Ich weiß nicht, ob Hera ihn dabeihaben will, Blanche. Der Kindsvater ist nämlich vor lauter Aufregung umgefallen. Madame Andrews hat ihn im Schlafzimmer auf das Bett gelegt", sagte Babettes Großtante verschmitzt grinsend.

Ein lauter Schrei durchbrach die angespannte Stille. Catherine durchlebte wohl gerade neue Presswehen.

"Wo ist Babette?" Fragte Professeur Faucon.

"Die sitzt im Wohnzimmer und schaut Hera und Catherine zu, wie ihre kleine Schwester geboren wird", sagte Madeleine leise.

"Blanche, ich hörte, du hast Julius mitgebracht. Im Flur steht Keimfreilösung und hängen noch drei Schürzen. Wenn ihr euch präpariert habt dürft ihr reinkommen", erscholl Hera Matines Stimme aus dem Wohnzimmer.

"Du mußt atmen, Maman", quiekte Babette aufgeregt. Offenbar machte ihr das nichts aus, daß ihre Mutter gerade mit sich öffnendem Leib auf einem Hocker saß und große Schmerzen durchlitt.

Julius kannte das mit der Keimfreilösung, vor genau 361 tagen, am 16. Mai des Vorjahres, hatte er dabei sein dürfen, wie die kleine Cythera Florence Hippolyte Camille Martha Dornier auf die Welt kam. Doch jetzt war es was anderes. Dieses Baby da würde mit ihm zusammen im selben Haus leben, wenn die Ferien waren. Womöglich würde die kleine Claudine, wenn sie wohlbehalten ankam, ihn wie einen größeren Bruder ansehen oder zumindest einen Onkel von der Wohnung oben drüber. Er hatte nicht damit gerechnet, daß er Claudines Ankunft vor Ort erleben würde. Er hatte innerlich damit gerechnet, eine Eule geschickt zu bekommen. Aber das Madame Delamontagne ihre Hauselfe schicken würde ...

"Hallo, Catherine, meine Kleine. Deine Maman ist bei dir", sagte Professeur Faucon mit beruhigendem Tonfall. Catherine sah jedoch erst zu Julius und quälte sich ein Lächeln ab.

"Hast du deine Chefin gebeten, ihn mitzubringen, Maman", keuchte sie dann noch. Dann überkam sie die nächste Wehe. Julius konnte bereits erkennen, wie der Kopf des Babys zum Vorschein kam.

"Sie hat zugestimmt, daß er mich begleiten darf, da er ja quasi dafür gesorgt hat, daß du dieses Wunder mit deinem Ehemann und keinem anderen hervorbringst, meine Kleine", sagte Professeur Faucon mit ungewohnt sanfter Betonung und setzte sich vor ihre Tochter hin, wobei sie jedoch darauf achtete, daß sie Hera Matine nicht in die Quere kam. Wieder ging die Wohnzimmertür auf, und Martha Andrews trat ein. Sie sah Catherine an, dann ihren Sohn, der ruhig dastand und zusah, wie ein neuer Mensch den Weg ins Leben nahm.

"Joe hat's umgehauen?" Erkundigte sich Julius leise.

"Wundere mich auch, wo er bei Babettes Geburt dabei war", flüsterte seine Mutter und lächelte. "Ich habe ihn auf sein Bett gelegt. Catherine wollte ja unbedingt im Wohnzimmer niederkommen."

"Hallo, Babette, ist das nicht gruselig für dich?" Fragte Julius.

"Das ist aufregend. Spannender als wie es im Fernsehen gezeigt wird, Julius. Aber wenn ich das einmal auch machen muß kriege ich doch Angst", sagte Babette.

"Deshalb sind ja bei sowas Kinder normalerweise nicht dabei", sagte martha ruhig.

"Wenn ein Mädchen das sechste Lebensjahr vollendet, hat es das Recht, sowas zu sehen", erwiderte Madame Matine und sprach wieder auf Catherine ein, die hächelte und dann unter einem weiteren Schmerzenslaut preßte. Da schob sich der Oberkörper des Kindes heraus. Dann rutschte es die letzten Zentimeter in weniger als drei Sekunden. Hera fing es sachte auf.

"Der Vater kann wirklich nicht aufstehen?" Fragte die Hebamme, den langgezogenen Schrei des Neugeborenen übertönend.

"Ich versuch's noch einmal", erwiderte Martha und verließ den Raum. Doch nach zwanzig Sekunden kehrte sie zurück. "Er ist total erschöpt, als hätte er das Kind bekommen."

"Dann komm mal her, Babette!" Sagte Madame Matine. Babette, auch in einer Schürze, erhob sich von ihrem Sitz und wankte auf den Gebärstuhl zu. Offenbar hatte sie der Vorgang doch auch ziemlich mitgenommen. Doch sie richtete sich standhaft auf. Dann holte Madame Matine noch Professeur Faucon dazu. Beide banden die Nabelschnur ab und durchschnitten sie zwischen den festen Knoten.

"Das ist deine Tochter, meine Kleine", sagte Professeur Faucon mit einer höheren Stimmlage und legte Catherine das frisch entbundene Kind in die Arme. "Da ist die kleine Claudine. Da ist die kleine Clau-di-di-di-didine."

"Oha", dachte Julius. "Kaum auf der Welt und schon mit albernem Geschwätz zugetextet."

"Du hast ja einen grünen Umhang an", meinte Martha zu Julius.

"Komme gerade von der Siegerehrung. Die Gelben haben Platz drei geholt, hinter uns und Millies Mannschaft. Madame Delamontagnes Hauselfe hat uns gesagt, daß es fast so weit ist. Wann hat denn die Geburt als solche angefangen?"

"Vor einer Stunde, Julius", sagte Catherine noch ganz abgekämpft aber nun, da sie ihre Tochter in den Armen liegen hatte überglücklich. Da wankte Joe durch die Tür, brach fast zusammen und mußte von Madeleine aufgefangen werden.

"Na, du wirst doch vor deiner jüngsten Tochter nicht in Ohnmacht fallen, Joseph. So scheußlich sieht sie ja doch nicht aus. Außerdem legt sich das", sagte Babettes Großtante, die die größeren Humoranteile abbekommen hatte. Joe kniete sich hin und näherte sich seiner Frau und seiner jüngsten Tochter, die leise glucksend nach einer freien Brustwarze suchte.

"Hallo, ich bin der, zu dem du Papa sagen darfst", sprach Joe mit erhöhter Stimmlage. Babette sah ihn an und meinte:

"Sieht schon komisch aus, so'n ganz neues Baby. Da sind die Schwestern von Mayette ja richtig putzig gegen."

"Wenn du dich durch 'ne viel zu enge Tür quetschen müßtest sähest du vielleicht nicht anders aus", meinte Madeleine Schalkhaft. Professeur Faucon, die leise auf Catherine und Claudine einsprach wandte sich um und meinte:

"Madeleine, du warst schon immer sehr taktlos. Könntest mit Ursuline Latierre einen Club aufmachen."

"Wenn ich dafür noch mal acht Kinder kriegen müßte, nein Danke, Blanche. Aus dem Alter bin ich ja dann doch raus."

"Apropos, wolltest du irgendwem aus eurem Club das mitteilen, Catherine?" Fragte Julius. Catherine lächelte.

"Ich habe im Moment nicht die Kraft, zu mentiloquieren oder an den Kamin zu gehen. Kannst du Hippolyte bescheid geben."

"Damit die aus lauter Sympathie gleich auch noch niederkommt?" Fragte ihre Tante.

"Falls sie es nicht schon ist", erwiderte Julius. Er konzentrierte sich und mentiloquierte, wobei er sich mit Hippolyte Latierres Stimme sagen dachte:

"Hippolyte, ich bin mal eben mit Professeur Faucon von Beaux rüber. Catherines Kind kam gerade an. Ich konnte noch sehen, wie sie rauskam."

"Bestell ihr einen schönen Gruß, Miriam will wohl auch schon raus", kam es leise zurück. "Meine Schwiegermutter ist gerade bei mir. Sie sagt, in spätestens vier Stunden kann ich Miriam in die Augen sehen."

"Irgendwer hat wohl 'nen Schalter gedrückt", gab Julius weiter. "Hippolyte Latierre hat gerade gemelot, daß sie bereits in den Wehen liegt und in vier Stunden wohl auch ihre jüngste Tochter hat.

"Julius, du bist bei Catherine. Ist die gestrenge Hera Matine bei ihr?" Hörte er Ursuline Latierres Gedankenstimme. Er schickte ein Ja zurück. "Béatrice ist gerade bei Barbara. Sie hat Raphaelle und Josianne dazugeholt. Die werden die nächsten zwei Wochen im Château wohnen, wenn die alle jetzt soweit sind", erwiderte Ursuline. "Welche Farbe hat euer Quidditchpokal?"

"Ein sattes Grüüüün!" Schickte Julius zurück. "Die Gelben kamen nur auf Platz drei."

"Wer?"

"Die Gelben", wiederholte Julius diese Gedankenbotschaft.

"Zu meiner Schulzeit wäre das unmöglich gewesen. Die Roten hatten dieses Jahr einen lausigen Sucher", kam Ursulines Gedankenstimme zurück. Julius mußte gegen die üblichen Mentiloquismus-Manieren lachen und teilte den andern mit, was er und Ursuline gerade ausgetauscht hatten. Madeleine bestellte ihm, wenn er sie so gut erreichen könne, solle er sie mal von ihr grüßen.

"Ja, sage ihr, daß meine Schwester noch acht Kinder bekommen möchte, um mit ihr ggleichzuziehen!" Wandte Professeur Faucon ein. Ihre Schwester sah sie verdattert an, mußte dann aber lachen. Julius schickte nur den Gruß weiter.

"Du hast Hippolyte nicht geschrieben, wie es mit Millie an Walpurgis war. Sie hat zwar Millies Brief, hätte aber gerne noch einen von dir", kam Ursulines Gedankenstimme zurück. Er schickte frech zurück, daß sie in den nächsten Stunden ja doch nicht zum lesen komme.

"Aber übermorgen", erwiderte Ursuline.

"Ich geh dann mal wieder. Mir ist nicht gut", meinte Joe und verließ den Wohnraum.

"Fühl dich geehrt, Julius, daß du zu den wenigen Männern gehörst, die einer Frau bei der Ausübung ihres größten Vorrechts zusehen können, ohne davon niedergeschlagen zu werden", sagte Madame Matine und untersuchte die junge Mutter und ihr Kind. Babette kam zu Julius und fragte leise:

"Mayette sagt, das ist nicht immer toll, kleine Schwestern zu haben. Werden meine Eltern mich dann noch mögen?"

"Das fragst du die falschen", erwiderte Julius leise. "Aber ich denke schon."

"Babette, komm bitte zu mir", sagte Catherine nun etwas befreiter als vorhin. Babette schlich zu ihrer Mutter, die ihre Hand ergriff und sie vorsichtig über den nackten, noch leicht feuchten Rücken des Babys führte. "Ei, Claudine. Das ist deine große Schwester Babette. Wir sind alle bei dir."

"Bis auf den Typen, der dich einbestellt hat", dachte Julius und hütete sich davor, Professeur Faucon anzusehen.

Als Joe Brickston wieder einigermaßen bei Kräften war und Catherine von der Nachgeburt befreit war. entkorkte er eine Flasche Rotwein und goss allen auf eigenen Beinen stehenden Anwesenden etwas ein. Sogar Babette durfte etwas abhaben. Dann tranken sie auf die glückliche Ankunft von Claudine Brickston. Dabei holte er sein Mobiltelefon hervor und drückte eine Kurzwahltaste. "Jah, hallo, Mum. Deine Enkeltochter ist da!" Rief Joe in das Mikrofon. "Ja, hat alles geklappt mit der Hausgeburt und der Hebamme... Ja, die ist noch hier. Nein, sie meint, wir müßten keinen Arzt holen... Ja, grüß ihn auch. Frauen spielen ja mittlerweile auch Fußball... Tennis sowieso... Ja, klar. Wer Flugzeuge fliegen und das Space-Shuttle durch den Orbit manövrieren kann kann auch Busse fahren. Sage ihm das bitte, Mum... Wann? ... Das muß ich erst klären. Ich bin ja von Claudines Ankunft auch überrascht worden und ... Ja, wie die freche Französin bei Hanni und Nanni... Tja, wie Babette! ... Das sind die von euch vererbten Anlagen, Mum und ... Oh, Dad, ja, deine Enkeltochter ist da, Opa."" "

"Was meinte mein Schwiegersohn da gerade mit einer frechen Französin", mentiloquierte Professeur Faucon an Julius Adresse.

"Erzähle ich Ihnen wenn wir wieder in Beauxbatons sind."

"Ich bin gespannt."

"Wir lassen die kleine gerade Pin... Pipi machen. Sind ja doch ein paar Damen anwesend", sagte Joe gerade. "Meine Schwiegertante ist aus Lyon rübergekommen und meine Schwiegermutter ist auch da... Ja, nur ich Depp hab's nicht früh genug mitgekriegt und ... Ich weiß, nur ein Depp nennt sich selbst so, weil das sonst die anderen machen ... Dem geht's auch gut. Der hat uns einen Brief geschickt, daß seine Mannschaft das Schulturnier gewonnen hat... Bei den frechen Mädchen muß er das auch, damit er schnell genug weglaufen kann, Dad... Ich euch auch, Dad. Okay, ihr klingelt durch, wenn ihr kommen möchtet? ... Nein, wenn Mum sich nicht wieder so aufregt wie Weihnachten darfst du sie mitbringen... Ihr auch!" Er drückte die Auflegentaste und steckte sein Mobiltelefon zurück.

"War das jetzt nicht ein bißchen teuer mit dem Handy?" Fragte Julius.

"Ich wollte nicht schon wieder draußen hängen, wo hier alle sind", sagte Joe.

"Es ist sehr schade, das die Namensgeberin meiner Enkeltochter dies nicht mehr miterleben durfte", sagte Professeur Faucon sehr ergriffen, oder war es eher ungehalten? Joe stutzte. Dann nickte er. Martha stupste ihren Sohn an und fragte dann laut:

"Wie lange darfst du hierbleiben?"

"Die wollten den Champagner aufmachen, wenn wir wieder in unserem Saal sind. Der könnte warm werden", meinte Julius keck. Er ahnte, was seine Mutter wollte. Diese wandte sich an Professeur Faucon und sprach auf Französisch:

"Darf ich mit meinem Sohn für fünf Minuten nach oben? Wenn er schon einmal da ist wollte ich gerne noch was familieninternes mit ihm bereden, ohne Eulen oder Zauberbilder dazwischenschalten zu müssen."

"Natürlich darf er mit Ihnen hochgehen. Fünf Minuten? In Ordnung. Machen wir zehn daraus!" genehmigte Professeur Faucon. Julius folgte seiner Mutter hinauf in die Wohnung der Andrews. Er sah auf seine Uhr und merkte sich die Zeit. Sie setzten sich ins Wohnzimmer und schlossen die Tür. Dann meinte Martha zu ihrem Sohn:

"Jetzt hat die gute Blanche sich doch verplappert. Ich hatte schon lange den Verdacht, daß sie sehr wohl englisch spricht. Im Grunde schon seit meinem Besuch bei deinem dreizehnten Geburtstag. Weil jemand, der wichtig ist und in der Welt herumkommt lernt neben Spanisch zumindest etwas englisch. Aber sie konnte sich bisher so gut verstellen. Ich weiß natürlich, daß sie wohl ihre Gründe hat und möchte nicht in Sachen interferieren, die mich nicht unmittelbar betreffen. Aber eben gerade, wo Joe das mit der französischen Schulkameradin der Sullivan-Zwillinge von Enid Blyton erwähnte, machte sie eine zu konzentrierte Miene, zeitgleich mit dir. Ich hab's gesehen. Dann sagt sie auch noch, daß die Namensgeberin ihrer Enkeltochter das nicht mehr miterleben könne, als müsse sie klarstellen, daß die kleine Claudine ausschließlich nach ihrer Großmutter benannt ist. Außerdem kommt noch hinzu, daß deine Freundin Mildrid schon mit neun Jahren aus einem Sprachlernbuch Englisch lernt, genauso wie du innerhalb von zwei Tagen fließend Französisch gelernt hast. Wenn sie dich danach fragt, ob ich es gemerkt habe, gib es ruhig zu. Sag ihr dann bitte auch, daß ich es Joe nicht erzählen werde, weil das ihre Privatangelegenheit ist, ob sie ihn und seine britische Verwandtschaft weiterhin in Unkenntnis halten möchte, es mich aber doch etwas wundert, wie sie von dir und den anderen Schülern Offenheit und Ehrlichkeit erwartet. Aber wie gesagt, solange es mich nicht unmittelbar betrifft behalte ich es für mich, allein schon, um Joe nicht doch dazu zu treiben, seine Familie aufzugeben und zornig davonzulaufen. Babette hat recht, einer Geburt beizuwohnen ist wesentlich erhabener als Fernsehbilder, sofern sie wirklich alles zeigen dürfen, vermitteln können. Zumindest hat die nun nicht mehr Kleine gleich sehen können, wi schmerzvoll und anstrengend das für ihre Mutter war, ihr Schwesterchen zur Welt zu bringen. Achso, unsere Familienangelegenheiten. Tante Alison hat mich gestern angerufen. Sie möchte mit uns in Kontakt bleiben, auch wenn ihr Mann das nicht mehr will. Was hältst du davon?"

"Nichts für ungut, Mum, aber das könnte auch ein Täuschungsmanöver sein, damit Onkel Claude weiterhin über uns bescheid weiß. Du weißt genau, daß wir mit unserer nichtmagischen Verwandtschaft nichts mehr zu tun haben, seitdem Paps dich fast ins Irrenhaus getrieben hat. Also meinetwegen mußt du mit ihr keinen Kontakt halten."

"Gut, akzeptiere ich. Dann gehen wir wieder runter, damit die gute Blanche dich wieder in ihr Reich zurückbringen kann."

Als Julius dann von allen abschied genommen hatte und noch einmal auf das Neugeborene sah, das nun in einem rosa Strampelanzug in Catherines Arm lag und schlief, dachte er daran, daß Millie an diesem Wochenende auch ein kleines Schwesterchen bekommen würde. Zumindest das wollte er ihr gleich erzählen.

Wieder zurück in Beauxbatons fragte Professeur Faucon ihn zu der anderen Herkunft von Claudine aus und meinte dann zum Schluß:

"Nun, primär hat Catherine ja den Namen meiner seligen Großmutter gewählt. Abgesehen davon scheint es mir diesmal nicht ganz gelungen zu sein, meine Unkenntnis der englischen Sprache zu verbergen. Zumindest mutmaße ich, daß deine Mutter mir doch auf die Schliche gekommen ist."

"Ja, ist sie. Allerdings hatte sie da schon immer einen Verdacht, hat sie mir erzählt. Aber sie läßt Ihnen ausrichten, daß sie Joe Brickston nichts erzählen wird, weil das nicht ihre Angelegenheit sei."

"Nun, wahrscheinlich hat sie die Konsequenzen bedacht und befunden, daß Joseph sich wahrhaftig arglistig getäuscht fühlen muß und seine nun etwas größer gewordene Familie doch noch im Stich lassen könnte. Insofern bin ich beruhigt, was deine Mutter angeht. - So, und jetzt geh zu deiner Herzensdame und verkünde ihr, daß sich auch bei Ihr bald jemand neues einfinden wird!"

Julius befolgte diese Anweisung sehr gerne, und Millie fragte, ob sie nicht auch dabei sein dürfe. Tatsächlich machte ihr Professeur Fixus den Kamin frei, so daß sie zu ihren Eltern hinüberkonnte. Als sie dann spät abends zurückkehrte strahlte sie über das ganze Gesicht.

"Zehn Pfund wiegt die kleine. Gut, Neugeborene sehen schon gewöhnungsbedürftig aus. Aber zu wissen, daß da jetzt noch jemand ist, mit dem ich mich käbbeln kann ...", sie lächelte Julius vielsagend an. "Noch eine Tante mehr für unsere Kinder, nicht wahr, Monju?"

"Die Mondtöchter haben was von sechsunddreißig Mondbahnen gesagt", flüsterte Julius verschmitzt grinsend.

"Sie sagten aber auch innerhalb von sechsunddreißig Mondbahnen", konterte Millie. Julius schluckte. Dann lachte sie und meinte: "Wir müssen das nicht übereilen, Monju. Du möchtest die UTZs machen, genau wie ich auch. Aber danke, daß du mir die Möglichkeit gegeben hast, meiner Schwester beim Rauskommen zusehen zu dürfen!"

"Das ist nur fair", meinte Julius. Millie küßte ihn leidenschaftlich. Dann hauchte sie ihm noch ein "Gute Nacht, Monju!" zu und kehrte in den roten Saal zurück. In einer Stunde war Saalschluß.

__________

Julius wartete gespannt auf weitere Geburtsanzeigen. Tatsächlich kamen Sabines und Sandras Zwillingsbrüder in der Nacht vom Montag zum Dienstag auf die Welt. Barbara Latierres Zwillinge folgten dreißig Stunden später. Auch Callie und Pennie durften für einige Stunden nach Hause. Das löste zwar einigen Unmut bei den Mitschülern aus. Doch Julius konterte das dumme Geschwätz einiger Grüner mit den Worten aus:

"Wenn ihr mal eben hier raus wollt schreibt euren Eltern doch, sie sollen sich noch ein paar Kinder anschaffen!" Dann war Ruhe. Constance traf sich einmal mit Julius und Millie im Pausenhof und fragte sie, wie sie es empfunden hatten und verkündete, daß sie Cytheras ersten Geburtstag am Samstag nachfeiern wolle. Da sie Martine nicht einladen könne dürfe Millie dabei sein.

"Ich regel das mit meiner kleinen Schwester", sagte sie noch.

Als dann auch die letzte hoffnungsvolle Hexe aus dem Club der guten Hoffnung ihr Kind bekommen hatte, schrieb Julius Béatrice Latierre einen Brief, in dem er sein tiefes Mitgefühl für die lange Woche ausdrückte.

Am Samstag trafen sich die von Constance geladenen Gäste, zu denen auch Laurentine, Belisama und Gloria gehörten heimlich in einem der Parks. Denn Cytheras Geburtstag hier nachzufeiern, wo das Kind hier doch eigentlich gar nicht zur Welt kommen durfte, wäre etwas vermessen gewesen. Dennoch schienen es die betreffenden Lehrer zu wissen und stillschweigend zu tolerieren, zumal das Geburtstagskind nun fröhlich umherkrabbeln konnte und schon Erste Wortansätze von sich gab. Wahrscheinlich würde sie sich bald an Möbeln hochziehen und die ersten unbeholfenen Schritte machen, auf ihrem mehrere tausend Kilometer langen Weg durchs Leben. Madame Rossignol saß mit bei den feiernden. Wieder einmal schien alles Böse dieser Welt so weit weg. Hier gab es nur eine junge Mutter, deren putzmunteres Kind und die liebe Tante Céline mit ihrem Freund, Laurentine, Mildrid, die doch immer mehr auf ihre große Schwester herauskam und die jetzt auch noch eine ganz kleine Schwester hatte. Sie erzählten sich Geschichten aus ihrer allerfrühsten Kindheit. Belisama warf ein, daß sie als Baby wohl auch zehn Pfund gewogen haben mußte, weil ihre Mutter sich im Bezug auf die Schwangerschaft mit ihr und die ersten drei Monate nach der Geburt immer an schmerzende Schultern und lahme Arme erinnerte. Julius wurde noch einmal zu Aurora Dawn befragt, weil Millie erzählte, daß ihre Mutter vier Monate nachdem sie entdlich ans Licht der Welt gekrabbelt war in Millemerveilles gegen den Vater der damals noch in Hogwarts lernenden Quidditch gespielt und haushoch gewonnen habe. Julius erinnerte sich leicht betrübt, daß das genau die Kräuterkundekonferenz war, die sie damals besucht hatte, genau in den Tagen, wo Claire geboren wurde. Millie wußte das natürlich und machte ein abbittendes Gesicht. Julius sah sie an und meinte:

"Ich bin mir jetzt ganz sicher, daß Claire, wo immer sie gerade ist, wollte, daß wir beide zusammenkommen. Das sage ich jetzt auch für Céline und Laurentine. Claire wollte immer haben, daß es mir gut geht und jemand da ist, der mir hilft, daß es mir gut geht." Die beiden angesprochenen Mädchen nickten schwerfällig. Claire hätte bestimmt nicht gewollt, daß er an Walpurgis am Boden bleiben mußte und auch so doch noch viele schöne Sachen erlebte. So klang der Samstag abend aus. Als alle wieder in ihre Säle zurückkehren mußten war Julius sich sicher, daß er in diesem Schuljahr doch noch seinen Frieden mit Céline, Laurentine und Belisama machen konnte, beziehungsweise, daß Millie von den dreien als Nachfolgerin Claires akzeptiert wurde, wie er sie schon längst als Claires Nachfolgerin akzeptiert hatte. So legte er sich ins Bett und wähnte einer ruhigen Nacht entgegen. Denn er konnte nicht ahnen, daß in diesen Stunden, weit fort von Beauxbatons, ein weiterer Teil der von ihm so lieb gewonnenen Zaubererwelt zerbrach, und er sehr schnell wieder auf den dunklen Boden grausamer Wirklichkeit zurückfallen würde.

ENDE

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