FERIENENDE

eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie
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© 2000, 2001, 2002 by Thorsten Oberbossel

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Was bisher geschah

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Die erste Nacht auf englischem Boden war von wiederholten Träumen von Millemerveilles geprägt, die Julius Andrews, den jungen Zauberer an seine Wochen in jenem südfranzösischen Zaubererdorf erinnerten, die für ihn die abenteuerlichsten Ferien seines Lebens bedeuteten, die er je erleben durfte. Dennoch war er frisch und munter, als am Morgen des achtzehnten Augustes eine kräftige Frauenstimme über seinem Kopf ertönte:

"Wünsche wohl geruht zu haben, Mr. Andrews. Es ist nun acht uhr. Bitte stehen Sie nun auf!"

Julius schüttelte die vier Decken von sich, die ihn warm und behaglich umschlossen hatten, damit er nicht fror, weil er ja die südfranzösischen Sommertemperaturen gewohnt war. Er sah in einem gemalten Wald bei Vollmond eine Frau in einer bunten Flickenschürze stehen, zumindest wußte Julius, daß die Schürze bunt war. Doch wie die Waldlandschaft auf dem Bild, erschien auch die Schürze der Frau in silbrigen Grautönen.

"Bin schon wach, Miss Immaculata", erwiderte Julius den Morgengruß. Dann schlüpfte er leicht fröstelnd in seine Pantoffeln und seinen Bademantel und begab sich ins Gästebadezimmer, nachdem er durch Anklopfen feststellen konnte, daß es unbesetzt war.

Nach einer Dusche, bei der er die verschiedenen Schaumsprühvorrichtungen des Gästebades ausprobierte, zog er sich mit etwas Luftanhalten und Zerren seine Alltagskleidung an, die ihm etwas zu eng geworden war, wie er feststellen mußte.

Das Frühstück war eine Mischung aus englischem und amerikanischem Morgenmahl. Es gab Eier mit Schinken, Getreideflocken, Rührei, dunkles Brot, zu dem es Butter und verschiedene Marmeladensorten gab. Allerdings gab es noch süße Gebäckstücke, die Mrs. Jane Porter, Glorias in den Vereinigten Staaten von Amerika lebende Großmutter Muffins nannte, sowie Pfannkuchen mit Ahornsirup und Erdnußbutter. Dazu gab es Tee, Kaffee und frischen Orangen- oder Pampelmusensaft. Julius nahm die Einladung an, soviel zu probieren wie er wollte. Allerdings mußte er feststellen, daß ihm die Erdnußbutter nicht so behagte. Mrs. Jane Porter schmunzelte darüber nur und tat ihm dafür noch drei der Pfannkuchen mit Ahornsirup auf.

Nach dem Frühstück zeigten ihm Gloria und ihre Großmutter die Straße, in der das große Haus von Plinius Porter und seiner Familie stand. Julius staunte. Von einer winzigen Blockhütte, aus deren Dachluke weißer Rauch aufstieg, über kleinere Steinbauten, über Fachwerkhäuser, wie er sie in einem Dorf aus dem vierzehnten Jahrhundert sehen durfte, bis zu solchen Prachtbauten, wie die Porters einen besaßen. Ein runder Turm, der wie aus schwarzem Marmor zusammengebaut worden sein konnte, ragte in einem Ring aus bunten Blumenbeeten mindestens 20 Meter auf und endete in einem goldenen Kegeldach. Daneben stand ein purpurfarbenes Rundzelt wie eine verkleinerte Ausgabe eines Zirkuszeltes, ebenfalls umgeben von Beeten.

"Einige Leute lieben die Extravaganz in der Gestaltung ihrer Wohnhäuser", bemerkte Mrs. Jane Porter leise zu Julius, als ihr sein Staunen und interessiertes Umherblicken auffiel.

"Zumindest käme hier keiner auf die Idee, daß hier keine Hexen und Zauberer lebten", entgegnete Julius ruhig.

"Hier kommt kein Muggel ohne Erlaubnis und magische Hilfsmittel herein. Die Straße ist für sie nicht einmal zu erahnen, geschweige denn, irgendwo in ihren Straßenkarten verzeichnet."

Auf dem Trainingsplatz für Besenflüge beobachtete Julius vier junge Hexen, die wohl alle vor zwei oder mehr Jahren Hogwarts verlassen hatten. Sie übten sich im Zupassen eines Quaffels und hatten augenscheinlich viel Spaß. Julius vermied es, genau auf die vier Spielerinnen zu starren. Das letztemal, wo er intensiv einem Quidditch-Übungsspiel zugesehen hatte, hatte er mitspielen müssen, weil alle ihn sehen wollten, wie er sich auf einem Rennbesen schlug.

Die Straße der Zauberer war mindestens zwei Kilometer lang. Julius staunte, daß dies alles von den Muggeln nicht bemerkt werden konnte. Als sie wieder im Haus von Plinius Porter eintrafen, legte Mrs. Dione Porter ihrem Gast fünf Briefe auf den Wohnzimmertisch.

"Die sind diesen Morgen eingetrudelt. Offenbar hat es sich herumgesprochen, daß du wieder in England bist."

"Die, die mir schreiben wollten, haben mich doch auch in Frankreich erreichen können", stellte Julius trocken fest. Dann nahm er den ersten Brief, betrachtete ihn und nahm alle Briefe vom Tisch. Er ging damit in das Gästezimmer, vergewisserte sich, daß er nicht von Immaculata aus einem Wandbild heraus beobachtet werden konnte, indem er die Vorhänge vor seinem Bett zuzog und die einzigen zwei Bilder mit Kleidungsstücken aus seinem Schulkoffer verhängte und las die Briefe. Der erste, den er sich schon im Wohnzimmer angesehen hatte, kam von Aurora Dawn aus Sydney. Offenbar hatte sie eine Express-Posteule bezahlt, um ihm schnell einen Brief schicken zu können. Sie schrieb:

Hallo, Julius!

Ich denke, wenn du diese Nachricht bekommst, bist du schon wieder in England und in guter Obhut.

Du hast sicher gehört, was nach dem Endspiel der Quidditch-Weltmeisterschaft passiert ist. Im Nachhinein bin ich froh, daß du weit genug davon weggewesen bist. Ich weiß zwar nicht, wer im englischen Zaubereiministerium diese Panne zu verantworten hat, kann jetzt aber auch keine großen Schuldzuweisungen anbringen, da man dort wohl von friedlichen Tagen ausgegangen war und die Terroristen des dunklen Lords nicht in die Planung einbeziehen wollte. Aber dir kann ich den guten Rat geben, deine Abstammung fremden Zauberern gegenüber tunlichst zu verschweigen, wenn du wieder einmal in der Welt herumreisen solltest. Du weißt sicherlich von Professeur Faucon, daß die sogenannten Todesser, die Anhänger des dunklen Lords, auf alles Jagd machen, was Muggelstämmig ist, da ihr großer Meister einen abgrundtiefen Haß gegen Muggel und Muggelstämmige hegt. Mit diesem Haß hat er seine Anhänger und deren Nachkommen infiziert, die, wie sollte es anders sein, zu über 99 Prozent in Slytherin gelandet sind, wenn sie nach Hogwarts kamen. Allerdings heißt dies nicht, und dies hat deine hochgeschätzte Gastmutter wohl nicht erwähnt, daß alle Slytherins Sympathisanten oder Gefolgsleute des dunklen Lords sind. Sicher, sie sind ehrgeizig und machtversessen. Dennoch sind nicht alle Slytherins böse geworden. Einige haben es doch tatsächlich ausprobiert, unter Muggeln zu leben, um sie besser zu erforschen.

Ich wünsche dir einen guten Schuljahresbeginn und eine spannende Zeit. Ich habe nämlich erfahren, daß dieses Jahr bei euch eine große Sache stattfinden wird, die euch Dumbledore gewiß zu Schuljahresbeginn näher erklären wird. Nur soviel:

Deine Gastgeberin wird wohl nicht viel Zeit für dich gehabt haben, weil sie sich darauf vorbereiten muß, für einen Großteil des neuen Schuljahres die Stelle ihrer Vorgesetzten auszufüllen. Außerdem hat mir Valentina Petrova, eine Kräuterkundlerin aus Moskau, die eine Nichte in Durmstrang hat, geschrieben, daß dort Vorbereitungen für eben dieses große Ereignis stattfinden und bereits im letzten Jahr Kandidaten ausgesucht wurden, die daran teilnehmen sollen. Vielleicht läuft dir besagte Nichte meiner Kollegin über den Weg. Sie heißt Ilona Andropova und dürfte in disen Monaten siebzehn Jahre alt werden.

Der Nachteil der ganzen Sache dürfte sein, daß deine Freunde und du kein Quidditch spilen könntet. Aber wie gesagt, daß wird euch Dumbledore noch erklären.

herzliche Grüße aus dem winterlichen Sydney!

Aurora

Die weiteren Briefe stammten vom Zaubereiministerium und wiesen Julius darauf hin, daß er bis auf weiteres keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern aufnehmen dürfe, bis eine festgesetzte Strafgebühr entrichtet sei. Dann war da noch ein Brief von Kevin, den Hollingsworths und Fredo Gillers, der seine Ferien mit Marvin Sallers und Glenda Honeydrop in Südengland verbracht hatte. Der letzte Brief kam von Lea Drake, einer Zweitklässlerin aus dem Hause Slytherin, mit der Julius letztes Jahr eingeschult worden war. Julius stutzte. Dieses Slytherin-Mädchen hatte sich dann, wenn keiner ihr und ihm zusehen konnte, merkwürdig offenherzig mit ihm unterhalten oder ihm Denkanstöße gegeben, von denen er nicht wußte, was er damit anfangen sollte. Sie hatte einen Muggel zum Vater und war daher, so kannte es Julius, bei den auf ihre reine Zaubererabstammng stolzen Slytherins wohl nicht gerade beliebt. Dennoch hatte sie einen mehr oder minder guten Kameraden in Chuck Redwood gefunden, von dem Julius nicht wußte, wieso dieser ruhige Junge nach Slytherin gekommen war. Lea Drake war es auch, die Professor Snape alarmiert und zu ihm geführt hatte, als Brutus Pane, ein sehr fieser Jungzauberer mit mehr Muskeln als Gehirn versuchte, Julius wegen seiner guten Noten zu verprügeln und es gewagt hatte, den verbotenen Todesfluch gegen Julius zu versuchen, was jedoch nicht geklappt hatte. Pane war deshalb von der Schule geflogen. Julius las den Brief:

Hallo, Julius!

Du wunderst dich sicherlich, daß dir eine Slytherin schreibt, sofern du an dieser Charaktereinteilung des sprechenden Hutes festhältst und das dumme Gerede der Genossen Malfoy & Co. als Richtlinie für unsere Grundeinstellung nimmst. Der Anlaß, weswegen ich dich anschreibe ist jedoch zu wichtig, um deine möglichen Grundideen von uns in Ruhe zu lassen.

Ich weiß nicht, ob du dort, wo du jetzt bist, Nachrichten aus der Zaubererwelt mitbekommen kannst. Falls nicht, so wird dich sicherlich interessieren, daß es nach der Quidditch-Weltmeisterschaft, bei der Irland durch einen Sieg über Bulgarien trotz Schnatzfang des bulgarischen Suchers, den Pokal gewinnen konnte, zu einem Auftritt einer maskierten Bande brutaler Zauberer kam, die mutmaßlich den Anhängern Voldemorts, den andere Zauberer nicht beim Namen zu nennen wagen, gewesen sein müssen oder dies immer noch sind. Ich habe diesen Krawall selbst mitbekommen, als ich mit meiner Mutter dort war. Komm jetzt bloß nicht auf die Idee, sie hätte bei dem gewaltsamen Auftritt dieser Leute mitgemischt! Nein, eher hat sie versucht, die Muggel zu warnen, indem sie ihnen eine Traumbotschaft geschickt hat, daß ihr Haus Feuer fangen würde. Die Muggel-Familie, die alle denselben Alptraum hatten, glaubten jedoch nicht an eine Gefahr, bis ihnen die Todesser auf die Bude gerückt sind und mit ihnen ihren bösartigen Schabernack getrieben haben. Meine Mutter bekam nämlich zufällig mit, wie sich ein Zauberer, wohl im fortgeschrittenen Alkoholrausch, mit Kumpanen aus "alter Zeit" zusammengetan hat und ihre Vorstellung von einem tollen Abschluß der Weltmeisterschaft in die Tat umgesetzt hat. Mum ist sich nicht sicher, aber sie meint, McNair, den Henker gefährlicher Geschöpfe im Dienst des Zaubererministeriums, erkannt zu haben, der mit einem blondhaarigen, blaßgesichtigen Mann zusammengehangen hat, der sehr merkwürdige Ähnlichkeit mit Draco Malfoy hat. Wie dem auch sei, wir mußten wie alle anderen auch unser Zelt zusammenraffen, sonst wäre es uns von den herumrandalierenden Zauberern weggeblasen worden. Wir verzogen uns in Richtung eines Waldstücks, daß unserem Lagerplatz angegrenzt war und beobachteten, wie von irgendwoher ein anderer Todesser das Erkennungssignal des Emporkömmlings Voldemord in den Himmel geschossen hat. Dabei handelt es sich um einen grünlichen Totenschädel, aus dessen Mund eine Schlange herausguckt. Als dieses dunkle Mal am Himmel erschien, flohen die Randalierer durch Disapparition. Meine Mutter bekam heraus, daß es tatsächlich die alten Diener Voldemorts waren, die den Aufruhr verursacht hatten und warnte mich, bloß keinen Streit mit meinen Hauskameraden zu suchen, nur weil ich halbblütig sei und noch dazu nichts von Voldemorts Auffassung von Macht halte wie meine Mutter und gute alte Schulfreundinnen und Auslandsbrieffreunde auch nicht, die zwar nicht im eigentlichen Sinne dem Ehrenkodex des Zaubereiministeriums und Dumbledores entsprechen, aber auch keinen Emporkömmling als Anführer anerkennen werden, der noch dazu kein reinblütiger Zauberer ist. Womöglich, so meine Mutter, ist Voldemort ein Psychopath, also ein Irrer, der seine Halbblütigkeit nicht verwinden konnte.

Meine Mutter hat mir erlaubt, denen, die ich ihr als intelligent und auffassungsstark beschrieben habe, eine kurze Mitteilung zu schicken, was geschehen ist und ihre Ansicht zu vermitteln, daß wir in diesem Jahr wieder mehr von den sogenannten Todessern hören und sehen werden. Ich hoffe, daß dir das nicht soviel Angst machen wird. Denn wenn sich diese alten Banditen wieder zusammentun, möglicherweise mit ihrem alten Anführer zusammentreffen können, müssen wir alle festlegen, auf welcher Seite wir stehen und wie wir uns und alle die, die uns wichtig sind, auf eine neue Zeit der Terroranschläge vorbereiten. Meine Mutter geht zwar davon aus, daß wir in Hogwarts ziemlich sicher sind, egal was geschieht. Doch wer weiß, was passieren kann, hat Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren.

Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder in Hogwarts.

Lea Drake

P.S. Wenn du den Brief gelesen hast, wirf ihn in die Luft! Er wird sich dann selbst verbrennen.

Julius las den Brief mindestens noch dreimal durch und grübelte darüber nach, was Lea nun schon wieder im Schilde führen könnte. Dann drehte er den Brief um und warf ihn fast bis an die Zimmerdecke hoch. Kaum flog der Brief nach oben, brachen bläuliche Flammen aus ihm heraus, die ihn in reine Asche auflösten, die fein und harmlos zu Boden rieselte und wie gewöhnlicher Hausstaub liegenblieb.

"Mr. Andrews, bitte entfernen Sie diesen Umhang vor dem Feldlandschaftsbild! Ich kann sonst nicht zu Ihnen gelangen", rief Immaculatas Stimme wie aus weiter Ferne. Julius grinste. Dann nahm er den Schulumhang, den er als Sichtschutz vor das Gemälde mit dem wogenden Weizenfeld im Schein der Mittagssonne gehängt hatte, fort. Keine Sekunde später trat die gemalte Haushälterin der Porters in den Vordergrund des Bildes.

"Ich fürchte, die Herrschaften haben Sie nicht darüber orientiert, daß Gemälde grundsätzlich frei einsehbar zu hängen haben. Das dient der schnellen Kontrolle der häuslichen Gegebenheiten und notwendigen Handreichungen. Falls Sie möchten, daß Ihre Schulumhänge gereinigt werden, kann ich Nifty anweisen, dies für Sie zu besorgen. Aber bitte unterlassen Sie jeden Verhüllungsversuch in Zukunft!"

"Darf ich mich noch nicht einmal unbeobachtet hinsetzen und lesen oder mich ohne Gefahr, beobachtet zu werden an- und ausziehen?" Fragte Julius.

"Sie können gewiß sein, daß ich Ihre Privatsphäre achten und schützen werde, falls ich bei meinem Rundgang feststelle, daß Sie gerade private Dinge tun. Aber die Gemälde dienen dem häuslichen Wohlbefinden, sowohl der Herrschaft, als auch ihrer Gäste", beteuerte Immaculata und blickte sehr wichtig auf Julius herab.

"Ich werde es mir abgewöhnen, Bilder als etwas anderes zu sehen, als als beliebige Haushaltsgegenstände, die man nach Lust und Laune zuhängen kann", grummelte Julius.

"Das käme Ihnen sehr zu Paß, wenn Sie dies beherzigen, Mr. Andrews. Übrigens war mein Auftrag, der mich zu Ihnen führte, die Mitteilung, daß Sie in fünf Minuten in den Essraum kommen möchten."

"Gloria hat mir schon gesagt, wann es Mittagessen gibt", versetzte Julius. Immaculata sah ihn nur bedauernd an, dann zog sie sich aus dem Bild zurück. Die von ihr niedergetrampelten Weizenhalme richteten sich wieder auf und wiegten sich im leichten Wind, der die gemalte Landschaft offenbar ständig überstrich.

Nach dem Mittagessen, daß aus einer Suppe, einem Hauptgang und einer großen Eisportion für jeden bestand, teilte Mrs. Dione Porter mit, daß sie mit ihrer Schwiegermutter, Gloria und Julius in die Winkelgasse reisen würde, um die Schulsachen zu besorgen. Gloria verriet auch, daß man sich bei Florean Fortescue zu Kaffee und Eiscreme treffen würde, mit Pina, Gilda, den Hollingsworth-Schwestern und Kevin.

Gegen zwei Uhr Nachmittag reisten die vier Bewohner von Plinius' Palast mit Flohpulver in die Winkelgasse, genauer, sie kamen im Kamin des tropfenden Kessels heraus, einem heruntergekommen wirkenden Pub, der die Verbindungsstelle zwischen der Muggelwelt und der magischen Einkaufsstraße bildete.

Der alte Tom, der Wirt im tropfenden Kessel, begrüßte die beiden Hexen, Jane und Dione Porter und freute sich vor allem, daß Mrs. Jane Porter ihn noch mal besuchte. Nach zwei Minuten, in denen Glorias Großmutter Bekannte im Schankraum begrüßt hatte, ging es über den Hinterhof des Pubs durch die magisch zu öffnende Mauer in die Winkelgasse, die kein Muggel sehen oder betreten konnte, wenn ihm nicht ein Zauberer dabei behilflich war. Julius freute sich, wieder hier zu sein. Irgendwie, so spürte er, war diese altehrwürdige Straße etwas wie eine zweite Heimat. Er dachte an Millemerveilles und die Rue De Camouflage in Paris. Doch gegen die Läden der Winkelgasse, waren selbst die eleganten Geschäfte der französischen Zaubererwelt unbedeutend.

"Wir gehen erst zu Gringotts", legte Mrs. Dione Porter fest. Schnurstracks marschierte sie auf das imposante weiße Marmorgebäude zu, vor dessen Eingang ein kleinwüchsiges Wesen mit Spitzbart in einer rotgoldenen Uniform die Kunden begrüßte: Ein Kobold der Zaubererbank.

Julius überflog noch mal das warnende Gedicht über dem silbernen Portal nach dem Eingang, das jedem Dieb davon abriet, sich in Gringotts an dort gelagerten Schätzen zu vergreifen und lachte kurz.

In der riesigen Schalterhalle herrschte großer Andrang. Zauberer und Hexen unterhielten sich mit den vielen Kobolden, die in mittelalterlich wirkende Kassenbücher schauten, Edelsteine oder Erzbrocken abwogen oder Zahlungsbelege ausfertigten oder Überweisungen entgegennahmen. Die meisten Kunden der Bank trugen Umhänge oder Kleider. Daher fielen Julius die drei Leute auf, ein Ehepaar mit einem Jungen, der wohl ein Jahr jünger als Julius sein mußte. Die Eltern trugen Anzug und Ausgehkleid, als wollten sie zu einer geschäftlichen oder beruflichen Verabredung. Der Junge trug ein weißes T-Shirt mit dem knallroten leicht zur seite kippenden Buchstaben VOLLE KRAFT FÜR DIE ZUKUNFT, eine Baseballkappe nach amerikanischem Vorbild und Jeans-Hosen. Julius sah es den Gesichtern der drei an, daß sie zum einen nicht wußten, wie ihnen geschah und zum Anderen offenkundig nicht von sich aus hierherkommen wollten. Dann sah Julius noch eine Hexe, die dicht neben den drei augenfälligen Muggeln stand. Er erkannte den blonden Haarschopf und das fröhliche Gesicht der Hexe, die ein veilchenblaues Kleid trug. Es war Cynthia Flowers, eine Sekretärin in Hogwarts, die besonders für Neuzungänge aus der Muggelwelt zuständig war, diese betreute, wenn sie ihre Schulsachen besorgten und sie beriet, wenn die Schule begann. Es war jetzt, so wußte Julius, ein Jahr her, daß Cynthia Flowers ihm geholfen hatte, seine Schulsachen zu kaufen und sich in Hogwarts einzuleben, auch gegen den Willen seines Vaters. Julius verzichtete darauf, Ms. Flowers anzusprechen, da sie wohl im Dienst war.

"Komm, da ist eine kürzere Schlange vor dem Schalter!" Erkannte Mrs. Dione Porter. Julius folgte ihr und ihren Verwandten zu einem Schalter, an dem gerade vier ältere Zauberer warteten, auf lange Stöcke aufgestützt. Der Kobold blickte sie an und sprach mit den Männern. Sie nickten gleichzeitig, wobei einem der ausgefranste Zaubererhut nach vorne kippte. Dann kam ein anderer Kobold aus einem Seitengang, winkte den vieren und deutete auf eine Tür, die sich öffnete. Die vier Männer hinkten hinter dem Kobold durch die Tür, die sich von selbst wieder schloß. Unvermittelt standen die Porters und Julius nun vor dem leeren Schalter.

"Guten Tag, Mrs. Porter! Möchten Sie Geld abheben oder einzahlen?" Fragte der Kobold, der Mrs. Dione Porter offenbar gut kannte. Diese lächelte und sagte:

"Wir kommen, um Geld abzuheben, Gridlock. Unsere beiden Kinder hier möchten ihre Schulsachen kaufen können."

"Dann möchte ich gerne die Verliesschlüssel sehen", erwiderte der Schalter-Kobold mit verschmitztem Grinsen. Gloria holte aus einer kleinen Ledertasche ihren Verliesschlüssel heraus. Julius fischte seinen Gringotts-Schlüssel aus der kleinen Practicus-Tasche, die ihm Aurora Dawn zum Geburtstag geschenkt hatte. Er hatte beschlossen, seine wertvollsten Dinge dort aufzubewahren. Mrs. Porter hatte ihm erklärt, daß er nur ein Stück Metall in dieser Zaubertasche mitnehmen durfte, wenn ihr Diebstahlschutz nicht vergehen sollte. So hatte er sich für den Bankverliesschlüssel entschieden. Der Kobold besah sich die beiden Schlüssel und rief nach zwei Gringotts-Bediensteten. Aus zwei weit voneinanderliegenden Türen eilten dienstbeflissene Kobolde herbei.

"Die betreffenden Verliese liegen in zwei weit voneinander liegenden Bereichen des Kellersystems", informierte der Kobold am Schalter. "Es mag vorteilhafter sein, wenn jeder von Ihnen einen Wagen nimmt."

"In Ordnung", sagten Gloria und Julius wie im Chor. Ihre Großmutter folgte ihr und einem der beiden Kobolde. Mrs. Dione Porter winkte Julius und führte ihn hinter dem zweiten Kobold her aus der Schalterhalle hinaus. Als sie durch eine Tür in die steinernen Gänge der Bank folgten, sah Julius noch, wie die Muggel-Familie gerade Geldscheine gegen Zauberergold eintauschte und dabei nicht gerade beruhigt dreinschauten. Dann schloß sich die Tür, und nur Fackeln an den Wänden warfen ein flackerndes Licht auf die Gänge, die im Gegensatz zur pompösen Marmorhalle öde und unbedeutend wirkten.

"Mit den Wagen kommst du klar, Julius?" Fragte Mrs. Porter. Julius bejahte es und kletterte tatendurstig auf die bereitstehende Lohre, die auf einer schmalen Schienenbahn stand. Mrs. Porter schwang sich neben Julius, der Kobold von Gringotts setzte sich selbstsicher vorne auf den Wagen. Dieser fuhr sogleich an, bog in einen der vielen Seitengänge ab und beschleunigte. In rasender Fahrt ging es tief hinunter in das verwirrende Labyrinth von Gängen, Verliesen und Gelassen der Zaubererbank. Schneidend pfiff der Fahrtwind den Fahrgästen um Gesicht und Ohren, so daß Mrs. Porter und Julius ihre Augen immer wieder zukneifen mußten, um keinen Zug zu kriegen. Irgendwann, so nach ungefähr einer Stunde, bremste die Lohre und rollte vor einem Korridor aus, von dem aus mehrere Verliese zu erreichen waren. Julius war nur einmal in Gringotts gewesen, damals mit Cynthia Flowers. Doch das Verlies, in dem für ihn Geld deponiert worden war, hatte er noch nicht besucht. Der Kobold führte Mrs. Porter und ihn zu einer Tür, auf der in goldroten Ziffern die Zahl 119 geschrieben stand.

"Bitte kurz zurücktreten!" Forderte der Kobold die beiden Bankkunden auf und steckte Julius' Schlüssel in ein nicht zu sehendes Schloß. Es klickte zweimal, dann schwang die Tür nach innen auf. Grüner Rauch quoll aus dem Verlies und verflüchtigte sich wie Wasserdampf. Julius spürte ein leichtes Prickeln auf der Haut und vermutete, daß der Raum mit einer Art Giftgas gefüllt gewesen sein mußte. Als sich der Rauch verzogen hatte, winkte der Kobold Julius, daß er in das Verlies gehen könne. Neugierig und etwas hibbelig betrat Julius Andrews den großen Raum hinter der Tür und erstarrte wie eine Salzsäule.

Mrs. Porter hatte ihm während seiner Rückfahrt von Hogwarts eine Eule geschickt, die ihm einen Brief brachte, in dem stand, daß seine Mutter im Beisein von Mrs. Porter Zauberergeld in Gringotts erworben und hier, in diesem Verlies, untergebracht hatte. Doch Mrs. Porter hatte nur etwas von fünfzig Galleonen geschrieben. Selbst das, so wußte Julius, war für einen Zauberschüler viel Geld für den Anfang. Doch was Julius jetzt zu sehen bekam, übertraf diese Erwartungen hundertfach.

Der ganze Raum war angefüllt mit glitzernden Geldhaufen. Eine Wand lang stapelte sich ein Haufen goldener Galleonen. Daneben türmte sich ein Berg aus silbernen Sickeln, und ein mächtiger Haufen aus Bronzeknuts, reichte vom Boden bis zu seinem Kopf hinauf. Julius starrte von einem Geldhaufen zum nächsten. Dann fiel der Blick seiner weit aufgerissenen Augen auf einen weißen Briefumschlag, auf dem in großen Buchstaben stand: "Für meinen Sohn"

Julius nahm den Umschlag vom Boden auf, nachdem er sich vergewissert hatte, daß Mrs. Porter außerhalb des Verlieses stand und nicht genau sehen konnte, was hier gelagert wurde. Er öffnete so leise wie möglich den Umschlag und zog einen Papierbogen heraus, auf dem in Handschrift, der Handschrift seiner Mutter, stand:

Hallo, Julius!

Ich habe Mrs. Porter gebeten, mir dabei zu helfen, dir einen gewissen Grundstock für deine spätere Zaubererausbildung zu geben. Ich habe ein Sparbuch, daß dein Onkel Herbert für dich angelegt hat, in Edelsteine umgesetzt und bin damit in diese Bank gegangen, wo ihr alle euer Geld untergebracht habt. Außerdem habe ich geprüft, ob ich jetzt schon eine Ausbildungsversicherung ausbezahlt bekommen kann, die ich alleine für dich abgeschlossen habe. An und für sich solltest du damit ein Studium in Oxford oder Cambridge bestreiten können. Aber mir wurde klar, daß du dort mit Sicherheit nicht anfangen würdest, wenn es sich bestätigte, daß du ein echter Zauberer bist. Nach dem Elternsprechtag in Hogwarts habe ich beschlossen, diese Versicherung zu kündigen und den bereits angesparten Betrag ausbezahlen zu lassen. Ich habe selbst gestaunt, daß ich tatsächlich 31400 Pfund herausbekommen habe. Dein Vater weiß davon nichts, außer daß eine Ausbildungsversicherung abgeschlossen wurde.

Ich habe veranlaßt, daß das Geld in Edelsteinen an Gringotts geschickt wird, indem ich heimlich eine der Eulen, die von deiner Schule kamen, an diese Cynthia Flowers geschickt habe, mit einer Mitteilung, wie ich mir die Sache vorstellte. Als der Tausch komplett war, habe ich mit Mrs. Porter Gringotts aufgesucht und das Geld für die bereits eingekauften Edelsteine ausgezahlt bekommen, um dir mit diesem Grundstock diesen Brief ins Verlies zu legen. Ich habe mich schon gewundert, daß ich 50 Galleonen dafür bekam, aber offenbar sind Juwelen in der Zaubererwelt noch mehr wert.

Wenn du also mehr als 1000 Galleonen in diesem Verlies findest, ist das nach meiner Berechnung das, was die Edelsteine wert sind, wenn ich von der Menge in Pfund ausgehe.

Wir hatten glaube ich vereinbart, daß dudrei Galleonen pro Monat Taschengeld bekommen solltest. Nimm dir also soviel, daß es für ein Schuljahr reicht! Die Bezahlung für Hogwarts ist bereits von mir ausgehandelt worden, da ich wußte, daß dein Paps kein Geld dafür herausrücken würde. Da brauchst du dir also keine Sorgen drum machen. Nimm dir also das Geld für deine Schulbücher und das Taschengeld und lern weiter mit deinen neuen Fähigkeiten umzugehen!

Viel Erfolg in Hogwarts und viel Glück bei deinem weiteren Leben als Zauberer!

deine dich liebende Mutter, Martha Andrews

Julius schob den Brief wieder in den Umschlag zurück und prüfte noch mal die ungefähre Menge des Geldes, das in dem Verlies lagerte. Er meinte doch mehr als 1000 Galleonen zu sehen, denn allein die Goldstücke durften in die zweitausend gehen. Dann sah er noch einen Pergamentumschlag genau unter dem Haufen mit den Galleonen hervorlugen und hob ihn vorsichtig auf, damit der Geldberg nicht ins rutschen geriet. Aus dem Umschlag fischte er vier Bögen Pergament heraus und überflog die in königsblauer Tinte geschriebenen Mitteilungen. Dabei las er etwas von exquisiten Diamanten, Rubinen und filigranen Goldschmiedearbeiten und zählte unbewußt die einzelnen Wertangaben zusammen, von denen die geringste bei 10 Galleonen lag und die teuerste bei 150 Galleonen. Dann las er die Endsumme und wäre fast der Länge nach hingefallen, so heftig schwindelig machte ihn die Summe: 24560 Galleonen, 16 Sickel und 28 Knuts. Offenbar mußte hier jemand ihm einen Riesendienst erwiesen haben und aus den gekauften Juwelen den zehnfachen Betrag herausgeholt haben. Julius steckte die Briefbögen wieder in den Umschlag. Dann las er 30 Galleonen, 20 Sickel und 50 Knuts aus den drei großen Stapeln auf und barg das Geld in einem Lederbeutel, den Cynthia Flowers ihm gegeben hatte, als sie mit ihm hier gewesen war.

"Das hat aber jetzt lange gedauert", wunderte sich Mrs. Porter. Dann sah sie Julius lächelnd an und sagte:

"Ich wußte zwar nicht, daß deine Mutter noch mehr Geld unterbringen wollte, aber als präzise gearbeitete Schmuckstücke versteigert wurden, deren Erlös an einen Julius Andrews bezahlt werden sollten, war mir schon klar, daß deine Mutter nur sicherstellen wollte, daß du Geld für den Anfang hast. Manche Schmuckstücke bringen beim Verkauf mehr Geld ein als sie in der Muggelwelt kosten, wenn sie sehr gut verarbeitet sind. Ich hoffe, du hast jetzt genug Geld, um in unserer Welt etwas freier atmen zu können."

Julius holte aus seinem Lederbeutel sechs Galleonen heraus und hielt sie Mrs. Porter hin.

"Die schulde ich Ihnen und Ihrem Mann noch", sagte er. Doch Mrs. Porter schüttelte so heftig den Kopf, daß ihre blonde Lockenpracht wild durcheinanderwogte, bis sie sich wieder beruhigte.

"Ich gehe doch davon aus, daß du lesen und schreiben kannst, oder? Dann hast du doch bestimmt gelesen, daß du die sechs Galleonen von Plinius und mir nicht bekommen hast, weil du uns leidtust, sondern weil wir dich für deine guten Schulnoten honorieren wollten, da wir davon ausgehen mußten, daß dies sonst niemand tut. Leistung lohnt sich in unserer Welt. Wer Leistung erbringt, bekommt, was er verdient. Also behalte die sechs Galleonen!" Sagte Mrs. Porter sehr bestimmt. Julius legte die Goldstücke wieder zurück in seinen Geldbeutel und fuhr mit Mrs. Porter zurück zur Schalterhalle.

Unterwegs dachte Julius darüber nach, welche Möglichkeiten ihm zur Verfügung standen. Doch er beschloß, nichts zu tun, was andere darauf bringen könnte, daß er zumindest etwas mehr Geld hatte als Jungzauberer üblicherweise deponiert hatten. Die dreißig Galleonen würde er mit Bedacht ausgeben, wenn überhaupt. Wenn er nach dem Schuljahr noch zwei Drittel der abgehobenen Summe übrighatte, wäre das ganz in Ordnung. Jedenfalls konnte er nun für seine Freunde in Hogwarts Weihnachtsgeschenke kaufen, ohne auf Taschengeld seiner Eltern warten zu müssen.

In der Schalterhalle trafen sie sich wieder mit Gloria und Mrs. Jane Porter. Gloria fiel auf, daß Julius irgendwie durch den Wind war und fragte leise:

"Ist etwas nicht so, wie du es erwartet hast? Ich dachte, deine Eltern würden dir zumindest Geld für Schulbücher geben."

"Das habe ich auch bekommen", antwortete Julius schnell. Glorias Mutter zwinkerte ihrer Tochter nur geheimnisvoll zu.

Die nächste Station auf ihrer Tour durch die Winkelgasse war die Buchhandlung Flourish & Blotts, wo Gloria und Julius ihre neuen Schulbücher kauften. Julius erwarb zudem noch vier zusätzliche Bücher über Zaubertränke, von denen einige auf der Liste standen, die er Betty und Jenna zusammengestellt hatte. Als Gloria mit ihrer Großmutter noch in den Regalen für Unterhaltungsromane für junge Hexen stöberte, kaufte Julius noch ein dickes Buch über Vergleiche zwischen Muggelartefakten und Zaubergegenständen, das, so eine Empfehlung, für das Schulfach Muggelkunde ab der vierten Klasse geeignet war. Da Gloria sich jedoch sehr für die technischen Geräte der Nichtmagier interessierte, dachte er, daß dieses Buch seiner Schulkameradin sicherlich interessante Dinge bieten konnte. Er selber suchte noch nach einem Buch in französischer Sprache, um in Übung mit der Rechtschreibung zu bleiben und fand ein grüngebundenes Buch, auf dem eine in blattgrün gekleidete Hexe mit südländisch braungetönter Haut und schwarzem Haar, das in sanften Wellen auf ihre Schultern herabfiel vor einer die Farben wechselnden Hecke stand. Er las den Titel und übersetzte: "Die exotischen Sträucher der Provence und ihre Besonderheiten, von Camille Dusoleil"

Der Verkäufer wunderte sich über den Stapel der Bücher, den Julius auf dem Ladentisch auftürmte. Er sah Julius schüchtern an und fragte:

"Sind Sie muggelstämmig?"

"Ja, bin ich", erwiderte Julius locker. Der Verkäufer nickte, als wenn diese Antwort ihm den großen Bücherstapel erklären könne.

"Viele Hogwarts-Schüler, die keine Zauberereltern haben, decken sich gleich mit mehr Büchern ein als auf der Schulbuchliste stehen", sagte er leise, als müsse er darauf achten, kein falsches Wort zu sagen. Julius grinste darauf nur.

"Ja, die kenne ich. Eine davon hat dunkelbraunes buschiges Haar."

Zwar sagte der Buchverkäufer dazu nichts, doch das erkennende Zucken in seinem Gesicht, verriet in einem Sekundenbruchteil mehr als ein ganzer Satz Wörter.

Julius ließ die Bücher in eine große Tüte packen und sah dann, wie Gloria mit ihrer Großmutter aus der Unterhaltungsecke zurückkam. Er widerstand dem Drang, zu fragen, ob ein neues Buch aus "Winnies wilder Welt" auf dem Markt sei. Aber er glaubte, daß Glorias Großmutter darüber nicht lachen konnte. Immerhin war dieses verhexte Kinderbuch nicht gerade harmlos. Er wurde schnell abgelenkt, als die beiden Muggel mit ihrem Sohn von Cynthia Flowers in den Buchladen geführt wurden. Er hörte die Schulbedienstete sagen:

"Die Bücher hier brauchst du im ersten Jahr. Die sind standardmäßig, Henry."

"Und ich halte diese merkwürdige Entscheidung immer noch für verkehrt, Ms. Flowers", erwiderte der Vater des Jungen mit der Baseballkappe. "In unserer Familie hat es noch nie andeutungsweise magische Personen gegeben."

"Das kann passieren", wandte Cynthia Flowers lässig ein. Dann sah sie Julius Andrews. Ihre Professionalität verbot ihr, ihn offen anzusprechen, während sie einen Auftrag ausführen mußte. Doch Julius war sich sicher, daß sie etwas ähnliches mit diesem neuen Schüler durchstehen mußte, was sie im letzten Jahr mit ihm, Julius, erlebt hatte. Der Unterschied bestand wohl nur darin, daß beide Eltern zumindest mitgekommen waren, um zu sehen, wofür sie Geld ausgeben sollten. Der Junge jedoch sah Julius genauer an, offenbar in der Hoffnung, einen Gleichgesinnten zu sehen. Dann fragte er frei heraus:

"Bist du etwa ein echter Zauberer? Du siehst nicht so aus."

"Alles eine Frage der Tarnung", erwiderte Julius schlagfertig.

"Das ist keine Antwort, junger Mann. Unser Sohn hat dir eine präzise Frage gestellt", sprang die Muggel-Mutter ihrem Sohn bei. Julius überlegte kurz, was für einen Beruf sie wohl ausüben mochte. Denn wie eine Hausfrau sah sie nicht aus. Ihre befehlsgewohnte Stimme ließ ihn eher an eine junge Lehrerin denken, die immer noch um die Anerkennung ihrer Schüler kämpfen mußte. Dann sagte er:

"In diesem Buchladen kaufen grundsätzlich nur Zauberer und Hexen ein, Madam. Daraus ist logischerweise zu folgern, daß ich ebenfalls ein Zauberer bin. Aber Ihr Sohn hat gesagt, daß ich nicht so aussehe, und darauf habe ich ihm geantwortet."

"Wo sind deine Eltern?" Fragte der Junge, der offenbar wissen wollte, woran er bei Julius war.

"Ich bin für den Rest der Ferien bei Schulfreunden. Die sind mit mir hier zum Einkaufen verabredet", antwortete Julius schlagfertig. Was interessierte es einen neuen Hogwarts-Schüler, wie heftig seine Eltern es sich mit der Zaubererwelt verscherzt hatten? Wie aufs Stichwort kamen Gloria, ihre Mutter und ihre Großmutter zu ihm herüber und teilten ihm mit, daß sie alle Bücher beisammen hatten. Julius nutzte die sich bietende Gelegenheit, sich kurz aber sachlich von den drei Fremden zu verabschieden. Er wandte sich an den Jungen und sagte:

"Man sieht sich in Hogwarts!"

"Vielleicht auch nicht", warf die Mutter des Jungen ein.

"Oh-oh! Wieder so welche", sagte Julius, als sie aus dem Buchladen herauswaren.

"Nur daß hier die Mutter davon ausgeht, man habe sich vertan", stellte Mrs. Dione Porter belustigt fest.

"Die werden dumm kucken, wenn ihr Sohn durch die Barriere zwischen Gleis neun und zehn geht und verschwunden ist. Wenn die noch keinen Zauberstab für den haben, wird das noch lustig. Ms. Flowers wird mit denen bestimmt zu Mr. Ollivander gehen", grinste Julius.

Nach dem Einkauf der Zaubertrankzutaten in der Apotheke trafen sich die Porters und Julius bei Florean Fortescues Straßencafé mit den Hollingsworth-Schwestern, die von ihrer Mutter begleitet wurden, sowie Kevin Malone, der beide Eltern dabei hatte, wie auch der ganzen Familie Watermelon, bei der Julius sofort sehen konnte, daß Pina und ihre zehnjährige Schwester die hellblonden Haare von ihrer Mutter hatten. Denn der Vater besaß feuerrotes Haar, fast wie das der Weasley-Kinder, nur einen Ton heller. Gilda Fletcher war allein gekommen. Sie hatte ihre Schuleinkäufe in einem großen Rucksack verstaut und eine Tüte an der Hand, in der ihr Festumhang säuberlich aber von außen nicht genau zu sehen zusammengelegt worden war.

Der Nachmittag verstrich mit einer fröhlichen Runde um einen großen Tisch, bei Eis und Früchtetee, wo Julius ausführlich über seinen Aufenthalt in Millemerveilles erzählte, jedoch ohne Professeur Faucon beim Namen zu nennen. Denn außer den Hollingsworths und den Porters sollte niemand davon erfahren, wenn es nicht unbedingt sein mußte, fand Julius.

Um kurz vor sechs verabschiedeten sich die Familien der Hogwarts-Zweitklässler. Man verabredete sich für den ersten September auf Gleis 9 3/4.

"Fredo, Marvin und Eric haben geschrieben, daß sie sich in Südengland toll amüsiert haben", berichtete Kevin Malone noch. Dann zerstreute sich die Gemeinschaft wieder in alle Winde.

Als die Porters und Julius wieder im tropfenden Kessel angekommen waren, saßen dort die Familie des neuen muggelstämmigen Schülers und Cynthia Flowers und führten eine hitzige Debatte. Julius lauschte kurz, bevor ihn Mrs. Dione Porter zum Kamin führte, von dem aus sie in das Haus der Porters zurückreisen wollten.

"... und wir bleiben dabei, Ms. Flowers, daß Henry bestimmt kein Zauberer ist, und dieses ganze Theater mit dem Zauberstab nur für uns inszeniert wurde. Henrys Bruder war doch auch kein abnormer Junge", sagte der Vater des neuen Schülers.

Julius zuckte zusammen. Wenn sein Vater ihn als "abnorm" also "fehlkonstruiert" bezeichnen würde, hätte es bestimmt noch mehr Krach im Hause Andrews gegeben.

"Da können wir nichts dran ändern, Mr. Hardbrick. Es passiert nicht häufig, aber wenn dann eindeutig. Unsere Abteilung für Neuzugänge prüft jedes Vorkommnis drei- oder vierfach nach, eben um Fehler zu vermeiden. Henry ist ein Zauberer, auch wenn Sie und sein Bruder keine magischen Eigenschaften aufweisen. Ich kann Ihnen helfen, damit fertigzuwerden, aber nicht, es zu ignorieren. Mr. Ollivander hat auch einen gewissen Stolz. Er würde keinem Schulanfänger einen Zauberstab in die Hand geben, bei dem er nicht gewisse Grundfähigkeiten erkennen würde. Dafür sind seine Zauberstäbe zu bekannt, als sie zu verschwenden", antwortete Cynthia Flowers mit der Sachlichkeit der erfahrenen Betreuerin für Schulanfänger.

"Ich wette mit Ihnen zehn Ihrer Galleonen zu einer, daß Henry kein Vierteljahr bei Ihnen zubringen wird. Dann werden Sie erkennen, daß Ihre Prüfungsmethoden eben doch fehlerhaft sind", sagte die Mutter des Jungen mit herrischer Betonung. In diesem Moment stubste Mrs. Dione Porter Julius an.

"Wir müssen, junger Sir!"

Julius sah zu, wie sich Mrs. Jane Porter und Gloria mitFlohpulver davontransportierten. Die hitzige Debatte am Tisch der Eltern des neuen Schülers erstarb, weil die drei zusehen wollten, was passierte, weshalb ein Kamin plötzlich eine smaragdgrüne Feuerwand bis zur Decke produzierte und wieso zwei Menschen, eine Großmutter und ihre Enkeltochter mit lautem Rauschen darin verschwanden. Julius sah sich kurz um, setzte die Miene eines Zirkusdirektors auf, der die größte Sensation der Vorstellung ansagen will, trat lässig ins smaragdgrüne Feuer, das für ihn wie eine warme Brise war und sagte deutlich: "Palast von Plinius!"

Mit einem lauten Wuuusch verschwand der Schankraum des tropfenden Kessels in einem Wirbel vorbeiflitzender Kamine.

Ohne Schwierigkeiten hüpfte Julius nach Abebben des Flohpulver-Wirbels aus dem Kamin der Porters. Eine halbe Minute später traf auch Mrs. Dione Porter ein.

"Die haben dich angesehen, als wenn du explodieren würdest", grinste die sonst sehr ruhige Mutter Glorias.

"Mit dem Burschen kriegen die nächstes Jahr viel Spaß, die ihn zugeteilt bekommen", seufzte Julius.

"Wieso? Der macht doch nichts anderes als was du gemacht hast", erinnerte ihn Gloria sachlich an seine ersten Wochen in Hogwarts.

"Nur mit dem kleinen Unterschied, daß ich zumindest eingesehen habe, daß ich zaubern kann. Ich habe das dumpfe Gefühl, der versucht, sich bei allen als unbelehrbarer Muggel zu verkaufen, um zu seinen Eltern zurückzukommen. Wenn ich schon das Wort "abnorm" höre, dreht sich mir schon der Magen um. Der Typ hat einen älteren Bruder, der ein Muggel geblieben ist. Dann hat der jeden Grund, sich möglichst schnell aus der Zaubererwelt zu verabschieden, um nicht andauernd als Mutant oder Monster getriezt zu werden, Gloria. Das ist eine völlig andere Kiste, als bei mir."

"Dann wollen wir hoffen, daß er entweder schnell erkennt, was für ein schönes Leben er haben wird, wenn er seine Zauberei anerkennt oder zu den Slytherins kommt, damit die seinetwegen Punkte abgezogen kriegen", bemerkte Gloria gehässig.

"Der landet nicht bei den Slytherins. Falls doch, dann darf er für die Sandsack und Blitzableiter spielen. Du weißt ja noch genau, wie die Slytherins Muggelgeborene nennen?"

"Themenwechsel!" Bellte Mrs. Dione Porter und sah Julius vorwurfsvoll an. "Hauptsache du weißt endlich, wohin du gehörst."

"Davon können Sie ausgehen, Mrs. Porter", erwiderte Julius beinahe kleinlaut.

Nifty hatte den Auftrag, mit dem Abendessen zu warten, bis Mr. Porter von seiner Überseereise zurückgekehrt sein würde. So dauerte es noch bis acht Uhr abends, bis ein lautes Rauschen im Kamin des Wohnzimmers verriet, daß der Hausherr persönlich heimgekehrt war. Mr. Porter trat aus einem Wirbel grüner Funken und wehender Asche heraus und hüpfte aus dem Kamin. Er trug einen hellbeigen Reiseumhang und einen dito Hut wie eine Melone. Der Zauberer, welcher für die Zaubererbank Gringotts Bodenschätze und deren Förderung überprüfte, machte einen geschafften Eindruck, wenngleich der Südamerika-Aufenthalt ihm eine dunkle Bräune verabreicht hatte.

"Guten Abend zusammen", grüßte Mr. Plinius Porter die auf ihn wartende Hausgemeinschaft leicht müde klingend. Dann trat er erst auf seine Mutter zu, umarmte sie und küßte sie auf die Wange. Dann begrüßte er seine Frau noch herzlicher. Gloria reichte er die Hand zum Gruß. Dann wandte er sich Julius Andrews zu.

"Willkommen in Plinius' Palast, Mr. Andrews. Ich sehe, Sie hatten nach unserem Besuch in Millemerveilles viel gutes Wetter und reichlich zu essen. Sie sehen sehr erholt aus." Dann klopfte er Julius kräftig auf die Schultern.

"Nifty, in zwanzig Minuten möchten wir zu Abend essen!" Rief Dione Porter dem Hauselfen zu. Dieser apparierte kurz und bestätigte die Anweisung mit einer tiefen Verbeugung vor Mr. Porter.

"Nifty, hol mir erst den Weltzeit-Trank!" Forderte Mr. Porter. Der Hauself nickte und disapparierte kurz, um keine halbe Minute später mit einer goldenen Flasche mit einer stilisierten Zeigeruhr auf dem Etiket zurückzukehren. Mr. Porter ließ sich ein Schnapsglas voll mit dem durchsichtig goldenen Gebräu füllen, bedankte sich kurz bei Nifty und stürzte den Trank in einem Schluck hinunter. Keine Sekunde später schien es, als würde Mr. Porter von einem Kälteschauer durchgeschüttelt. Dann sagte er:

"Alles in Ordnung. Ich bin wieder auf britische Zeit eingestellt. Den Malaria-Schutztrank habe ich ja schon regelmäßig geschluckt. Ich suche kurz die Dusche auf, kleide mich um und bin dann wieder bei euch", führte Mr. Porter aus. Dann verließ er den Wohnraum.

"Flohpulvern zwischen zwei Kontinenten ist heftig. Ich habe das zweimal erlebt, als ich in Australien war", wußte Julius zu bemerken. Gloria nickte.

"Ich ziehe den fliegenden Holländer vor, wenn ich für länger wegfahren will", sagte sie.

"Dieses Geisterschiff?" Fragte Julius. Dann lachte er, als er die verblüfften Gesichter der drei weiblichen Porters sah.

"Das hatten wir schon, richtig, Honey?" Grinste Mrs. Jane Porter amüsiert.

"Weil Sie damals behaupteten, meine Eltern würden nur durch die Gegend apparieren", versetzte Julius ebenfalls amüsiert grinsend.

"Vielleicht solltest du dir für die nächsten Ferien vornehmen, mit uns eine Tour in die Staaten zu unternehmen", schlug Gloria vor. "New Orleans ist eine interessante Stadt, gerade für Zauberer und Hexen."

"Na klar, wegen der Zombies und Voodoo-Puppen", gab Julius einen gehässigen Kommentar von sich. Mrs. Jane Porter sah ihn lauernd an. Dann fragte sie:

"Interessiert dich Voodoo?"

"Solange ich nicht darunter zu leiden habe. Aber ich würde nicht damit irgendwem etwas anhexen wollen, solange ich keinen äußerst triftigen Grund dazu hätte", antwortete Julius.

"Du hast recht, daß es schon etwas faszinierendes ist, wenn sich eine uralte Magie Afrikas mit Einflüssen europäischer Zauberei verbindet. Aber es gab in Amerika genug Voodoo-Lords und -Ladies, die nicht nur für die Zaubererwelt eine große Bedrohung darstellten. Doch neben dem schwarzmagischen Teil dieser Zauberei gibt es auch viele nützliche Möglichkeiten, wie Fernheilung, Kraft- und Gedankenübertragung, sowie die Nutzung der Elementarkräfte, mit denen Feuer, Wind, Wasser, Erde und das, was Muggel als Elektromagnetismus bezeichnen. Außerdem gibt es in einem Bereich des weißmagischen Voodoo sogar Sonnenlicht-Ausnutzung für Schutz- und Heilzauber. Ich gehe davon aus, daß dir das ein Begriff ist."

"Darüber hatte ich es erst vor fünf Tagen, Mrs. Porter. Ich erwähnte die schamanistischen Gebräuche zur Nutzung der Sonne und gab auch an, daß diese sich in afrikanischen und polynesischen Zaubereien immer noch großer Beliebtheit erfreuen."

"Wollte doch sagen, Honey. Das steht nämlich auch in deinem Buch über die Magie des Sonnenfeuers", erinnerte sich Mrs. Jane Porter daran, woher sie dieses Wissen hatte und das Julius diese Kenntnisse ja selbst in einem kurzen Vortrag erwähnt hatte.

Als Mr. Porter geduscht und in einen warmen roten Wollumhang zurückgekehrt war, aßen die Porters und ihr Gast zu Abend. Julius durfte neben Mr. Porter sitzen und ihm berichten, was er nach seinem Geburtstag in Millemerveilles erlebt hatte. Mr. Porter hörte interessiert zu. Dann fragte er:

"Dann denkst du, sind deine Sommerferien schon ziemlich gut verplant? Immerhin würden Madame Delamontagne, sowie Madame Dusoleil und ihre zweitälteste Tochter dich gerne wiedersehen, um mit dir ihren Leidenschaften nachzugehen."

"Ich weiß nicht, was in den nächsten Sommerferien möglich ist. Ich würde gerne wieder dorthin, weil ich da irgendwie gleichberechtigt war. Es war nicht wichtig, wer oder was meine Eltern sind, von ihrer Muggelstämmigkeit abgesehen. Aber ich denke, daß auch Madame Faucon mich gerne wiedersehen würde. Irgendwie habe ich das dumme Gefühl, daß sie mich gerne mit nach Beauxbatons genommen hätte."

"Da hättest du dich mit meiner Schwester Geraldine austauschen können. Die war da in der fünften Klasse und kam mit den Worten zurück: "Trotz gutem Essen ist Hogwarts doch besser." Aber Geraldine war immer schon etwas störrischer als der restliche Porter-Clan, was Mummy?"

"Ich kann mich nicht daran erinnern, daß du dich zu deiner Schulzeit besser benommen hättest als Geraldine. Der einzige Unterschied zwischen ihr und dir bestand darin, daß du immer besser im Ausredenerfinden warst, während sie gleich losgepoltert hat, wenn ihr etwas nicht paßte. Dein Talent hast du schließlich von mir, während sie ihres Vaters Energie abbekommen hat, Plinius", berichtete Mrs. Jane Porter. Dann fragte sie Julius mit erwartungsvollem Blick:

"Wieso kommst du darauf, daß Bläänch dich gerne in ihre Schule mitgenommen hätte, Julius?"

Julius schluckte hörbar und versuchte, durch Schweigen eine Antwort zu vermeiden. Doch der erwartungsvolle Blick der älteren Hexe mit dem graublonden Haar zwang ihn, eine Antwort zu geben:

"Weil sie mich so behandelt hat, als sei ich wie ein Neffe, den sie in ihre Obhut nehmen und umsorgen mußte. Sie war zwar streng und unerbittlich, aber nicht kalt und auf Abstand, wie ich es von einer Frau erwartet habe, die nur des Geldes oder eines Befehls wegen auf mich aufpassen mußte. Außerdem wollte sie, daß ich möglichst viel von ihren Anstandsregeln lernte und auch von ihrem Wissen mitbekam, zumindest das, was für Zweitklässler bestimmt war."

Julius unterließ es, zu sagen, daß sie ihn für kultivierter hielt als Jungen in seinem Alter es sonst zu sein schienen und er sich dadurch ohne Einschmeicheln Pluspunkte bei ihr eingehandelt hatte, wenngleich sie ihm nie ein heftiges Lob ausgesprochen hatte, sondern ihn nur bestärkte, sich weiterhin so anzustrengen wie bisher. Madame Dusoleil war da anders. Sie scheute sich nicht, ihn für gute Antworten oder Kenntnisse zu loben und ihn anzuspornen, indem sie ihn dazu brachte, Dinge zu tun oder zu sagen, die er sich bis dahin nicht getraut hatte.

"Vielleicht will sie haben, daß ein Zauberer aus einer Familie von Muggeln von vorne herein lernt, wie er sich mit seinen Fähigkeiten so verhält, wie sie es für richtig hält", vermutete Mr. Porters Mutter tiefgründig lächelnd. Julius wagte keine Antwort darüber zu äußern.

Nach dem Abendessen machten die Porters und Julius Hausmusik. Mr. Porter spielte Klarinette, Mrs. Jane Porter Oboe, Mrs. Dione Porter spielte auf dem großen Flügel, der in dem Musikzimmer des Porter-Hauses stand, Gloria und Julius spielten Flöte.

"Alles wie gehabt", dachte Julius, als sie es schafften, ohne Mißklang und Taktholperer zusammenzuspielen.

Um elf Uhr gingen die Porters und ihr Gast zu Bett. Julius las noch ein wenig in seinem neuen Buch über exotische Sträucher der Provence, das so begeisternd und kurzweilig geschrieben war, wie Camille Dusoleil wirklich war. Julius dachte sogar schon jetzt darüber nach, daß er in der nächsten Jahresendprüfung eine der hier geschilderten Pflanzen erläutern würde, falls Professor Sprout ihn wieder um eine selbsterlernte Probe seines Wissens bitten sollte. Um Mitternacht befahl er dem magisch ferngesteuerten Kronleuchter, sich zu verdunkeln und drehte sich zum schlafen um.

Die nächsten Tage verflogen fast wie in einer Stunde, fand Julius. Wie jeden Morgen weckte ihn Immaculata, die gemalte Haushälterin, um acht Uhr. Dann gab es Frühstück, bei dem die Meldungen aus dem Tagespropheten laut vorgelesen wurden, immer abwechselnd. Tagsüber war Mr. Porter entweder in seinem Büro bei Gringotts, wo er die Ergebnisse seiner Inspektionsreisen zusammenfaßte oder arbeitete in seinem Studierzimmer in seinem Haus, so daß Julius ihn fast nur zu den Essenszeiten zu sehen bekam. Einmal jedoch trieb es ihn um und er wagte es, an die Tür des Studierzimmers zu klopfen, als dort nicht das magisch leuchtende Schild "Bitte nicht stören" zu lesen war. Mr. Porter hatte "Herein!" gerufen, und Julius hatte sich getraut, den Hausherrn in seinem Arbeitsraum zu besuchen.

Mr. Porter räumte die Tabellen und Wertschätzungs-Listen in seinen magisch verschließbaren Schreibtisch und bot Julius einen bequemen Stuhl ihm gegenüber an. Dann fragte er, was Julius wünsche. Julius fragte:

"Als ich in Gringotts war, lagen in meinem Verlies wesentlich mehr Galleonen, Sickel und Knuts als meine Mutter durch ihren Verkauf von Edelsteinen erwartet hatte. Wie kommt sowas?"

"Nun, ich habe dir und deinen Eltern ja die Umrechnungstabellen geschickt und auch vorgeschlagen, kein Geld-zu-Geld-Tauschverfahren zu nutzen, da die Kurse eher zu Ungunsten des Muggelgeldes ausfallen würden. Das liegt, wie ich ja geschrieben habe, an Vereinbarungen mit den Kobolden, die als Folge der letzten offenen Kobold-Aufstände getroffen werden mußten. Edelsteine, Edelmetalle und Schmuckstücke sind im Umtausch risikoloser, weil Gesetze dies verbindlich festlegen, wieviele Galleonen pro Karat eines Rohedelsteines oder Edelmetallerzes bezahlt werden müssen. Jetzt kommt es aber auch darauf an, wieviel Arbeit in die Anfertigung von Juwelen gesteckt wurde. Da kann es sogar für Muggel gewinnbringend sein, Schmuckstücke aus maschineller Fertigung oder technisch hochwertiger Verarbeitung zu verkaufen. Wenn man dies bei Gringotts direkt tut, können Gewinnspannen bis dreihundert Prozent des Einkaufspreises erzielt werden. Wenn man aber, was Ms. Flowers und deine Mutter auf meinen bescheidenen Hinweis hin getan haben, Edelsteine oder daraus gefertigte Schmuckstücke auf internationalen Preziosenmärkten anbietet, können bei feingeschliffenen Edelsteinen und Gold mit sehr hohem Feingehalt Gewinnspannen bis zu 1000 Prozent des ursprünglichen Einkaufspreises erwirtschaftet werden. Wenn man dann noch Einzelstücke, also keine einfach nachzufertigenden Stücke anbietet, können es sogar 2000 Prozent werden. Im Klartext heißt das: Wenn du Schmuckstücke aus Muggelfertigung für 10 Galleonen kaufst und auf dem internationalen Schmuckmarkt durch einen erfahrenen Händler, der auch vertrauenswürdig ist, gewinnbringend versteigern läßt, kannst du 200 Galleonen zusätzlich herausholen. Da ich, wie du dir wohl gerade gedacht hast, mit Ms. Flowers diesen Handel durchgeführt habe, ohne direkt in Erscheinung zu treten, weiß ich, daß deine Zukunft in unserer Welt zunächst einmal gesichert ist. Ich denke jedoch, daß du einen einträglichen Beruf ergreifen wirst, wenn du deine Noten hältst und einen guten UTZ-Abschluß schaffst, was ich auch von Gloria denke."

"UTZ?" Fragte Julius.

"Unheimlich toller Zauberer. Das ist der höchste Abschluß, den du in Hogwarts erreichen kannst. In unserer Familie hat den jeder geschafft, wobei sich da schon herausgestellt hat, wer wo arbeiten wird. Ich zum Beispiel kam gut in Arithmantik und magischer Mineralogie weg, während Dione eine gute Zauberrtrankbrauerin und Kräuterkundeexpertin ist, ebenso wie meine Mutter, die es aber dazu noch mit der Geschichte und der Verteidigung gegen die dunklen Künste hatte."

"Oha, dann darf ich wohl auch nach Hogwarts Hexen und Zauberern Tips zur Schönheitspflege geben, wenn ich von meinen Noten ausgehe, falls man Snapes Drei als eine Eins ansieht", seufzte Julius.

"Dafür hast du, denke ich, die falschen Kontaktpersonen kennengelernt, um ältlichen Hexen Abspecktränke, Faltenglättungselixiere oder eitlen Zauberern Glatzenbann-Tropfen zu verkaufen. Wenn ich das an deinem Geburtstag richtig mitbekommen habe, sähe dich Ms. Dawn gerne in der magischen Heilkunde oder kräuterkundlichen Forschung. Was Madame Dusoleil angeht, so weiß ich nicht, ob sie dich nicht schon auf ihrer Personalliste vorgemerkt hat, so wie du mir das erzählt hast. Aber wie gesagt, Julius: Ich weiß, was du in deinem Verlies deponiert hast. Ich bin jedoch als Bankangestellter zum Stillschweigen verpflichtet, auch meiner Familie gegenüber. Es wird also keiner was erfahren, wenn du dies nicht selbst preisgibst."

"Am Anfang des Jahres wußte ich nicht, wie ich die sieben Jahre schaffen soll, weil man mir Geld vorgeschossen hat, und jetzt muß ich aufpassen, nicht vom Boden abzuheben, weil ich das Geld in großen Säcken raustragen kann. Irgendwer hat mal behauptet, daß mehr Geld als zum Leben nötig ist, den Charakter verderben kann. Ich hoffe, mich davor hüten zu können."

"Ich bin trotz meiner guten Anstellung immer derselbe geblieben. Sicher, ich muß nicht groß überlegen, ob ich Komfortzauber einbauen lassen soll oder nicht oder ob ich mich an einem Flugbesen für einen mir relativ unbekannten Jungzauberer beteiligen kann. Aber meine Freunde sind immer noch dieselben, und ich achte schon darauf, nicht falschen Freunden aufgesessen zu sein oder mit übergroßzügigen Gesten zu prahlen."

"Ich wollte ja nur wissen, wie es kommt, daß ich soviel Zaster im Keller habe", beschloß Julius das Thema.

"Hätte mich auch gewundert, wenn du mich nicht gefragt hättest, wo du davon ausgehen mußtest, daß ich der einzige greifbare Experte für solche Dinge bin."

Mr. Porter unterhielt sich Mit Julius noch über ertragreiche Fundorte und diskutierte mit seinem Gast den Wert von Petroleum und Uran, sowie elektronischen Bauteilen.

"Was die natürlichen Schätze angeht, so gibt es Zauberpflanzen, die durchaus mit Gold aufgewogen werden können. Das gilt auch für Bestandteile magischer Tiere, wie Einhörner, Drachen oder Seeungeheuern). Was die technischen Bauteile der Muggel angeht, so gibt es auch in unserer Welt Gegenstände, die aus wertlosem Material gefertigt wurden, aber wegen ihrer magischen Bearbeitung und Anwendbarkeit hundertmal soviel wert sind wie das Material, aus dem sie geschaffen sind. Allerdings gelten hier die Handelsgesetze mit magischen Gegenständen, sowie das Verbot zur Bezauberung von MuggelartefaktenWenn ich das richtig mitbekommen habe, schwehlt derzeit ein Streit zwischen einem orientalischen Händler und unserem Zaubereiministerium, weil der Händler fliegende Teppiche in Großbritannien einführen will. Gemäß unserer Vereinbarungen über die Bestimmung von Muggelartefakten sind Teppiche ebenso Muggelartefakte wie Fahrräder oder Autos."

"Achso", sagte Julius nur dazu.

nach einer Halben Stunde hatte Julius das Studierzimmer wieder verlassen und sich mit Mrs. Jane Porter über dunkle Geschöpfe und Fernflüche unterhalten, besonders darüber, wie man sich vor ihnen schützen konnte. Julius erfuhr dabei auch, daß es den Vampir Dracula, der in der Muggelwelt die bekannteste Horrorfigur in einem Roman darstellte, tatsächlich gegeben hatte, wenngleich die Geschichte doch etwas anders verlaufen war, als sie ein englischer Romanschreiber vor hundert Jahren ausgemalt hatte. Dann kamen sie noch mal auf die Dementoren von Askaban zu sprechen. Julius schaffte es, ohne direkt auf Madame Faucons Abneigung eingehen zu müssen, auf die frühere Bedeutung der Dementoren zu sprechen zu kommen und erfuhr, daß die gefürchteten Wesen mit der Kraft, glückliche Gefühle und Erinnerungen aus Menschen herauszusaugen, tatsächlich im Windschatten Voldemorts agierten.

"Dementoren sind nützliche Wächter, weil sie Fluchtgedanken derartig hemmen, daß man beinahe keine materiellen Hindernisse mehr benötigt, um Gefangene auf einem Fleck zu halten. Allerdings würde ich sofort allen in meiner Umgebung raten, sich gegen sie zu schützen, wenn der dunkle Lord Voldemort wiederkehren sollte", sagte Mrs. Jane Porter.

"Ich weiß, daß das ein heißes Eisen ist, daß nicht gerne angefaßt wird", begann Julius vorsorglich, "aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß der dunkle Lord wiederkommt?"

"zu groß, um seine Herrschaft als unerträglichen Zeitraum der Geschichte zu bezeichnen, der für alle Zeiten vorbei ist. Voldemort - du merkst, ich nenne ihn beim Namen, weil es nichts schlimmeres gibt als künstliche Ängste vor etwas, daß schon furchtbar genug ist - hat sich die schlimmsten schwarzen Fähigkeiten antrainiert, zu denen auch das Wandeln ohne Körper gehört, sowie die Inbesitznahme anderer Lebewesen."

"So werden in der Muggelwelt Dämonen geschildert", fiel es Julius ein.

"Richtig. Die meisten Dämonen waren oder sind Zauberer, die sich durch ihr dunkles Treiben zu weit vom menschlichen Dasein entfernt haben, um noch als Menschen bezeichnet zu werden. Voldemort ist einer von ihnen. Gloria hat erzählt, daß du nicht besonders beeindruckt warst, als einer eurer Mitschüler sich erschreckt hat, weil sie den Namen des angeblich unnennbaren Schwarzkünstlers aussprach."

"Die Leichtigkeit des Unwissens, Mrs. Porter", warf Julius ein, mit Reue in der Stimme.

"Mag sein. Aber den Terror des dunklen Lords können so oder so nur die nachvollziehen, die ihn hautnah erlebt haben. Wenn ich mich nicht irre, hat es in der Muggelwelt mehrere große Kriege gegeben, bei denen mörderische Waffen eingesetzt wurden. Hast du etwa mehr Angst vor giftigen Nebelschwaden oder zerstörerischen Strahlenbomben, von denen mir Gloria erzählt hat, nur weil du weißt, wie sie wirken?"

"Ich muß zugeben, daß mich diese menschlichen Taten trotz des Zerstörungswahnsinns sehr faszinierten."

"Weil du es eben nicht mitbekommen konntest, wie sich derlei Mordgeräte auf davon betroffene Menschenmengen ausgewirkt haben. Ähnlich ist es mit der Terrorherrschaft Voldemorts. Die meisten Hexen und Zauberer nennen seinen Namen nicht, weil sie Angst vor seinen Anhängern haben oder auch Angst davor haben, von anderen Zauberern bestraft zu werden, die wirklich unter ihm zu leiden hatten.

Die Gefahr besteht, daß der dunkle Lord wiederkommen kann und seine Herrschaft erneut zu errichten versucht. Wir können nur hoffen, daß seine Anhänger alle mit ihrer eigenen Macht zu sehr beschäftigt sind, um ihm bei der Rückkehr zu helfen."

Julius hatte dieses Gespräch mit Glorias Großmutter sehr nachdenklich gemacht, jedoch auch in seinem Willen bestärkt, jetzt erst recht alles zu lernen, was er in Hogwarts lernen konnte. Denn wie seine französische Gastmutter, die hochangesehene Beauxbatons-Lehrerin Blanche Faucon, einmal gesagt hatte: Er war über eine Schwelle getreten, über die er nicht mehr zurückgehen konnte. Seine Eltern hatten, das hatte er selbst erfahren, alle Brücken in die Muggelwelt zerstört, die er noch hätte gehen können. Also mußte er sich genauso wie die reinblütigen Zauberer und Hexen darauf einrichten, mit den Problemen, Freuden und Schrecken der Zaubererwelt fertigzuwerden.

Glorias Großmutter hatte nicht nur wertvolle Tips zum Umgang mit dunklen Kräften für Julius übrig, sondern erwies sich auch als schöpferische Zauberkünstlerin. Sie hatte erfahren, daß Julius mit Ton umgehen konnte und auch die Farbpalette bewundert, die er von Madame Faucon zum Geburtstag bekommen hatte. So brachte sie den Jungen dazu, mit ihr zusammen einige Figuren aus Ton zu formen, die mit Glasurfarbe aus der Palette bemalt wurden. Auf diese Weise formte Julius ein Einhorn und einen gedrungenen Drachen mit zwei Reihen Dornen auf dem gepanzerten Rücken und einem Dreizackschwanz. Das Maul war spitz wie der Schnabel eines Raben, jedoch mit zwei Reihen kunstvoll herausgearbeiteter Fangzähne und einer gespaltenen Schlangenzunge besetzt. Julius hatte das Vorbild aus seinem Drachenbuch: Den bretonischen Blauen, eine in Nordfrankreich häufig anzutreffende Drachenart.

"Das ultimate Werk eines Zauberkunstwerks ist seine Lebendigkeit, Julius", belehrte Mrs. Jane Porter den Hogwarts-Schüler. "Zwar kann ich den bretonischen Blauen nicht mit der Wildheit und Aggression versehen, die sein lebendes Vorbild auszeichnet, aber ich kann ihm gewisse Grundfähigkeiten geben, das er die Körperhaltung verändern kann und sich der Tageszeit entsprechend verhält."

"Granny, das hast du für mich mal gemacht", erinnerte sich Gloria, die staunend dabeigesessen hatte, als Julius den Drachen detailgetreu nachmodelliert hatte.

"Richtig, Honey. Ich hatte dir einen Tonkrug mit kleinen Meerjungfrauen gemacht, die in dem Krug herumschwimmen konnten, solange Wasser in ihm war. Hast du den eigentlich noch?"

"Der Globus von Dad nahm zuviel Platz ein, Granny. Deshalb schlafen die Nixen jetzt in ihrer Vase auf dem Dachboden."

"Okay, Honey! Wir malen die Figuren noch an, dann kann ich, falls du dies willst, die eingeschränkte Animation ausführen", wandte sich Jane Porter an Julius. Dieser nickte.

Dem Einhorn gaben sie ein blütenweißes Fell und ein goldenes Horn. Dem Drachen verpaßte Julius den stahlblauen Farbton, wie er ihn bei dem Bild in seinem Buch gesehen hatte und färbte die Zunge gräulich-rot ein. Nach einem Erhärtungszauber, der wesentlich einfacher war als das Brennen mit Hilfe des Erhitzungszaubers, den Julius und Gloria letztes Jahr für ein Geschenk Pinas verwendet hatten, murmelte Mrs. Jane Porter mehrere Formeln, wobei sie sanft und flüchtig die Gliedmaßen und Köpfe der Figuren, das Bauchstück und das Hinterteil berührte. Unvermittelt glühte es erst aus dem Einhorn grünlich auf. Das kleine Tier begann, sich zu strecken, seinen gehörnten Kopf zu heben und die Augen zu bewegen. Dann trabte es los, einen Meter über den Tisch, beschrieb einen Bogen und galoppierte dann wieder zurück. Julius staunte, wie die Mähne und der Schwanz des Tieres in den Bewegungen wehten, als wenn sie nicht aus Ton, sondern aus Seide gemacht worden wären. Dann bezauberte Mrs. Porter den Drachen, der ungefähr ein hundertstel so groß war wie das lebende Vorbild.

"Hoffentlich spuckt der kein Feuer", unkte Gloria, als nach dem grünlichen Glühen das modellierte Ungeheuer sich kerzengerade auf seinen Hinterbeinen aufrichtete, wobei der dreizackige Schwanz ruhig das Gleichgewicht auspendelte. Dann riß das Tonmonster sein spitzes Maul auf und züngelte wie eine Minischlange umher, wobei seine Flügel sich sanft bewegten. Dann ließ sich der kleine Drache auf seine Vordertatzen niedersinken und schritt ebenfalls einen Meter nach vorne und wieder zurück, wobei sein Schwanz waagerecht zur Tischplatte ausgerichtet blieb.

"Fliegen kann er nicht?" Fragte Julius.

"Dieser Zauber ist eine Einschränkung. Es gibt die Möglichkeit Nachbildungen lebendiger Wesen auch wie ihre Vorbilder handeln und sogar mit anderen sprechen zu lassen. Aber das berührt schon die Grenze des Erlaubten. Bei Schachfiguren ist das noch zulässig. Aber bei Tonfiguren reicht es aus, sie etwas lebendiger wirken zu lassen, aber nicht wie ihre Vorbilder. Deshalb kann jede dieser Figuren nur einen engen Bereich erlaufen. Wenn du nicht willst, daß sie herumgehen oder sich verränken, stecke sie einfach in eine dunkle Kiste. Dann kringeln sie sich ein, legen sich hin oder nehmen ihre sonstige natürliche Schlafhaltung ein und sind dann wie ganz normale Tonfiguren starr und unbeweglich, bis sie eine Minute im Licht stehen", erläuterte Glorias Großmutter. Dann verriet sie noch, daß die Zauberfarbe den Animationsvorgang noch begünstigt hatte.

"Mal bloß keine Bilder, die die Gemälde in Hogwarts durcheinanderbringen!" Forderte Gloria von Julius. "Betty und Jenna fänden das zwar lustig, aber nicht, wenn Filch dich deswegen auf dem Rost grillt."

"Ich werde mir das Buch über Zaubermalerei gründlich durchlesen", beruhigte Julius die Schulfreundin. Dann faßte er vorsichtig den Drachen und legte ihn in eine kleine Schachtel, aus der er den Ton genommen hatte. Dasselbe tat er mit dem Einhorn, wobei dieses ihn fast mit seinem Horn gepiekt hätte.

Die nächsten Tage vergingen mit langen Unterhaltungen über verschiedene Formen der Magie. Julius ließ sich von Mrs. Jane Porter an Gruselgeschichten erinnernde Abenteuer und Begebenheiten schildern, in denen von magischen Tiefschlaf unter Extrembedingungen, Totenbeschwörungen oder Massenbeeinflussung mittels magischer Tänze und Gesänge, sowie Zauber zur Beeinflussung der Naturkräfte die Rede war. Julius zweifelte einmal daran, daß all diese Geschichten wahr sein konnten. Mrs. Jane Porter führte ihm daraufhin den kreolischen Traumgesang vor, der ihn innerhalb weniger Sekunden in einen beinahe ohnmächtigen Dämmerzustand versetzte. Als sie ihn wieder daraus erweckte, sagte sie noch:

"Wenn du diese Melodie und Rhytmen hörst, Honey, solltest du dich mit einem Schallschutz-zauber oder einem starken Gegenfluch schützen, weil dieser kreolische Gesang auch den Tod oder die geistige Unterwerfung bedeuten kann."

Mrs. Dione Porter führte Julius diverse magische Methoden zur Haarpflege vor, zeigte ihm Elixiere, mit denen sich Männer Bärte ohne Rasiermesser entfernen oder Frauen die Haare an Armen und Beinen loswerden konnten und probierte mit ihm einige der Tinkturen aus, die in Auroras Buch zur Tinkturenherstellung erwähnt wurden. Alles in allem verliefen die letzten Ferientage vor Beginn des neuen Schuljahres sehr kurzweilig für Julius.

Nach den letzten Ferientagen im Hause der Porters brachte Mr. Porter Gloria und Julius mit einem Gringotts-Wagen zum Bahnhof Kings Cross. Seine Frau und seine Mutter begleiteten ihn.

Auf dem Bahnsteig 9 3/4 trafen sich Gloria, Julius, die Hollingsworths, Kevin, Gilda und Pina und fanden, weil sie sehr früh angekommen waren, ein großes Abteil, wo sie alle hineinpaßten. Kevin hatte noch mal die Ausgabe des Tagespropheten nach dem bedauerlichen Vorfall bei der Quidditch-Weltmeisterschaft dabei. So hatten sie während der Fahrt genug zu diskutieren.

"Diese Rita Kimmkorn dreht heftig auf", stellte Julius fest. "Sie tut gerade so, als sei das alles ohne Probleme abzusichern gewesen. Ich habe mal ein Spiel zwischen Chelsea London und dem FC Liverpool gesehen. Da standen hunderte von Polizisten auf den Zuschauerrängen, nur um die aufgedrehten Fans auseinanderzuhalten. Es gab zwar keine Prügelei, aber toll war das nicht, daß wir alle so scharf bewacht wurden, muß ich sagen. Wenn die das bei der Quidditch-Weltmeisterschaft getan hätten, wäre die Stimmung total zerstört worden."

Betty und Jenna, die gegenüber von Julius und Gloria saßen, sahen sich kurz an, dann sagte Jenna:

"Unsere Mum hat uns gewarnt, uns nicht mit ihr zu unterhalten, wenn wir sie sehen. Sie würde aus belanglosen Worten große Gefühlsausbrüche machen und gerne nach schlüpfrigen Geschichten wichtiger Leute suchen."

"Gut zu wissen", murmelte Julius, der diesen Typ Reporter gut zu kennen glaubte.

Auf einer anderen Seite der Zeitung stand ein kurzer Bericht, wer wichtiges bei dem Endspiel dabeigewesen war. Julius las leise, daß zum Dank für eine großzügige Spende an das St. -Mungo-Hospital für magische Verletzungen und Krankheiten Mr. Lucius Malfoy mit Familie in der Ehrenloge sitzen durfte. Dann klappte er die Zeitung wieder auf die Seite um, auf der die Ausschreitungen der sogenannten Todesser in schillernden Farben beschrieben wurden.

Ungebeten öffnete ein blaßgesichtiger Junge mit strohblondem Haar die Abteiltür und sah herablassend in die Runde der Insassen. Sein Blick traf Julius und die aufgeschlagene Zeitungsseite. Ein feistes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus und verlieh ihm noch mehr Überheblichkeit als er sonst schon zur Schau trug. Links und Rechts bauten sich zwei klobige Gestalten mit übermäßiger Muskelmasse und breiten Nacken auf, die dümmlich grinsten, als der blaßgesichtige Junge mit schleppender Stimme sagte:

"Mußt dich wohl schlaulesen, Schlammblut. Nach der Isolation bei den Muggeln bist du wohl nicht auf dem neusten Stand, wie?"

Julius blieb äußerlich ruhig, und auch innerlich kam keine Wut oder Angewidertheit auf. Die Mädchen sahen den ungebetenen Störer an und verzogen die Gesichter zu Fratzen des Abscheus. Kevin lief vor Wut rot an.

"Ja, du hast recht, Draco. Ich muß die Nachrichten der letzten Monate nachholen. Ich lese gerade, daß sich dein Vater mordsmäßig amüsiert hat bei der Weltmeisterschaft."

Draco Malfoy, der arrogante Slytherin-Junge, sowie seine einfältig wirkenden Anhängsel Crabbe und Goyle verzerrten ihre Gesichter zu bösartigen Fratzen. Malfoy schnaubte:

"Da steht nichts drin, daß mein Vater was mit dem Spiel mit den Muggeln zu tun hat. Denkst du, mein Vater würde sich bei so was erwischen lassen?"

"Oh, da hast du was mißverstanden, Draco", erwiderte Julius ganz ruhig, eher bedauernd. Dann schlug er die Seite um und las kurz den Artikel über die Ehrengäste des Finalspiels vor. Er deutete auf die Fotografie der Ehrenloge, wo man neben den vielen gleichaussehenden Jungen, die wohl zur Weasley-Familie gehörten, Draco Malfoy und seine Eltern erkennen konnte.

"Ich meinte den Artikel hier, Draco. Oder hat sich dein Vater etwa nicht beim Finale amüsiert? Das täte mir leid", sagte Julius mit etwas Bedauern in der Stimme. Draco Malfoy schluckte hörbar und lief leicht rosa an. Sein übergewichtiger Doppelschatten, Crabbe und Goyle, blickte verdutzt drein, als hätten ihre Gehirne eine Botschaft in einer fremden Sprache aufgenommen und müßten diese in Klartext übersetzen. Draco Malfoy selbst stand irritiert da, dann warf er sich wieder in eine überlegene Pose und grinste wieder überheblich.

"Aber dafür weißt du nicht, was dieses Jahr in Hogwarts los ist, Muggelbalg. Das wissen nur die, die beste Beziehungen haben, wie mein Vater."

"Hmm, Draco, lass mich mal nachdenken. - Aja, du meinst das internationale Großereignis, an dem drei Zauberschulen beteiligt sind?"

Draco Malfoy fuhr zusammen, als habe ihm ein Unsichtbarer einen saftigen Schlag in den Magen versetzt. Julius zeigte keine Regung, daß er diesen Volltreffer genoß und hakte nach:

"Beauxbatons, Durmstrang und Hogwarts veranstalten die Sache zusammen. Tja, wenn ich mich wie du auf meinen Vater verlassen würde, bekäme ich tatsächlich nichts mit, Draco."

Malfoy zischte seinen Begleitern zu, abzurücken und warf wortlos die Abteiltür zu.

Kevin wartete eine halbe Minute, bis man Dracos schleppende Stimme anderswo wieder tönen hörte, dann klopfte er Julius mit voller Wucht auf die Schulter.

"Das war der absolute Volltreffer, Julius. Der Typ ist doch sowas von blöd. Erst läßt er sich von dir dazu hinreißen, zu zeigen, daß sein Vater bei diesen Randalierern dabeiwar, ohne daß du das mit einem Wort angedeutet hättest. Dann ziehst du ihm auch noch den Boden für seinen großen Auftritt weg. Heftig", freute sich der irische Bettnachbar von Julius Andrews.

"Ist Muggelbalg schlimmer oder netter als Schlammblut?" Fragte Julius. Gloria sah ihn sehr mißbilligend an. Dann lachte sie, und die Hollingsworth-Schwestern lachten auch.

"Wo lernt man so eine tolle Selbstbeherrschung?" Fragte Gilda Fletcher, als sie sich aus ihrem Lachkrampf befreien konnte.

"Wenn man erst das Maul weit aufreißt, bis einem einer eine Faust reinsteckt und man feststellt, daß man durch ein freundliches Lächeln selbst die größten Spötter aus dem Tritt bringen kann. Wie bereits erwähnt: Meine Eltern sind in der Muggelwelt nicht unwichtig, und ich als kleiner Junge habe damit gerne angegeben, bis ich merkte, daß sie zu weit wegwaren, um immer auf mich aufzupassen. Mr. Malfoy hat das noch nicht geblickt, und sein Dinosaurier-Duo erst recht nicht."

"Was genau ist denn das große Ereignis, das Malfoy als so einzigartig gesehen hat, daß er damit prahlen konnte?" Fragte Jenna Hollingsworth ganz ruhig. Alle sahen Julius an. Dieser lief leicht rosa an vor Verlegenheit. Dann sagte er:

"Das, was ich Mr. Mein-Daddy-ist-der-Größte gerade aufgetischt habe, ist bereits alles, was ich weiß. Ich kann nur vermuten, daß wir entweder ein internationales Schul-Quidditch-Turnier miterleben dürfen oder was, was bei den Muggeln "olympische Spiele" heißt, eine Sportveranstaltung zwischen Zauberern."

"Soso, Julius. Jetzt weiß ich, was Granny versucht hat, zu unterdrücken. Die wollen das trimagische Turnier in Hogwarts neu aufleben lassen", sprach Gloria sehr leise und betont. Schlagartig trat im Abteil Stille ein. Kevin und Julius sahen die Klassenkameradin mit Anerkennung an, während die Hollingsworths, Pina und Gilda nicht wußten, was eigentlich vorging.

"Habe ich mir doch sowas gedacht", sagte Julius nach zwei Minuten Schweigen. Dann fragte er Gloria, was denn das sei, das trimagische Turnier. Leise, damit außerhalb des Abteils niemand was hören konnte, berichtete sie, was sie in einem Buch über die Geschichte magischer Spiele und Sportarten gelesen hatte und endete damit, daß seit über hundert Jahren kein trimagisches Turnier mehr stattgefunden hätte, weil die Todesrate der Teilnehmer zu groß geworden war.

"Wenn die drei Schulen sich jetzt wieder zusammengetan haben, wollen sie wohl einen neuen Versuch starten. Aber pssst! Wenn das so ist, sollten wir den Anderen die Überraschung nicht verderben!"

"Dann fällt unser Quidditch-Turnier wohl in den großen See", maulte Kevin. Julius nickte zustimmend. Doch dann fiel ihm wieder ein, was er unfreiwillig erlauscht hatte, als Madame Maxime und Professeur Faucon miteinander eine Namensliste durchgegangen waren. Unvermittelt hellte sich sein Gesicht auf. Er würde alte Bekannte aus den Ferien wiedersehen, wenn es wirklich stimmte.

Der Imbißwagen traf gleichzeitig mit einer großen Schleiereule ein, die an das Abteilfenster klopfte. Julius erkannte seine Posteule Francis und ließ den Vogel schnell ein, bevor die Hexe mit dem Wagen vor der Abteiltür verhielt. Francis brachte einen Pergamentumschlag mit. Julius ließ die Eule in den großen Käfig schlüpfen, der auf seinem Schulkoffer thronte. Dann fragte er:

"Wer möchte was? Ich spendiere die Runde Essen."

Er kaufte die Süßigkeiten und Getränke, die seine Mitreisenden haben wollten und gab der Hexe zwanzig Sickel.

Nachdem sie alle ihre Speisen verzehrt hatten. Las Julius den in französischer Sprache von einer energischen Frauenhand geschriebenen Brief:

Ich grüße dich, Julius,

vielen Dank für deine kurze Meldung, daß du wohlbehalten in England zurück bist. Ich betrachte es als Geste des Respekts, mich in meiner Heimatsprache anzuschreiben. Probleme mit der Rechtschreibung haben selbst viele französische Schulkinder, dies kann ich dir unbedenklich nachsehen, sofern du dich weiterhin um Verbesserungen deiner Schrift bemühst, wovon ich zuversichtlich ausgehe.

Madame Dusoleil hat sich ebenfalls gefreut, daß du dich aus England gemeldet hast und entbietet dir durch mich ihren Gruß und Dank für die kurzweilige Zeit, die du ihr, ja uns allen, bereitet hast.

Ich beginne morgen das neue Schuljahr in Beauxbatons, das, soviel darf ich verraten, für einige sehr abwechslungsreich verlaufen dürfte.

Catherine hat mich gefragt, ob ich dir mitteilen kann, daß du sie beruhigt anschreiben möchtest, da deine Eule Joe nicht bekannt ist und er denken wird, ein X-beliebiger Zauberer nimmt Kontakt mit Catherine auf. Allerdings steht es dir auch frei, mit mir persönlich in Kontakt zu bleiben, vor allem dann, wenn sich erweisen sollte, daß euer neuer Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste sein Fach nicht versteht oder absichtlich falsch unterrichtet. Dieses Schuljahr wird zwar für mich besonders arbeitsintensiv sein, bedeutet jedoch nicht, daß ich nicht gewisse Freiräume schaffen kann, mich außerschulischen Anfragen zu widmen. Dies nur zum Angebot.

Lerne fleißig und erfolgreich und enttäusche mich nicht, indem du meine Unterweisungen vernachlässigst!

mit freundlichen Grüßen

Professor Blanche Faucon

Julius faltete den Brief schnell zusammen und stekcte ihn fort. Gloria beugte sich zu ihm und fragte:

"Hat sie bestätigt, was wir vermuten?"

"Nein, Gloria. Sie hat sich nur für meine kurze Ankunftsmeldung bedankt", flüsterte Julius zurück.

"Von wem hast du denn die Eule?" Fragte Pina Watermelon.

"Ein Geschenk der Hexe, bei der ich zum erstenmal Besenflug ausprobiert habe", antwortete Julius wahrheitsgemäß. Dann fütterte er Francis mit Eulenkeksen, die er unter dem Käfig in einer kleinen Tüte aufbewahrte. Francis sah sich um und entdeckte Trixie, Glorias Steinkauzweibchen, das mit dem Kopf unter dem linken Flügel schlief. Dann krallte er sich auch auf seiner Sitzstange fest und vergrub den Kopf unter einem Flügel und schlief sofort ein.

"Der arme Kerl ist direkt von Frankreich gekommen und mußte dem Zug noch hinterherfliegen", bedauerte Kevin die Eule und zeigte auf Boann, seine Waldohreule, die es Trixie und Francis gleichtat und den langen Weg nach Hogwarts verschlief.

Im Laufe des Tages wurde das Wetter genauso wild und düster wie die Landschaft entlang der Bahnstrecke. Sturmböen peitschten Regenfluten wie glitzernde Vorhänge gegen die Fenster. Das Rauschen des niederstürzenden Regens übertönte bald das rhythmische Stampfen der scharlachroten Dampflokomotive und das Rattern der Räder auf den Schienen. Zwischendurch zerteilte ein greller Blitz das dunkle Wolkenheer, aus dem die Regenflut herabfiel wie aus Kübeln.

"Oh, das wird eine nasse Angelegenheit", bemerkte Kevin, dem trotz seiner irischen Herkunft selbst dieses Wetter zu heftig war.

"Wir müssen nicht mehr mit diesen Booten über den See, richtig?" Erkundigte sich Betty Hollingsworth bang.

"Das machen nur die Erstklässler", erinnerte sie ihre Schwester Jenna an das übliche Vorgehen bei der Ankunft.

"Wir werden wohl mit diesen Kutschen fahren, vor denen unsichtbare Pferde angeschirrt sind", vermutete Julius zuversichtlich. "Aber selbst dann, werden wir richtig gewässert."

"Diese Schulumhänge haben keinen Regenschutz", verwünschte Kevin den Umstand, daß ihre schwarzen Schulumhänge nicht wasserundurchlässig waren.

"Das kriegen wir schnell hin", beteuerten Gloria und Julius fast gleichzeitig und kramten ihre Zauberstäbe hervor.

"Achso, ja!" Fiel es Kevin ein. Er holte auch seinen Zauberstab hervor und tippte sich an den Hut und den Umhang:

"Impervius!" Sagte er laut und deutlich. Julius und Gloria behandelten ihre Kleidung ebenso mit diesem Zauber, dann halfen sie den Hollingsworths, Pina und Gilda, sofern sie nicht von alleine diesen Zauber anwandten.

"Der Zauber hält einen halben Tag vor. Wenn wir die Sachen ablegen, verfliegt die Wirkung wider", belehrte Gloria die Mitreisenden.

"Was macht der Zauber? Der stand nicht im ersten Zauberspruchband drin", forschte Betty nach dem Zweck des Zaubers.

"Der macht Gegenstände und Kleidung für eine gewisse Zeit wasserabweisend. Wenn euch die Haare wieder naß werden, kann ich euch die wieder richten", erklärte Gloria Porter hilfsbereit.

Das Wetter wurde immer schlechter. Donnerschläge hämmerten wie von Riesen geschlagene Pauken über den Hogwarts-Express hinweg oder grollten wie monströse Kegelkugeln auf einer unsichtbaren Bahn über sie hinweg. Blitze zerfetzten zwischendurch die Düsternis aus Wolken und Regenmassen. Dann klang die Durchsage, daß alle Schüler ihr Gepäck im Zug zurücklassen sollten. So steckten sich die Schulfreunde aus der zweiten Klasse nur die Zauberstäbe ein.

"Seid froh, Leute, daß wir nur naß werden. Wir hätten ja auch wieder Dementoren kriegen können", sprach Kevin allen Mut zu.

Als der Hogwarts-Express in den Bahnhof von Hogsmeade einfuhr, drängelten sich die Schüler- und Schülerinnen in ihren schwarzen Schulumhängen in den Gängen und tuschelten über das ungemütliche Wetter. Julius sah den Jungen, der vor wenigen Tagen in der Winkelgasse herumgelaufen und dort mit seinen Eltern auf Einkaufstour war. Er trug zwar den Umhang von Hogwarts, aber nicht den vorgeschriebenen Spitzhut, sondern seine Baseballkappe. Draco Malfoy, der weit von ihm entfernt stand, feixte, weil er dies für typisches Muggelverhalten hielt. Ein Gryffindor-Vertrauensschüler wies den Schulanfänger darauf hin, daß er sich korrekt zu kleiden hatte, wenn er keinen schlechten Eindruck machen wollte. Nach einigem hin und her, tauschte der Schulanfänger die Kappe gegen den Zaubererhut. Dann ging es hinaus in den wütenden Regensturm.

Im Toben des Windes und Platschen des Regens war selbst die durchdringend laute Stimme Hagrids nicht leicht zu hören, als er rief:

"Erstklässler hier herüber! Erstklässler hier herüber!"

Zwar wirkte der Impervius-Zauber, mit dem sich Gloria, Julius und die übrigen Abteilinsassen die Kleidung behandelt hatten, doch ihre Gesichter waren dem wilden Regen ungeschützt ausgesetzt. Deshalb waren sie froh, bald in einer Kutsche Platz gefunden zu haben, in der noch Prudence Whitesand und Cho Chang saßen.

"Willkommen in England, Julius!" Grüßte Prudence mit ironischem Tonfall den Schulkameraden, mit dem sie einen ganzen Monat im südfranzösischen Zaubererdorf Millemerveilles verbracht hatte.

"Hast du das Wetter bestellt, Prudence?" Fragte Julius mit spitzbübischem Grinsen auf seinem Gesicht.

"Bloß nicht. Aber ihr habt eure Zauberkunst-Hausaufgaben gemacht, wie ich sehe. Da hätte ich auch dran denken sollen", entgegnete Prudence und begrüßte die restlichen Begleiter von Julius.

Auf dem Weg nach Hogwarts berichtete Prudence, daß sie am 19. August die Heimreise angetreten habe. Sie bestellte Julius und Gloria noch schöne Grüße von Madame Delamontagne.

"Madame Delamontagne wollte deine Mutter fragen, ob sie nächstes Jahr in Millemerveilles Quartier nimmt, um am Schachturnier teilzunehmen", fügte Prudence noch hinzu. Cho fragte Julius, ob er mit seinem neuen Besen gut zurechtkomme. Julius wunderte sich zwar kurz, schaltete aber noch rechtzeitig, um nicht den Eindruck zu vermitteln, außen vor zu sein.

"Ja, ich habe viel trainiert. Ich weiß zwar nicht, wie der neue Komet ist, aber der Sauberwisch 10 ist sehr wendig."

"Ich habe mir doch noch keinen neuen Besen zugelegt. Der Komet 2 / 80 kostet 80 Galleonen. Die sind doch nicht mehr ganz bei Trost. Dafür verramschen sie jetzt die alten Nimbus-2000-Besen für 15 Galleonen."

"Wie bei den Muggeln. Wenn das verbesserte Modell auf dem Markt ist, stürzen die Preise für den Vorläufer unter ein Viertel", wußte Julius aus seiner Erfahrung mit Computern.

"Der Sauberwisch ist schon eine brauchbare Rennmaschine", beteiligte sich Kevin an der fachkundigen Unterhaltung. "Immerhin kann man damit sechs Stunden ohne Zwischenstop fliegen, und das mit 180 Stundenkilometern. Das habe ich ausprobiert."

"Ein Irland-Rundflug?" Fragte Betty Hollingsworth.

"Yapp!" Entgegnete Kevin.

Als die Schüler aus den Kutschen stiegen, mußten sie noch mal durch den wütenden Regensturm laufen, bis sie in der großen Eingangshalle standen. Doch dort empfing sie bereits Peeves mit einem gemeinen Bombardement Wasser gefüllter Luftballons.

"Willkommen in Hogwarts!" Knurrte Kevin. Julius zog seinen Zauberstab, um dem Poltergeist eine gebührende Antwort auf diese Unverschämtheit zu geben, als eine zornige Frauenstimme "Peeves!" bellte. Julius hätte fast den Zauberstab aus der Hand fallen lassen, so heftig hatte ihn der wütende Anpfiff Professor McGonagalls zusammenfahren lassen.

"Peeves! Kommen Sie runter, und zwar sofort!" Befahl die stellvertretende Schulleiterin in herrischem Ton. Julius sah, wie sie fast auf dem nassen Marmorboden ausglitt und sich nur abfangen konnte, weil sie den Hals von Hermine Granger, einer Viertklässlerin der Gryffindors, zu fassen bekam. Dann fiel ein weiterer wassergefüllter Ballon direkt auf eine Gruppe, zu der Lea Drake, Chuck Redwood und Melissa Ashton gehörten. Die Slytherin-Zweitklässler wurden pitschnaß. Julius sah, wie Lea Drake, ein hochgewachsenes Mädchen mit vielen kastanienbraunen Zöpfen, ihren Zauberstab hochriß. Doch da verzog sich Peeves auch schon, während Professor McGonagall ihn noch mal anherrschte.

"Toller Empfang", schnaubte Fredo Gillers, ein Bettnachbar von Julius und Kevin. "Aber die drei Grazien aus Slytherin hat's voll erwischt", grinste er noch.

Nachdem sich die Aufregung gelegt hatte, gingen die bereits eingetroffenen Schüler in die große Halle und verteilten sich auf ihre Tische. Betty und Jenna winkten ihren Abteilmitreisenden noch mal kurz zu, dann gingen sie an den Hufflepuff-Tisch, wo bereits Viert- Fünft- und Sechstklässler saßen, die sich immer noch das Wasser aus den Schuhen schüttelten, mit dem Peeves sie begrüßt hatte.

Langsam füllte sich die große Halle, und an den Haustischen nahmen alle Schüler Platz, die von der zweiten bis zur siebten Klasse die Zaubererschule besuchten. Viele Stühle waren unbesetzt. Hier sollten sich die vom sprechenden Hut, dem unparteiischen magischen Zuteiler eingeteilten Neuen hinsetzen. Julius wurde links von Kevin und rechts von Gloria flankiert. Links neben Kevin saßen die übrigen Zweitklässler der Ravenclaws, rechts neben Gloria saß Pina, neben Prudence Whitesand.

"Brrr!" Machte Dustin Mcmillan, der nun in der sechsten Klasse war, als er mit seinem Freund Leonhard Pinetree an den Ravenclaw-Tisch trat und sich links von Eric Bosetzky niederließ. Da es keine feste Platzordnung an den Haustischen gab, kam Julius diesen Abend nicht dazu, neben dem älteren Schüler zu sitzen, der ihm letztes Jahr beim Schulbeginn und das ganze Jahr Gesellschaft bei Tisch geleistet hatte.

Als alle Tische besetzt waren, warteten die Schüler auf die Ankunft der Erstklässler, die vom sprechenden Hut zugelost werden sollten. An der Decke, die so verzaubert war, daß sie den Himmel über Hogwarts detailgetreu widergab, jagten dunkle Wolkenungetüme dahin und spien Regen auf das Schloß. Blitze fuhren wie gleißende Schwerter durch die Wolkentürme, fraßen feurige Zickzack-Bahnen durch das Dunkle, unmittelbar begleitet von heftigen Donnerschlägen.

Nach einer ewig erscheinenden Wartezeit marschierte Professor Mcgonagall mit den neuen Schülern in den großen Saal ein. Die Erstklässler machten den Eindruck, nicht in Booten über den See gesetzt worden zu sein, sondern ihn schwimmend durchquert zu haben. Als die Schülerschar sich vor dem Lehrertisch aufgereiht hatte, stellte Professor McGonagall einen dreibeinigen Stuhl vor sie hin, auf dem ein alter zerschlissener Zaubererhut lag. Es handelte sich um den besagten sprechenden Hut, der nach einer Prüfung der neuen Schüler auf bestimmte Eigenschaften und Veranlagungen den diesen Eigenschaften entsprechenden Häusern zuteilte.

Nach einem langen Lied, daß der Hut zur Begrüßung der Schüler sang, erklärte Professor McGonagall noch mal, wie die Zuteilung nun ablaufen würde. Dann durfte sich "Ackerley, Stuart" als erster auf den Prüfungsstuhl setzen und den Hut tragen, bis dieser laut und deutlich "Ravenclaw!" rief.

Alle Ravenclaws klatschten begeistert Beifall. Gloria flüsterte Julius zu, daß die Ackerleys Bekannte ihrer Eltern waren und sie froh sei, daß ihr Sohn Stuard tatsächlich in ihr Haus einziehen würde. Danach wurde ein "Baddock, Malcolm" den Slytherins zugeteilt, was vom Gryffindor-Tisch mit Buh-Rufen und Pfiffen bedacht wurde. Julius dachte dabei an seinen alten Schulffreund Malcolm, von dem er seit den Osterferien nichts mehr gehört hatte. Dann dachte er an Lea Drake und Chuck Redwood, von denen er auch nicht wußte, ob sie wirklich in das Haus gehörten, aus dem einer schulweiten Behauptung nach die meisten schwarzen Hexen und Magier hervorgegangen waren, die in den letzten Jahrhunderten die Welt unsicher gemacht hatten, inklusive Lord Voldemort und seiner Bande, den sogenannten Todessern.

Dann erfolgten zwei Zuteilungen ins Haus Hufflepuff, dann kam der kleine Dennis Creavey, der zu seinem Bruder ins Haus Gryffindor ziehen durfte, danach mehrere Ravenclaws, Slytherins und Gryffindors, bisProfessor McGonagall ausrief:

"Hardbrick, Henry!"

Julius sah mit Gloria zusammen auf den kräftig gebauten Jungen, der ganz gemütlich, als würde niemand auf ihn warten, auf den Auswahlstuhl zuging, den Hut anhob, in den Händen drehte und dann aufsetzte.

"Das ist doch der Muggelstämmige, der im Zug noch eine Baseballkappe aufhatte", zischte Gloria Julius zu. Dieser grinste:

"Wahrscheinlich wird ihm der Hut erst einmal die Gebrauchsanweisung vorlesen, daß man ihn vor Gebrauch nicht dreimal rumdrehen muß", witzelte Julius. Dann dachte er daran, wie er mehrere Minuten auf dem Stuhl gesessen hatte, als erster seiner Klasse und der Hut nicht genau zu wissen schien, wo er ihn hinstecken sollte. Schließlich war er doch nach Ravenclaw geschickt worden, wo er sich bald sehr gut eingelebt und des Hauses würdig erwiesen hatte.

Es vergingen tatsächlich fünf Minuten, bis der Hut laut ausrief: "Hufflepuff!"

"Boing! Betty und Jenna tun mir leid", seufzte Julius.

"Wie kommst du denn darauf? Immerhin hast du letztes Jahr auch nicht gewußt, was du hier anfangen solltest", zischte Gloria leicht gereizt.

"Weil der Typ in der Winkelgasse schon so drauf war, als sei ihm das ganze völlig widersinnig. Du hast ja selbst gehört, was er gesagt hat. Glaub es mir, Gloria! Der wird versuchen, sich hier mit aller Gewalt unbrauchbar zu machen und dann johlend heimfahren, um seinem großen Bruder zu sagen, daß er doch nicht "abnorm" ist."

"Entschuldige, Julius! Du hast wahrscheinlich recht", lenkte Gloria Porter ein, als Henry Hardbrick unter Gelächter der Slytherins geradewegs am Hufflepuff-Tisch vorbeimarschierte und auf den Gryffindor-Tisch zusteuerte. Ein Fünftklässler der Slytherins spottete:

"Idioten aller Häuser vereinigt euch!"

"Friß es selbst!" Fauchte Julius. Kevin beobachtete mit schmalen Augen, wie Cedric Diggory, ein Vertrauensschüler der Hufflepuffs, von seinem Platz aufstand und den Irrläufer ins eigentliche Ziel lotste.

"Die ersten zehn Minuspunkte für Slytherin sind gerade verteilt worden", kommentierte Fredo gehässig, wie Professor McGonagall die Lippen so formte, daß nur "Zehn Punkte Abzug für Slytherin" daraus abzulesen war. Snape, der am Lehrertisch saß, bekam das besser mit, und sein Gesicht verzerrte sich kurz vor Entrüstung, entspannte sich aber. Julius unkte:

"Der hat dem neuenn Hufflepuff bereits zwanzig Punkte abgezogen, ehe der einen Handschlag in seinem Unterricht getan hat."

"Freust du dich immer, wenn du recht hast?" Fragte Kevin Julius.

"Nicht bei sowas, Kevin", antwortete Julius Andrews leicht bedröppelt. Die Reihe der Neuankömmlinge schrumpfte in Zeitabständen zwischen wenigen Sekunden und mehreren Minuten, bis alle Erstklässler auf die vier Haustische verteilt waren. Julius sah kurz zu den Hollingsworths hinüber, die nicht wußten, was sie von der Sache mit Henry Hardbrick halten sollten. Dann fiel sein Blick auf den Lehrertisch, an dem ein Platz freigeblieben war.

Dumbledore eröffnete mit einem schlichten "Haut rein!" das Festmahl, während dem sich die neuen Ravenclaws den älteren Schülern vorstellten, und Julius hatte den Eindruck, daß der sprechende Hut sowohl ihn als auch die jetzigen Erstklässler richtig zugeteilt hatte.

Nach dem üppigen Festmahlrichtete Professor Dumbledore noch mal das Wort an die Schüler. Er wies darauf hin, daß der Wald auf dem Schloßgelände für alle Schüler verboten war, sowie das Dorf Hogsmeade nur von Schülern ab der dritten Klasse besucht werden durfte. Danach teilte er noch eine Liste verbotener magischer Scherzartikel mit und setzte an, zu erklären, daß es in diesem Jahr kein Quidditch-Turnier geben würde. Er wollte gerade ansetzen, zu erklären, weshalb nicht, als die große Saaltür aufging und ein Mann hereinkam, der gruseliger nicht wirken konnte. Er hinkte auf einem Holzbein auf einen Gehstock gestützt. Als ein greller Blitz den Himmel in der Saaldecke überstrahlte, konnten es alle sehen, daß der Fremde kein Stück unverletzter Haut mehr im Gesicht besaß. Das Gesicht war übersät mit Narben, die Haut war lederartig und von der Nase fehlte ein Stück. Julius fielen die beiden unterschiedlichen Augen des Mannes auf. Ein schwarzes kleines, und ein strahlendblaues, daß wie ein irrrer kleiner Ball in seiner Augenhöhle herumrollte und sich mal nach vorne, mal nach hinten in den Kopf hinein drehte, dann wieder über die Haustische hinwegblinzelte.

"Ist ja heftig", stöhnte Kevin, als der Fremde kurz über den Ravenclaw-Tisch hinweggeblickt hatte.

"Eine magische Augenprothese", flüsterte Julius eine Mutmaßung. "Faszinierend! In Zukunftsgeschichten können solche Kunstaugen mehr sehen als normale Menschenaugen", fügte Julius seiner Mutmaßung hinzu.

"Na klar, Leute! Das ist Mad-Eye Moody", vermutete Gilda Fletcher, die Julius' Bemerkung mitgehört hatte.

"Der hat so ein magisches Auge."

"Interessant, was das wohl alles sehen kann", dachte Julius im Flüsterton. "Wärmebilder, Durchblicken fester Körper, Strahlenfelder, Fernblick, Nachtsicht, Mikroskopblick und Zeitlupenblick."

"Bloß nicht, Julius! Stell dir vor, der liest aus großer Entfernung durch meine verschlossene Tasche, daß ich meine Hausaufgaben nicht gemacht habe", jammerte Kevin, als der Fremde auf das Podium mit dem Lehrertisch kletterte und Dumbledore die vernarbte rechte Hand reichte. Dumbledore stellte den Neuankömmling als Professor Moody, einen alten Bekannten vor, der den Unterricht in Verteidigung gegen die dunklen Künste übernehmen würde.

"Tja, Snape! Wieder nix", kicherte Fredo Gillers, der sich noch gut an Snapes Bemühungen erinnerte, den Unterricht gegen die dunklen Künste zu übernehmen. Julius hörte in seinem Kopf die Stimme von Madame Faucon:

"... Außerdem bekommt ihr dieses Jahr einen neuen Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste. In diesem Zusammenhang möchte ich dir nur empfehlen, deine Bescheidenheit im Bezug auf dein Können gerade in diesem Bereich besonders stark zu beherzigen, da nicht klar ist, wer es ist. Dumbledore hatte in den letzten Jahren diverse Probleme mit seinen Lehrern gerade in diesem Fach."

Als der neue Lehrer vorgestellt worden und von wenigen Schülern und Lehrern mit Beifall bedacht worden war, setzte Dumbledore seine Erläuterung fort, weshalb es in diesem Schuljahr kein Quidditch-Turnier geben würde. Tatsächlich rückte er damit heraus, daß in diesem Jahr das trimagische Turnier stattfinden würde, welches zuletzt wegen zuvieler Todesfälle ausgesetzt worden sei. Um sicherzustellen, daß nur gut ausgebildete Zauberer daran teilnehmen würden, sollten nur Schüler über siebzehn Jahren an der Auswahl teilnehmen. Julius dachte wieder an die Namensliste, von der er einen Teil unfreiwillig erlauscht hatte. Würde Jeanne Dusoleil tatsächlich auf dieser Liste stehen und nach Hogwarts kommen? Aber dann käme auch dieses Mädchen mit dem silbrigblonden Haar, das einen merkwürdigen Zauber auf ihn ausgeübt hatte, als er ihr und 149 anderen Beauxbatons bei der Abreise zur Quidditch-Weltmeisterschaft zusehen konnte.Hoffentlich war er diesmal besser gegen ihren Einfluß immun. Denn wenn er ihr auch in Hogwarts wie hypnotisiert hinterhertrotten würde, wäre er die Lachnummer der ganzen Schule.

Nach dem Abendessen führten die Vertrauenssschüler der Ravenclaws die Erstklässler und die älteren Schüler durch ein Gewirr von Treppenhäusern, Gängen und Korridoren zu einem großen Gemälde, daß eine Blumenwiese zeigte, aber sonst nichts. Penelope Clearwater, die Vertrauensschülerin der Ravenclaws, unterdrückte eine heftige Verwünschung. Stattdessen zog sie ihren Zauberstab und tippte die Ecken des Gemäldes an. In dem Moment rannte ein Mann in derber ländlicher Kleidung mit einem Strohhut auf dem Kopf ins Bild, etwas hinter sich herzerrend. Julius erkannte, daß es eine braun-weiß gescheckte Kuh war, die störrisch darum rang, sich von dem Führstrick loszureißen oder ihren Besitzer mit sich wegzuziehen.

"Bruce, du weißt, daß wir um diese Zeit hier alle aufkreuzen. Jedes Jahr machst du dasselbe mit deiner Kuh", schimpfte Penelope und steckte ihren Zauberstab wieder fort.

"Du wolltest doch nicht diesen Terror-Zauber gegen mich anwenden, um mich zurückreißen zu lassen", versetzte der Mann auf dem Bild, während seine Kuh muhte und versuchte, sich wieder loszumachen.

"Würde dir nur recht geschehen, Bruce. - Cogito ergo sum!" Entgegnete Penelope Clearwater.

"Ist das wirklich das neue? - Ja, doch! In Ordnung!" Reagierte Bruce auf die Nennung des Passwortes, auf das er mit seinem Bild den Zugang zum Ravenclaw-Gemeinschaftsraum freigeben mußte. Er warf sich mit dem Bild herum, was die Kuh beinahe rasend machte und ließ den langen Strom der Ravenclaws eintreten.

Als der letzte Ravenclaw, die Vertrauensschülerin persönlich, in den Gemeinschaftsraum geklettert war, fiel das Wandgemälde an seinen Platz zurück, und Julius hörte die stampfenden Geräusche einer davongaloppierenden Kuh und die wüsten Beschimpfungen, mit denen Bruce sie bedachte, während er ihr folgte.

"Also, ihr alle! Das Passwort heißt "Cogito ergo sum". Ich hoffe für euch, daß dieser Nichtsnutz von einem Türhüter immer dann in seinem Gemälde steckt, wenn jemand von euch hier hineinmuß. Für die Erstklässler noch einmal kurz die Hausregeln ..."

Penelope Clearwater zählte kurz auf, was in dem Gemeinschaftsraum erlaubt war und was nicht, daß die Schlafsäle streng nach Geschlechtern getrennt waren und es verboten war, daß Jungen in Mädchenschlafsäle oder Mädchen in Jungenschlafsäle gingen. Sie machte auch klar, daß sie wie die Lehrer und Schulbediensteten Strafpunkte verteilen oder Bonuspunkte vergeben konnte, man es sich mit ihr also nicht verderben sollte. Danach schickte sie alle Schüler in die Schlafsäle. Als Julius mit Kevin, Fredo, Marvin und Eric losziehen wollte, winkte sie Julius noch mal. Er sagte:

"Ich komme nach", dann trat er zu Penelope Clearwater hin.

"Professor Flitwick hat mich angewiesen, dich heute noch zu ihm zu bringen, wenn sich alle Leute verteilt haben. Euren Schlafsaal kennst du ja. Da hängt nur ein neues Schild an der Tür. Deinen Zauberstab hast du dabei, wenn dieser Bauer wieder auf Kuhjagd sein sollte?"

"Sehr wohl, Mylady", versetzte Julius, lächelte dabei jedoch wie ein Kind, daß seine Eltern besänftigen will, weil es weiß, daß es etwas böses gesagt hat. Penelope Clearwater verzieh ihm die Respektlosigkeit, wartete einige Sekunden, bis der Gemeinschaftsraum leer war und verließ mit ihm noch mal das Schulhaus. Das Bild war tatsächlich wieder unbesetzt.

"Vielleicht sollten wir uns einen anderen Türhüter zulegen", meinte Julius. "Es gibt doch soviele Gemälde hier."

"Bei nächster Gelegenheit stelle ich einen offiziellen Antrag. Vielleicht muß auch nur diese rammdösige Kuh bezaubert werden. Weiß nicht, welcher Scherzbold die so gemalt hat."

"Alan der Pinselgott", antwortete Julius auf diese Bemerkung der Vertrauensschülerin.

"Häh?"

"Ja, Penelope! Das steht in "eine Geschichte von Hogwarts", wer die lebendigsten Gemälde zusammengepinselt hat. Das war ein ziemlich humorvoller Zaubermaler, der wohl keine gleichbleibenden Geschöpfe malen wollte."

"Natürlich. Ich habe das Buch kurz nach meiner Einschulung gelesen. Aber ich habe durch die Schularbeiten vieles wieder verdrängt. Wenn schon: Dann sollte doch jemand oder etwas unsere Tür hüten, daß dann da ist, wenn wir in unseren Gemeinschaftsraum eintreten wollen", schnaubte Penelope Clearwater und führte julius zum Büro des kleinen Zauberkunstlehrers, Professor Flitwick, der Hausvorsteher von Ravenclaw war.

"Professor Flitwick, Sir!" Meldete die Vertrauensschülerin, daß sie die Anweisung ausgeführt hatte. Julius trat folgsam in das Büro, das er das letztemal mit seinen Eltern verlassen hatte, als diese sich erkundigen wollten, welche Ausbildung er schon absolviert hatte. Der kleine Lehrer mit dem weißen Haarschopf saß auf seinem erhöhten Stuhl und nickte Julius zu. Dann sagte er:

"Sie dürfen in ihr Haus zurück, Ms. Clearwater. Für die Eventualität, daß der Türhüter nicht in seinem Gemälde präsent sein sollte, wissen Sie ja, daß Mr. Andrews ihn durchaus zur Stelle schaffen kann, wenn er zurückkehren will."

"Ich stimme Ihnen zu, Professor Flitwick", erwiderte Penelope folgsam und verließ das Büro.

Julius nahm auf einem Besucherstuhl Platz. Ihm fielen soviele Dinge ein, weswegen der Hauslehrer ihn unverzüglich nach dem Abendessen sehen wollte. Die Sache mit dem erfundenen Grund, ihn von Hogwarts fernzuhalten, sein Aufenthalt in Millemerveilles, die Vereinbarung zwischen dem Ministerium und seiner Mutter. Vielleicht wollte Flitwick nur noch einmal hören, wie Julius zu seiner Ausbildung in Hogwarts stand.

Der Zauberkunstprofessor ließ sich Zeit. Er beschwor eine Teekanne und zwei Tassen aus dem Nichts herauf und bot Julius Tee und Zucker an. Julius ging davon aus, daß es eine längere Sitzung werden würde.

"Eine Frage zu Beginn, Mr. Andrews: Wie empfinden Sie es, wieder hier zu sein?"

"Das ich nichts anderes gewolt habe, Professor", erwiderte Julius auf diese, von ihm unbewußt erwartete Frage.

"Diese Antwort habe ich selbstverständlich erwartet. Es ging mir nur darum, Ihre gegenwärtige Stimmung zu erfahren. Immerhin sahen Sie sich während der Ferien unvorbereiteten Fährnissen ausgesetzt, die Ihre Einstellung zur Zaubererwelt beeinflußt haben könnten. Aber Sie haben natürlich recht, wenn Sie davon ausgehen, daß sie hier besser aufgehoben sind als an einer Schule für Nichtmagier. Darüber hinaus, so weiß ich aus sicherer Quelle, besitzen Sie ausreichende Kenntnisse über unsere Gesetze und haben daher bestimmt abwägen können, auf was Sie sich festlegen möchten, selbst wenn Sie nach Gesetzeslage noch nicht volljährig sind."

"Natürlich. Ich erkenne die Logik im Gesetz 324 vollständig."

"Dann hätten wir diesen Punkt erledigt. Können Sie sich ungefähr oder detailiert vorstellen, weswegen ich Sie so kurz nach dem Festmahl schon in mein Büro zitiert habe?"

"Da sind mehrere Dinge möglich. Alle Dinge können einzeln oder zusammen den Grund liefern, mich herzubestellen", antwortete Julius ruhig, immer noch sicher, diese Situation vorhergesehen zu haben und nun, da sie eingetreten war, bestehen zu können.

"Das stimmt ebenfalls. Nun gut: Es sind drei Dinge, deretwegen ich Sie einbestellt habe:

Punkt eins betrifft das gesetzeswidrige Verhalten Ihres Vaters und die daraus resultierende Störung ihres gewohnten Ferienablaufes. Wissen Sie, wie Sie damit fertigwerden möchten?"

"Ich werde abwarten, was das Ministerium mir mitteilt. Soviel ich von meiner Mutter erfahren habe, wurde eine Strafsumme von 50 Galleonen gegen meinen Vater verhängt. Wenn mein Vater sie nicht bezahlen will, tritt, wenn ich das richtig gelesen habe, Abschnitt e) des Gesetzes zur Eingliederung von Nichtmagiern in die Zaubererwelt in Kraft. Dann müßte mir das Ministerium einen Zauberer oder eine Hexe als gesetzlichen Vermittler zwischen mir und meinen Eltern zuteilen. Darauf kann ich keinen Einfluß nehmen. Ich hörte, daß es möglich ist, auch während der Ferien in Hogwarts zu bleiben. Im Zweifelsfall muß ich das eben machen, um nicht wieder in der Weltgeschichte herumgeschickt zu werden."

"Gut. Das halten wir einstweilen fest", erwiderte Professor Flitwick und notierte die Aussage von Julius auf ein Pergament, das sehr nach einem Formular aussah. Dann sagte der Hauslehrer von Ravenclaw:

"Der zweite Punkt ihrer Einbestellung betrifft den Aufenthalt in der Obhut von Professeur Blanche Faucon. Selbstverständlich hat unsere geschätzte Kollegin regelmäßige Berichte zukommen lassen, die, ohne Ihnen jetzt Anlaß zum Übermut geben zu wollen, durchweg positiv ausfielen. Ich gehe davon aus, daß meine Kollegin Professor McGonagall Sie diesbezüglich noch mal sprechen möchte. Ein Punkt taucht jedoch immer wieder auf, und zwar die Erwähnung, daß Sie ohne regelmäßigen Kontakt zur Zaubererwelt von der positiven Entwicklung zurückfallen können, die sie in ihrer Obhut vollzogen haben. In einer Randnotiz schlug sie sogar vor, Sie ungeachtet der rechtlichen Entwicklung in der Angelegenheit Ihrer Eltern ihrer Tochter Catherine in Pflege zu geben, da diese mit Ihrer Familie bekannt sei und Sie gut kenne. Wir erachten jedoch eine derartige Sozialstrukturumstellung zum gegebenen Zeitpunkt nicht für zwingend geboten. Es wurden seitens Professeur Faucon noch andere Möglichkeiten vorgeschlagen, die jedoch ebenfalls im Moment nicht debattiert werden müssen. Sie sollen nur wissen, daß Professor Dumbledore, Professor McGonagall und ich über Ihre zauberische Entwicklung in Millemerveilles unterrichtet sind, so daß wir im Bedarfsfall auf Ihre besondere Entwicklung eingehen können. Wie gesagt: Nur im Bedarfsfall. Schließlich legen wir für unsere Schüler gleichwertige Maßstäbe an."

Julius atmete auf. Die Zusatzaufgaben in Verwandlung würden ihm wohl nicht so dringend um die Ohren gehauen werden.

"Der abschließende Punkt betrifft Ihren Stammbaum. Es ist bedauerlich, daß unser Zaubereiministerium solch eingeschränkte Recherchen betreibt. Doch die von Professor Faucon angestrengte Nachforschung klärt natürlich alle Fragen über Art und Ursprung Ihres seltenen Talentes. Falls Sie dem zustimmen, können wir Ihnen eine Förderung dieser Talente ermöglichen, so daß Sie hier nicht unterfordert sein werden."

"Was hieße das genauer?" Wollte Julius wissen, vor dessen geistigem Auge nun doch eine Flut von Zusatzaufgaben anstieg.

"Das ich oder jeder, der Ihre zauberischen Kräfte im Unterricht beaufsichtigt, Sie mit fortgeschrittenen Zaubern beauftragen kann, die Sie vorher einüben dürfen. Dies gilt in erster Linie erst einmal nur für Verwandlung und Zauberkunst, da Professor Moody einen eigenen Unterrichtsplan entwickelt hat und einstweilen nicht über Ihre besonderen Qualitäten informiert wurde, da im Bereich Verteidigung gegen die dunklen Künste gefährliche Situationen eintreten können, die Sie selbst vorher nicht einschätzen können."

"Dann bin ich bereit, dieses Angebot anzunehmen", sagte Julius, der innerlich darauf brannte, schnell neue Zauber zu erlernen, wenn er sie dann auch anwenden konnte. Ihm lag es auf der Zunge, zu fragen, ob er nicht bereits jetzt das Apparieren erlernen konnte. Doch er wußte ja, daß hier nicht die Begabung, sondern vor allem das Alter wichtig war.

"Dann ist soweit alles geklärt, was ich Ihnen hier und jetzt schon mitteilen mußte, bevor Sie morgen in den schulischen Alltag zurückkehren. Achso, Madame Pomfrey möchte Sie kurz noch untersuchen, da Professor Faucon schrieb, daß Sie durch eine Kombination von Sprachlernzaubern unvermittelt eine zweite Sprache wie eine Muttersprache erlernten."

Julius wollte dazu etwas sagen, als sich die Tür öffnete und die Schulkrankenschwester eintrat. Julius mußte sich schwer beherrschen, nicht aufzuspringen und aus dem Büro zu flüchten. Denn immer dann, wenn er Madame Pomfrey besucht hatte, hatte sie ihm übelschmeckende Gebräue verabreicht oder zur Ruhe gezwungen, wenn er sich wieder fit gefühlt hatte.

"Guten Abend, junger Mann. Ich habe sowohl von Professor Dumbledore als auch von einer heilkundigen Kollegin aus dem Ausland erfahren, daß du eine besondere Erfahrung mit dem Wechselzungentrank und einem Sprachlernbuch gemacht hast. Ich möchte dich nur kurz untersuchen, ob mit deinem Körper und deinem Kopf alles in Ordnung ist und hätte dann gerne noch eine genaue Schilderung dessen, was dir passiert ist", sprach die Schulkrankenschwester und förderte ihren Zauberstab zu Tage.

"Ist Widerstand zwecklos?" Wollte Julius wissen, den eine stille Wut gepackt hatte, daß seine erwachsene Brieffreundin Aurora Dawn nichts besseres zu tun gehabt hatte als Madame Pomfrey auf ihn hinzuweisen. Er fühlte sich gut, vielleicht besser als jemals vorher!

"Ich kann auch warten, bis du bei mir vorstellig wirst, wenn du dir irgendwas eingehandelt hast. Allerdings würde das einiges verfälschen, mich vielleicht sogar zu Fehlschlüssen verleiten und dir damit möglicherweise die Gesundheit ruinieren."

Professor Flitwick räusperte sich. Offenbar gefiel ihm die unterrschwellige Drohung der Heilhexe von Hogwarts nicht so recht.

"Ich sehe es ein. Sie haben wen, dem das passiert ist und müssen das natürlich ergründen, damit Sie mich nicht falsch behandeln. Dann tun Sie bitte, was Sie tun müssen. Ich erzähle Ihnen dann auch, wie es passiert ist", gab Julius nach.

Die Untersuchung erwies sich für Julius als völlig schmerzlos. Die Schulkrankenschwester vollführte nur Bewegungen mit ihrem Zauberstab, ließ ihn einige Male über Partien von Julius' Kopf verharren, um dann zu sagen:

"In Anbetracht dessen, was nun über dich bekannt ist, ist alles in bester Ordnung. Ich kann meine Fachkollegin sogar dahingehend beruhigen, daß du nicht die erworbenen Sprachfertigkeiten verlieren wirst, wenn du eine neuerliche Dosis des Wechselzungentrankes nimmst, weil du durch deinen längeren Aufenthalt in dem Land, dessen Sprache du erlernt hast, eine feste Gedächtnisbasis geschaffen hast, in der sie auch dann noch erhalten bleibt, wenn du eine neuerliche Sprachwechselmedizin einnimmst. Aber erzähle mir bitte, wie genau dieser Vorfall geschehen konnte."

Julius berichtete, wobei er mit dem Buch anfing, daß ihm Gloria geschenkt hatte. Dann erwähnte er den Wechselzungentrank und rief sich die Daten ins Bewußtsein zurück, die er sich eingeprägt hatte, als er Claires Gegenstück des Lernbuches benutzt und die durch den Trank eigentlich verdrängten Englischkenntnisse zurückgewonnen hatte. Madame Pomfrey notierte sich die Aussage. Dann meinte sie mütterlich:

"Das hast du sehr gut gemacht, Julius. Du hast einen Wissenschaftler in der Familie, weiß ich. Derartige Präzision, gerade bei unbekannten Vorgängen, ist sehr Hilfreich. Du brauchst keine Angst zu haben, daß du nun auf Heilkundler-Veranstaltungen herumgereicht wirst. Dein Fall wird lediglich der nächste beschriebene sein. Vom allgemeinen Standpunkt der Heilkunde her gibt es für mich nichts mehr zu prüfen. Sieh zu, daß du dieses Schuljahr nicht all zu häufig mein Gast sein wirst! Gute Nacht!"

Julius ballte kurz die Fäuste. Dann beruhigte er sich. Kein Arzt würde einen interessanten Fall nur deshalb unerwähnt lassen, weil er ein gutes Verhältnis zu einem Patienten hätte. Das gebot schon die Informationspflicht unter Wissenschaftlern. Sowas gab es bei den Muggeln, warum nicht also auch bei den Magiern?

"Bevor ich Sie zur wohlverdienten Nachtruhe entlasse, gebe ich Ihnen noch etwas erfreuliches mit auf den Weg", setzte Professor Flitwick an. "Uns, die wir von Professor Faucon auf dem Laufenden gehalten wurden, wurde berichtet, daß Sie sich aus freien Stücken und fast ohne fremde Hilfe erfolgreich mit den magischen Nutzungsformen der Sonne befaßt und Ihre Ergebnisse verständlich und geordnet einem teilweise fachkundigen Publikum präsentiert haben. Da gerade Kreativität und Forschung im Sinne der allgemeinen Nützlichkeit auch außerhalb von Hogwarts anerkannt werden, darf ich Ihnen sehr zufrieden und begeistert die ersten zehn Punkte für Ravenclaw in diesem Schuljahr zuerkennen, weil Sie sich dieses Hauses und seiner Bedeutung für Hogwarts als würdig erwiesen haben. Die Regel besagt zwar, daß immer nur im Verlaufe eines Schuljahres Punkte verteilt oder aberkannt werden dürfen, findet jedoch in Ihrer Leistung eine der wenigen Ausnahmen, da Sie neben den gestellten Aufgaben bereit waren, sich auf ein Wagnis einzulassen, daß über Ihre schulische Zukunft eine positive Aussage erlaubt. Da die von Ihnen angefertigten Notizen und Erörterungen in unser Schularchiv überführt wurden, als Sie hier eintrafen, kann die Honorierung bedenkenlos ausgesprochen werden. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht!"

Julius verließ das Büro und schlich leise durch das Schloß, immer auf Geräusche hörend, die auf Peeves oder Filch schließen ließen. Er traute dem stets übelgelaunten Hausmeister zu, daß er Julius erst eine reinhauen würde, bevor er fragte, was der Junge noch im Schloß herumzuwandern hätte. Gegen Peeves wollte er bei Bedarf einen Zauberfluch anbringen, den er aus dem Buch über Flüche und Gegenflüche hatte.

Unangefochten erreichte Julius das Gemälde von Bruce, dem Kuhhirten und sah, wie Maggy, die braun-weiß gescheckte Kuh, friedlich auf der Wiese lag und schlief. Bruce hatte seinen Strohhut abgenommen und sich in einen Schlafsack eingerollt. Julius tippte vorsichtig an das Bild. Unvermittelt hörte er das Schwirren eines schnellfliegenden Besens von rechts herannahen. Keine Sekunde später flog die gemalte Ausgabe der Quidditchspielerin Aurora Dawn aus dem Jahr 1982 in das Gemälde. Sie landete auf der Blumenwiese und wandte sich Julius zu.

"Ich habe dich gesucht. Du warst nicht in eurem Schlafsaal. Wie waren die Ferien?"

"Abwechslungsreich", erwiderte Julius. Bruce erwachte.

"Uuuarrg! Mann, was soll'n das? Ich dachte, ihr seid alle im Bett. Was treibst du denn noch hier draußen?" Grummelte Bruce und ließ ein nebelhornartiges Gähnen hören, so daß seine schlummernde Kuh aufschreckte und unverzüglich davongaloppierte.

"Voll witzig, echt!" Schnaubte Bruce und klaubte seinen Hut auf, um Maggy nachzueilen. Julius zog den Zauberstab hervor und sagte:

"Erst Tür auf, sonst hole ich dich wieder zurück, wenn du losrennst. - Cogito ergo sum."

Bruce öffnete noch eben das Wandgemälde. Julius wünschte der Aurora Dawn von 1982 eine gute Nacht und schlüpfte schnell in den leeren Gemeinschaftsraum. Bruce schwang das Bild wieder vor den Eingang. Ob er danach losrannte, um sein durchgegangenes Rindvieh wieder einzufangen, war Julius egal.

Julius sah ein kleines Wesen in einem einteiligen Kleidungsstück, daß wie ein Geschirrtuch aussah, auf dem vorne das Wappen von Hogwarts aufgestickt war, wie es das Kaminfeuer schürte und überstehende Holzscheite zurechtbrach. Es drehte sich um und sah den nächtlichen Heimkehrer mit silbergrauen Augen, groß wie Tennisbälle an.

"Haben Sie vielleicht einen Wunsch, Sir?" Fragte das Wesen mit heller Stimme, jedoch leise sprechend.

"Nein Danke! Ich möchte nur noch ins Bett", sagte Julius und gähnte wie zur Bestätigung, daß er vollkommen Müde war. Das kleine Wesen, eindeutig ein Hauself, nickte und wünschte Julius eine gute Nachtruhe.

"Wir haben Bettwärmer zwischen die Laken gelegt, Sir. Sie werden wohlig warm schlafen können, Sir."

"Danke", entfuhr es Julius, bevor ihm wieder einfiel, daß manche Hauselfen nicht immer gelobt werden wollten. Doch dieser Elf nickte anerkennend und ging seiner Beschäftigung am Kamin nach.

Kevin war noch wach und lauerte vor der Schlafsaaltür.

"Heh, psst! Was wollte Flitwick noch von dir?" Wisperte er Julius zu.

"Es ging um meine Eltern und daß ich deshalb in den Ferien woanders untergebracht war. Außerdem hat er mir für den Sonnenvortrag zehn Punkte gegeben. Wir führen jetzt also schon zwanzig vor Slytherin", flüsterte Julius. Kevin guckte ihn verdutzt an. Dann sagte er:

"Kaum wieder hier, schon heimst der Kerl wieder Punkte ein."

Julius lief leicht rosa an. Kevin kicherte leise und meinte:

"Und immer noch so schüchtern, wenn es um große Taten geht. Dann wollen wir mal. Wer weiß, wen wir morgen als ersten haben."

"Snape und dann Binns. Das wäre der absolute Hit für den Anfang."

"Nett von dir, mir die Aussicht auf eine gute Nacht zu vermiesen", zischte Kevin. Dann schlüpften sie in den Schlafsaal.

"Ich habe deine Eule mit Boann zusammen rausgelassen, Julius. War doch richtig, oder?"

"Joh, danke. Boann weiß ja, wo die Eulerei ist. Ich schreibe heute bestimmt keine Briefe mehr", wisperte Julius. Leise durchsuchte er seinen Koffer nach einem Pyjama und zog sich bettfertig an. Dann stieg er in das vorgewärmte Bett und zog den Vorhang vor. Keine Minute später schlief Julius bereits.

ENDE

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