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Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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© 2004 by Thorsten Oberbossel

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Vorige Story

P R O L O G

Als am 24. Juni 1995 das trimagische Turnier zu Hogwarts mit dem tragischen Tod Cedric Diggorys endete, begann die zweite Daseinszeit des dunklen Lords Voldemort. Doch dessen in Hogwarts unter falscher Identität arbeitender Diener wurde enttarnt und durch einen Dementoren seiner Seele beraubt. Dessen Körper wird vom Zaubereiministerium versteckt, aber von nicht mit den Zaubereigesetzen einverstandenen Hexen gefunden und nach der Umwandlung zur Frau in einem mächtigen Ritual mit der in einem dunklen Medaillon geborgenen Seele der Hexenmatriarchin Anthelia wiederbelebt. Dieses Ritual wird von dem halbwüchsigen Freizeitsportler Benjamin Calder belauscht. Anthelia bringt ihn in ihre Gewalt und belegt ihn mit Flüchen, die ihn zwar stark und gutaussehend machen sollen, ihn aber auch geistig an sie binden. So kehrt er als Kundschafter Anthelias in seine Welt der nichtmagischen Menschen zurück.

Anthelia belegt ihre neuen Schwestern, mit denen sie den Orden der schwarzen Spinne gründet, mit einem Treue- und Verschwiegenheitsfluch. Sie versucht, sich in den Besitz alter Geheimnisse der Dunkelhexe Sarah Redwood zu bringen, was zu scheitern droht, weil diese ihr Haus mit einem Fluch umgibt, der nur Blutsverwandte von ihr einläßt. Sie lockt den Nachfahren Sarahs, Chuck Redwood, durch Telepathie in das geschützte Haus seiner Vorfahrin, in dem er an verschiedenen Gefahren vorbeikommen muß, bis er die in einem Steinsarg im magischen Tiefschlaf ruhende Sarah Redwood findet. Diese will ihn zunächst von ihrer Sache überzeugen. Doch er weigert sich, ihr zu folgen und wird von ihr in den Steinsarg gezwungen. Kurz darauf trifft Sarah auf Anthelia, der sie nicht glaubt, daß sie wirklich die berühmte Nichte einer mächtigen Dunkelhexe aus Frankreich ist. In einem Zaubererduell findet Sarah den Tod. Anthelia fängt den aus dem Körper fliehenden Geist in ihrem dunklen Seelenmedaillon ein und erwirbt damit doch noch Sarahs umfassendes Wissen.

Ben Calder muß wenig später miterleben, wie zwei gewaltsüchtige Großbanden seine Heimatstadt zum Schlachtfeld ihres Bandenkrieges machen, wobei die Stadt vollständig niederbrennt. Er zieht mit seiner Mutter nach Seattle, wo er jedoch bald wieder zwischen zwei Fronten gerät. Er muß fliehen. Die Hexen des Spinnenordens passen ihn ab und bringen ihn in ihr Hauptquartier, wo er in magischen Tiefschlaf versenkt wird, bis Anthelia jemanden findet, als der sich Ben ausgeben kann.

Voldemort versucht, seine Getreuen in anderen Ländern zu mobilisieren. Zwei von ihm angeheuerte Dementoren kommen nach New York. Dort läuft ihnen die FBI-Agentin Maria Montes über den Weg und wird beinahe ihr Opfer. Nur einem alten Erbstück und ihrer Gabe, auch ohne selber zaubern zu können Zauberwesen sehen zu können rettet sie. Die behördlichen Zauberer jagen die Dementoren. Dabei gerät Maria ins Fadenkreuz und muß fliehen. Ihr in New Orleans lebender Kollege Marchand klärt sie auf, daß es die Zaubererwelt gibt und stellt ihr die Hexe Jane Porter vor, die für ein Institut zur Abwehr dunkler Zauberphänomene arbeitet. Diese sagt Maria, daß sie eine Fensterguckerin sei, eben magische Dinge mit ihren Sinnen wahrnehmen kann, ohne selbst zaubern zu können.

Neben Voldemort, der seine früheren Befürworter in anderen Ländern anschreibt, stellt sich eine aus langem Schlaf erwachte Zauberkreatur als größte Bedrohung für Anthelia heraus. Dieses Wesen sucht in New York den Wissenschaftler Richard Andrews auf, dessen nicht nutzbare Zauberkraft sie geweckt hat und knüpft durch leidenschaftliche Liebesakte und Gesänge ein immer festeres Band zu ihm. Während Anthelias Hexenschwestern einen Machtkampf dunkler Magier in Amerika anzetteln und sich einer anderen dunklen Schwesternschaft in Australien bedienen, um dortige Schwarzmagier auszuschalten, versucht Voldemort, die Tochter des Abgrunds, jenes unheimliche Zauberwesen, auf seine Seite zu ziehen. Dieses Vorhaben scheitert jedoch. Er reist nach Amerika, um den aufgeflammten Krieg der schwarzen Bruderschaften zu beenden und erkennt, daß er nichts ausrichten kann. Grausam verfluchte Mitglieder der Schwarzberg-Bruderschaft tauchen übers Land verteilt auf, das Haus des Dunkelmagiers Lohangio Nitts wird von einem künstlichen Ungeheuer niedergebrannt. Nur dessen Lehrling Ornatus Pane überlebt dieses Inferno.

Nachdem Anthelia es erreicht hat, die mächtigsten dunklen Orden Nordamerikas auszuschalten, kümmert sie sich wieder um Ben Calder und die Tochter des Abgrunds.

Der durch einen Reitunfall für lange Zeit in tiefem Koma liegende Senatorensohn Cecil Wellington wird von Anthelia ausgewählt, um Ben Calders neue Identität zu werden. Durch eine Reihe von Zaubern wird Benny an Cecils Stelle gebracht und erhält dessen Gestalt. Von da an lebt er unter dem Namen Cecil Wellington weiter. Doch sein neues Leben ist kurz darauf bedroht, weil Laura Carlotti, eine wohl bessere Freundin Cecils, wird von Gangstern bedroht, die ihrem Vater etwas heimzahlen wollen. Anthelias Schwestern retten Cecil vor dem Anschlag.

Die Tochter des Abgrunds schenkt ihrem Auserwählten ein magisches Medaillon, das ihre Macht über ihn vervielfacht. Nun ist er ihr völlig ausgeliefert.

Anthelia weiß von Plänen Voldemorts, Getreue aus Askaban zu befreien und überlegt, wie sie damit umgehen soll.

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Der Himmel war erfüllt von bunten Lichtern. Sirren, Krachen, Wummern und Zischen klang zu ihm herüber. Die Kalte Winternachtluft war geschwängert mit Schwefeldunst. Gerade schoss eine Rakete laut zischend empor und zerplatzte in einen rot-goldenen Sternenregen. Rums! Barst ein schwerer Kanonenschlag keine zehn Meter von ihm entfernt. Cecil Wellington, wie ihn hier alle nannten und kannten, hatte gerade seinen neuen Eltern ein frohes, neues Jahr gewünscht und sah nun, wie die Dienstboten das hauseigene Feuerwerk abbrannten, das durch mehrere Sicherheitskontrollen hatte wandern müssen, um nicht eine Plastiksprengstoffladung unter den Knallfröschen, Raketen und Feuerrädern auszulösen, die dem Senator aus Pennsylvania und seiner Familie zum Jahreswechsel den Tod bringen konnte. Gerade rotierte wild funkensprühend ein silbernes Feuerrad über der großen Wiese des Anwesens, das die Wellingtons bewohnten. Cecil selbst zündete gerade eine Kette Kracher und trat zurück. Knatternd und krachend brannte die Kette ab. Laut pfeifend fegte ein Luftheuler über ihn hinweg und hauchte knapp hinter dem massiven Stahltor sein kurzes, feuriges Dasein aus. Cecil dachte daran, das vor einem Jahr, wo er mit seinen Eltern und allen Bewohnern Dropouts auf dem Hauptplatz gestanden und in das Jahr hineingefeiert hatte, keiner davon geträumt hatte, daß ihre gemeinsame Heimatstadt einmal in einem vernichtenden Feuerwerk eines zerstörungssüchtigen Verbrechers verglühen würde. Er selbst, damals noch als Benjamin Jacob Calder Junior im Besitz seines ganz eigenen Lebens, hatte sich nicht zu träumen gewagt, daß es in der Welt Leute gab, die das konnten, was seine Eltern und Lehrer schlicht für abergläubischen Unsinn ansahen: Schwarze und weiße Magie. Doch der Sommer des Jahres, das nun mit heulenden, krachenden und zischenden Feuerwerkskörpern auf den Abfallhaufen der Vergangenheit geworfen wurde, hatte sein Leben drastisch geändert. Er war der Hexe Anthelia begegnet, die ihn durch ihre Zauberei in ihren Bann geschlagen und zu einem fernüberwachten Kundschafter ihrer Sache umfunktioniert hatte. Kurz darauf war ein mörderischer Bandenkrieg über seine Heimatstadt Dropout, Mississippi hinwegefegt, wie ein Hurrikan und hatte die Stadt in Schutt und Asche verwandelt. Doch in Seattle, wo er danach gewohnt hatte, war er nicht in Ruhe gelassen worden. Er mußte vor brutalen Leuten fliehen, die ihn des Mordes an ihn angreifenden jugendlichen Gangstern beschuldigten. Anthelia hatte ihn darauf aus seinem eigenen Leben herausgenommen und zu diesem Cecil Wellington gemacht. Jetzt lebte er das Leben eines Jungen, der vielleicht nie wieder aus tiefem Koma erwacht wäre. Er war nun das Mitglied einer angesehenen Politikerfamilie und Kind Reicher Eltern. Anthelia hatte ihn hier hingesetzt, wie einen Nachrichtenbeschaffer, der ihr die Welt der nichtmagischen Menschen erläutern sollte. Dieses Jahr war nun um. Mit dem Getöse und Gefunkel des Feuerwerks war nun endgültig nichts mehr von Benjamin Jacob Calder Junior übrig.

"So tief in Gedanken, Master Wellington?" Fragte Jefferson, der Butler der Wellingtons. Cecil nickte.

"Ich mußte an alles denken, was letztes Jahr passiert ist", antwortete der Junge und log damit nicht einmal.

"Sie und wir hatten sehr großes Glück, junger Sir. Gott, der Herrr hat uns aus einer tiefen Dunkelheit errettet und Sie uns zurückgegeben."

Cecil shmunzelte. Jefferson mochte dies als Freude über diese schönen Worte empfinden. In Wahrheit dachte Cecil, daß nicht der großmächtige liebe Gott dies angerichtet hatte, sondern eine Frau, die mit den Kräften des Bösen hantierte wie er mit Handy und Computer.

"Prosit Neujahr, Anthelia! Wo immer du gerade steckst", schickte Cecil einen Gedanken in Richtung der Hexe, die vielleicht wieder ihre telepathischen Fühler in seinen Geist getunkt hatte. Doch er bekam keine Antwort.

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Richard Andrews fühlte sich etwas matt. Den ganzen Silvesterabend hatte er mit Loretta Irene Hamilton, der berauschend schönen Archäologin, die Neujahrsfeiern rund um den Erdball im Fernsehen verfolgt. Er hatte gesehen, wie in Sydney der Wechsel in das neue Jahr begangen worden war, dann in Tokio, Moskau, Berlin, London und auf den Kanaren. Dann, kurz vor Mitternacht, gab es eine Live-Schaltung zum times Square in New York, wo mehrere hundertausend Leute gebannt auf eine große Kugel blickten, die mit 1996 beschrieben war und langsam herabsank. Wenn die Kugel unten war, würde in der Stadt, die niemals schlief das neue Jahr einzug halten, und damit auch in Bay City.

"Schade, daß du keinen Fernseher hast, Lolo", sagte Richard, der gerade zwei Gläser mit purem Orangensaft füllte. Denn Loretta verabscheute Alkohol und hatte ihn während der nun bald drei Monate ihrer Beziehung davon abbringen können. Als dann an der amerikanischen Ostküste das neue Jahr mit Feuerwerk und Jubelgeschrei begrüßt wurde, hatten sie sich zugeprostet, ihre Gläser geleert und waren dann über ein erst sanftes, dann immer leidenschaftliches Vorspiel in den Rausch einer wilden, heißen Liebe geglitten, die ihre Körper mehr als zwei Stunden zusammenhielt. Richard war dabei wie von mehreren starken Cocktails berauscht in einen Strudel aus Glücksgefühl und Erschöpfung getrieben, der die Welt um ihn herum zum drehen brachte. Noch in der innigen Umklammerung mit Loretta übermannte ihn eine tiefe Erschöpfung, die ihn für Stunden betäubte.

Am frühen Neujahrsmorgen kam er mit leicht schmerzendem Kopf und schweren Gliedern wieder zur Besinnung. Loretta lag ruhig atmend neben ihm. Beide waren sie noch völlig nackt. Doch die hochmoderne Zentralheizung hielt das Wohnzimmer auf etwa zwanzig Grad, und der mit großen Badetüchern überdeckte Teppich war weich und hielt die Wärme. Richard stemmte sich mühsam hoch. Ein leichtes schwindelgefühl drohte, ihn umfallen zu lassen. Doch er klammerte sich an dem großen Tisch, wo noch das Geschirr von der Feier stand und eroberte sein Gleichgewicht zurück. Er ging barfuß hinüber zum Bad, wo er beinahe zu Tode erschrak, als ihm ein totenbleiches Gesicht mit eingefallenen Augen aus dem Spiegel ansah. Das ohnehin spärliche Haar war total zerwühlt, und seine Lippen waren völlig blutleer. Richard fragte sich, was er getan hatte, daß er schlimmer aussah als einer der Unzähligen Alkoholsünder dieser Nacht wohl aussehen mochte. Doch er hoffte, bald wieder zu Kräften zu kommen. So wandte er sich von dem fahlen Gesicht im Spiegel ab und nahm eine lange Dusche. Doch die Mattigkeit wollte ihn nicht loslassen. War er für diese Art von Zweisamkeit vielleicht doch schon zu alt? Er kam sich vor, als habe er doch Alkohol in großen Mengen getrunken, wie wohl viele Menschen in der Nachbarschaft. Er fühlte sich irgendwie kaputt, als habe er einen vollen Tag Schwerstarbeit geleistet. Als er wieder ins Wohnzimmer zurückkehrte, kam ihm Loretta in ihrer natürlichsten Erscheinungsform entgegen und lächelte ihn an. Sie schien vom Liebesspiel überhaupt nicht betroffen zu sein. Ja, sie besaß trotz der frühen Morgenstunde ein frisches, rosiges Gesicht. Ihre braunen Augen strahlten Freude und Vertrauen aus.

"Huh, Rick, ich wußte nicht, daß dich das so geschlaucht hat", grinste sie amüsiert. Dann streichelte sie seine rechte Wange und küßte ihn auf den Mund. Richard fürchtete, nun endgültig das Gleichgewicht zu verlieren. Doch er blieb sicher auf den Beinen.

"Du hast doch heute frei. Da kannst du dich richtig ausruhen", lachte die rothaarige Schönheit, die Richard so heftig beeindruckte. Er nickte nur.

"Ich fahre um zehn Uhr zum Flughafen, um nach Los Angeles zurückzufliegen. Ich denke, dann hast du genug Zeit, dich auszuruhen." Wieder nickte Richard, während seine neue Freundin ihre Kleidung zusammensuchte.

"Ich denke, in zwei Wochen kann ich mal für's Wochenende zu dir kommen", sagte Richard leicht wehmütig, weil er daran dachte, wie lang zwei Wochen sein konnten.

Nach einem reichhaltigen Frühstück brachte er Loretta mit einem Taxi zum Detroiter Inlandsflughafen. Ein letztes Mal für mehrere Wochen umarmte er Loretta und sah ihr nach, wie sie im Strom der Fluggäste verschwand. Er wartete, bis sie sich in eine lange Schlange an einem Flugschalter einreihte und kehrte dann mit einem Taxi zurück in sein Haus, wo es noch total still war. Er räumte Geschirr und Gläser der Party fort.

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Die Stratons feierten den Beginn des neuen Jahres mit ihren Verwandten zusammen. Pandora Straton hatte das große Haus etwas außerhalb einer Vorstadt mit bunten, sich selbst schlängelnden Luftschlangen, rot, blau, grün, gelb und golden leuchtenden Ballons und hohen farbwechselnden Kerzen geschmückt. Aus magischer Quelle kam beschwingte Musik, während Pandora im goldenen Glitzerkleid die Gäste bediente. Ihre Tochter Patricia spielte mit der Tochter ihrer Cousine Ginger, die sich angeregt mit Patricias Bruder Ross unterhielt. Offenbar hatte Ross doch eine Hexe für ein gemeinsames Leben gefunden. Patricia hatte höfliches Interesse bekundet, jedoch in wirklichkeit andere Sorgen. Sie überlegte sich, was in diesem Jahr alles passieren würde, nachdem sie mit ihrer Mutter zusammen in Anthelias Spinnenorden eingetreten waren und damit im weltweiten Krieg der magischen Vereinigungen mitkämpften. Sicher, Anthelia hatte die Macht und die Visionen, die Welt von Magiern und Muggeln zu heilen, das Mißverhältnis zwischen Hexen und Zauberern, sowie den von Muggeln verbreiteten giftigen Brodem zu beheben. Sie war froh, nicht untätig zusehen zu müssen, was in der Welt vor sich ging.

"Joh, Pat, wie läufts'n so?" Sprach Abel Forest sie von hinten an. Sie fuhr herum und sah den dicklichen Zauberer mit dem schwarzen Ziegenbart leicht verdutzt an. Dann sagte sie jedoch:

"Bei mir soweit so gut, Abel. Ich werde wohl in diesem Jahr endlich ins Goodwing-Institut reinkommen und nach effektiveren paraphysikalischen Zaubern forschen können. Ich hörte da sowas, daß Minister Pole ein Netz von Teleportalen errichten lassen will. Offenbar hat er sich von den Muggeln animieren lassen, möglichst schnell möglichst weite Strecken zu überbrücken."

"Ja, unser großes Land ist für Flohpulver und Besenflieger doch etwas groß", lachte Abel. "Aber die Teleportale reichen doch nur tausend Kilometer weit. Wie soll das denn gehen."

"Noch ist der räumliche Widerstand nicht ganz geknackt, Abel. Aber ich hoffe, da demnächst noch näheres zu zu erfahren. Immerhin heißt es, die aus dem alten Reich hätten damals die ganze Welt mit Fernreisezaubern umfaßt."

"Die Straßen von Atlantis halte ich doch für eine Legende, Pat. Wir wissen von den großen Zauberwerken der Alten doch so gut wie gar nichts. Die Schriften, die man gefunden hat, haben doch nichts so revolutionäres gebracht."

"Hast du eine Ahnung", dachte Patricia und war froh, das Abel nicht mithören konnte, was sie dachte.

"Aber wenn du dich mit phantastischen Sachen rumschlagen willst, mach ruhig", grinste Abel amüsiert.

Pandora Straton war in ein Gespräch mit einer Fachkollegin aus Michigan über den Niedergang des Zwergenreiches in Norwegen vertieft. Einst hatten die kleinwüchsigen Menschenähnlichen in Skandinawien ein großes Handelsimperium begründet, das den Edelmetallmarkt kontrolliert hatte, bis die Kobolde in langen Auseinandersetzungen mit Zauberern und Zwergen die Monopolstellung an sich rissen und die Zwerge aus dem Münzgeschäft verdrängten. Manche Zwergenfürsten trachteten heute noch danach, das alte Alleinverwertungsvorrecht von den Kobolden zurückzuerkämpfen, wenn die Zeit günstig war. Doch zum einen waren die Kobolde wesentlich mächtigere Zauberwesen, und zum anderen waren die Zwerge durch ihre Verbundenheit zu Höhlen und unterirdischen Bauwerken sehr gut zu beherrschen, da gewitzte Kobolde Sperrzauber vor die Eingänge der Zwergenstädte gelegt hatten, und die wenigen Zwergenfamilien, die Zugang zur oberirdischen Welt hatten, keine große Gefahr darstellten, ja doch bereitwillig mit den neuen Geldhütern zusammenarbeiteten. Darüber unterhielten sich Pandora Straton und ihre Kollegin.

So klang das alte Jahr mit sachlichen Diskussionen und belanglosem Geplauder aus. Um Mitternacht jagten die Zauberer und Hexen magisches Feuerwerk in die Nacht hinaus, das den Muggeln nicht auffallen würde, da ja auch diese Luftheuler, Böller und Schwärmer losließen, wenngleich auch sehr plumpe, kurzlebige Sachen im Vergleich zum Zaubererfeuerwerk. Patricia dachte an Anthelia, die nun mit ihrer jüngsten Mitschwester Dido Pane allein in der alten Daggers-Villa saß. Würde sie das neue Jahr begrüßen?

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Dido Pane war alleine in der Villa. Ihre Lehrmeisterin Anthelia hatte sich kurz vor zehn Uhr zurückgezogen. Auf die Frage, ob sie nicht in das neue Jahr hineinfeiern wolle, hatte Anthelia nur mit einem Lächeln geantwortet:

"Ich pflegte früher nie, in das neue Jahr hineinzufeiern, Dido. Es wird auch so sein wie wir es gestalten. Gute Nacht, Dido!"

Die zwölfjährige Junghexe hatte noch gehört, wie ihre Lehrerin und höchste Schwester in ihr Schlafgemach ging und die Tür verriegelte. Sie dachte an früher, wo sie mit ihren Eltern in das neue Jahr hineingefeiert hatte. Doch so gesehen war das nie was besonderes gewesen. Ihr Vater hatte immer denselben Spruch gebracht, daß alle Schlammblüter dieser Welt verrotten sollten und in dem kommenden Jahr jemand wie er, dessen Name auch in ihren Kreisen nicht laut ausgesprochen wurde, den Unrat in der Zaubererwelt hinwegfegen solle. Insofern hatte Anthelia recht. Man konnte auch in das nächste Jahr hinüberschlafen und mußte sich nicht dieselben langweiligen Sprüche antun. So ging sie in ihr kleines Dachzimmer und legte sich schlafen. Immerhin hatten sie ein schönes Weihnachtsfest gefeiert, Anthelia, Charity und Lobelia Wagner, die Dido mittlerweile nicht mehr als abartig ansah, nur weil diese Muggelstämmig war. Ja, sie hatte erfahren, daß die mächtigsten Hexen der vergangenen Jahrhunderte keine Reinblüter waren, wie die Slytherinisten es immer gemeint hatten. Anthelia, so wußte sie, bewohnte den Reinblütigen Körper einer im Verborgenen aufgezogenen Schwester Crouches, die dieser vor dem Unnennbaren versteckt hatte, weil der alte Bartemius fürchtete, sie könnte auch zu diesem Magier überlaufen, wie der in Askaban gestorbene Bartemius Junior. Sie schlief ein und träumte von Pertarda Duckfoot, der Besenprinzessin.

Anthelia verriegelte ihre Tür, die mit Geister abweisenden Runen beschrieben war und legte einen doppelten Aussperrzauber darauf, der die Tür für Öffnungszauber und körperliche Gewalt unüberwindlich machte. Dann legte sie sich hin und murmelte eine Formel, die sie mit dem Gürtel der zwei Dutzend Leben verband. Um dessen Schutz zu erhalten mußte sie jeden Tag um dieselbe Zeit zur Ruhe gehen und acht Stunden tief und unaufweckbar schlafen, um die Kräfte, die das verfluchte Kleidungsst+ück benötigte, zu sammeln. Sie träumte dabei nie etwas, woran sie sich nach dem Aufwachen erinnern konnte. Doch das sie träumen mußte war ihr bewußt. Denn ohne Träume würde jedes Lebewesen mit der Zeit wahnsinnig.

Als im Bundesstaat Mississippi der Neujahrsmorgen graute, erwachte Dido Pane um halb sechs und las noch in einem Buch über Sardonia, die dunkle Matriarchin, Anthelias Tante. Sie las von einer Armee von Bestien, die aus Mensch und Insekt zusammengefügt worden waren. Sie verspürte einen Schauer der Angst, als sie las, wie hundert dieser Ungetüme über die Burg von Arcanus Tourrecandide hinweggefegt war, einem Zauberer, der sich gegen Sardonias Macht stellte. Gerade als sie las, wie die Schwarmführerin der Entomanthropen Arcanus von hinten mit ihrem Giftstachel durchbohrte, hörte sie Anthelia ihr Gemach verlassen.

"Die Herrin ist wieder wach", klang eine Stimme in Didos Schlafzimmer. Sie erschrak. Dann begriff sie. Einer der im Haus gefangenen Geister war unsichtbar zu ihr gekommen. Sie haßte die Gespenster. Es waren neben dem fetten, feisten Geist des letzten Besitzers ausschließlich Geister getöteter Soldaten, die das Pech hatten, in diesem Haus zu sterben. Ein altafrikanischer Fluch bannte die Seelen der hier verstorbenen und verdammte sie zu ewigem Spuk.

"Welcher von euch Totschlägern ist das?" Fragte Dido und griff schnell nach ihrem Zauberstab, der von allein zu schweben begonnen hatte.

"Ist das so wichtig, dumme Pute. Du ahnungsloses Häufchen Knochen ohne was dran", kam eine gehässige Antwort. Da flog die Tür auf, und Anthelia trat in ihrem weißen Umhang ein. In der Hand hielt sie einen großen Kristall, der wie ein Auge geformt war. Ein lauter Schmerzensschrei ertönte, und mit kurzem Flimmern wurde der Geist eines noch jung wirkenden Soldaten sichtbar. Körper und Gesicht des Spukwesens verrieten starke Schmerzen.

"Wie oft habe ich dir und deinen misogynen Mitstreitern gesagt, ihr habt hier nur sichtbar zu wandeln! Muß ich dich denn wirklich strafen, William Hencock?"

"Nein, Herrin! Gnade!" Bettelte der Geist, bei dem die Schmerzen offenbar nachgelassen hatten.

"Weder in meinem Gemach noch in dem meiner jungfräulichen Schwester hast du oder sonst einer von deinen Kampfgefährten was verloren. Du besitzt ja nichts mehr, was durch Voyeurismus angeregt werden könnte. Hast du das denn schon wieder vergessen?" Erwiderte die höchste Schwester. Dann hob sie ihren silbriggrauen Zauberstab und sagte ein drohend klingendes Zauberwort. Der Geist des Soldaten schrie auf, schien zu Nebel zu zerfließen und von der nächsten Wand aufgesogen zu werden. Sein Schrei jagte wie ein wilder Windstoß aus Didos Dachkammer hinaus.

"Hat dich dieser Unhold berührt oder unflätig beschimpft, Schwester Dido?" Erkundigte sich Anthelia mit mütterlich wirkender Besorgnis in Stimme und Blick.

"Nein, er hat mir nichts getan. Er hat nur gesagt, ich sei eine dumme Pute und ein Knochenhaufen mit nichts dran."

"Er kann es nicht verwinden, daß in diesem Haus wieder Lebendige wohnen, noch dazu Frauen und er und seine Kameraden sich nicht an unserer Weiblichkeit ergötzen können. Außerdem fürchtet er meine Strafzauber wie die Pest."

"Wie heißt dieser Zauber, den du da gemacht hast, höchste Schwester?" Fragte Dido.

"Larvexhabitus, der Geistergestaltbann. Ein Gespenst, das damit getroffen wird, flieht die totale Auflösung sofort. Geister, die diesem Fluch zu trotzen trachten, können für Tage geschwächt werden, bis ihr ektoplasmatisches Abbild sich von dem Schlage erholt. Es ist im Grunde genommen die Vorstufe zum Exorzismus, der endgültigen Austreibung gewesener Kreaturen aus bewohnten Orten."

"Ich danke dir, daß du diesen Unhold gezüchtigt hast, höchste Schwester", sagte Dido aufrichtig und legte ihren Zauberstab wieder fort.

"Es geziemt sich für mich als die Herrin dieses Hauses, die Ordnung zu erhalten. An und für sich würde ich dies Gewesenengrobzeug in die andere Welt verbannen. Doch der Fluch, der diesem Ort die Kraft verleiht, die ich stets nutzen möchte, hält diese Gestalten hier fest. Sie zu vertreiben hieße, gegen die Macht zu kämpfen, die ich mir dienstbar halten möchte und möglicherweise mich oder die Kraft dieses Ortes zu vernichten. Nach beidem trachte ich nicht. Daher muß ich dieses Gesindel dulden, sofern ich es aus den Räumen heraushalte, in die es nicht hineindarf. Doch da wir beide lebendig sind verlangen unsere Leiber nach Speis und Trank. Vor allem deiner bedarf einer guten Ernährung, Schwester Dido. Also spute dich, sodaß wir den ersten Morgen dieses Jahres mit gebotener Kraft und Ausdauer begrüßen können!"

Dido gehorchte und machte sich tagesfertig. Anthelia hatte ihr wegen des Feiertages erlaubt, auf dem Nimbus 2001 zu fliegen, den ihr Charity, Pandora und Patricia zu Weihnachten geschenkt hatten. Sie machte sich keine Sorgen darum, daß das Mädchen von Muggeln gesehen würde. Denn auch die nichtmagischen Menschen ließen an diesem Tag die Arbeit ruhen, und in einem Umkreis von mehreren dutzend Meilen hielt sich an diesem Tag niemand auf. Denn die Stadt in der Nähe war im Sommer niedergebrannt worden und mußte neu errichtet werden. Solange waren Baumeister und Maurerleute, sowie Elektroingenieure die einzigen, die dort herumliefen. Ja, und an diesem Tag taten sie es nicht.

Als Dido mit ihrem Besen davonsauste, nahm Anthelia das Medaillon Dairons in die Hand und dachte an Cecil Wellington. Sie stellte sich sein früheres und nun neues Gesicht vor und fühlte, wie die Umgebung um sie herum verblaßte. Sie glitt unbemerkt von ihm in dessen Sinneswelt. Er schlief jedoch noch tief und fest. Offenbar hatte er sogar etwas getrunken, denn seine Traumbilder waren dumpf und verschwommen, weil der Alkoholrausch wie jedes Betäubungsmittel das Träumen störte. Sie fand jedoch einen sicheren Halt in den wabernden Schichten des Geistes und tastete sich zu den Erinnerungen durch, die Cecil in den letzten zehn Stunden angehäuft hatte. Als erfahrene Legilimentorin hatte sie auch ohne den Bindungsfluch kein Problem, für sie interessante Erinnerungen zu ergreifen. Mit dem Bindungsfluch, der sie mit dem Jungen verband, war es sogar möglich, dies ohne sein Wissen zu tun. Sie schmunzelte, als sie auf den an sie gerichteten Neujahrsgruß und die leicht abwertenden Gedanken an sie stieß, die ihren tiefen Abdruck im Gedächtnis hinterlassen hatten, wie ein Drache seine Fußabdrücke im Boden.

"Morgen werde ich ihm seinen Auftrag erteilen. Er wird für mich nach geheimen Dokumenten forschen, die über Aktivitäten in England und Europa aufschluß geben sollten. Außerdem würde sie sich heute noch mit Dana Moore treffen, die Neuigkeiten aus England mitbringen würde. Sie wußte, daß vor Weihnachten ein Arthur Weasley, der wohl gegen die Verbreitung behexter Gegenstände in der nichtmagischen Welt vorging, im Zaubereiministerium von einer großen Schlange gebissen worden war. Voldemort hatte dieses Reptil dorthin geschickt, um auszuspähen, wie er an die in einem Bewahrungskristall eingeschlossene Erinnerungswidergabe jener Prophezeiung gelangen konnte, die über sein Schicksal Auskunft gab. Sie lächelte. In der französischen Mysteriumsabteilung in der Halle der Vorhersagen lagerten auch mehrere aufgezeichnete Prophezeiungen über Sardonias und ihr Schicksal. Doch anders als der Emporkömmling glaubte sie nicht an die Macht der Vorherbestimmung, die durch Weissagung zu ergründen war. Sie hatte in Beauxbatons die Dunklen Künste und die Mysterien der Zauberkunst und Verwandlung erlernt, sich über Zaubertrankbraukunst und Herbologie eine Ausbildung zur Heilerin verschafft und war dann, wo sie mächtig genug war, um eine eigene Organisation von Hexenschwestern zu begründen, nach England ausgewandert, wo sie die oberste Sprecherin der dortigen Nachtfraktion schweigsamer Schwestern erkämpfte und bis zum Tode ihres ersten Körpers behalten hatte.

Anthelia apparierte im Keller, wo ein dunkelhaariger Mann an die Wand geschmiedet war. Er zerrte an seinen zerbrechlich wirkenden Ketten. Anthelia lachte und hob den Sprechbann auf, mit dem sie den Mann belegt hatte, um Hilferufe zu vermeiden.

"Giuliano, was möchtest du zum Frühstück?" Fragte sie scheinheilig.

"Was willst du noch von mir?" Jammerte der Gefangene. "Du weißt, daß ich meine Verbindungen niemals verraten werde.""

"Nun, dieser Verschwiegenheitsschwur, den die Mitglieder dieser ehrenwerten Gesellschaft ihren Mitgliedern auferlegen, kümmert mich keinen Deut, Giuliano. Du weißt genau, daß ich dir unendliche Qualen zufügen kann und ohne Mühe in deinen störrischen Geist hineinlangen kann, um zu wissen, was du zu verbergen trachtest."

"Maledetta Strega!" Spie der Gefangene Anthelia entgegen.

"Nun, daß ich eine Hexe bin ist unumstritten. Das du mich für verflucht hältst ehrt mich sehr. Doch zur Sache. Du wolltest mir noch erzählen, wer in diesen großen Familien die mächtigsten Personen sind."

"Ich bin kein Mitglied der Gesellschaft. Ich arbeite nur für ..."

"Crucio!" Rief Anthelia mit auf den Gefangenen deutenden Zauberstab. Eine Volle Minute lang hallten die Schmerzensschreie des Gefesselten durch die Villa. Als Anthelia den Fluch von ihm nahm, weinte er bitterliche Tränen. Dann sprach sie in bestem römischen Italienisch mit dem Gefangenen und befragte ihn zu den Führern der nordamerikanischen Familien der Cosa Nostra, dem aus der sizilianischen Mafia hervorgegangenen Zweig in Amerika. Giuliano Bernadetti, dessen Großvater einst zu einer angesehenen Familie gezählt hatte, bis diese in einer blutigen Fehde ausgerottet worden war, stammelte die Namen und Wohnorte der ihm bekannten Oberhäupter herunter. Anthelia zerrte zeitgleich mit der Kunst der Legilimentik die unterdrückten Informationen aus seinem Geist. Es wäre einfach gewesen, ihn unter dem Imperius-Fluch zu verhören. Doch Anthelia empfand keine große Genugtuung darin, einen Menschen einfach zu versklaven, wenn sie seinen Willen durch Qual und Belohnung brechen konnte. Als sie endlich die letzten ihr noch fehlenden Details erfahren hatte, lächelte sie. Ihr gefiel es, wie die sogenannten Muggel sich organisiert hatten. Es würde interessant sein, sich diese Strukturen zu unterwerfen, um auch in der nichtmagischen Welt ein Netz von Informanten und skrupellosen Handlangern zu unterhalten, ähnlich ihrem mittlerweile weltweit ausgespannten Netz der Spinne. Interessant wäre es auch, diese Organisation so zu unterwandern, daß ihre Führer und Planer nicht erahnten, daß sie für Anthelia arbeiteten. Sicher konnte sie mit ihren Schwestern die großen Bosse versklaven und zu Diensten für sie zwingen. Doch gegen den Imperius-Fluch konnten sie irgendwann ankämpfen, und ständige Gedächtniszauber bargen die Gefahr der geistigen Verwirrung in sich. Zunächst würde sie nur ausloten, wie neu die von Giuliano erpressten Informationen waren.

Als Dana Moore apparierte, kam Dido durchgefroren aber glücklich zurück.

"In wenigen Tagen wird er es tun, höchste Schwester. Sein Handlanger Pike soll es vorbereiten", zischte sie nur, bevor Dido nahe genug war, um es mithören zu können.

"Nun, dann sollten wir uns absprechen, was wir tun, wenn sie auch unter denen ist, die entkommen können", sagte Anthelia.

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Sie hörte die Schreie einer Frau und eines Mannes in höchster Todesqual. Sie hörte sich selbst laut und irre lachen, während rechts von ihr Rabastan fragte:

"Wo ist der dunkle Lord? Verratet uns, wo er ist!"

"iiich wwweiiiiß eeees doch niiiiiiiicht!!!" Schrie der Mann, der vor ihm und ihr unter unerträglichen Schmerzen litt.

"Mehr auf die Frau!" Rief sie selbst. Ein Jüngling mit strohblondem Haar feuerte sie an. Sie fühlte den Hass auf die beiden Leute da, die ihn verjagt hatten, den Herrn und Meister.

"Crucio!" Rief sie und deutete auf die am Boden liegende Frau, die sofort grell aufschrie. Drei der vier Zauberstäbe waren auf die Frau gerichtet. Der junge Mann links von ihr hielt den Mann mit dem Cruciatus-Fluch am Boden. Dann sah sie sich, wie sie in einen Hagel von Flüchen geriet und in einem Gerichtssaal auftauchte. Rodolphus, ihr Gatte, hockte neben ihr in einem Fesselstuhl, wie auch der junge Mann, der laut und wimmernd um Gnade bettelte. Sie aber war stark. Sie spie ihren Richtern entgegen:

"Der Dunkle Lord wird wiederkommen. Wir allein waren ihm treu!"

Sie fühlte eisige Kälte. Seltsam! Diese Kälte fühlte sie doch schon seit ewigen Zeiten. Sie atmete die faulige Luft und hörte den rasselnden Atem ihrer Wächter. Hier herrschte vollkommene Dunkelheit. Sie mußte sich zusammenreißen. Diese Bilder vergangener Zeiten waren nicht böse. Sie würde ihn wiedersehen. Er würde sie ehren und belohnen, weil sie und ihre Familie ihn gesucht hatten, ja hier in diesem unheimlichen Grab für lebendige Menschen lag, bewacht von düsteren Dämonen, die meinten, nun dem Ministerium dienen zu können. Doch die ständig wiederkehrenden Bilder ließen sie nicht in Ruhe.

Sie sah sich mit sechs Jahren, wie sie sich mit ihrer Schwester Andromeda um ein Stück Preiselbeerkuchen zankte, das ihre Tante gebacken hatte. Sie hörte sich weinen, als sie von Ferrox Grue vor versammelter Mannschaft ihre Kleidung verlor und alle sie "Bella Bügelbrett" riefen, weil sie mit vierzehn Jahren noch keine richtigen Brüste hatte, wie ihr Grue ungeniert zwischen die Beine griff und sie fühlte, wie der Schmerz der groben Berührung in ihren Leib stach.

"Bügelbrett Black!" Sangen sie, nicht nur die Jungs um Grue, sondern auch deren Freundinnen Dana und Lucretia, diese Nachtfraktionsbälger. Immer wieder drangen diese schlimmen Bilder ihrer Schulmädchenzeit in ihr Bewußtsein, waren wie ein ewiges Karussell erlebter Alpträume. Daß sie Grue zusammen mit Rodolphus, dem sie später von der Erniedrigung erzählt hatte, nach dem letzten Schultag mit besonders groß gezüchteten Blutegeln langsam zu Tode gequält hatte und sich darüber leidenschaftlich ergötzt hatte, wollte ihr nicht ins Gehirn zurückdringen.

"Bella, Bella Bügelbrett!" Sangen die fiesen Genossen von Grue. Daß sie doch noch eine schöne Frau geworden war, die mit Rodolphus zu einem innig verbundenen Paar zusammengefunden hatte, fiel ihr nicht ein. Sie bekam immer wieder mit, wie sie als kleines Mädchen gegen ihre Schwester Narcissa im Ringkampf verlor, wie sie später auch unter ihren Zauberflüchen litt und auch, wie er, der Herr und Meister, sie grausam quälte, weil sie nicht richtig getan hatte, was er wollte.

Sie hörte ein qualvolles Stöhnen in unmittelbarer Nähe. Rookwood, ihr Mitstreiter, lag in einer Zelle und litt unter ähnlichen bösen Erinnerungen. Das war hier üblich, wo die Dementoren wachten, die Hölle auf Erden. Ihr milchgesichtiger Kumpan Barty war schon lange tot. Ihm hatte die Kraft der Dementoren sehr schnell den Garaus gemacht. Wie lange das nun her war, wußte sie nicht. Die Zeit war in diesem ewigen Kreis düsterer Gefühle und Erinnerungen bedeutungslos geworden. Doch sie stemmte sich immer wieder dagegen und dachte:

"Er wird wiederkommen. Er wird wiederkommen und uns hier herausholen." Doch diese aufbegehrenden Gefühle wurden sogleich von laut lachenden Jugendlichen aus ihrem Bewußtsein verdrängt, die ihr Schimpfwörter nachriefen, sie von hinten an den Haaren zogen oder sie im Unterricht dumm aussehen ließen. Dann meinte sie, die bösen Erinnerungen verblaßten. Irgendwas passierte da mit ihr, was nicht in diesen ewigen Kreis düsterer Stimmungen gehörte.

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Voldemort war wütend. Gerade hatte er seine Schlange Nagini in das Ministerium gelotst, deren Körper er einstweilen besetzte, um mit eigenen Augen zu überprüfen, welche Hindernisse ihm im Weg standen. Dieser sonst so allglatte Stümper Malfoy hatte es nicht ganz geschafft, das zu holen, was er haben wollte. Bode, ein Mitarbeiter des Ministeriums, war zwar unter dem Imperius-Fluch in die Mysteriumsabteilung vorgedrungen. Doch als er in der Halle der Prophezeiungen die Kristallkugel anrührte, war er in einem wilden Anfall zusammengebrochen und mit starker geistiger Umnachtung ins St.-Mungo-Krankenhaus eingeliefert worden. Ja und jetzt hockte ein rothaariger Kerl mit Brille genau vor der Tür, durch die Nagini kriechen sollte. Doch wenn er schlief, mochte sie unbehelligt ... Nein, er wachte auf. Voldemort schlug zu und biss ihm mit Naginis besonders gut präparierten Giftzähnen in einen Arm und riss diesen auf. Doch was war das? Die Wut und der Triumph wurden von einem inneren Aufschrei übertönt, einem Aufschrei der Angst. Für einen winzigen Augenblick glaubte Voldemort, in einem Hogwarts-Schlafsaal zu sein, bevor ihm klar wurde, daß er verraten worden war. So schnell es ging, ließ er Nagini aus dem Ministerium kriechen und in der Kanalisation verschwinden. Hier löste er sich aus ihrem Körper, wechselte in Sekundenbruchteilen in seinen eigenen, wiedererstandenen Körper über und apparierte im Kanal, um seine Lieblingsschlange, seine Lebensspenderin, in Sicherheit zu holen. Als er wieder in dem Haus seiner verhaßten Muggelfamilie war, meinte er, Dumbledore würde ihn anstarren, obwohl er ihn nicht sehen konnte. Eine lodernde Wut überkam ihn. Hatte dieser vermaledeite Muggelfreund und Zaubererweltverderber ihn aufgespürt? Seine Wut war so groß, daß er vergaß, daß er bereits wieder in seinem menschenähnlichen Körper weilte. Ihn drängte danach, den verhaßten Feind zu beißen. Doch als er zuschlagen wollte, war Dumbledores Anwesenheit vorbei. Er saß allein im Kaminzimmer. Wurmschwanz lag auf einem Stapel Decken und schlief, während Nagini sich am Feuer aufwärmte.

"Eines Tages kriege ich auch dich alten Knochensack", dachte Voldemort. "Eines Tages werde ich dir den eigenen Bart um den Hals schnüren und dich damit erwürgen."

"Herr", meldete sich Peter Pettigrew, der durch die Rückkehr seines Herrn und Meisters aufgewacht war.

"Was willst du, Wurmschwanz", fauchte er ihn mit einer überaus gefährlich hohen kalten Stimme an.

"Herr, Pike und McNair haben eine Nachricht hinterlassen. Euer Plan kann erfüllt werden", jammerte Pettigrew äußerst unterwürfig. Der kleine, dicke Mann mit den eingefallenen wässerigen Augen, der Stubsnase und dem grauen Haarkranz deutete mit seiner rechten, silbernen Hand auf einen Umschlag auf dem Tisch.

"Ich hoffe, dieser Pike hat meinen Plan wortgetreu befolgt", schnarrte Voldemort und streckte seine bleichen, Spinnenbeinartigen Klauen nach dem Umschlag aus.

"Pike hat mir gesagt, es wäre möglich, hundert Dementoren ohne Fudges Wissen von Askaban abzuziehen und sie in die Höhle zu locken, wo früher Barty Crouches Körper gewesen ist", sagte Wurmschwanz.

"Wann?" Fragte Voldemort, und seine roten Augen glühten vor unstillbarer Begierde.

"Eine Woche nach Neujahr, Herr", wimmerte Pettigrew, der wußte, daß diese Nachricht seinem Herrn nicht sonderlich gefallen würde.

Was! In zwei Wochen erst?! Crucio!" Rief Voldemort und richtete den Zauberstab auf Wurmschwanz, um seine Verärgerung durch dessen Qualen abzureagieren. Das, was er plante und als Unternehmen Erdschatten bezeichnete, sollte möglichst Bald durchgeführt werden. Er brauchte seine treuesten Todesser, wenn es galt, die alten Stellungen wieder einzunehmen. Zwar hatte er mit Malfoy einen brauchbaren Handlanger, der den ständig goldgierigen Minister Fudge um den kleinen Finger gewickelt hielt. Doch um zu tun, was er tun wollte, brauchte er die Lestranges, Rookwood und Dolohov.

Die Folterung Pettigrews linderte seine Wut so weit, daß er gründlicher über das nachdenken konnte, was ihm vorhin passiert war. Er hatte Naginis Körper in Besitz gehabt und war fast durch die Tür gekommen, als dieser rothaarige Zauberer erwacht war. Dumbledore mußte ihn als Wächter hingesetzt haben, um ihn oder einen Todesser sofort zu melden, wenn er sich in die Abteilung wagen wollte. Sicher, er hatte ihn erwischt, Naginis besonderes Gift würde ihn lähmen und töten, rasch verbluten lassen. Doch Was war danach passiert? Er hatte Dumbledore gesehen, sich verraten gefühlt, ja dieses ekelhafte Gefühl von Angst verspürt. Und wieso hatte er für einen Moment geglaubt, in einem Hogwarts-Schlafsaal zu sein? Dann hatte ihn Dumbledore angesehen und ihn wütend gemacht. Mochte es sein, daß Dumbledore ihn, Lord Voldemort, aufgespürt hatte und nun wußte, wo er war? Nein, das konnte nicht stimmen. Dumbledore hätte ihn dann nicht lange warten lassen. Dieser Muggelfreund trachtete doch danach, ihn zu vernichten. Weil Fudge nicht glaubte, daß er, Voldemort, wieder da sei, müßte er schon alleine herkommen oder einen seiner herzensguten Handlanger ausschicken. Doch niemand kreuzte auf, um sich mit ihm anzulegen. Sicher, die meisten hatten Angst vor ihm, dessen Name nicht genannt werden durfte. Diese Vorstellung bereitete ihm immer grenzenlose Genugtuung. Doch Dumbledore mochte Leute an der Hand haben, die sich nicht um ihr eigenes Leben scherten, wenn sie die Welt von Voldemort befreien könnten.

Peter Pettigrew wimmerte noch unter den Nachwirkungen des Cruciatus-Fluches. Er trollte sich in die Ecke, wo er vorher gelegen hatte und duckte sich ängstlich.

"Wenn dieses Wischiwaschiweihnachtsbremborium vorbei ist rufe ich alle treuen Todesser zusammen. Erdschatten soll so schnell wie möglich beginnen", verkündete der dunkle Lord. Pettigrew nickte unterwürfig.

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Guy Pike war froh, daß er seinem wiedergekehrten Meister einen so guten Dienst erweisen konnte. Immerhin arbeitete er in der Abteilung für magische Strafverfolgung und als Kontakter zu den Dementoren von Askaban. Als er kurz nach Weihnachten einen Brief bekam, er solle "Erdschatten" anlaufen lassen, war er sowohl erfreut, aber auch aufgeregt. Er wußte, wenn die Befreiung eingekerkerter Getreuer nicht gelang, oder wenn herauskam, daß der Meister selbst dahinterstand, würde Pike unbrauchbar werden.

Als er die abgelegene Felseninsel von Askaban betrat und die Brandung unterhalb der schroffen Klippen betrachtete, fragte er sich, wielange es dauern mochte, bis man ihn hierher brachte, um ihn für unbestimmte Zeit einzusperren. Er blickte zu der Festung von Askaban hinüber, die unter einer dunklen Glocke zu liegen schien. Es wirkte dort so, als sei dort ewige Nacht. Das kam von den Dementoren, wußte Pike

Als er die Festung betrat, schlug ihm zu der ständigen Dunkelheit noch eisige Kälte entgegen, und in sein Bewußtsein strömten düstere Gedanken an Erlebnisse, die ihm vor Jahren Angst eingejagt oder ihn in peinliche Situationen gestürzt hatten. Er mußte sich stark konzentrieren, um die düstere Stimmung nicht zu groß werden zu lassen. Doch er hatte ja einen Auftrag. Einerseits sollte er über die Unterbringung von neuen Gefangenen sprechen, die in kurzer Zeit überführt werden sollten. Zum zweiten würde er zwei Dementoren aufsuchen, die er bereits im Oktober angesprochen hatte. Diese hatten vertuschen können, daß zwei ihrer Artgenossen auf die Reise nach Amerika gingen. Daß die Ausgeschickten jedoch nicht mehr zurückgekommen waren, wußte Guy Pike noch nicht.

Als er den ministeriellen Teil seines Auftrags abgehandelt hatte, suchte er jene Dementoren auf, die er von der Rückkehr Voldemorts überzeugt hatte. Sie trafen ihn in einem kleinen Besprechungsraum, tief unter der Erde.

"Ich bin gekommen", begann Pike, immer noch um seine Selbstbeherrschung ringend, "um euch und alle von euch, die ihm immer noch treu sind, zu bitten, so bald wie möglich eure Gunst zu beweisen. Ihr wißt, er hat euch immer sehr großzügig behandelt und wird dies wieder tun, wenn er frei hervortreten kann."

"Das wissen wir", teilte einer der beiden unheimlichen Wächter ihm mit, und er wußte nicht, ob er es laut aussprach oder ihm direkt in den Geist einflüsterte. Jedenfalls klang es für Pike so, als ringe sich ein lungenkranker Mensch mühsam irgendwelche Worte ab. "Wie sollen wir unsere Gunst beweisen?" Fragte das düstere Wesen noch.

"Der Meister wünscht, zehn seiner Getreuen, die im Moment bei euch eingekerkert sind, wieder in seine Dienste nehmen zu können", flüsterte Pike. Ihn fröstelte, obwohl er sich schon der Jahreszeit wegen in mehrere Pullover, einen Wollumhang und einen pelzgefütterten Reisemantel gehüllt hatte. Doch diese Kälte durchdrang die Kleidung und sank von Atemzug zu Atemzug in sein Herz und seine Glieder.

"Wir dürfen sie nicht freigeben. Euresgleichen würden uns sofort verdächtigen", kam wieder diese rauhe, röchelnde Stimme, die genausogut in Pikes Gedanken hineingesprochen sein mochte.

"Das verlangt er auch nicht. Ihr sollt lediglich dafür sorgen, daß sie von hier entweichen können. Der Meister hat einen genauen Plan dafür", erwiderte Guy Pike. Dann holte er ein Pergament aus seiner Tasche, das mit einem einfachen Text, einer Notiz aus seinem Büro, beschrieben war, entfaltete es vollständig und zog mit kältestarren Fingern seinen Zauberstab hervor.

"Morsmordre!" flüsterte er, während er die untere rechte Ecke des Pergaments berührte. Es leuchtete grünlich auf. Zunächst schien es, als wolle ein runder, schädelartiger Körper aus grünem Dunst daraus hervorquellen. Doch dann löste sich dieses Gebilde auf. Stattdessen leuchteten nun phosphorfarbene Buchstaben auf dem Pergament. Einer der Dementoren nahm es und hielt es sich an den verhüllten Kopf. Pike wußte, daß Dementoren blind waren und sich mit normaler Schrift schwertaten. Zehn Sekunden lang hielt die graue, aufgequollene Hand des Ungeheuers das Pergament. Dann gab es das Blatt an seinen Artgenossen weiter. Dieser hielt sich das Pergament ebenfalls an den Kopf. Dann hörte Guy das zweite Unwesen sagen:

"Dieser Plan wird gelingen. Wir erwarten den Einsatzbefehl des Ministers. Dann wissen wir, daß wir handeln sollen. Wir bewachen die zehn Getreuen von nun an weniger, auch wenn sie herrliche Dinge erlebt haben, die wir gerne von ihnen abziehen."

"Hier sind hunderte, die ebenfalls schöne Dinge erlebt haben", sagte Pike in einem Anflug von Wagemut. Die beiden Kreaturen schienen dies als Beleidigung zu empfinden. Jedenfalls nahmen Kälte und Verzweiflung in Guy Pike zu. Er war schon drauf und dran, den Patronus-Zauber gegen sie zu versuchen. Doch konnte er den überhaupt noch? Wie konnte er es wagen, diese übermächtigen Wesen da so zu belehren?

"Wir warten auf den Ruf des Ministers", teilte der erste Dementor mit. Guy hatte bei diesen Wesen noch nie zwischen zwei Geschlechtern unterscheiden können. Jedenfalls nahm Kälte und Verzweiflung wieder ab. Diese Wesen konnten ihre unheimliche Kraft also doch beliebig wirken lassen.

"Gut, dann bringt mich bitte wieder nach draußen!" Sagte der Abgesandte Voldemorts unterwürfig. Er hoffte inständig, daß sie ihn nicht gleich hierbehalten wollten. Die beiden Wesen zögerten. Guy spürte die Furcht seinen Hals zudrücken, weil er dachte, doch zu weit gegangen zu sein.

"Wo sind die beiden, die du vorher schon gerufen hast?" Fragte der erste Dementor. Guy erschrak. Was sollte das heißen?Er antwortete schnell:

"Ich weiß es nicht. Sie sollten für den Meister nach Amerika. Ich dachte, sie wären schon längst zurück."

"Nein, sie kamen nicht wieder", sagte der zweite Dementor. Offenbar reichte den beiden die Antwort jedoch. Zumindest brachten sie Guy Pike wieder nach draußen. Er ging durch die äußeren Zellentrakte mit den Kurzzeitgefangenen, die wie stumme Schatten in der Dunkelheit ihrer Zellen hockten, keinen Laut von sich gaben außer gequälten Atemzügen, als seien sie in einem Alptraum gefangen. Dies, so empfand es Guy Pike, kam der Wahrheit am nächsten.

Pike war froh, als er von der ungastlichen Insel wieder herunter war und wieder auf britischem Boden stand. Schnurstracks apparierte er auf dem alten Friedhof außerhalb von Little Hangleton. Die Kälte des Winternachmittags war wie eine warme Brise im Vergleich zu der Kälte in Askaban. Er sah sich um. Auf allen Grabsteinen lag frischer Schnee, wirkte wie eine dicke Wattedecke, die alle Unebenheiten überzog.

Eine dicke, graue Ratte huschte über den Friedhof. Guy sah ihr an, daß sie vor Kälte bibberte und am liebsten einen warmen Unterschlupf gesucht hätte. Das Tier sah den Neuankömmling, trippelte kurz zu ihm hin und eilte sodann so schnell es seine Pfoten tragen konnten davon.

"Dieser Idiot läßt sich aber auch zu jedem Ding benutzen", dachte Pike und sorgte sofort dafür, daß diese Gedanken wieder aus seinem Geist verschwanden. Er wollte nicht den beängstigenden Spürsinn seines Herren kitzeln.

In einem weiten schwarzen Umhang apparierte groß und grauenhaft aussehend Lord Voldemort persönlich.

"Nun, Guy Pike, mein emsiger Bote. Bringst du mir gute Nachrichten?" Fragte der dunkle Lord mit seiner kalten hohen Stimme.

"Ja, o Herr! Sie helfen uns wirklich. Doch wie ich Euch schon sagte wird es erst nach Jahresanfang gelingen", erwiderte Pike schnell und hoffte, nicht bestraft zu werden. Der dunkle Lord kicherte jedoch sehr vergnügt und antwortete:

"Wenn sie das nicht anders einrichten können. Aber denke daran, Pike, daß du für dieses Unternehmen die volle Verantwortung trägst. Es wird erfolgreich ablaufen. Hast du verstanden? Erfolgreich!" Pike hatte verstanden.

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Die quälenden Erinnerungen kamen nicht mehr zurück. Sie waren bis auf den dumpfen Nachhall aus ihrem Bewußtsein verschwunden. Doch sie vermochte nicht, sich an schöne Dinge zu erinnern. Sie merkte nur, daß es ihr nicht mehr so kalt ums Herz war. Warum wurde sie nicht mehr so streng bewacht? Sie konnte von den Dementoren bei dieser Dunkelheit nur übergroße Schattenformen sehen. Doch von diesen waren gerade noch drei in dem Gang, wo vorher zwölf gewesen waren. Ja, und nun glitt noch einer von ihnen davon. So stand an jedem Ende des Ganges nur einer herum und atmete rasselnd ein und aus. Als sie ihr Abendessen bekam, wirkte sie gespannt und erwartungsvoll. Würde der Wächter, der die Blechnäpfe austeilte ihr verraten, was nun geschah. Sie hatte Ewigkeiten in dieser Zelle zugebracht, immer von einem Dutzend Dementoren bewacht. Und nun waren es nur noch zwei. Was mochte das bedeuten?

Schweigend wie immer gab der Dementor den mit einem widerlich riechenden, aber merkwürdig gut sättigenden Eintopf gefüllten Blechnapf an die Gefangene weiter. Sie fragte sofort:

"Was ist geschehen?"

"Iss deinen Napf leer!" Röchelte ihr der Dementor entgegen. Sie fürchtete schon, zu ersticken, weil der nach verfaultem Fleisch stinkende Askaban-Wächter sie durch die übers Gesicht gezogene Kapuze voll anhauchte. Das trieb ihre Neugier aus. Sie aß aus dem Napf und beobachtete, wie der Essensverteiler weiterglitt. Doch als sie das widerliche Zeug unter Aufbietung großer Anstrengung bis auf den letzten Rest aus dem Napf gefuttert hatte, fand sie ein Holzröhrchen, das an beiden Enden mit kleinen Korken verstopft war. Sie griff schnell zu, zog mit ihren Zähnen den Korken aus einem Röhrchenende und befreite so ein Stück Pergament, das eingerollt darin gesteckt hatte. Sie zog das Pergamentröllchen heraus und entrollte es hastig. Sie wußte nicht, ob die Wächter im Gang das nicht mitbekommen würden. Doch warum lag es ausgerechnet in ihrem Essnapf?

"Bella, ich weiß, es hat gedauert. Aber bald sehen wir uns wieder. Warte auf eine große Schlange, die bringt, was du noch brauchst. Dann verlasse deine Zelle einfach. Man wird dich nicht halten", stand in blutroter Schrift auf dem Pergament. Daneben war noch winzig aber unverkennbar ein Totenschädel aufgemalt, zwischen dessen Kieferknochen eine züngelnde Schlange hervorlugte. Sie vermeinte, in einen Kessel mit heißem Wasser zu fallen, so heftig durchströmte sie die Wärme großer Freude. Endlich war er wieder da. Er würde sie holen kommen und ihr für die Hölle hier eine reiche Belohnung geben!

Doch die Freude verflog sofort wieder. Die beiden Dementoren im Gang waren schlagartig genau vor ihrer Zelle zusammengetroffen. Sie sogen gierig Luft ein. Damit entzogen sie ihr auch alle Freude, die sie gerade eben empfunden hatte und hinterließen eine Flut von Zweifeln, ob sich da nicht jemand einen wüsten Scherz mit ihr machte, einer von denen, die zu feige waren, weiterhin zu ihm zu stehen. Ja, das mußte es sein, dachte sie und weinte Tränen der Enttäuschung.

Sie hielt das Röhrchen und das Pergamentröllchen immer noch in der Hand, als die beiden Dementoren sich wieder auf ihre Posten zurückzogen. Langsam, ganz langsam ebbten die Zweifel ab. Niemand würde es wagen, mit ihr solchen Schabernack zu treiben. Sie könnte jederzeit ausplaudern, wen sie noch alles von den alten Getreuen kannte, die wohl zu feige waren, um sich hier einsperren zu lassen. Sie sah sich um, wo der Essensverteiler blieb. Dabei gewahrte sie Augustus Rookwood, der eine Zelle weiter links von ihr eingesperrt war. Daß er es war wußte sie daher, weil er oft zum Verhör abgeführt worden war. Rechts von ihr hatten sie den Cruciatus-Spezialisten Antonin Dolohov untergebracht, der unter der ständigen Wirkung der Dementoren oft stöhnte und jammerte. Hatten sie auch seine Nachricht gefunden und verstanden?

Sie stellte fest, daß das Röhrchen aus einem sehr dünnen Holz war, das sie ohne es zu splittern zerkauen und hinunterschlucken konnte. Mit einem Schluck Wasser stürzte sie das winzige Pergamentstück hinterher, schluckte und unterdrückte ein Würgen. Dann hatte sie die Spuren der geheimen Nachricht restlos vertilgt, im wahrsten Sinne des Wortes. Als der Dementor vorbeischwebte, der die leeren Näpfe wieder einsammelte, ließ sie sich nichts anmerken. Noch einmal wollte sie nicht in Freude ausbrechen, um diesen Kreaturen da was feines zu verschlingen zu geben. Als dann nur die beiden Dementoren auf dem Gang zurückblieben, weit genug weg von ihr, fragte sie sich nur, wann sie hier herauskommen sollte. Was mochte das sein, was sie brauchte? Natürlich fiel ihr da nur ein Zauberstab ein. Doch ihren eigenen hatten die vom Ministerium zerbrochen, als sie hier eingekerkert wurde.

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Anthelia hatte sich wieder mit Pike getroffen, nachdem er seinen Auftrag erfüllt hatte. Der Zauberer, der als Todesser für Voldemort arbeitete, mußte immer wieder zu ihr kommen, wenn etwas wichtiges anlag. Kein Imperius-Fluch zwang ihn dazu. Es war wesentlich heftiger. Denn der Mann, der Guy Pike hieß, war nicht der echte, sondern ein aus Bestandteilen seines Körpers erschaffenes und mit Anthelias Grundbefehlen versehenes Simulacrum, ein haargenaues Ebenbild des wahren Guy Pikes, den sie ihrer verwandlungskundigen Mitschwester Patricia überlassen hatte.

"Nächsten Montag passiert es", keuchte der Spion Anthelias. Das Unternehmen Erdschatten ist in die letzte Phase eingetreten."

"Schön, Guy. Kehre also zurück und führe es durch, wie er es von dir verlangt hat!" Befahl Anthelia ihm und sah, wie er disapparierte. Sie wußte, daß ihr Zauber, den sie bei der Erschaffung des Simulacrums gewirkt hatte, jedes Treffen mit ihr in eine harmlose Erinnerung verwandeln würde, sobald Pike eine volle Minute fort war. Sie hatte während des kurzen Gespräches in seine Erinnerungen geschaut und erfahren, wie genau die Befreiung von zehn fanatischen Anhängern des Emporkömmlings ablaufen sollte. Sie wußte noch nicht, wie sie mit dieser Sache umgehen sollte. Für sie stand nur fest, daß sie nicht tatenlos zusehen würde, wie eine Hexe aus lauter Fanatismus, ja göttlicher Verehrung für einen Gernegroß mit Drang zur Selbstvernichtung ihr Geschlecht und ihre naturgegebene Bestimmung verriet. Sie würde sich ihrer annehmen, zumal der Name Bellatrix Lestrange alte Erinnerungen weckte, die gleichermaßen Verachtung und Freude in ihr entfachten.

Als sie ihr erstes körperliches Leben führte, hatte sie für ihre Tante Sardonia mißliebige Zauberer zur Strecke gebracht. Unter denen, die in den Reinigungstruppen arbeiteten war auch eine geborene Bellatrix Lestrange, die mit Feuereifer gegen verhaßte Zauberer kämpfte, aber auch nichtmagische Menschen quälte und tötete. Als sich herausstellte, daß Bellatrix Lestrange auch gegen Schwestern von Sardonias Bund intrigierte, ja sie sogar offen angriff, weil sie sich mit nichtreinblütigen Zauberern einließen, hatte Sardonia befohlen, sie zu bestrafen. Dies hatte Anthelia erledigt. Tja, und nun lief wieder eine Bellatrix Lestrange herum, die zwar keine geborene Tochter dieser reinblütigkeitsfixierten Familie war, jedoch dieselben verdorbenen Ziele verfolgte. "Toujours Pur" lautete das Familienmotto der Blacks, deren Schoß sie entkrochen war. "Immer rein", dachte Anthelia mit verächtlichem Grinsen. Wie konnte man sich bloß derartig einschränken. "Toujours meilleur" war Anthelias Grundsatz, welchen sie von ihrer Tante und ihrer Mutter übernommen hatte. In der Reinblütigkeit alleine drohte die Inzucht und damit die Schwächung der eigenen Erblinien. Wieso glaubten so viele große Zaubererfamilien daran, daß nur reinblütige Familien die stärksten waren?

Jemand näherte sich dem Treffpunkt. Anthelia unterbrach ihre Gedankengänge und disapparierte.

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Cecil Wellington hatte neue Aufgaben zugewiesen bekommen. Zwar würde er erst nach den nächsten Sommerferien wieder zur Schule gehen und vorher wohl den bisherigen Stoff so gut nacharbeiten, daß er problemlos wieder in die Materie hineinfand, doch zusätzlich war ein körperliches und psychologisches Wiedererstarkungstraining angesetzt worden. Sicher, er fühlte sich optimal, ja hätte jeden Trainer mit Leichtigkeit verblüffen können. Doch Anthelia hatte ihm unmißverständlich mitgeteilt, daß sie nicht wollte, daß er zu gut aussah. Als er nach einer solchen Übungsstunde kaum erschöpft unter die Dusche ging, kam Anthelias Gedankenstimme wieder bei ihm an.

"Wenn du alleine in dem Haus bist, durchsuche den Rechner deines Vaters nach Möglichkeiten, in wichtige Wissensspeicher hineinzusehen!"

"Wie soll denn das gehen, Anthelia? Der Rechner ist mit mehreren Passwörtern geschützt und könnte Protokolle notieren, wann wer ihn benutzt hat", erwiderte Cecil in Gedanken.

"Diese geheimen Parolen, die du in diese Apparatur hineingeben mußt, werden nicht all zu schwer zu finden sein", war Anthelias prompte Antwort zurückgekommen. Cecil verstand dies als klare Warnung, nicht weiter dagegen zu widersprechen. Er nahm diesen Auftrag also an und horchte, was genau er alles suchen sollte. Es ging Anthelia um Zugänge zu Regierungsrechnern und Bibliothekscomputern, die nicht über das Internet zu erreichen waren. Cecil Wellington, der früher einmal Benjamin Calder geheißen hatte, nickte, obwohl niemand ihm zusah. Er duschte zu Ende und ging dann in das geräumige Zimmer, das er bewohnte. Dort legte er eine CD ein, fuhr den eigenen PC mit angeschlossenem Modem hoch und wählte sich ins Internet, um nach öffentlich zugänglichen Bibliotheken zu suchen. Er legte sich ein Adressenverzeichnis an, über das er die vielversprechensten Seiten ohne neues Eintippen anwählen konnte, summte zu der gerade laufenden Musik die Melodie mit und probierte den zu Weihnachten geschenkten Flugsimulator aus. Er dachte daran, daß er jetzt fast alles wiederhatte, was ihm beim Feuer in Dropout verlorengegangen war. Er hatte einen eigenen Computer, mehrere hundert CDs und eine große Stereoanlage mit vier Boxen, einen eigenen Fernseher, der an eine eigene Satellitenantenne angeschlossen war, sowie einen dazugehörigen Videorekorder. Es sah so aus, als hätten Cecils Eltern ihn sehr verwöhnt. Doch der Junge, der nun dessen Leben weiterführte wußte aus den ihm vermittelten Erinnerungen, daß dies absolut nicht so war. Jedes Ding, das sein Vater nicht grundsätzlich für wichtig hielt, hatte er sich durch gute Noten und damit verknüpfte Taschengeldgaben verdienen müssen. Waren die Noten in Arbeiten oder Zeugnissen nicht überragend, bekam er nur die Hälfte des Taschengeldes, ja hatte auch schon zwei Monate ohne eigenes Geld auskommen müssen, weil er in Mathematik glatt ein Mangelhaft kassiert hatte. Besser konnte man die amerikanische Lebensphilosophie nicht vermitteln, dachte Cecil und steuerte den Jumbo-Jet gerade von New York aus nach westen, Richtung Los Angeles. Da dieser Simulator ein Echtzeitsimulator war, würde er wohl sieben Stunden fliegen müssen, wenn er nicht bei diesem Programm einen Trick gewußt hätte. Er schaltete den Autopiloten ein, wartete dreißig Sekunden und stellte dann im Systemeinstellungsmenü einfach die rechnereigene Uhrzeit sechs Stunden weiter vor. Das Programm, das mit Uhrzeitvergleich arbeitete, mußte so den gerade überflogenen Ort mit der aktuellen Uhrzeit vergleichen. Da die Programmierer es genau auf die Systemuhrzeit festgelegt hatten, wurde der Bildschirm für einen Moment dunkel, um dann die neuen Koordinaten, das überflogene Gebiet östlich von Los Angeles und den in der Zeit verbrauchten Treibstoff zu berechnen.

"Manche Programmierer sind aber auch faul. Anstatt die ein Protokoll über die tatsächliche Flugzeit und die eingebauten Ortsmarkierungen unterbringen lassen sie alles über die Systemuhr abgleichen", dachte Cecil belustigt und schaltete den Autopiloten aus, um die Maschine bald darauf in Los Angeles herunterzubringen. Als er den Simulator beendete stellte er die Uhrzeit wieder auf die wirkliche Uhrzeit zurück. Er lauschte den letzten Klängen der CD und schaltete dann um auf Radio.

Am nächsten Tag mußte sein Vater zu einer dringenden Sitzung nach Washington reisen. Cecil blieb mit dem Dienstpersonal alleine zurück, als seine Mutter am Nachmittag zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung fuhr. Cecil kannte es schon, daß die beiden Zimmermädchen Stella und Hazel vor der üblichen Dinnerzeit nicht die Wohnräume der Herrschaft betraten, wenn nicht ausdrücklich nach ihnen verlangt wurde. Cecil wartete, bis seine Mutter von Fairbanks mit dem silbermetallikfarbenen Crysler fortgebracht worden war, dann schlich er leise ins Arbeitszimmer seines Vaters. In seinem Zimmer lief gerade eine Live-CD von AC/DC mit dröhnender Lautstärke. Im Arbeitszimmer seines neuen Vaters startete er den Rechner. Selbstverständlich erwartete der Computer ein Passwort, um korrekt anzuspringen. Doch Cecil kannte das Passwort nicht. Sollte er jetzt herumrätseln? Er wußte, daß eine dreimalige Falscheingabe das Hochfahren abbrechen und dem rechtmäßigen Benutzer beim nächsten Start eine Warnmeldung auf den Bildschirm schreiben würde. Also mußte es entweder im ersten Ansatz klappen, oder gar nicht.

"Lindenblatt", kam ihm plötzlich ein Gedanke, der nicht in seinem Gehirn gereift war. Woher wußte Anthelia das Passwort? Stimmte es überhaupt? Er probierte es und bekam durch ein melodisches Signal und die Aufschrift "Willkommen, Reginald" die Bestätigung, daß er zumindest auf der Benutzeroberfläche angelangt war, von der er alles abfragen konnte.

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Patricia Straton hatte sich als Liberty Grover zum Flughafen bei Harrisburg begeben und war dort im Gewühl der Fluggäste untergetaucht, bis sie Senator Wellington sah, der von zwei Sicherheitsleuten bewacht wurde. Sie lief zu ihm hinüber und winkte mit ihrem Presseausweis. Die Sicherheitsleute versuchten, sie fortzuscheuchen. Doch sie rief mit einer die Abflughalle ausfüllenden Lautstärke:

"Herr Senator Wellington! Gut, daß ich sie noch erreichen kann, Sir! Haben Sie schon gehört, daß eine Gruppe von Hackern sich in den Senatscomputer eingeschlichen hat? Ich erfuhr das vor einer Stunde, als ich meiner Redaktion einen Bericht durchtelefonierte!"

"Ich gebe keine Interviews am Flughafen", knurrte der Senator. "Außerdem denke ich nicht, daß die alle unsere Dateien knacken können."

"Oh, soll schon passiert sein", gab Patricia Straton alias Liberty Grover zur Antwort. "Da haben wohl einige Leute überschaubare Passwörter benutzt oder diese per E-Mail weitergereicht."

"Nur soviel, die Dame: Wenn es wirklich einen Einbruch in unsere Systeme gegeben haben soll, was ich noch für ein Gerücht halte, könnten die meine Passwörter nicht knacken, weil ich die zu gut verschlüsselt habe und obendrein nicht per E-Mail weiterschicke. Ansonsten kein Kommentar", sagte der Senator schroff und bedeutete den beiden Sicherheitsleuten, die lästige Reporterin zurückzuscheuchen. Patricia Straton leistete zum Schein Widerstand, bis sie so weit von Wellington entfernt war, daß die beiden Schutzleute wie elektrisiert von ihr abließen und zu ihm zurückrannten. Immerhin hätte das ja auch ein Ablenkungsmanöver sein können.

"Wo wollen Sie eigentlich hin?" Fragte ein Bediensteter des Flughafens, der den kurzen Wortwechsel mitbekommen hatte.

"Jackson, Mississippi", sagte Patricia Straton schnell und betonte, daß sie bereits einen gültigen Flugschein besaß. Der Sicherheitsbeamte wollte das überprüfen. Doch als Patricia Straton in ihre handtasche griff und einen schmalen Holzstab herausholte, wurde der Sicherheitsmensch mißtrauisch und griff seinerseits zu einem Funkgerät. Doch bevor er damit seine Zentrale anrufen konnte hatte Patricia ihm den Mikramnesia-Zauber aufgehalst, der ihm das Gedächtnis der letzten Minuten nahm. Schnell zog sie sich von dem Mann zurück. Es war nicht das erste Mal, daß sie in einer großen Menge Muggel gezaubert hatte. Gerade an Bahnhöfen, Flughäfen und Einkaufsstraßen achtete niemand so recht auf andere Leute, insbesondere wenn er oder sie es eilig hatte. Sie tauchte im Gewühl unter und suchte sich einen unauffälligen Weg zu den Damentoiletten. Hier saß im moment niemand. Um eine Kabinentür zu öffnen mußte eine Besucherin einen Vierteldollar einwerfen. Patricia Straton steckte die geforderte Münze in den entsprechenden Schlitz und besetzte eine freie Kabine, wo sie unverzüglich disapparierte.

Wieder zurück in der Daggers-Villa, dem Hauptquartier der Spinnenschwestern, erstattete sie Anthelia Bericht.

"Diese Muggel sind ja so ahnungslos, höchste Schwester. Ich brauchte den Senator nur mit den entsprechenden Stichwörtern zu füttern, und er gab mir ohne es auszusprechen alle relevanten Passwörter preis. Das für seinen Rechner zu Hause lautet "Lindenblatt". Wenn der Junge dann noch auf berufsbezogene Daten zugreifen muß, dann geht das über "Sharon33". Solltest du es wünschen, daß wir uns über das Büro des Politikers in bestimmte Bereiche einwählen, habe ich auch noch zwei Passwörter. Ich schreibe dir alle auf."

"Gut und schnell gearbeitet, Schwester Patricia. Schreibe mir die Zugangsbefehle nieder, auf das ich davon Gebrauch machen kann!" Freute sich Anthelia. Als sie die wichtigen Zugangscodes auf einem Stück Papier hatte schien sie in sich hineinzuhorchen. Dann sagte sie:

"Es war keine Sekunde zu früh, Schwester Patricia. Der Knabe hat bereits den Apparat in Betrieb gesetzt und haderte mit dem korrekten Losungswort. Nun ist er auf der Ebene angelangt, wo er bestimmte Dokumente und Berichte nachlesen kann. Ist schon ein interessanter Mechanismus, so ein Computer."

"Lobelia und ich haben bereits eine Spur zu Hallitti, höchste Schwester. Ein Rechner im Einwohnermelderegister konnte uns Personen zeigen, die im fraglichen Zeitraum in New York ankamen, ja und sogar eine Arbeitserlaubnis bekamen. Allerdings brauchen wir noch einige Bezugswerte, um den einen zu ermitteln."

"Ausgezeichnet, Schwester Patricia. Halte dich ran und erkunde, wer es ist! Wieviele sind es denn?"

"Es sind tatsächlich sieben, die in Frage kommen. Wir haben vorher ja nur recherchiert, wer direkt nach New York kam, höchste Schwester. Doch der Mann kann ja über andere Flughäfen dorthin gereist sein. Es wird noch etwas dauern, weil wir herausfinden müssen, wer von ihnen dem Schlafplatz Hallittis besucht hat. Das wird noch einige Wochen dauern", sagte Patricia leicht verunsichert, weil Anthelia sehr schnelle Ergebnisse haben wollte. Doch die Führerin der Spinnenschwestern nickte und lächelte.

"Es ist mir klar, daß es nicht unauffällig bleibt, wenn wir Staub aufwirbeln. Dann lieber mit Bedacht. Das Ziel ist ja auch, das Ungeheuer an einem bestimmten Ort ausfindig zu machen und nicht nur, seinen Auserwählten zu stellen. Ich werde derweil nach England reisen und mit den Schwestern Dana, Lucretia und Wanda auf die Heimkehr der Lestranges warten. Möglich das Bellatrix Lestrange freiwillig zu mir herüberkommt. Falls dies nicht der Fall ist, dann werde ich mir eben was überlegen müssen", sagte Anthelia mit kaltem Lächeln.

"Willst du sie töten, höchste Schwester?" Fragte Patricia.

"Nein, dies widerstrebt mir, eine mächtige Hexe so einfach zu entleiben. Immerhin könnte sie für uns auch unfreiwillig gute Dienste tun. Aber das werde ich an Ort und Stelle sehen", erwiderte Anthelia sehr kühl. Patricia Straton nickte und kehrte zu Dido zurück, die im Salon mit einer weißen Katze spielte, die dunkelgrüne Augen hatte.

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"Man soll's doch nicht glauben, was Politiker so für Zeug auf ihrem Rechner rumfliegen haben", dachte Cecil, als er die beiden Passwörter, die er brauchte, um an Daten heranzukommen, von Anthelia bekommen hatte. Er sah sich Bilder an, darunter einige Fotos der Filmschauspielerin Sophia Loren aus den 60er Jahren, ein Kriegsspiel, zu dem er das zweite Passwort benutzen mußte, sowie die Kopien von Reden und Dienstplänen. Cecil schlich zurück zu seinem Zimmer und holte dort zwanzig Disketten hervor. Darauf zog er mehrere Dutzend Dokumente, von denen er dachte, daß Anthelia sie haben wollte. Es dauerte etwa zwanzig Minuten, bis er sich wieder abmeldete und den Rechner herunterfuhr. Falls niemand in den nächsten fünf Minuten das Zimmer betrat und den Computer anfaßte, würde keiner mehr mitkriegen, daß er gelaufen war.

"Jetzt bin ich wirklich ein Spion", dachte Cecil, als er die randvollen Disketten so versteckte, daß weder Hazel noch Stella sie beim Putzen finden würden. Er dachte daran, daß sein früherer Freund Willy, genannt der Kleiderschrank, bereits einen Rechner mit angeschlossenem CD-Brenner besaß. Das war das neuste, was es an Datenspeichermedien gab. Auf eine CD paßten laut Willy bis zu 500 Disketten des üblichen 1,4 Megabyte-Formates. Damit ließ sich schon eine ganze Menge anfangen.

Als Cecil an diesem Abend den Fernseher einschaltete, um die Sportnachrichten zu sehen, kam eine Meldung durch, die ihn trübselig machte.

"Seit nun zwei Monaten sucht die Bundespolizei FBI nach dem sechzehnjährigen Benjamin Calder aus Seattle. Der Junge verschwand nach einer Schießerei an seiner Highschool und wurde bis zu diesem Tage nicht aufgefunden. Die Polizei schließt nicht mehr aus, daß der Junge gewaltsam zu Tode gekommen ist. Seine Eltern, Benjamin Jacob Calder Senior und dessen Frau Magareta suchen jedoch weiter nach ihm. Sie haben einen bundesweiten Aufruf in Rundfunk und Fernsehen veröffentlicht, in dem sie darum bitten, daß ihr Sohn wieder zurückkehrt."

Sie zeigten das Bild von Ben Calder Junior, das nun außer der Haarfarbe keine Ähnlichkeit mehr mit Cecil Wellingtons Aussehen hatte. Dann hörte der Junge die Stimme von Maggy Calder:

"Hallo, wir sind die Eltern von Benjamin Calder. Ich hoffe, wer ihn gesehen hat oder weiß, wo er ist, sieht jetzt zu. Falls du, Benny, uns zusiehst: Bitte komm wieder nach Seattle! Wir wissen, daß du nichts mit der Schießerei in der Schule zu tun hattest. Wir vermissen dich sehr. Niemand hier ist dir böse. Wenn was passiert ist, womit du nicht fertig werden kannst, wende dich an uns! Es gibt nichts, was wir nicht besprechen könnten. Bitte, Benny, komm zu uns zurück!"

"Schön wär's, wenn das jetzt noch ginge", seufzte Cecil und schaltete einen anderen Kanal ein, auf dem gerade eine Autowerbung abgespielt wurde. Dann kamen die Sportberichte.

"Junger Sir, das Dinner ist bereit", sprach Butler Jefferson den Jungen dezent an. Cecil erschrak erst, weil er mit seinen Gedanken weit weg war. Doch dann nickte er und ging in das große Esszimmer, wo er alleine am rechteckigen Eichentisch platznahm, während Mrs. Vandenburg ihm den ersten von drei Gängen vorlegte.

Als der Herr des Hauses vom anstrengenden Arbeitstag zurückkehrte, wirkte er sichtlich verärgert. Er begrüßte das Personal mit der üblichen Sachlichkeit, seinen Sohn, der vor einem Monat noch zwischen Leben und Tod geschwebt war, begrüßte er etwas freundlicher. Dennoch konnte die stumme Wut nicht richtig verfligen. Cecil fragte ihn, was passiert sei.

"Ach, diese Grober aus dem Süden hat mich kurz vor dem Abflug angesprochen, ob ich wüßte, daß jemand das interne Netzwerk im Senat geknackt hätte. Ich habe das natürlich bestritten. Sie meinte dann doch glatt, wenn jemand seine Passwörter per E-Mail herumschicken würde, wäre es ja einfach. Als ich im Senatsgebäude ankam, hat davon keiner was gewußt. Können die ihre Enten nicht auch ohne uns braten, wie es üblich ist? Wie stehe ich jetzt im Senat da?"

"Könnte sein, daß die das wollte", grinste Cecil. Ja, er mußte grinsen, weil er verstanden hatte, was diese Liberty Grover mit ihrer Frage erreichen wollte und es auch erreicht hatte. Sie konnte Gedanken lesen. Wenn sie jemanden zu Sachen fragte, die er dann überlegen mußte, konnte sie bei Bedarf geheime Passwörter aus dem Hirn holen, ohne das der ausgehorchte was davon mitbekam.

"Die kann sich drauf verlassen, daß ich morgen ihre Redakteurin anrufen werde, um mich zu erkundigen, was denen einfiel, so eine drastische Meldung zu lancieren."

"Sie könnte meinen, du wolltest was verheimlichen", wandte Cecil ein. "Ich würde erst einmal nachlesen, ob in ihrem Blatt wirklich was verhonepiepelndes über dich drinsteht."

"Kannst du nicht langsam mal gescheitere Wörter benutzen? Das ist ja schon peinlich mit dir", grummelte der Senator. Mehr war an diesem Montag des neuen Jahres nicht im Gange, zumindest nicht in Amerika. Anderswo hingegen schickten sich Zauberer an, den Glauben an die Sicherheit von Askaban nachhaltig zu zerstören.

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Guy Pike saß im Büro seines direkten Vorgesetzten, Hogan Dodger und besprach mit ihm den Todesfall von Bode, einem Mitarbeiter der Mysteriumsabteilung, der durch irgendwas seinen Verstand verloren hatte und im St.-Mungos-Hospital gelegen hatte, bis er von irgendwo her einen Teufelsschlingensetzling zugespielt bekommen hatte, der ihn kurz nach Weihnachten erwürgt hatte, als ein junger Zauberer, der hier als Praktikant Post und Nachrichten verteilte, mit einem Pergamentumschlag winkend hereinplatzte. Der Junge, der gerade vor einem halben Jahr den Hogwarts-Abschluß geschafft hatte, war ganz aufgeregt und keuchte.

"Black, Mr. Dodger!" Rief er hektisch. "Sirius Black ist gesehen worden. er hat sich in einer Höhle im Hochland versteckt. Zwei Bergsteiger der Muggel haben ihn gesehen!"

"Wo genau hat er sich versteckt?" Wollte Dodger wissen.

"Hier, ich hab's aufgezeichnet", sagte der junge Zauberer und gab Dodger ein Pergament mit einer Landkarte, auf der das Ziel eingetragen war. Dodger erbleichte. Das konnte doch nicht angehen.

"Sind Sie sicher, daß der Flüchtige genau dort gesichtet wurde?" Hakte Dodger nun sehr blaß um die Nase nach. Der Praktikant nickte wild.

"Also hat er doch was mit ... aber lassen wir das! Pike, geben Sie sofort die Ortsangabe an die Dementoren weiter. Die sollen sofort dorthin, um ihn festzunehmen!" Befahl Dodger. Pike nahm dem aufgeregten Jungen die Karte aus der Hand, prüfte sie noch einmal und disapparierte dann ohne weiteres Wort.

"Er hat den geküßten Delinquenten fortgeschafft, damit er die Höhle für sich haben kann", dachte Dodger und mußte sich beherrschen. Daß Bartemius Crouches entseelter Körper in genau dieser Höhle versteckt worden war, galt als oberste Chefsache. Fudge hatte ihn sofort dorthin bringen lassen, um gar nicht erst durchsickern zu lassen, daß es außer dem nun schon legendären Sirius Black noch wem gelungen war, Askaban zu verlassen, noch dazu jemand, der lebenslänglich dort bleiben sollte. Der Praktikant verließ das Büro wieder und eilte zu seiner Arbeit. Der große Uhu, der die Nachricht vom Versteck Blacks gebracht hatte, segelte soeben durch das Fenster davon. Wie konnte der junge Mann auch ahnen, daß die Nachricht nicht von einem ministeriellen Beobachter in der Muggelwelt kam, sondern von Lord Voldemort selbst zugeschickt worden war. Er hätte einen heillosen Schrecken bekommen, wenn er dies gewußt hätte.

Pike apparierte beim Kommando für Dementoreneinsätze und ließ sich von dort die schriftliche Auftragsbestätigung geben. Danach begab er sich per Besen nach Askaban und gab dem für Suchaktionen zuständigen Dementor die Landkarte und den schriftlichen Auftrag mit. Für Pike hieß es nun, sich zurückzuziehen und zu warten, was passieren würde. Er brauchte nun ein Alibi, einen Ort, wo niemand ihn verdächtigen würde, gerade einhundert Dementoren für nichts anderes in Marsch gesetzt zu haben, als Askaban zu entblößen. Er kehrte schnellstmöglich nach London zurück, während hundert Schreckgestalten ganz ruhig und geordnet von Askaban abrückten.

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Die Wintersonne versank gerade blaßrot hinter den bleigrauen, mit weißen Schaumkronen verzierten Wellenbergen des Meeres. gerade noch im Sichtbereich vor Askaban, um das eine Unsichtbarkeitsbarriere lag, um es für Muggelschiffe unauffindbar zu machen, dümpelte ein großes Boot zwischen den Wogen. Es besaß einen Umgebungsfarbenanpassungszauber, der es wie ein Chamäleon sofort an die auf es auftreffenden Lichtstrahlen anpaßte, um es vor dem Hintergrund von Himmel, Kimm und Wellen verschwinden zu lassen. Unter diesem Zauber saßen auch die fünf Todesser in ihren wasserabweisenden Umhängen. Sie waren mit ihrem Boot über die rauhe See gekommen, um die Befreiungsaktion einzuleiten. Lord Voldemort selbst, der im Boot saß, warf einen letzten Blick durch ein Fernglas und lächelte teuflisch, was seinem ohnehin schon abstoßenden Gesicht den letzten Schliff einer Höllenmaske verlieh. Doch außerhalb des Bootes konnte das keiner sehen.

"Sie rücken wirklich aus", zischte der dunkle Lord. "Die Dementoren entblößen Askaban. Wie leicht war doch dieser Dodger auszutricksen."

"Herr, wie geht es jetzt weiter?" Fragte Torne, der Besitzer des Bootes und treuer Gefolgsmann Voldemorts.

"Ganz einfach. Wir landen an der Küste. Dann lasse ich meine Schöne mit dem Paket auf die Festung los. Sie wird ohne Probleme durch das Abwasserrohr kriechen und in den innenbereich vordringen. Ich habe ihr gesagt, wo die Hochsicherheitszellen sind. Pike hat uns ja die Lagepläne gegeben."

"Natürlich, Herr", erwiderte Torne verhalten. Ein meterhoher Brecher donnerte heran. Voldemort, der gerade noch siegessicher gelächelt hatte, sah plötzlich sehr verunsichert aus. Doch seine Begleiter hoben schnell ihre Zauberstäbe. Torne zählte "Eins, zwei, drei!" Dann riefen sie "Domitaquae!" Vor ihnen breitete sich ein Teppich aus silbernem Licht aus, und die mächtige Welle wich unmerklich aus, bevor sie an dem Boot vorbeibrauste und die insassen kräftig durchschüttelte. Hätten sie nicht den Wasserberuhigungsbann gewirkt, hätte der Brecher sie untergetaucht, ja womöglich sogar aus dem Boot gespült.

"Die Gewässer sind in dieser Jahreszeit sehr wild", meinte Torne, als das silberne Licht aus den Zauberstäben wieder verschwunden war.

"Wir rücken vor!" Befahl Voldemort und tippte mit seinem Zauberstab den Bug des Bootes an, das dann wie von selbst über die auf- und absinkenden Wellen hinwegglitt, sehr schnell. Gerade als die letzten Sonnenstrahlen sich zwischen den Wellenkämmen brachen, erreichte das Boot eine schmale Bucht. Voldemort rief den Polsterungszauber auf, der das Wasserfahrzeug vor dem Zerschmettertwerden schützte. Denn hier brandeten die von den sturmartigen Böen aufgeschaukelten Wellen mit mörderischer Gewalt an die schroffen Felsen.

"Los, Torne, die Strickleiter!" Befahl der dunkle Lord. Er haßte es, auf Muggelart an Land gehen zu müssen. Doch rings um Askaban lag eine Disappariersperre, die die Gefangenen in der Festung halten sollte. Diese wollten sie zwar beseitigen. Doch zuerst mußten sie die zehn Kameraden aus den Zellen befreien. Torne reichte dem Dunklen Lord eine etwa zehn meter lange Strickleiter, die der böse Magier genau auf eine Felsnase zuwarf. Mit Zauberkraft gelang es ihm, die Leiter sicher zu befestigen, sodaß sie nun daran aus dem Boot hinaus und die vier Meter hohen Felsen emporklettern konnten. Behände turnten vier Todesser daran hinauf. Die Leiter war mit einem Meerwasserabhaltezauber belegt, der die anbrandenden Wellen um sie herumlenkte. Links und rechts sprühte die Gischt der sich brechenden Wellen. Doch die vier ungebetenen Besucher bekamen davon nichts ab. Dennoch war ihnen nicht wohl, auf den leicht schwankenden Sprossen hinaufzuklettern. Erst als sie das oben angebundene Ende der Leiter erreicht hatten, fühlten sich alle besser. Voldemort löste die Knoten wieder, mit denen die Leiter befestigt worden war und ließ sie per Zauberkraft zum Boot zurückrollen, wo Torne sie sofort in ihrer Kiste verstaute. Dann schwirrte vom Boot her eine Schlinge heran, die Voldemort sofort an den Felsen band.

"Accio Ausrüstung!" Rief Voldemort mit ins Boot deutendem Zauberstab. Rumpelnd erhob sich eine sargähnliche Kiste, lang, breit und niedrig aus dem Boot und stieg sichtlich schwankend auf. Doch der dunkle Meister bugsierte sie sicher zu sich hinauf.

Torne blickte noch einmal hinauf. Voldemort ließ an seinem Zauberstab einmal lang, einmal kurz ein grünes Licht aufglühen. Für Torne bedeutete das, nun wieder abzulegen. Ja, er würde zu seinem Häuschen am Meer zurückfahren und sich keine weiteren Gedanken um die angelandeten Todesser machen. Kaum daß das Boot sich in Bewegung setzte, war es auch schon nicht mehr zu sehen.

"Nun, jetzt wird sich zeigen, was mein treuer Todesser Pike über den schmalen Zugang zum Festungsinneren erzählt hat", sagte Voldemort und öffnete die sargartige Kiste. Seine drei Begleiter schraken zurück, als ein großer flacher Schlangenkopf an einem sich windenden Hals aus der Kiste emporstieg, wie sich ein meterlanges Reptil ausrollte und die Kiste verließ. Der dunkle Lord hatte der Schlange Nagini Tropfen eines Warmhaltetranks eingeflößt, um das sonst so kältescheue Tier auch bei diesen Temperaturen lebhaft und geschmeidig zu erhalten. Er zischte und fauchte sie an. Seine Leute konnten ihn nicht verstehen. Doch für die Schlange waren diese Laute klar verständliche Anweisungen. Sie streckte sich zur ganzen Länge aus, während der Herr der Todesser aus der Kiste zehn schmale Päckchen zog, an denen Lederschlaufen festgemacht waren. Vorsichtig zog er der Schlange eine Lederschlaufe nach der anderen über, sodaß das Tier die zehn Päckchen trug, jedoch noch gelenkig und biegsam weiterkriechen konnte. Dann schickte Voldemort seine gliederlose Gefährtin los, wies ihr zischend und fauchend den Weg zu jener Stelle, wo die Abwasserrinne aus der Festung an der Steilküste mündete. Er sah mit einer Mischung aus Bangen und Siegessicherheit, wie Nagini sich sicher an den Rand der engen Röhre heranpirschte und dann sehr rasch darin verschwand.

"Diese Narren werden es nie lernen, daß jede Festung ein Loch zum Auslassen von Schmutzwasser haben muß, durch das jede Schlange hindurchkriechen kann", grinste Voldemort, als er eine sich nähernde Dementorenpatrouille fühlte. Sofort holte er seine Leute in die Deckung eines umgekippten Felsens und spannte aus flimmerndem Zauberlicht einen magischen Schirm um sie. Damit entzog der dunkle Lord seine Gefolgsleute dem Gefühlsspürsinn der dämonischen Kreaturen.

"Herr, wie lange sollen wir hier bleiben?" Fragte der muskulöse Todesser McNair unterwürfig. Der dunkle Hexenmeister fauchte nur:

"Bis Nagini wieder da ist, McNair."

Voldemorts Schlange wand und schob sich derweil durch das enge, nach Fäulnis und Unrat stinkende Abwasserrohr. Die Last der zehn kleinen Päckchen an ihrem Leib hemmte ihre Gewandtheit doch stark genug, sodaß sie nur mit einem Viertel ihrer üblichen Geschwindigkeit vorankam. Sie wußte, wo sie hinwollte. Die immer stärkere Aura der Dementoren wirkte bei ihr nicht, weil sie trotz ihrer Größe immer noch ein Tier geblieben war. Genau darauf setzte ihr warmblütiger Freund. Da zudem noch ein großer Anteil der hier wachenden Dementoren ausgerückt war, um in eine Höhle nach Schottland zu reisen, wo sich der von ihnen seit bald zwei Jahren gejagte Ausbrecher Sirius Black versteckt haben sollte, war der allgemeine Einfluß sowieso stark vermindert.

Das Reptil schlängelte sich über mehrere hundert Meter, bis es die Wärme eines beheizten Gebäudes verspürte. Zwar wirkte der extra für sie angerührte Trank gut, daß Nagini nicht unter der Winterkälte leiden mußte, doch sie empfand Wärme immer als verlockender als Kälte, wie es ihre Natur war. So kam sie trotz der gleichmäßig verteilten Last etwas schneller voran, bis sie ihren breiten, flachen Schädel aus einem gigantischen Becken heraussteckte, in das die Ausscheidungen und das Brauchwasser Askabans ausgegossen und fortgespült wurden. Zwei Dementoren wachten an diesem mächtigen Steinbecken, aus dem die fauligen Ausdünstungen des hier entsorgten Unrats waberten. Doch dieser Brodem störte die Dementoren nicht. Jedoch als sie die Schlange wahrnahmen, deren tierische Geistesausstrahlung sie alarmierte, glitten sie ganz nahe an das Becken. Sie taten jedoch nichts, um den beinlosen Eindringling daran zu hindern, über den übel besudelten Beckengrund zu kriechen. Einer holte lediglich einen großen Schlauch und spritzte die Schlange dreimal ab, als sie sich über den Beckenrand geschoben und auf der anderen Seite wieder heruntergelassen hatte. Alle Spuren des in Rohr und Becken enthaltenen Schmutzes wurden so restlos abgespült. Durch den Kältewiderstandstrank in ihrem Reptilienblut schadete das kalte Wasser ihrer Beweglichkeit nicht. Sie kroch nach einer Minute weiter und verließ durch die nicht ganz angelehnte Tür den Abwasserraum.

"Es ist wahrlich ein Tier des Freundes", teilte der eine Dementor seinem Mitwächter unhörbar mit. Unter sich konnten diese Wesen von altersher Gedanken übermitteln, wie Menschen zueinander sprechen oder sich zuwinken konnten.

"Das Tier wird wiederkommen, um hier herauszukriechen", antwortete der zweite Dementor auf dieselbe unhörbare Weise.

Nagini setzte ihren Weg fort. Nun, wo der Gang breit genug war, konnte sie sich durch stärkere Schlängelbewegungen etwas schneller voranbewegen, ja übersprang sogar häufig mehrere Fuß Weg. Treppen und Bodenunebenheiten machten ihr nichts. Sie wußte, wo sie die finden würde, zu denen sie sollte und fand ihren Weg so sicher, als sei sie in dieser Festung mit den dunklen Gängen, Kerkern und Hallen zu Hause.

Im Kern der Festung, durch die Gittertüren hindurch, die für eine Schlange kein Hindernis waren, fand Nagini endlich die zehn Zellen, die beinahe nebeneinander lagen. Hier war es gleichgültig, ob Mitglieder einer Verbrecherbande sich noch was zurufen konnten oder nicht. Üblicherweise standen hier zwölf Dementoren Wache, die jedes aufkeimende Glücks- und Selbstsicherheitsgefühl mit einem großen Schwall Luft aufsogen und damit jeden Gedanken an Flucht vertilgten. Doch jetzt standen hier nur zwei Dementoren. Nagini glitt an dem einen vorbei, der den Eingang zu dem Zellentrakt bewachte und schob sich unangefochten durch das Gittertor zur ersten Zelle, wo sie einen apathisch dahockenden Mann namens Mulciber fand. Ihr zweibeiniger Freund Voldemort hatte ihr in der gemeinsamen Sprache erklärt, daß sie dem ersten, den sie traf, das vorderste der zehn Päckchen überlassen sollte. Sie züngelte, kostete den Geruch von dumpfer Furcht und Gleichgültigkeit, den Mulciber verströmte und hob ihren Vorderleib kerzengerade nach oben. Mulciber wußte, was dieser unheimliche Besuch bedeutete. Seine apathische Haltung verflog schlagartig. Er streckte behutsam den rechten Arm aus und pflückte wie beiläufig das vorderste Päckchen von Naginis Körper. Augenblicklich zog sich Voldemorts Schlange aus der Zelle zurück und suchte die Nächste auf. Dort wartete sie, bis der Insasse das zweite Päckchen an sich genommen hatte. Dann glitt sie, nun etwas gewandter, in die dritte, danach in die vierte, fünfte und sechste Zelle, wo sie ein angebundenes Päckchen abgab. In der siebten Zelle war eine Frau, die ihr Päckchen mit flinken Fingern vom Körper der Schlange löste und sich freute, sie zu sehen. Sie wußte, daß Schlangen immer die Lieblingskreaturen des Herren waren, dem sie treu ergeben war. Als Nagini sich zurückzog, um weitere Insassen aufzusuchen, glitt ein triumphierendes Lächeln über ihr ausgemergeltes, bleiches Gesicht, und unter ihren schweren Lidern funkelten zwei Augen freudig und auch gierig.

Bellatrix Lestrange, treueste Gefährtin des dunklen Lords Voldemort, war ja auf den Moment vorbereitet gewesen, daß irgendwas passierte, was ihr Herr und Meister angeregt hatte, um sie aus diesem Alptraumkäfig hier herauszuholen. Als sie die große Schlange sah, an deren Körper vier längliche Lederpäckchen angebunden waren, wußte sie, daß sie gleich freikommen würde. Sie nahm dem großen Tier, das sich senkrecht vor ihr aufrichtete und zitternd in dieser Haltung verblieb das vorderste davon ab, das in der Körpermitte festgebunden war. Sie wich zurück, als der Schlangenkopf sich wieder nach vorne senkte und das beinlose Geschöpf sich aus der Zelle zurückzog, unangefochten von den beiden Wächtern am Gangende zur nächsten Zelle weiterkroch und aus Bellatrix' Blickfeld verschwand, weil die Düsternis in dem Gang zu dicht war, um mehr als zwei Schritt weit Dinge zu unterscheiden, die niedriger als ein Dementor waren.

Die Hexe mit dem dunklen, einst schön seidigglattem Haar, welches jedoch nun zerzaust und an einigen Stellen verfilzt um ihren Kopf hing, fummelte an dem überbrachten Päckchen herum, bis sie die winzigen Lederschlaufen entknotet hatte und es vorsichtig auseinanderrollen konnte. Heraus fielen ein Zauberstab in einem Drachenhautfutteral und ein weiteres Holzröhrchen, wie es vorhin einmal in ihrem Essen versteckt gewesen war. Sie freute sich, als sie den schlanken Stab in die rechte Hand nahm und dessen sanfte Strömung durch ihren Körper fühlte, wie er sie als seine Besitzerin wahrnahm. Der Herr hatte wirklich an alles gedacht. Zwar war ihr früherer Zauberstab von den Ministeriumszauberern zerbrochen worden, doch dieser hier war bestimmt genauso brauchbar, weil er bestimmt aus denselben Materialien bestand und wohl auch dieselbe Länge besaß, die Ollivander für sie als ideal ergründet hatte, als sie vor Jahren, die ihr wie ein Früheres Leben vorkamen, als älteste der insgesamt drei Schwestern ihre Hogwarts-Ausrüstung eingekauft hatte.

In dem Röhrchen steckte ein weiterer kleiner Brief, den die Gefangene kurz las:

"Entferne die Gitter deiner Türe, tritt auf den Gang hinaus und warte mit denen, die auch noch herauskommen auf meinen lautlosen Ruf! Verlasse dann einfach durch Disapparieren die Insel! Keine Sorge, Bella! Ich werde die Apparitionsmauer beseitigt haben, bevor ich dich rufe."

"Evanesco!" Flüsterte die gefangene Hexe und deutete auf den Zettel. Dieser verschwand mit einem kurzen, ganz leisen Zischlaut im Nichts. Sie freute sich. Diesmal saugte ihr kein Dementor diese Freude wieder aus dem Verstand. Sie hatte endlich wieder einen brauchbaren Zauberstab! Damit ließ sie auch das Röhrchen und die Lederhülle verschwinden, in der der Stab und der Brief eingewickelt und am Schlangenleib festgebunden gewesen waren. Sie hockte sich hinter der Gittertür hin, berührte mit dem Zauberstab das rechte der beiden mittleren starken Gitterstäbe und murmelte: "Ferrugo!" Aus dem Zauberstab flirrte dunkelrotes Leuchten und traf den Gitterstab aus kürzester Entfernung. Dort, wo das Flirrlicht den Stahl berührte, begann dieser, rötlich-braune Flecken zu bekommen, die von Sekunde zu Sekunde immer breiter, höher und dunkler wurden. Als der ganze Gitterstab von einem rotbraunen Ring umgeben war, vollführte Bellatrix den Zauber am Gitterstab daneben. Danach erhob sie sich wieder und behandelte die oberen Enden der beiden bezauberten Gitterstäbe. Als das erledigt war, rüttelte sie an den so verdorbenen Stäben, die sich nun, wo sie oben und unten völlig durchgerostet waren, leicht herausbrechen ließen. Leise legte Bellatrix die so herausgelösten Stahlstäbe in ihrer Zelle ab, befand, daß sie so leicht herausschlüpfen konnte und verließ die enge Zelle, die mehr als vierzehn Jahre ihr einziger Aufenthaltsort gewesen war. Sie trat auf den Gang hinaus, wo sich gerade zwei Mitgefangene einfanden. Die beiden Wächter an den Gangenden wandten sich ihnen kurz zu, blieben jedoch untätig an ihren Plätzen.

"Bella, Liebling! Schön, dich wiederzusehen", flüsterte ein einst mal athletisch wirkender Zauberer, der nun jedoch gerade so mager war, daß er ohne vollen Rucksack auf dem Rücken wohl in den nächsten Gully gerutscht wäre. Es war Rodolphus, ihr treuer Gatte, den sie nach Voldemort am meisten liebte und achtete.

"Bruder", wisperte ein gerade aus der Zelle entschlüpfter Zauberer. Rodolphus nickte ihm zu. "Er ist wirklich wiedergekommen. Er holt uns hier heraus", flüsterte der Mitgefangene, Rabastan Lestrange, Bellatrix' Schwager.

"Werden die beiden da uns nicht festhalten?" Fragte Rodolphus besorgt auf die Dementoren blickend.

"Die helfen ihm", grinste Bellatrix gehässig. "Er hat sie dort hingestellt, damit wir hier wegkommen."

"Er will die Mauer einreißen. Doch die ist doch sehr mächtig", warf Rabastan ein. "Wenn er es nicht schafft, kommen wir hier ohne Kampf nicht heraus und ohne Boot nicht von der Insel weg."

"Zweifelst du etwa daran, daß der dunkle Lord sein Wort halten kann, Stan?" Fragte Bellatrix mit gefährlichem Unterton sprechend.

"Bellatrix, ich weiß, du vergötterst ihn. Doch er kennt die Mauern um Askaban nicht und wird ..."

"Bella hat recht, Stan", zischte Rodolphus. "Er wird die magische Barriere niederreißen, um uns hier entwischen zu lassen. Lass ihn bloß nicht merken, daß du ihn für zu schwach hältst, dies zu können! Er würde dich wohl sehr übel bestrafen."

"Still jetzt!" Fauchte Bellatrix und sah, wie sich nach und nach sieben weitere Mithäftlinge aus den sonst so gut vergitterten Zellen befreiten. Als letzter kam Rookwood heraus. Bellatrix bedachte ihn mit einem mitleidigen Blick.

"Konntest du die Gitter nicht schneller lösen oder bist du zu dick zum herauskommen gewesen?" Fragte sie gehässig. Rookwoodzeigte seinen gerade per Schlangenpaketdienst zugestellten Zauberstab vor und meinte:

"Ich war etwas aus der Übung, und der Zauberstab ist zu neu, um ihn gleich gut ..."

"Schnauze jetzt", zischte Dolohov, der sich neben den drei Lestranges aufgebaut hatte.

__________

Lucretia Withers hatte den Auftrag, Pikes Ablenkungsmanöver zu überwachen, mit dem er Askaban von vielen Dementoren entblößen wollte. Sie grinste, als sie hörte, Sirius Black sei in der Höhle, wo im Sommer noch der entseelte Leib von Barty Crouch Junior versteckt gewesen war. Offenbar war dem Emporkömmling und seinen Wasserträgern nichts besseres eingefallen, wo sie eine Menge Dementoren unbeobachtet zwischenparken konnten, um die zehn größten Stieffellecker rauszuhauen. Sie wußte von Pike, der gerade an ihr vorbeiging, was Voldemort genau plante. Sie mußte ihm zugestehen, daß der häßliche Schwarzmagier gut vorgesorgt hatte. Heimlich zehn neue Zauberstäbe bei Gregorovitch zu beschaffen, die genau die Abmessungen und Zusammensetzungen hatten wie die vom Ministerium zerstörten Zauberstäbe, diese dann von seiner Schlange in die Festung schmuggeln zu lassen, an ihm zuarbeitenden Dementoren vorbei und sie den Gefangenen zu überlassen, war schon ein gutes Stück Arbeit, bei dem einiges hätte auffliegen können. Sie selbst wußte zwar nicht, wann Voldemort seine Getreuen endgültig freihaben würde, doch sie ging von den nächsten zwei Stunden aus.

Sie wartete, bis Pike in seinem Büro war, zählte genau einhundertachtzig Sekunden im Kopf ab und klopfte bei ihm an.

"Hallo, Lucretia", grüßte Pike, der die Kollegin aus der Ungezieferabteilung gut kannte. "Was kann ich für Sie tun?"

"Ich möchte von Ihnen wissen, ob an den Gerüchten etwas dran ist, jemand hätte Zwanzig Mantikorjunge nach Großbritannien eingeschmuggelt", erwiderte Lucky Withers sachlich klingend. Diese Begründung, um mit Pike sprechen zu können, hatte sie schon seit zwei Wochen parat, sich jedoch noch nicht damit zu ihm getraut.

"Ach, das ist auch in Ihrer Abteilung auf den Tisch gekommen? Wir fahnden noch nach denen, die das angeblich bezeugen können. Ich habe die Akten alle hier, falls Sie mir helfen möchten", sagte der Zauberer.

Als Lucky Withers im Raum war und die Tür hinter sich schloss, sah sie Pike konzentriert an und murmelte: "In Nomine Sororis." Schlagartig verklärte sich der Blick des Strafverfolgungsbeamten. Das durch einen wie posthypnotisch wirkenden Gedächtniszauber Anthelias funktionierende Befehlsfragment, das nur bei Nennung dieser Worte in Kraft trat und alles, was bis zur erneuten Nennung passierte im Erinnerungsschatz als gewöhnlichen Arbeitsverlauf verfälschte, gab Lucretia die Möglichkeit, den kopierten und gegen den dunklen Lord ausgesandten Pike auszuhorchen, ja bei ihm zu bleiben, bis er von Minister Fudge oder seinem wahren Herren gerufen wurde. So sprach sie mit ihm über belanglose Dinge, streute das mit den angeblich nach Großbritannien eingeschmuggelten Mantikorjungen ein, fragte aber auch nach dem genauen Zeitpunkt der Befreiung der zehn gefangenen Todesser. Pike beantwortete die Fragen, lachte und scherzte mit Lucky Withers, wie es bei gut bekannten Kollegen üblich war und sagte, daß Voldemort in wohl einer vollen Stunde die Apparitionsmauer beseitigen würde, zumindest für eine Minute.

"Er hat den alten Nebel der Verdrängung zusammenbrauen können, dem Vorläufer der Incantivakuumkristalle. Fudge und Shaklebolt sind doch Idioten. Die legalen Zutaten hat er in der Winkelgasse ganz einfach beschaffen lassen. Der Rest wie das Blut unberührter Knaben hat er bei Borgein & Burkes und anderen einkaufen lassen. Ja, er ist sehr bewandert in Bannzaubern."

"Nicht bewandert genug, weil er ja sonst schon längst in Hogwarts gewesen wäre", warf Lucky Withers ein. Pike gefror das Grinsen.

"Diese Leute um Gryffindor haben einen wirksamen Zauber erfunden, um den Verdrängungsnebel zurückzutreiben. Der gelang jedoch nur in Hogwarts, weil die drei übergebliebenen Gründer irgendwas miteinander angestellt haben, daß ihre Schule gesondert beschützt. Normalerweise wirkt der Nebel gegen alle magischen Barrieren, sofern sie nicht ineinander verflochten sind, was bei Askaban ja nicht der Fall ist."

"Soso", schmunzelte Lucretia Withers und sprach dann wieder über allgemeines Zeug, wie Nachrichten im Tagespropheten, den Tod von Bode und das Warbeck-Konzert am zweiten Februar, zu dem sie gerne hinwollte, jedoch keine Karten mehr bekommen hatte.

"Ach, ich kann Ihnen da noch eine Karte besorgen", meinte Pike. "Donovan Ringley hat für alte Freunde immer noch zehn Karten bereit. Sie können noch eine kriegen. Die Malfoys haben mich auch schon gefragt."

"Aber Lucius Malfoy hat, wenn ich das richtig mitbekommen habe, mehr Geld in Gringotts liegen", wandte Lucky Withers mit neidvollem Gesicht ein.

"Ach, die Karte können Sie auch bezahlen, Lucky. Immerhin haben Sie mir ja bei der Sache mit den Doxyeiern den richtigen Tipp gegeben", beruhigte sie Pike. Er spielte auf einen Vorfall vor drei Monaten an, wo ein Zauberer eine Fuhre Doxyeier in der Nokturngasse angeboten hatte. Offenbar hatte da jemand geplant, verbotene Doxyfarmen zu beliefern, wo diese kleinen, geflügelten Kreaturen ihres Giftes wegen gezüchtet wurden. Lucky hatte einen Abnehmer auffliegen lassen und war über den an den Hauptschmuggler herangekommen, den dann Pike festnehmen konnte.

"Nun, dann fragen Sie ihren Freund bitte, ob noch eine Karte übrig ist", bat Lucky ihren Kollegen. Dieser nickte und lächelte wohlwollend.

So verstrich eine Stunde, bis Pike unmerklich mit dem linken Arm zuckte, als habe ihn da etwas schmerzhaft gestochen oder würde jucken, zwicken oder brennen, er es aber nicht zeigen dürfen.

"Oh, die Zeit ist wieder gerast", meinte Pike. "Ich muß die Akte Widdershins noch zum Archiv bringen, bevor die zumachen."

"Au weia! Ich habe durch unsere nette Plauderstunde glatt vergessen, die Berichte über den in Blackpool gefangenen Pogrebin weiterzuleiten. Hui, da muß ich aber jetzt heftig springen", fiel es Lucky Withers ein, als sie wie erschrocken auf die Uhr sah. Sie schnellte von ihrem Stuhl hoch, sah Pike an und flüsterte: "In nomine Sororis." Dann eilte sie wie unter sehr heftigem Zeitdruck aus Pikes Büro, rannte schnell zu einem der Fahrstühle, fuhr damit in ihre Abteilung zurück und suchte ihr Büro auf. Dort schloss sie sich ein und setzte sich auf den Schreibtischstuhl. Mit geschlossenen Augen dachte sie an Anthelias Gesicht, bis es klar vor ihrem geistigen Auge stand.

"Höchste Schwester, sie wurden gerade befreit", dachte sie mit großer Willensanstrengung. Es war hier jetzt acht Uhr am Abend. Sie wiederholte diesen Gedankengang dreimal, bis sie fühlte, daß ihre unhörbare Meldung wohl angekommen war.

"Ich habe dich verstanden, Schwester Lucretia", kam eine sehr deutliche Antwort. Lucky wunderte sich. So stark hätte die Rückmeldung nicht ankommen können, wo mehrere tausend Kilometer zwischen ihr und der Empfängerin lagen. Selbst Anthelia hätte nicht die Kraft, über diese Entfernung einen so lauten Gedankenspruch zu ihr zu schicken. War sie etwa in der Nähe?

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Der Rückweg ohne die zehn angebundenen Päckchen war für die Schlange Nagini ein Klacks. Sie schlüpfte in Windeseile durch die Gitter der Abteilungstüren, kroch geschwind in den Abwasserraum zurück, an den dort wachenden Dementoren vorbei, schwang sich in das Becken, drang in das enge Abflußrohr ein und schlängelte sich mit größter Gewandtheit hindurch, bis sie an der Küste aus dem dort nach oben offenen Rohrende herausglitt. Als sie auf dem scharfkantigen Felsboden ankam, stand ihr zweibeiniger Freund über ihr und fragte sie:

"Hast du alles richtig abgegeben?"

"Jawohl, Freund", zischte und fauchte die Schlange.

"McNair, die Bombe!" Hielt Voldemort seinen Diener McNair an, der aus der breiten, langen Kiste eine wuchtige Glasflasche heraushob, in die der Inhalt von zwei Putzeimern gepaßt hätte. Sie war mit einem Stahlbügelverschluß mit luftdichtem Stopfen versiegelt. Im Inneren der Flasche schimmerte eine rötlich-weiße Flüssigkeit, die von innen her leuchtete. Voldemort tätschelte den gedrungenen Flaschenhals wie den Rücken eines braven Hundes. Er hatte es erreicht, den größten Vorrat an Verdrängungsnebelsaft auf die am schwersten bewachte Insel der Zaubererwelt zu bringen, ohne daß jemand das bemerkt hatte. Wie einfältig waren Fudge und seine schwächlichen Getreuen doch, wo Leute wie Malfoy, McNair und Goyle fast unter den Augen der Auroren alle nötigen Zutaten besorgt hatten. Jeder andere hätte doch bei der Menge an Drachenleber, Rauschnebelheckensamen, Grünschimmelsporen und Einhornhaar stutzig werden müssen, wo diese Zutaten sonst in sehr kleinen Mengen für besonders heikle Zaubertränke benötigt wurden. Auch die Beschaffung von fünf Litern Knabenblut hätte irgendwem verdächtig vorkommen können. Mit weiteren Zutaten, die der dunkle Lord in der freien Natur aufgesammelt hatte, hatte er unter Einbeziehung von mächtigen Zaubersprüchen eine bei einem Druck von mehreren Atmosphären flüssige Substanz zusammengebraut und unter hohem Druck in eine Flasche dieser Größe umgefüllt. Es fehlte nur noch der Ort, um die Substanz auszulassen und sie mit einem letzten Zauberspruch zur Verdrängung störender Barrieren anzuregen.

"Endlich", frohlockte der dunkle Lord. "Endlich werde ich meine treuesten Todesser herausholen. Decanto!" Laut krachend schnellten die Metallbügel vom harten Stopfen der Flasche, der darauf mit ohrenbetäubendem Knall herausflog. Zischend fuhr die rötlich-weiße Substanz heraus, breitete sich in einer Sekunde zu einer weiten Wolke aus, die weiter und weiter über dem Boden aufquoll, zu einer kleinen, unheimlich schimmernden Nebelbank anwuchs, die sich innerhalb von einer Minute über die Insel und damit auch die Festung ausbreitete. Selbst die Dunkelheit der Dementorenaura konnte dieses Leuchten im Nebel nicht verschlucken.

"Reprimo Claustras!" Rief Voldemort. Seine Stimme klang in diesem aufgekommenen, geruchlosen Dunst wie durch Watte gefiltert. Sein Zauberstab stach förmlich in die schimmernde Nebelbank. Als das letzte der beiden Zauberwörter verhallte, explodierten silberne und rote Blitze seitlich aus dem Stab, zuckten durch den Nebel und schienen ihn in Brand zu setzen. Er glühte immer heller und nahm einen tiefroten Farbton an.

"Achtung!" Rief Voldemort seinem Begleiter McNair zu. Bei diesem klang der Ruf jedoch wie geflüstert. Der tiefrote Schimmer des Nebels wurde orange, dann gelb, dann weiß. Dann, schlagartig, schoss ein blauer Blitz aus dem Zauberstab des dunklen Lords, der wie kaltes, blaues Feuer im Nebel explodierte, ihn selbst zu einem saphirblau leuchtenden Dunstkörper werden ließ.

"McNair, zum Treffpunkt!" Befahl Voldemort. Der für das Ministerium als Tierhenker arbeitende Todesser stand für eine Sekunde unschlüssig da. Doch als Voldemort seinen Zauberstab auf ihn richtete, nickte er und disapparierte. Einen Moment lang sah es aus, als würde McNair nicht vollständig verschwinden, eher zu einem geisterhaften Wesen werden. Doch eine Sekunde später war er völlig weg.

"Es wirkt!" Rief Voldemort und schickte den nächsten und den übernächsten Begleiter davon. Dann bückte er sich, hob Nagini auf, die sich sofort um seine Brust zusammenschnürte, jedoch nicht zu fest. Voldemort sah triumphierend in den saphirblauen Nebel hinaus. Dann deutete er mit dem Zauberstab auf die Transportkiste und setzte sie in Brand. Dem Nebel würde das nichts ausmachen, wußte er. Er wirkte nur auf magische Sperren. Er sah auf die Flasche, die nun vollkommen leer war. Von der Flüssigkeit war nichts mehr zu erkennen. Er nahm sie, die nun relativ leicht war, holte den abgesprengten Stopfen zu sich und disapparierte. Das alles hatte keine zehn Sekunden gedauert.

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Bellatrix Lestrange haderte mit ihrer Geduld. Wielange mochte es dauern, bis sie gerufen würden?

Die Minuten flossen dahin wie Buttermilch. Selbst die Lestranges wußten nicht, was genau ihr Herr vorhatte. Als dann jedoch ein bläulicher Dunst, der immer dichter wurde, durch die Gittertüren hereindrang und die Dementoren sich wie unter Beschuss stehend duckten, ahnte Bellatrix, daß dies von ihm ausging. Als der saphirblau leuchtende Nebel alle Winkel und Nischen des Korridors ausfüllte, stieg gespannte Vorfreude in ihr auf. Ja, gleich mußte es passieren.

Schmerzhaft brannte es plötzlich an ihrem linken Arm. Sie hob ihn und sah das dunkelrot angelaufene Mal des dunklen Lords, das im Rhythmus ihres Herzschlags pulsierte und immer stärker brannte.

"Zum Treffpunkt!" Rief Bellatrix euphorisch aus. Sie konzentrierte sich auf den alten Friedhof. Sie wußte nicht genau, wie weit er fortlag, doch die ungefähre Richtung kannte sie. Dann disapparierte sie. Ihr folgten mit scharfem Knall Ehemann und Schwager. Dann verschwanden Mulciber und Dolohov. Rookwood wartete, ob sie nicht laut schreiend und in eine gleißendhelle Lichtaura gehüllt wieder auftauchen würden, wie es eine einen Raum umfassende Apparitionsmauer bewirkte, die jemand zu überwinden versuchte. Doch sie blieben verschwunden. So dachte auch er an den Treffpunkt der Todesser und schaffte es, vollständig zu disapparieren. Blauer Dunst füllte als rotierender Wirbel das Vakuum, das sein schlagartig verschwundener Körper hinterlassen hatte. Eine halbe Minute später zerfaserte der Nebel langsam und wurde unscheinbar. Die Dementoren erhoben sich wieder. Sie wirkten irritiert, ja regelrecht überrumpelt. Dann vernahmen sie ihre Kameraden, die mit hoher Geschwindigkeit heranglitten, um festzustellen, daß die zehn am meisten bewachten Gefangenen auf irgendeine Art entkommen waren. Wenige Minuten darauf flog eine Eule auf, um im Zaubereiministerium die Alarmmeldung abzuliefern.

Währenddessen brannte die Transportkiste, in der die Nebelbombe und die Zauberstäbe hergebracht worden waren lichterloh. Der Feuerschein war jedoch durch die von den Massen an Dementoren ausgehende Dunkelheit nicht mehr als ein glutroter Hauch.

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"Wie? Unmöglich! Unmöglich!" Rief Cornelius Oswald Fudge, der amtierende Zaubereiminister, als sein Juniorassistent Percy Weasley mit schreckensbleicher Miene in sein Büro stürmte und rief:

"Herr Minister, Askaban meldet einen Massenausbruch! Die Lestranges, Rookwood, Dolohov, Mulciber und noch vier andere!"

"Wann ist das passiert?!" Schrie Fudge, dem nun auch die Schreckensblässe im Gesicht stand.

"Die schnelle Eule traf gerade ein, Sir. Das muß nicht einmal eine halbe Stunde hersein, Sir!" Rief Percy Weasley.

"Das kann nicht gehen. Die Dementoren vereiteln jeden Fluchtplan im Entstehen! Die können nicht entkommen! Die Mauer!" zeterte Fudge, der nicht wahrhaben wollte, was da passiert war.

"Black ist doch auch entkommen", warf Percy verhalten sprechend ein und sah den Minister unterwürfig an, weil er dachte, er habe was verkehrtes gesagt.

"Verdammt, Sie haben recht, Weasley. Black ist auch entkommen. Ich will genauen Bericht über die Sache! Dann will ich mit dem Kontaktdementor in Askaban reden. Außerdem will ich den Experten für Zauberschutzmaßnahmen in einer Minute hier sehen! Los, Weasley!" Gab Fudge sehr hektisch die ihm notwendig erscheinenden Anweisungen aus.

"Sehr wohl, Herr Minister", bestätigte Percy diensteifrig und eilte mit wehendem Umhang aus Fudges Büro mit dem breiten Mahagonischreibtisch und den vier wuchtigen Sesseln, von denen der des Ministers sogar ein samtbraunes Federkissen zum Anlehnen besaß. Fudge zitterte. Das durfte nicht passieren, dachte er. Angst trat in seine Augen. Der selbstsichere, ja über den Dingen stehende Minister wurde von unbändigem Entsetzen geschüttelt. Mochte es sein, daß Dumbledores Warnung doch ...

"Sir, Mr. Pike ist gerade hier!" Rief Percy Weasley. Fudge zuckte zusammen. Dann bot er alle Willenskraft auf, um sich zusammenzunehmen. Als er nur noch an den Handgelenken zitterte und die Schreckensblässe langsam einem zaghaften Rosaton zu weichen begann rief er zurück, daß Pike eintreten solle.

Der Beamte der Strafverfolgung, der auch für die Dementoren zuständig war, schilderte dem Minister für Magie das ihm bekannte. Er selbst hatte die Eule bekommen, die die Alarmmeldung überstellt hatte. Diese legte er dem Minister nun vor. Er kannte die krakelige, leicht schwankende Handschrift der Dementoren. Sie waren nie gute Schreiber gewesen, und taten sich damit schwer, es zu lernen. Außerdem mußten sie mit magisch leuchtender Tinte arbeiten, um überhaupt zu wissen, was sie selbst niederschrieben. Er nahm die kurze Meldung und auch den Bericht über einen dröhnendlauten, in allen Gängen brennenden und beißenden Angriff zur Kenntnis. Offenbar meinten sie damit einen Anschlag mit einem Zauber, der ihre Sinne ausschaltete.

Emerald Stoker, der Experte für Zauberschutzmaßnahmen, kam ins Ministerbüro. Fudge sah ihn sehr erwartungsvoll an, als er ihn fragte:

"Ah, Stoker, schon überlegt, wie diese Verbrecher entwischen konnten?"

"Yep", erwiderte Stoker locker. Dann, als er spürte, daß dem Minister nicht nach lockeren Antworten war, fügte er korrekt hinzu: "Die sind wohl disappariert, Sir. Das geht, wenn jemand den Nebel der Verdrängung über der beschützten Stelle ausbreitet. Der Absperrzauber wird solange neutralisiert, solange der Nebel dichter als Wasserdampf in der Luft hängt. Ich gehe davon aus, daß jemand das Zeug zusammengerührt und bezaubert hat."

"Wer denn?" Fragte Fudge sichtlich erbost, weil Stoker offenbar eine interessante Sache darin sah, jemanden aus Askaban entkommen zu lassen. Dieser zuckte mit den Achseln. Dann sagte er ruhig:

"Jemand, dem daran gelegen ist, die zehn Ausbrecher um sich zu versammeln, Sir. Ein Gnadenakt war das nicht, Sir."

"Jetzt bin ich genauso schlau wie vorher", knurrte Fudge sehr ungehalten. Die Angst vor dem, was nicht sein durfte machte ihn nun aggressiv.

"Sir, Sie sagten immer, daß Sie-wissen-schon-wer nicht zurückgekehrt sein kann. Also bleiben nur ehemalige Kumpane von ihm, die wohl meinen, die allgemeine Lage auszunutzen, um ..." Setzte Stoker an.

"Verdammt noch mal, wer?!" Brüllte Fudge nun völlig ungehemmt. Zornesröte bedeckte sein Gesicht, und aus seinen Augen funkelte er Stoker an. Dieser blieb ruhig und sah Pike und Weasley an. Pike räusperte sich. Dann meinte er:

"Herr Minister, wir müssen davon ausgehen, daß Sirius Black nun wieder sicheren Halt in England gefunden hat. Immerhin hat Ihnen Mr. Malfoy ja erzählt, daß ..."

"Nicht hier und jetzt", zischte Fudge zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Pike schlug verlegen die Augen nieder und zupfte an den Ärmeln seines Umhangs. Natürlich hatte er nicht verraten dürfen, daß Malfoy Black in London gesehen hatte. Das Verhältnis zwischen Fudge und Malfoy sollte nicht breitgetreten werden.

"Also Black", sagte Stoker immer noch unbeeindruckt. Fudge und Pike nickten. Dann befahl Fudge:

"Stoker, forschen Sie nach, was man für diesen Verdrängungsnebel braucht! Können damit auch Dementoren in Schach gehalten werden?"

"Da sie eine magische Aura um sich verbreiten möglich. Ich bin kein Dementoren-Experte. Allerdings hält der Nebel nicht lange vor und ist auch nicht fähig, Dementoren zu verjagen wie der Patronus. Ich würde das also keinem empfehlen, sowas gegen Dementoren zu benutzen."

"Gut, Stoker. Dann führen Sie jetzt meinen Auftrag aus!" Bekräftigte Fudge seine Anweisungen.

"Sehr wohl, Herr Minister", bestätigte Emerald Stoker und wollte das Büro verlassen. Doch Weasley hielt ihn zurück.

"Moment, Stoker! Über diesen Nebel darf außer uns keiner was wissen, klar?!"

Fudge sah seinen Juniorassistenten tadelnd an, mußte dann jedoch nicken. Natürlich durfte das niemand wissen, daß jemand diesen mächtigen Zauber gegen Askaban eingesetzt hatte.

"Für Sie, Mr. Weasley, bin ich immer noch Mister Stoker, wenn ich bitten darf. Zwischen mir und Ihnen liegen doch zuviele Jährchen, um mich wie einen Untergebenen herumscheuchen zu dürfen", rückte Stoker die Ansprechregeln im Ministerium zurecht. Percy wollte was sagen, doch Fudge schüttelte den Kopf. Für Beamtengezänk war hier und jetzt absolut kein Platz. Außerdem hatte Stoker recht. Er war vielleicht nicht Juniorassistent des Ministers und damit weisungsbefugt, aber dafür länger im Beruf und damit von einem jüngeren Beamten gleichwertig zu respektieren. Emerald Stoker verließ nun das Büro. Das Nicken von Fudge auf die Anweisung des jungen Spunts Weasley, der ja nur sein Assistent war, weil der sich wohl mehr Informationen aus der Dumbledore zugeneigten Weasley-Sippe versprach, galt für ihn, Stoker, als Bestätigung der obersten Geheimhaltung. Es stimmte ja auch, daß nicht groß herauskommen durfte, wie man Askaban knacken und beliebig viele Todesser freikriegen konnte. Offenbar mußten die zehn geflohenen das gewußt haben, wann der Nebel der Verdrängung sie unbehelligt disapparieren lassen würde. Das hieß, daß entweder sie ihn kannten oder jemand es ihnen vorher gesagt oder anders zugespielt hatte, oder daß sie ein Rufsignal irgendeiner Art bekommen hatten, auf das sie unverzüglich an einen bestimmten Ort disapparieren mußten.

Pike erläuterte seinem obersten Chef, wieso nur Black für diesen Ausbruch verantwortlich war, daß dieser ja selbst aus Hogwarts hatte entkommen können und sowieso immer dem Du-weißt-schon-wem nahegestanden hatte und deshalb die alten Getreuen um sich sammeln müsse, um sich endlich an Harry Potter und Dumbledore zu rächen. Fudge notierte sich die Erklärungen sehr sorgfältig. Dann kontaktfeuerte er mit der Redaktion des Tagespropheten, die eine fette Story nicht ablehnte.

Keine zwei Minuten später war bereits eine Reporterin und ein Fotograf da. Die Frau mit den kastanienbraunen Haaren und den strahlendblauen Augen im enzianblauen Umhang kannte er.

"Och, Mrs. Hollingsworth. Ich dachte, sie seien in der Auslandsabteilung tätig", wunderte sich Fudge, während der Fotograf, ein etwas unterbelichtet wirkender Zauberer namens Bozo schon einmal seine Kamera aufbaute und ein Probefoto vom Büro schoss, um die beste Belichtung zu finden.

"Sie haben recht, Herr Minister. Aber seit dem Ms. Kimmkorn irgendwie nicht mehr für uns arbeitet muß ich manchmal auch Inlandsreportagen abliefern, je nach Nachrichtenlage drinnen oder draußen", sagte die Reporterin und nahm mit einer giftgrünen Flotten Schreibefeder auf, was der Minister zu sagen hatte. Sie hakte nach, ob wirklich Black hinter dem Ausbruch stecke und ob man schon wisse, wie es überhaupt geschehen konnte. Fudge sagte:

"Über die Art, wie der Ausbruch passiert ist, wissen wir nichts. Wir wissen nur, daß jemand den Gefangenen geholfen haben muß. Wir haben ermitteln können, daß Sirius Black durch geschickte Täuschungen eine Zenturie Dementoren von Askaban fortgelockt hat, indem er uns glauben machte, er sei an einem bestimmten Punkt aufzufinden. Dem war jedoch nicht so. Folglich hat er diese erschreckende Unternehmung geplant, um ehemalige Mitverschwörer um sich zu scharen. Wir suchen bereits nach ihm."

"Werden wieder Dementoren auf die Suche geschickt?" Wollte Mrs. Hollingsworth wissen. Fudge schüttelte den Kopf.

"Bevor wir nicht vollständig wissen, wie, wann, wer den Ausbruch ermöglicht hat werde ich keine Dementoren ausschicken. Möglich, daß dann noch mehr Gefangene entweichen oder zumindest auf die Idee gebracht werden, sich zusammenzurotten. Denn ich müßte wieder fünfhundert Dementoren abziehen, um gründliche Erfolg versprechende Suchaktionen durchführen zu lassen. Die Fahndung nach Black hat ja leider nicht zum Erfolg geführt, trotz unserer Kenntnisse, wo er sich herumtreiben würde und was ihn dorthin trieb. So dumm, sich an einem vermuteten Ort zu zeigen, ist er nun doch nicht."

"Nun, immerhin hat man ihn ja doch mal in London gesehen, hat zumindest Ihr Juniorassistent meinem Kollegen Fleet gegenüber verlautbart", bohrte die Reporterin mit warmem Lächeln nach.

"Nun, eine Suchaktion von zwanzig Auroren hat ihn nicht aufspüren können. Wir gehen derzeit davon aus, daß die Sichtung in London zu spät gemeldet wurde, um ihn noch dingfest machen zu können. Aber es geht jetzt vordringlich darum, Ihre Leser vor den Ausbrechern zu warnen. Sollten diese nun auf der Suche nach Unterkunft und Ausrüstung im Lande herumstreunen werden sie sicher morden, um zu kriegen, was sie suchen. Deshalb habe ich Sie herzitiert, Mrs. Hollingsworth."

"Das werden wir natürlich sofort machen", versicherte die Reporterin dem Minister. Dann sah sie jedoch sehr konzentriert auf Fudge, während Bozo weitere Fotos schoss. "Könnte es nicht sein, daß er, dessen Name nicht genannt werden darf, nicht doch wieder zurück ist? Er hätte die Macht, Askaban und die Dementoren zu überwinden."

"Ich habe es Ihren Kollegen schon X-mal gesagt: Er ist nicht zurückgekommen!" Erregte sich der Minister und lief knallrot vor Wut an. Mit zitternden Fingern spielte er an den Lehnen seines Sessels. Doch sein Körper straffte sich imposant und gefährlich. "Es gab und gibt keinen einzigen belegbaren Hinweis auf die Rückkehr von Sie-wissen-schon-wen. Alles in dieser Richtung ist das geistesverwirrte Geschwätz eines Jungen, der unter unerklärlichen Anfällen leidet. Harry Potter ist beim Turnier oftmals zusammengebrochen, hört zeitweilig Stimmen und hat Schmerzen in der Narbe, die Sie-wissen-schon-wer ihm beigebracht hat!"

"Schreibt meine sogenannte Kollegin Kimmkorn", entgegnete Mrs. Hollingsworth kühl. "Ich war schon immer der Meinung, sie habe da übertrieben, zumal ja die Anhörung Potters am zwölften August nicht bewiesen hat, daß er geistesgestört ist. Ja, er mußte sogar vom Vorwurf mutwilliger Zauberei vor Muggeln freigesprochen werden."

"Wollen Sie mir jetzt etwas als neu verkaufen, was ich höchstpersönlich miterlebt habe, miterleben mußte?!" Schäumte Fudge. "Am besten verwerfen Sie jedes wilde Gerücht über die Rückkehr von Sie-wissen-schon-wem, falls Sie nicht die gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Ihrer Zeitung und meinem Ministerium zunichte machen wollen. Ich denke doch, das hätte für Sie sehr negative berufliche Auswirkungen."

"Sie brauchen mir nicht zu drohen, Herr minister", sagte Mrs. Hollingsworth ruhig. Sie versicherte, nur das zu bringen, was Minister Fudge und sein Juniorassistent wörtlich ausgesagt hätten und verließ das Büro.

Auf den Weg zum Atrium des Ministeriums traf sie Emerald Stoker, der gerade mit einer verschlossenen Aktenmappe angelaufen kam, um ebenfalls zum Innenhof zu eilen. Er sah die Reporterin und grüßte freundlich.

"Hat der Minister dich gut informiert, Marita?" Fragte Stoker verschmitzt grinsen, was die Angesprochene in dieser Situation für unangebracht hielt.

"Er hat mir die offizielle Verlautbarung diktiert, die ich gleich in die Druckerei geben werde, Emerald. Wie geht's Erin und der kleinen Kathleen?"

"Danke der Nachfrage, Marita. Kathy kommt im nächsten Schuljahr nach Hogwarts. Wie geht es deinen Mädchen?"

"Den in Hogwarts vorherrschenden Umständen nach wohl gut. Sie schreiben mir nur nicht mehr so häufig wie früher. Aber das dürfte dich nicht irritieren."

"Was du nicht sagst, Marita", erwiderte Stoker lächelnd. "Natürlich weiß ich, was Madame Umbridge in Hogwarts macht. Die hat ja wohl einigen der Schüler dort auf die großen Zehen getreten, wie?"

"Ja, unter anderem auch meinen Babys, weil sie sie verdächtigt hat, mit einem ehemaligen Mitschüler gegen sie zu konspirieren. Aber das dürfte dich auch nicht irritieren, zumal dies Privatsache ist", grummelte Marita Hollingsworth.

"Ach, die Angelegenheit Andrews, von der mir Alecto erzählt hat. Ich dachte, die in Beauxbatons, wo der jetzt ist, würden nicht an den wiedergekehrten Unnennbaren glauben", erwiderte Emerald mit einem merkwürdig verschmitzten Grinsen, als würde er selbst nicht glauben, was er da sagte.

"Weiß ich, woran die in Beauxbatons glauben?" Fragte Mrs. Hollingsworth. Dann erreichten sie das Atrium. Von dort aus disapparierte die Reporterin und traf keine Sekunde später in der großen Wandelhalle des Tagespropheten ein, dessen Druckerei und Büroräume in einem alten Lagerhaus in Greenwich untergebracht waren, das von außen total zusammengefallen wirkte. Bozo lieferte seine Bilder bei der Fotosetzerei ab und forderte aus dem Archiv Bilder der zehn Ausbrecher für die morgige Ausgabe. Er entsann sich, daß die Flüchtigen vor drei Jahren einmal fotografiert worden waren, um eine lückenlose Galerie der gefährlichsten Getreuen des Unnennbaren zu haben. Von diesem selbst hatte ein Kollege unter Einsatz seines Lebens mal eines gemacht, daß vierzigmal kopiert worden war und gegen Säcke voller Galleonen an alle führenden Zaubererzeitungen der Welt verkauft worden war. Dem Kollegen, Abel Moonshade, hatten sie ein feierliches Begräbnis ausgerichtet, als sein äußerlich unversehrter Leib aus den Trümmern eines Hauses geborgen war, das der Familie Bones gehört hatte, die von ihm niedergemetzelt worden war. Als er die Bilder hatte, ging er zur Fotosetzerei und gab sie ab. Marita Hollingsworth hatte gerade die druckfertige Geschichte in die Schriftsetzerei gebracht und verabschiedete sich von ihrem Chefredakteur. Dieser meinte:

"Ist der Ausbrecher Black also nicht so schwach, wie wir alle gehofft haben. Offenbar schickt der sich doch an, Sie-wissen-schon-wessen Nachfolger zu werden. Danke für die prompte Berichterstattung, Marita. Gute Nacht noch!"

Sie disaparierte aus der Vorhalle und kehrte in ihr Haus zurück.

Emerald Stoker indes ließ seine Verbindungen in der Handelsabteilung spielen und beauftragte dort Leute, nachzufragen, wer in den letzten Monaten Zutaten für den Verdrängungsnebel beschafft hatte. Er wußte, daß es vielleicht schon zu spät war. Doch er mußte ja was unternehmen.

Minister Fudge ließ einige Minuten verstreichen, in denen er nachdachte, was er nun unternehmen konnte. Der Unnennbare konnte nicht wiedergekehrt sein. Das mit dem Nebel, wovon ihm Stoker erzählt hatte, war die Lösung. Jemand mußte ihn irgendwie nach Askaban geschmuggelt und freigesetzt haben. Natürlich war es Sirius Black, der das getan hatte. Denn Bellatrix Lestrange war ja seine Cousine und würde bestimmt zu ihm überlaufen, wenn er sich als Nachfolger von jenem dessen Name selbst Minister Fudge nicht auszusprechen wagte legitimierte. Das paßte alles zusammen. Aber wie konnte Black nach Askaban gelangen. Sicher, Malfoy hatte ihm was erzählt, daß Black wohl ein nichtregistrierter Animagus sei, war jedoch nicht damit herausgerückt, welche Tiergestalt Black hatte. Er hatte sich da wohl auf ein Gerücht bezogen, daß nach Blacks Ausbruch die Runde machte. Den Kontakt zu Lucius Malfoy schätzte er sehr. Denn er hatte ihm Zugang zu wirklich interessanten Familien verschafft und trug ihm regelmäßigen Zugewinn ein.

"Könnte es sein, daß Black eines dieser Muggel-U-Boote benutzt hat, um in die Nähe der Insel zu gelangen, Herr Minister?" Fragte Percy Weasley, der wohl meinte, eine wichtige Sache zu erwähnen.

"Nun, wenn er einem Steuermann dieser Boote mit dem Imperius-Fluch den Befehl gegeben hätte, ihn dort abzusetzen", erwiderte Fudge. Dann zuckte er zusammen. "Weasley, sie haben mich gerade daran erinnert, was ganz wichtiges zu tun. Danke noch mal!"

"An was, Sir?" Fragte Percy, obwohl er sich schon ausmalte, was das war. Doch er wollte nicht zu gescheit herüberkommen. Er hatte gelernt, daß Fudge jedem mißtraute, der deutlich zeigte, daß er oder sie ihm geistig überlegen war. Diese Stellung hier war zu wichtig, um durch übereifrig geäußertes Denkvermögen gefährdet zu werden. Das mit dem U-Boot hatte er nur als Anstoß verstanden, glaubte es jedoch nicht, weil er sich nicht vorstellen konnte, daß ein Reinblütiger wie Black sich freiwillig unzulänglichen Muggelapparaten anvertraute.

"Ich muß den Premierminister der Muggel über die Gefahr informieren, Weasley", sagte Fudge das, was Percy erwartet hatte. Der Minister trat an eine der holzgetäfelten Wände, klappte eine Vertäfelung zur Seite, legte damit das Ende eines Sprechrohrs frei und rief in dessen trichterförmige Öffnung:

"Einen Wagen für mich in fünf Minuten! Fahrziel Downingstraße Nummer zehn!"

__________

Lucretia Withers grinste. Das ganze Ministerium war ein aufgescheuchter Bienenstock. Alle redeten von dem Ausbruch. Doch keiner wußte, wer, wieund wann das möglich gemacht hatte. Sie wußte es, und Pike aus der Strafverfolgung wußte es auch. Wahrscheinlich würde Fudge sich beschwatzen lassen, Black habe das angestellt. Immerhin war die Verräterin Bellatrix ja seine Cousine. Sollte sie noch einige Leute fragen, ob die nicht doch mehr wußten? Nein! Das wäre zu auffällig. Sie ignorierte das Gewusel in den Abteilungen, nahm die magischen Papierflieger zur Kenntnis, die durch das unterirdische Gebäude schwirrten und Memos verteilten. Das letzte, daß sie vor dem wohlverdienten Feierabend in die Finger bekam lautete:

"Sehr geehrte Mitarbeiter,

Aus Askaban konnten heute abend zehn sehr gefährliche Gefangene entfliehen. Die Strafverfolgung, die Auroren und die Abteilung für magische Transportmittel und Handel sind bereits instruiert, Fluchtmöglichkeit und Zufluchtsorte zu ermitteln. Bitte bewahren Sie Ruhe! Wir werden die zehn Verbrecher wieder einfangen.

                 Minister Cornelius Oswald Fudge"

Sie warf das gelesene Memo in den magischen Mülleimer, der es schluckte, kurz rülpste und dann friedlich dastand, auf den nächsten Müll wartend. Sie schloss alle losen Pergamente in den Büroschrank, wischte mit einem Staubsammelzauber den Schreibtisch blank und verließ ihren Arbeitsplatz. Im Atrium disapparierte sie in ihr kleines Haus in der Nähe von Exeter, das sie von ihrer Großmutter geerbt hatte, weil sie die einzige Enkeltochter war, während ihre zwei Cousins und der jüngere Bruder leer ausgegangen waren. Damals hatten sich alle beschwert, was Oma Gwendoline denn eingefallen sei, ihr, Lucky, das kleine Häuschen zu hinterlassen. Doch Lucky wußte es zu gut. Hier war eine geheime Bibliothek, in der ein beachtliches Archiv der schweigsamen Schwestern enthalten war. In diese Bibliothek konnten nur Hexen hinein, die Blutsverwand mit einer Hexe namens Ivy Withersporn waren, die wohl zur Zeit der großen Medea gelebt hatte, der mächtigsten Führerin der sogenannten Nachtfraktion. Sicher, auch die allgemein als gemäßigt geltenden Mitschwestern nutzten die Bibliothek, solange eine Bewahrerin da war, die sie betreten konnte. Im Moment war sie die Bewahrerin.

"Schwester Lucretia, wenn du in deinem Heim bist, komm zu mir an den heiligen Ort, den die Menschen heute Stonehenge nennen!" Kam übergangslos die mentiloquistische Anweisung Anthelias. Lucky schrak zusammen. Doch dann lächelte sie. Anthelia war wirklich in der Nähe. Offenbar war es ihr wichtig, sich persönlich um diese Angelegenheit zu kümmern. Sie wollte gerade disapparieren, um zum alten Natursteinheiligtum Stonehenge zu reisen, als es in ihrem Kamin ploppte und der Kopf einer Frau mit graubraunem Haar und großen, dunkelblauen Augen im niedrig brennenden Feuer erschien. Lucky erschauderte. Das war Lady Ursina, die oberste Sprecherin der englischen Nachtfraktionsschwestern. Die konnte sie unmöglich einfach ignorieren, ohne sich verdächtig zu machen.

"Gruß euch, Lady Ursina", begrüßte Lucky ihre andere Anführerin, die sie anlächelte und fragte:

"Du hast es bestimmt schon vernommen, Schwester Lucretia. Der Emporkömmling schart seine grausamsten Getreuen um sich. Was haben die im Ministerium dazu erzählt?"

"Nun, der Minister geht davon aus, daß Black, der angebliche Getreue von ihm, den zehn Ausbrechern, die heute aus Askaban entfliehen konnten, zur Flucht verholfen hat, um sie um sich zu sammeln", sagte Lucky und konzentrierte sich rasch auf Anthelia. Wenn sie bei Stonehenge war, konnte sie sie auch mit geringerer Willensenergie erreichen.

"So, Fudge geht also immer noch von Black aus", schmunzelte die wohl an die achtzig Jahre zählende Hexe, die jedoch noch sehr gut in körperlicher und vor allem geistiger Form war, wie Lucky zu gut wußte.

"Ja, Mylady. Er geht davon aus, daß nur Sirius Black das getan hat, weil er nicht erkennen will, daß der Emporkömmling Voldemort wieder da ist."

"Warum nennst du ihn nicht bei seinem wahren Namen, Schwester?" Wollte Lady Ursina wissen. Doch Lucky überhörte die Frage, weil sie gerade eine Gedankenbotschaft verschickte:

"Kann nicht sofort kommen. Lady Ursina kontaktfeuert mich."

"Heh, Schwester! Ich hätte gerne heute noch eine Antwort von dir, bevor du im Stehen einschläfst", holte die Nachtfraktionsführerin in England ihre angeblich einzig verbundene Gefährtin in die Wirklichkeit zurück. Lucky mußte schnell überlegen, wie die Frage lautete. Dann sagte sie:

"Ich darf ihn im Ministerium noch nicht einmal bei diesem Kampfnamen nennen. Wenn ich noch zugeben würde, daß Ihr mir und dem Bund der tätigen Schwestern offenbart hättet, daß er Tom Vorlost Riddle heißt, würde ich mich äußerst verdächtig machen."

"So so, Schwester. Nun, ich habe für morgen eine Versammlung in deinem Haus angesetzt. Nimm dir frei und forsche in der Bibliothek nach, was wir über die Dementoren wissen! Es mag angehen, daß der Emporkömmling sie bald zum offenen Verrat an diesem Idioten Fudge aufruft. Ich sehe nicht ein, daß meine zwei Töchter und meines Bruders Tochter von diesen Glücksfressern überrannt werden, ohne was dagegen tun zu können. Morgen um Schlag drei bei dir, Schwester!"

"Wie ihr befehlt, Mylady", bestätigte Lucky Withers. Sie atmete auf, als der Kopf der Hexenlady aus dem Kamin verschwunden war. Sie wartete noch eine halbe Minute, dann disapparierte sie an den Rand des gewaltigen Steinmonuments, daß für die Muggel ein Relikt einer alten, so gut wie unbekannten Kultur war. Antehlia war nicht zu sehen. Auf dem nördlichsten Megalithen, der mit anderen einen großen Kreis bildete, hockte eine große Krähe mit glattem Gefieder. Der Rabenvogel drehte seinen Kopf mit dem langen, spitzen Schnabel ganz nach hinten und blickte Lucky mit merkwürdig wachen Augen an. Dann drehte das Tier seinen Kopf wieder in Normalstellung und flog auf, um zu ihr hinüberzusegeln. Lucky wollte schon den Zauberstab zücken, um einen möglichen Angriff abzuwehren, als die Krähe vor ihr landete und sich innerhalb weniger Augenblicke in eine Frau im weißen Kapuzenumhang verwandelte. Vor Lucky Withers stand nun Anthelia.

"Ich fürchtete schon, die honorige Lady Ursina Underwood hätte dich noch eine längere Weile beansprucht, Schwester Lucretia. Doch ich bin erfreut, dich jetzt schon zu erblicken", begrüßte Anthelia ihre Bundesschwester, die ihre Mitgliedschaft in der Nachtfraktion behalten hatte, um als Kundschafterin der Spinnenschwestern wichtige Dinge zu erfahren oder möglicherweise Anthelias Anweisungen an andere Nachtfraktionärinnen weiterzugeben.

"Sie hat gesagt, daß sie sich morgen wegen des Ausbruchs mit uns in meinem Haus treffen will, weil ich doch die alte Bibliothek hüten muß."

"Oho, wann berief sie euch zur Versammlung?" Wollte Anthelia wissen. Lucky erzählte es ihr. Die wiedererstandene Nichte Sardonias lächelte höchsterfreut.

"Sieh an, ich hatte eigentlich vor, Schwester Dana und Dich von mir aus auf die Fährte des Emporkömmlings zu setzen. Doch wenn meine noble Gesinnungsgenossin dies schon wünscht, werde ich weniger Mühe haben, euch mein Werk tun zu lassen. Aber zu dem Grund, weshalb ich dich einbestellte. Wir werden gleich einen Flug zu einem Dorf unternehmen, welches da heißt Little Hangleton. In dessen Nähe daselbst ein verlassener Totenacker liegt, auf dem unser großer Widersacher seine Getreuen um sich schart, um die geglückte Befreiung der zehn glühendsten Getreuen zu feiern. Ich trachte danach, mir diese Festlichkeit aus sicherer Entfernung zu Gemüte zu führen. Ich harre noch der Schwestern Patricia und Dana, um als Gemeinschaft von vieren zu reisen."

"Wieso apparieren wir nicht gleich an diesem Friedhof?" Fragte Lucky. Anthelia grinste.

"Ich erfuhr, daß der Emporkömmling Apparatorenmelder auf dem Totenacker errichtete, die jeden Ankömmling kundtun. Es wäre lebensmüde, diese Zauberdinge zu erregen und damit seinen Zorn auf uns zu ziehen. Er muß nicht ergründen, daß außer den Barbaren, die er geworben hat, noch andere Hexen und Zauberer von seiner Versammlungsstätte Kunde haben. Ein Ungeheuer an einem bekannten Ort ist besser als ein aufgescheuchtes, wild herumlaufendes Ungeheuer. Ah, da kommen Schwester Patricia und Schwester Dana", verkündete Anthelia, als ein getarnter Besen mit zwei Reitern heranflog. Lucky hörte ihn erst, als er knapp neben ihr niederging. Dann wurden er und seine beiden Reiterinnen sichtbar.

"Dieser Harvey-Besen ist einfach genial, Schwester Patricia. Schade, daß ihr Amerikaner ihn nicht verkauft."

"Ich weiß, Schwester Dana, damit du auch mal in einer Muggelsiedlung einkaufen kannst", scherzte die junge, dunkelbraunhaarige Patricia Straton. Dann sahen sie Anthelia und erstarrten in ehrfürchtigem Schweigen.

"Schwestern, lasset uns aufbrechen zu einem Dorf mit Namen Little Hangleton. Ich weiß, wo es liegt. Schwester Patricia, du wirst mit Schwester Dana zusammenbleiben. Schwester Lucretia wird mich auf dem zweiten tarnfähigen Besen begleiten. Folge meinen gedanklichen Wegweisungen, Schwester Patricia!"

"Jawohl, höchste Schwester", bestätigten die drei anderen Hexen. Lucky folgte Anthelia zu einem der Steine. Sie nahm den getarnten Besen dort weg, machte ihn durch ein Losungswort sichtbar. Lucky sah ehrfürchtig auf den silbern lackierten Stiel und den Schweif aus hauchdünnen Reisigzweigen, zwischen denen feines, silbernes Haar glänzte. Offenbar hatte jemand es geschafft, die Haare eines Demiguisen geschickt mit einem Besen zu verbinden, um deren Tarneigenschaften zu verwenden. Lucky saß hinter Anthelia auf, die ihre rechte Hand auf die Besenspitze legte und "Ocultimotus" murmelte. Augenblicklich wurden der Besen und die beiden Reiterinnen unsichtbar. Patricia tarnte ihren Besen und sich zusammen mit Dana Moore. Dann flogen sie los, beinahe lautlos.

Der Harvey 5 war der zurzeit beste Tarnflugbesen und Stolz des nordamerikanischen Zaubereiministeriums. Das ihn auch europäische Hexen und Zauberer fliegen würden, war nicht gestattet. Doch Anthelia hatte über eine Spinnenschwester, die in der Abteilung für magische Ausrüstung arbeitete, eine Sendung Harvey-Besen unter allen Verwaltungstischen hindurch organisiert, die komplett an Anthelia gegangen war. Er konnte sich, mindestens einen Reiter und eine Zuladung unsichtbar machen, solange er im freien Flug war. Er war vielleicht nicht der schnellste, aber dafür präziseste Besen und machte sehr geringe Fluggeräusche. Anthelia wußte, daß man ihn an und für sich mit einem Nullosonatus-Zauber völlig lautlos machen wollte, doch darunter hätten die Tarnung und die Manövrierbarkeit bei hohen Geschwindigkeiten gelitten. Doch auch so machte der nun völlig unsichtbare Besen gerade mal so viel Lärm, wie ein weit entfernt klingendes Waldesrauschen.

Lucky Withers war eine gute Sozia. Sie hatte mit ihrem Bruder Barney und ihrem Cousin Geoffrey in Hogwarts die Tandemflugprüfung auf dem Silberpfeil gemacht. Seitdem sie sich einen eigenen Besen leisten konnte, hatte sie den Nimbus 1500 als privaten Rennbesen für schnelle Kurzreisen ans Meer benutzt, wenn sie zu viel Gepäck hatte, um zu apparieren. Sie blieb gelassen hinter Anthelia sitzen, die den Flug steuerte und zwischendurch wohl unhörbare Anweisungen an die ebenfalls telepathische Mitschwester Patricia weiterreichte. Der Flug über Wälder, Wiesen, Flüsse und Autobahnen verlief störungsfrei. Es wurde nur kalt. Lucky bibberte ein wenig und fühlte bald ihre Finger nicht mehr. Anthelia bemerkte das und befahl laut die Landung auf einer nun tiefschwarzen Wiese. Dort gab sie Lucky und auch Dana von einem Aufwärmtrank, der sofort die unterkühlten Glieder durchpulste und sie wieder auf gesunde Temperaturen brachte. Dann ging der unsichtbare Flug weiter bis zu einer Ansiedlung, die nur noch wenige Straßenlichter in den Nachthimmel grüßen ließ. Anthelia ging tiefer und passierte im Langsamflug einen Wegweiser. Sie stieg wieder auf und raste mit mehr als einhundert Stundenkilometern über das Dorf hinweg, überflog ein Gasthaus, aus dem der Dunst von kaltem Rauch und warmem Bier hervorquoll.

"Die Schenke zum gehängten Mann", sagte Anthelia leise, als sie über das kleine Wirtshaus hinweggeglitten waren. "Hier leben die rastlosen Männer dieses Ortes zwischen Sonnenuntergang und Mitternacht. Einen Fremden würden sie sogleich erkennen."

"Warum erzählst du mir das, höchste Schwester?" Fragte Lucky Withers.

"Weil es eigentlich geboten ist, in der Nähe des Totenackers einen Späher zu stationieren", antwortete Anthelia, während sie die Ortsgrenze unter und hinter sich zurückließen und nun zum langsamen Flug übergingen. In der Ferne glomm ein schwacher, roter Lichtschein. Anthelia bremste sanft ab und landete neben einem kahlen Baum, auf dessen Zweigen frischer Schnee wie Puderzucker glitzerte.

"Sie wähnen sich unbehelligt und sicher", flüsterte Anthelia. "Sie unterhalten einen Kreis aus Fackeln, wie seinerzeit die Gebrüder Schwarzberg." Dann konzentrierte sie sich. Sie nickte und sagte: "Der Emporkömmling vermag, sich gut wider geistige Belauschung zu wappnen. Doch dies kann er nur, wenn er sich belauscht wähnt. Er hat gerade seine Bande einbestellt. Die zehn Entwichenen harren bereits dort. Schwester Patricia, die Fernkundschafterinstrumente!"

Patricia Straton holte von ihrem Besen eine Tasche, der sie ein langes Hörrohr mit aufsetzbarem Trichter, ein Fernrohr mit Stativ und eine auf ein Dreifußgestell aufsetzbare Stange mit einer aufgerollten weißen Leinwand, ähnlich einer, die für Diavorführungen benutzt wurde entnahm. Dann gingen sie mit geschulterten Besen und bereitgehaltener Ausrüstung noch einige Hundert Meter. Aus großer Entfernung war roter Fackelschein und heiteres Lachen zu erahnen. Anthelia gebot ihren Schwestern, Aufstellung zu nehmen. Sie beschwor einen unsichtbaren Schild vor sie, damit niemand vom Friedhof her was verdächtiges sehen konnte. Dann wurde die Leinwand entrollt und gespannt, das Hörrohr mit dem Schalltrichter bestückt und das Fernrohr so platziert, daß sein Objektiv auf das Geschehen auf dem Friedhof gerichtet war und das Okular auf die Mitte der Leinwand wies. Anthelia tippte ein augenförmiges Symbol auf dem Fernrohr mit dem Zauberstab an. Augenblicklich erhellte sich die Leinwand wie von einem Projektor angeleuchtet. Dann strich sie über das auf den Friedhof gerichtete Hörrohr. Schlagartig erscholl das beinahe unhörbare Lachen lauthals und glasklar aus dem Trichter. Die Schwestern wandten sich der Leinwand zu, auf der gerade original abgebildet wurde, was auf dem Friedhof selbst zu sehen war. Das Bildverpflanzungsfernrohr und das Fernschallansaughörrohr waren nun im Einsatz, zwei Geräte, nach denen sich die Spione der Muggel alle zehn Finger und Zehen abgeleckt hätten. Auch diese Geräte waren eigentlich allein für die nordamerikanischen Zaubereibeamten vorgesehen. Doch hier hatte Patricia Straton, die außer in Verwandlung auch gut in Zauberkunst war, ihren Dienst geleistet. Sie hatte sich die Pläne für diese Geräte und die zu wirkenden Zauber beschaffen lassen, sie kopiert, die Pläne heimlich an ihren Verwahrungsort zurückschaffen lassen und dann ruhig und bedächtig je drei Exemplare dieser Spionageinstrumente nachgebaut und funktionsfähig gezaubert.

"Oh, der Herr Heuchler Malfoy ist auch schon zugegen", wisperte Lucky Withers, als ein Mann mit silberblondem Haar, bleichem und spitzen Gesicht und grauen Augen vor dem einem Kaiser der Dunkelheit gleich auf einem Grabstein thronenden Voldemort niederfiel und dessen Umhangsaum küßte. Dann wandte er sich an die Hexe in der schmutziggrauen Gefängniskleidung, die ihn freudig umarmte.

"Hallo, Lucius. Freue mich, daß du noch wohlauf bist", lachte Bellatrix Lestrange. Dann jedoch versetzte sie dem Begrüßten eine saftige Ohrfeige, deren Knall den Schalltrichter zum Klirren brachte. "Du heuchlerischer Drückeberger hast dich aus allem herausgemogelt und hast nicht einmal versucht, den Herren zu finden!" Zeterte sie. Anthelia grinste breit.

"Diese Verräterin muß das gerade sagen. Aber sie vermag, ihre Gefühlsäußerungen fabelhaft zu maskieren. Dieser eingebildete Zauberer hätte sie doch nie so nahe an sich herangelassen."

"Bella, lass ihn!" Schnitt Voldemorts kalte Stimme in Bellatrix' Zetern hinein, wie ein japanisches Samuraischwert. "Er hat mir Buße zu leisten, nicht dir. Lass ihn also!"

"Herr, wegen ihm war ich lebendig begraben", wimmerte Bellatrix, der nun Tränen in die Augen schossen. Ob es echte Tränen waren, wußten wohl nur Anthelia, Patricia und der dunkle Lord persönlich.

"Er wird seine Schulden bezahlen, Bella", schnarrte Voldemorts Stimme nun wie eine schallgedämpfte Kreissäge. "Er wird mich diesmal nicht enttäuschen. Also lass ihn an deiner Befreiungsfeier teilhaben!"

"Ja, Herr", willigte Bellatrix ein und kniete vor ihrem Befreier nieder, um ihm die Füße zu küssen.

"Wie schwach muß sich jemand selbst empfinden, wenn er von seinen Untergebenen derartige Gesten fordert", dachte Anthelia leise und hielt ihren Geist nach außen verschlossen, um diesen Gedanken nur für sich zu haben.

Weitere Todesser in Kapuzenumhängen und Masken tauchten auf. Sie nahmen ihre Masken erst ab, als Voldemort sie dazu aufforderte. Dann lachten sie miteinander, und aus einem großen Fass, das er mitgebracht hatte, schenkte der Henker McNair große Humpen voll. Nur Bellatrix schüttelte den Kopf. Sie wollte lieber Schnäpfeneierlikör. Doch auch dieser war vorhanden. Voldemort selbst hatte das bei noblen Hexen beliebte Gebräu schon seit Tagen im Haus seines verhaßten Vaters gelagert. Anthelia sah, wie das bleiche Gesicht des sogenannten dunklen Lords pure Freude und überlegenen Triumph ausstrahlte. Jede Bewegung, die der im schwarzen Umhang gekleidete machte, verriet seine Freude. Heute hatte er einen wichtigen Sieg über das Zaubereiministerium errungen. Heute war er als mächtiger Feind von Fudge aufgetreten, ohne daß dieser es überhaupt begriffen hatte.

"Werden die sich auch Gladiatoren fangen?" Fragte Patricia Straton mit verkniffenem Gesicht. Sie konnte sich noch zu gut an den bösartigen Schaukampf erinnern, den die Schwarzbergs vor ihren Spießgesellen abgehalten hatten. Vier Nonnen hatten dabei unter dem Imperius-Fluch aufeinander eingestochen und sich umgebracht. Eine vierköpfige Familie sollte dieses Schicksal teilen. Nur dem Eingreifen der Spinnenschwestern verdankte die Familie ihr Überleben.

"Es steht zu befürchten, da dieser Barbar Freude nur aus dem Kelch mörderischer Gewalt zu trinken vermag", erwiderte Anthelia.

"Warum sind wir eigentlich hier und sehen denen zu, höchste Schwester?" Fragte Dana Moore. Bis hierher hatten sie alle schweigend akzeptiert, daß Anthelia diesem Treffen zusehen wollte. Doch nun, wo die Stimmung ausgelassener nicht sein konnte, wollte sie doch wissen, was passieren sollte.

"Weil wir gleich erfahren werden, wo wir die impulsive Hexe vorfinden werden, wenn wir ihrer habhaft werden wollen", antwortete Anthelia.

Die Todesser fingen sich keine Muggel zum grausamen Spiel. Das wunderte zwar Anthelia. Aber sie kam auf die naheliegende Erklärung. Wenn Muggel aus einer bestimmten Region unauffindbar waren, würde das deren Gesetzeshüter anregen, nachzuforschen, und damit wohl auch die Zaubererwelt, die Späher und Vertuschungsfachleute in den Sicherheitsbehörden untergebracht hatte. Doch der Emporkömmling wollte seine Rückkehr offenbar noch geheimhalten. Er durfte sich noch nicht so entfalten, wie er es gerne hätte. Daß Harry Potter die Falle überlebt hatte, die Voldemort ihm gestellt hatte, war diesem eine schwere Niederlage gewesen. Es galt, abzuwarten, bis diejenigen, die Potter und Dumbledore glaubten, verstummt waren und ihm nicht mehr in die Quere kommen würden. Außerdem, so wußte es Anthelia von Pike, mußte dieser irregeleitete Zauberer erst den Wortlaut einer ihn betreffenden Prophezeiung kennen, bevor er weitere Schritte unternehmen wollte. Wenn er nicht wußte, warum er damals nicht obsiegt hatte und welche Zukunft ihm noch bestimmt war, war er hilflos dem Schicksal ausgeliefert. Ja, und ausgeliefert wollte dieser geisteskranke Hexer sich wohl nie fühlen. Dies bot Anthelia, die sich für geistig ausgeglichen und ruhig hielt, einen Angelpunkt, um ihn, Voldemort, empfindlich zu treffen, ihn nicht über die Küsten dieser Insel hinaus an Macht gewinnen zu lassen. Doch sie war weder hier noch jetzt auf eine Kraftprobe aus. Solange er sich hier verborgen halten mußte konnte sie in der restlichen Welt ihre Getreuen werben und dirigieren, um das Netz der Spinne unzerreißbar und undurchschlüpfbar für alle ihre Feinde zu weben. Jedoch interessierte sie sich für Bellatrix Lestrange. Sie galt es zu lehren, wem sie eigentlich Treue schwören und für wen sie einzutreten hatte. Denn Anthelia haßte Hexen, die sich aus freien Stücken einem Überpatriarchen unterwarfen, ihr Geschlecht und die damit verknüpften Vorrechte in den Staub warf. Dies durfte sie ihr nicht ungesühnt durchgehen lassen.

"Mann, sind die schicker", amüsierte sich Patricia Straton über die nun sehr heftig schwankenden Todesser, die johlend um die aufgebauten Fackeln herumtanzten. Anthelia deutete auf Malfoy und Bellatrix.

"Diese beiden haben dem Feuerwhiskey und dem Schnäpfeneierlikör nicht so haltlos zugesprochen wie die übrigen Barbaren. Offenbar belauern sich beide. Ah, der Größenwahnsinnige will noch eine Rede halten."

Voldemort hatte einen laut krachenden roten Knallfrosch in die Menge der ausgelassen gröhlenden Anhänger geschossen. Sofort sackten einige um. Nur die klobigen Kerle Crabbe und Goyle, die im Verlauf des Abends auch angerückt waren, um die zehn befreiten Genossen zu begrüßen, hielten sich noch auf den baumwurzelgleichen Beinen.

"Meine treuen Todesser", begann Voldemort salbungsvoll, "ich habe mich außerordentlich gefreut, endlich alle die wieder um mich versammelt zu sehen, die ich am meisten schätze. Ja, viele von euch wissen, daß sie mir vierzehn Jahre Zeit schulden. Doch ich bin sicher, daß sie diese Schuld mit allergrößtem Einsatz abbezahlen werden. Ich möchte nicht versäumen, meinen zehn besten Todessern Dank und große Anerkennung dafür auszusprechen, daß Sie mir auch über meinen angeblichen Niedergang hinaus die Treue hielten und sogar in Askaban landeten. Ich werde mich sehr erkenntlich zeigen, ja. Sagt mir gerne, was ihr haben wollt! Ihr bekommt es ohne Wenn und Aber. Doch vorerst wünsche ich, daß wir weiterhin im Verborgenen bleiben. Ich will zunächst etwas finden, was mir sagt, warum ich damals nicht gewonnen habe. Wenn ich das weiß, kann mich und euch niemand mehr aufhalten!

Doch zuvor müssen wir ein Versteck für die finden, die der achso umsichtige Minister Fudge nun händeringend jagt."

Alle lachten lauthals. Keinen schien zu kümmern, daß sie vielleicht belauscht werden könnten. Anthelia wußte auch, wieso. Die Schlange Nagini, ein schuppiges Scheusal, schlich etwa hundert Meter von den Todessern entfernt um sie herum. Offenbar ging Voldemort von zufällig vorbeikommenden Muggeln aus. Wenn Nagini einen aufspürte, würde der wohl an ihrem heimtückischen Gift sterben müssen. Anthelia war entschlossen, die beinlose Bestie sofort zu töten, wenn sie es wagen sollte, ihren Horchposten aufzusuchen. Mochte das den Verdacht des Emporkömmlings wecken oder nicht.

"Wenn meine Schwägerin mir verspricht, mir nicht ddie Kehle aufzuschlitzen, kann sie mit ihrem Mann und dessen Bruder in meinem Landhaus wohnen. Ich habe ja noch den Geheimen Raum für heimliche Gäste. Wir haben nur zurzeit keinen Hauselfen. Potter hat unseren nämlich durch einen unverschämten Trick befreit", bot Malfoy an. Den Namen Potter sprach er mit ganzer Abscheu aus. Bellatrix Lestrange überlegte, ob sie ihren feigen Schwager nicht doch bei Nacht und Nebel erdolchen oder ihren neuen Zauberstab an ihm ausprobieren sollte. Doch eine sichere Zuflucht war ihr einstweilen lieber. Sie fragte jedoch:

"Was ist mit dem alten Haus der Blacks? Da ist doch keiner, oder?"

"Dein werter Cousin hat sich dort eingenistet", lachte Malfoy. "Er hat das Haus widerrechtlich besetzt. Der alte Hauself seiner Mutter hat meiner Frau sowas erzählt. Allerdings konnte und durfte er nicht verraten, was sein unverdienter Meister so alles dort anstellt."

"Ach ja? Gehen wir hin und schmeißen ihn raus, Hicks!" Gröhlte Rodolphus Lestrange.

"Versoffener Cretin!" Brüllte Voldemort ihn an und deutete mit einem bleichen Finger auf ihn. "Wir können ihn nicht rauswerfen. Er hat das Haus fortgeschafft. Keiner findet es mehr. Denkst du, ich hätte nicht das alte Erbe der Blacks haben wollen? Sicher wollte ich dort hinein. Doch das Haus ist nicht mehr an seinem Platz. Es ist fort."

"Ups!" Machte Rodolphus. "Schweinerei sowas. Ja, und jetzt?"

"Wir gehen zu Lucius", bestimmte Bellatrix unumstößlich. Ihr Mann und ihr Schwager nickten.

Für die übrigen Ausbrecher wurden Ausweichquartiere gefunden, in denen sie wohl keiner suchen würde. Dann löste der dunkle Lord die Festversammlung auf.

"Höchst interessant", sagte Anthelia, als die Todesser aufbrachen. "Irgendwie spürte ich etwas in diesem Hexer, das unmöglich von ihm kam. Es war, als habe er für einen winzigen Augenblick durch die Augen eines anderen gesehen, als wenn er dem Exosensozauber oder dessen Gegenstück unterworfen war."

"Hat er es bemerkt?" Fragte Dana Moore. Patricia, die nicht so gut und heimlich in andere Geistesinhalte eindringen konnte wie Anthelia, nickte kurz.

"Für mich schien es, als hätte er damit gerechnet."

"Nun, gemerkt hat er es kurz. Doch ob er es erwartet hat, konnte ich noch nicht erkennen. Ich mußte ja selbst auf der Hut sein, nicht bemerkt zu werden", sagte Anthelia. Dann befahl sie, die Spionagegeräte zusammenzupacken.

"Gönnen wir dieser Verräterin eine Nacht in trügerischer Sicherheit, Schwestern. Morgen abend werden wir ihr unsere Aufwartung machen, wenn die Bewohner dieses Hauses in den Schlaf sinken", legte Anthelia die Marschroute für den nächsten Tag fest. Dann flogen sie mit den Harvey-Besen so weit fort, daß aufgestellte Apparatorenmelder unmöglich noch was von ihnen mitbekommen konnten. Sie verabschiedeten sich jenseits der Ansiedlung Littel Hangleton voneinander. Dana und Lucky disapparierten in ihre Häuser, Anthelia und Patricia disapparierten zunächst auf die Kanareninsel La Palma, machten dort eine Viertelstunde Rast, um dann direkt in der Daggers-Villa zu apparieren. Hier war es gerade acht Uhr am Abend. Dido saß mit Lobelia Wagner am Tisch im Esszimmer. Sie waren noch pünktlich zum Abendessen eingetroffen.

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Der smaragdgrüne Austin glitt vor dem Haus in der Downingstraße auf einen Stellplatz. Sofort eilten blauuniformierte Polizisten herbei und fragten den Passagier, was er wolle. Dieser zeigte dem Polizeioffizier einen Ausweis, worauf er mit unterwürfigen Gesten des Beamten gebeten wurde, ihn zu begleiten. Der Fahrer des Wagens blieb hinter dem Steuer sitzen.

"Sie haben Ihren Besuch nicht angekündigt, Mr. Fudge", sagte der Polizist, der den Besucher mit dem Nadelstreifenanzug und dem wie ein altertümlicher Umhang wirkenden Reisemantel und dem limonengrünen Bowler mit großer Wertschätzung behandelte. Für den Polizisten war Fudge ein besonders wichtiger Verbindungsmann zu einem nur dem Minister und der Königin unterstellten Dienst, der sich um die Sicherheit Englands sorgte. Wenige Minuten später saß Fudge dem amtierenden Premierminister gegenüber und erzählte diesem, was sich in der Zaubererwelt zugetragen hatte. Außer den amtierenden Premierministern wußten nur die Monarchen Großbritanniens von der Zaubererwelt und waren durch einen magisch untermauerten Eid dazu gezwungen, es niemandem zu verraten. Endete die Amtszeit eines Premiers, erschien ein Ministeriumszauberer und modifizierte dessen Gedächtnis. Bei der Vorgängerin Majors war das fast schiefgelaufen, da die selbstsichere Maggy Thatcher wußte, daß sie mit diesem Wissen nicht frei herumlaufen durfte. Sie hatte versucht, einem Tonbandgerät alles zu erzählen, um es vom Inlandsgeheimdienst archivieren zu lassen. Nur das schnelle Eingreifen eines Vergissmichs mit Muggelkenntnissen bewahrte die Zaubererwelt vor ihrer Enttarnung. Thatchers Gedächtnis wurde ordnungsgemäß modifiziert und das Tonband mit den bereits aufgesprochenen Informationen beseitigt. Danach hatte Major auf den Eidesstein schwören müssen, niemandem, weder in Briefform, noch Worten noch Maschinenhörbarer Form etwas zu verraten. Dies würde nun auch für Tonbandgeräte oder die neumodischen CD-Spieler gelten.

Nachdem Fudge dem Premier seinen Bericht erstattet hatte, kehrte er in das Zaubereiministerium zurück. Der Premier ließ sich mit Scotland Yard und den Zentralen von MI5 und MI6 verbinden, um eine landesweite Fahndung nach den zehn gefährlichen Ausbrechern anzukurbeln. Den Polizei- und Geheimdienstchefs verkaufte er die Bande als ausländische Selbstmordattentäter, die mit Blasrohren bewaffnet waren und sofort damit töteten, wenn sie entdeckt würden. Dann zog sich der Regierungsschef in seine Privatgemächer zurück, um zu schlafen.

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Cecil Wellington hatte die zwanzig Disketten fertig. Er hoffte nur, daß Anthelia oder diese Patricia Straton das Zeug auch wirklich haben wollten. Denn immerhin hatte er Dokumente aus einem ganz persönlichen Rechner geklaut, was an und für sich vollendete Computerkriminalität war. Damit kannte er sich aus. In der alten Schule in Dropout und von seinem früheren Vater Ben Calder Senior hatte er gelernt, was man mit und in Rechnern machen durfte und was nicht, daß Daten wie persönliche Briefe oder patentgeschützte Baupläne waren, deren unbefugte Aneignung auch als Diebstahl angesehen werden mochte.

"Dann sei es. Dann wandere ich halt in den Knast. Da kann Anthelia dann das Leben von schweren Jungs studieren", dachte der neue / alte Cecil. Als er nach dem Abendessen noch etwas Musik hören wollte, weil sein neuer Vater, der Senator nicht gut drauf war, fand er Patricia Straton in dem Zimmer. Sie saß gemütlich auf einem der vier Besucherstühle und hatte die Beine übereinandergeschlagen. Schnell zog Cecil die Tür zu, startete die Stereoanlage und ließ eine Rock-'n-Roll-CD anlaufen. Dann begrüßte er die Besucherin.

"Hallo, Miss Straton. Oder soll ich Sie miss Grover nennen?"

"Besser als Patty", erwiderte die Hexe. Cecil errötete. Also hatte sie doch mitbekommen, was er an Weihnachten über sie gedacht hatte. Dann dachte er schnell: "Die will die Computersachen haben. Am Besten rücke ich die gleich raus, dann bin ich die Dinger los."

"Genau deswegen bin ich hier", erwiderte Patricia auf die Gedachte Entscheidung. Cecil suchte das Versteck auf und holte das Paket mit den zwanzig Disketten hervor. Er reichte sie Patricia und sagte:

"Sie brauchen mindestens einen Pentium 1 und ein 3,5-Diskettenlaufwerk, um die einzulesen und die Daten abzurufen. Das Betriebssystem ist Ihnen bekannt?"

"Ich habe jemanden, die mit Computern umgehen kann", flüsterte Patricia Straton. Cecil fiel auf, daß sie etwas übermüdet wirkte. mochte es sein, daß sie eine weite Reise hinter sich gebracht hatte?

"Ich danke dir für die prompte Ausführung der Anweisung der höchsten Schwester. Ich denke, sie wird einige Grobheiten, die du über sie gedacht hast vergessen. Sie weiß hoffentlich, daß junge Menschen gerne gegen ihnen auferlegte Arbeiten aufbegehren. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend!" Sprach's und verschwand mit leisem Plop. Cecil legte eine andere CD ein und lauschte den Balladen Madonnas, die gerade vor einem Vierteljahr herausgekommen waren.

Senator Wellington indes suchte das hauseigene Schwimmbad auf und strampelte sich die angestaute Wut von Körper. Als er um zehn Uhr abends total geschlaucht in den Wohnbereich zurückkam, kehrte gerade seine Frau zurück. Er schützte Müdigkeit vor, um nicht mit ihr lange und breit reden zu müssen und verzog sich ins Elternschlafzimmer. Für die Wellingtons war damit der Montag gelaufen, der weiter östlich eine ganze Welt erschüttern sollte.

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Lobelia Wagner konnte mit den erbeuteten Daten was anfangen. Ja, sie fand sogar Passwortdateien vor, die ihr Zugriffe auf versteckte Seiten im Internet gewährten, wo Ordnungsbehörden oder politische Institutionen Personendaten verwahrten. Mit weiteren Informationen, die sie aus diesen Quellen abgeschöpft hatte, vervollständigte sie das Suchmuster, um den einen Mann zu finden, der dort zu finden war, wo die Tochter des Abgrunds ihre Opfer gefunden hatte. Patricia Straton hatte ihr die Disketten angeliefert. Doch sie war nicht lange geblieben. So saß sie die nächsten drei Stunden alleine vor dem Computer und versuchte, die Auswahl der Kandidaten weiter zu verkleinern. Irgendwie mußten die fraglichen Männer einmal in Dover gewesen sein, dann nach New York gekommen sein und dann irgendwo in den Staaten Arbeit gefunden haben. Doch bislang konnte sie nur die Aufenthalte in den Staaten zurückverfolgen. Um auch über die Aufenthalte in Großbritannien was zu erfahren, mußte sie Zugriff auf eine dortige Datenbank bekommen. Doch die überspielten Geheimdokumente drehten sich um Parteipolitik, Finanzierung und Postenverteilungsmodelle. Das mochte für Anthelia mal wichtig sein. Aber für die Suche nach dem Succubus war es uninteressant. Da fand sie einen sehr vertraulichen Brief des Senators an einen Freund im britischen Innenministerium. Sie las ihn, schmunzelte und druckte ihn sofort aus. Sie sah auf ihre Uhr. Es war jetzt genau halb zehn abends. Sie warf sich ihren Reisemantel über und disapparierte aus ihrem Haus. Keine Sekunde später ploppte sie in die Vorhalle der Daggers-Villa hinein. Anthelia, die wohl gerade aus dem Badezimmer gekommen war, trat ihr mit leicht feucht glitzernden Haaren entgegen. Lobelia grinste und hielt ihr den Brief hin.

"Ich habe dir doch erzählt, wie korrupt manche Politiker doch sein können, höchste Schwester. Hier haben wir einen Beweis. Magst du dir das mal ansehen?"

"Oh, eine Erpressungshandhabe?" Fragte Anthelia und nahm den Brief. Als sie ihn gründlich durchgelesen hatte fragte sie, wann dieser Mensch unter seiner Geschäftszimmertelefonnummer zu erreichen war.

"Neun uhr morgens. Für uns heißt das dann um vier Uhr in der Frühe", gab Lobelia Auskunft. Anthelia rümpfte die Nase. Dann fragte sie, ob es in England Mittagspausen gäbe. Lobelia nickte.

"Dann werde ich ihn morgen früh um acht Uhr unserer Zeit an seinem Arbeitsplatz aufsuchen. Bin doch mal gespannt, was dieser Waxman für ein Mensch ist, wenn er hier offen zugesagt hat, Geldgeber für die nächste Präsidentenwahl aus Halbweltkreisen zusammenzubekommen. Bis morgen Nachmittag, Schwester Lobelia!"

"Bis morgen Nachmittag!" erwiderte Lobelia Wagner.

Als Anthelia wieder alleine war, überlegte sie kurz. Wenn sie am nächsten Morgen zu diesem Unfähigen ins Büro ging, konnte sie noch die Stunden dranhängen, die das Treffen bei Lucretia Withers dauern mochte. Dana und Lucretia würden ja eh dabei sein. Vielleicht würde Anthelia wichtige Schwestern der Nachtfraktion sehen können. Sie freute sich, diesen Tag gut anfangen zu können. Ja, und abends, zumindest nach englischer Zeitrechnung, würde sie Bellatrix Lestrange einen Besuch machen, an den sie ihr ganzes Leben lang denken sollte.

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"... und ich sage Ihnen, Gordon, daß es mir völlig egal ist, wielange die Sudanesen damit brauchen. Ich will die Schürfrechturkunde bis freitag unterschrieben hier auf meinem Tisch haben. Faxen ist doch in dem Land auch schon bekannt, oder?" Tobte Tim Waxman, ein international engagierter Rohstofflieferant mit guten Kontakten nach Afrika und Südamerika. In London genoss er einen fragwürdigen Ruf, einerseits ein großzügiger Kunstförderer zusein, weshalb er seine Hände auch bei britischen Plattenproduktionen im Spiel hatte, andererseits auch nicht vor Geschäften im äußersten Grenzbereich der Legalität zurückscheute. Gerade hatte er eine Meinungsverschiedenheit mit einem Unterhändler, der für ihn im Sudan eine Kupfermine sichern sollte. Er brachte den Unterhändler dazu, mit Anteilen an einer Goldmine in Südafrika zu locken. Waxman wußte, daß diese zwar in einem Jahr erschöpft sein würde, doch die im Sudan wußten es nicht, und sein Unterhändler wußte es auch nicht. Als er den Hörer wieder auflegte, kam bereits das nächste Gespräch bei ihm rein, von Señor Vargas aus Caracas in Venezuela. Mit ihm tauschte er auf Spanisch einige wichtige Sätze aus, lächelte dabei und bedankte sich schließlich für diesen Anruf. Vargas hatte für ihn ein marodes Ölunternehmen gekauft, dessen Förderrechte ihm den Zugang zu einem noch sehr vielversprechenden Ölfeld gaben. Eventuell konnte er auch mit den US-Amerikanern auf dieser Ebene etwas arrangieren. Immerhin wollte er sicher sein, im November des gerade erwachten Jahres einen etwas zugänglicheren Präsidenten im weißen Haus zu sehen.

So jonglierte der Rohstoffbaron den ganzen Morgen mit Energieträgern, Metallvorkommen und Steinbrüchen auf der Ganzen Welt. Zwischendurch prüfte er per Computer, ob seine Konten auf den Kaiman-Inseln fleißig wuchsen und gediehen, wickelte für einen Partner in Liverpool eine Geldweitergabe nach Mexiko ab und unterhielt sich mit Parlamentsmitgliedern über die Entwicklung des Goldpreises. Selbst hatte er in der Bank von England drei Tonnen Feingold deponiert, die er als stille Reserve ansah, wenn eine Transaktion nicht so lief, wie sie sollte. Eine verschlüsselte E-Mail aus Harrisburg landete um elf Uhr morgens Greenwich-Zeit in seinem persönlichen E-Briefkasten. Er ließ den Entschlüsseler darüberlaufen und las zufrieden, daß sein neuer Freund, Senator Wellington, gute Parteifreunde eingestimmt hatte, ihn als anonymen Spender für den anstehenden Präsidentschaftswahlkampf zu akzeptieren. Um zwölf Uhr ging er in die Mittagspause und genoss das Schweinefilet in Weinsoße und mit Röstkartoffeln und gemischten Salat. Manchmal mußte er nicht das übertrieben vornehme Zeug der französischen Küche haben. Bei Geschäftsessen reichte das ihm schon. Manchmal ließ er sich sogar Fisch und Pommes besorgen, um sich beim Essen dieses fettigen Schnellgerichts an seine einfache Kindheit im Londoner Industriearbeiterviertel zu erinnern. Doch heute war ihm nach etwas besserem zu Mute gewesen. Als er um kurz nach eins das elektronische Schloss zu seinem Büro öffnete, prallte er beinahe zurück. Auf seinem Platz saß eine Frau in einem rosafarbenen Kleid, hatte ihre ansehnlichen Beine übereinandergeschlagen und las seelenruhig in einem seiner Aktenordner. Der Computer war jedoch ausgeschaltet. Die Frau mit dem strohblonden Haar nickte ihm einladend zu, als er so in der Tür stand und zwischen Wut und Verunsicherung feststeckte.

"Komm ruhig herein. Immerhin ist es ja dein Kontor", lud die Fremde ihn ein. Er sprang vor und warf die schallisolierte Tür zu.

"Wer sind Sie, wie kamen Sie hier herein, und was fällt Ihnen ein, sich auf meinen Arbeitsstuhl zu hocken und in meinen Unterlagen zu schnüffeln?!" Fuhr der Inhaber dieses Büros die ganz und gar ungebetene Besucherin an.

"Oh, das ist dein Stuhl? Verzeihung", erwiderte die Fremde mit dem Ausdruck eines Kindes, das sich schämt, was böses getan zu haben, schlüpfte von dem Stuhl herunter und nahm auf einem der etwas unbequemeren Besucherstühle Platz.

"Raus hier!" Rief Waxman. Die Besucherin hielt sich die Ohren zu, weil sie das laute Gebrüll nicht ertragen konnte. Der Büroinhaber trat vor und wollte die Frau fassen, da packte ihn etwas wie mit einer riesigen Hand und riss ihn einfach vom Boden hoch. Im gleichen Moment klickte das Türschloss zu.

"Verdammt! Was ist das?!" Rief Waxman.

"Och, das kann ich schon immer", sagte die Fremde immer noch wie ein kleines Kind wirkend. Dann ließ sie den Unternehmer wieder auf die Füße kommen. Dieser stand mit zitternden Knien da und starrte die Besucherin an, die seelenruhig den Ordner wieder in die Hand nahm und aufklappte.

"Das ist mein Büro! Mein Ordnger!" Rief Waxman und wollte wieder vorspringen. Doch die unsichtbare Hand griff ihn beim Kragen und hielt ihn zurück. Er wurde kreidebleich. Er öffnete den Mund, um um Hilfe zu rufen. Da ließ die Fremde den Ordner fallen, zückte einen silbrigen Stab, auf den Ersten Blick wie eine abgebrochene Antenne wirkend und zischte: "Silencio!" Der Hilferuf Waxmans blieb unhörbar, auch für Tim Waxman.

"So, und jetzt setz dich da hin!" Sagte die ungebetene Besucherin, nun sehr streng blickend und dabei eine unüberwindliche Macht ausstrahlend. Waxman setzte sich gehorsam auf den Chefstuhl. Er dachte daran, das Telefon zu nehmen und ...

"Dein Fernsprechinstrument ist zurzeit unbrauchbar", sagte die Unheimliche im rosa Kleid, als er die Hand bewegte,um zum Hörer zu greifen. Er nahm den Hörer unangefochten ab und hörte keinen Ton, kein Freizeichen, nichts!

"Ich bin auf Empfehlung eines Kunden aus einem Land jenseits des Ozeans hergeeilt und möchte meine Zeit nicht länger mit infantilen Spielchen vergeuden. Also hör gut zu, Timothy Waxman, da dies das einzige ist, was dir im Moment bleibt!"

"Das gibt's nicht!" Dachte Waxman und wollte an eine Schublade langen, in der er einen Revolver hatte. Doch die Unbekannte zog die Waffe wie beiläufig aus ihrem Kleid und legte sie ihm auf den Tisch. Da begriff er, daß sie seine Gedanken lesen konnte. Ja, dieses Weib hatte übernatürliche Kräfte. Die macht, die ihn vom Boden gerissen hatte und das, was sie angestellt hatte, daß er nicht mehr sprechen oder rufen konnte. Früher wäre sowas auf dem Scheiterhaufen ...

"Vorsicht, beleidige mich nicht! Sonst werde ich wirklich böse", drohte die Unheimliche. Sie wartete, bis die von Angst und Abscheu aufgewühlten Gedanken sich wieder beruhigten. Sie sah Waxman an und sprach weiter. "Du hast es erfaßt, welche Macht ich ausüben kann. So wirst du sehr folgsam lauschen, was ich dir zu verkünden habe. Zum einen, ich bin die Vorsteherin einer weltweit bestehenden Sororität, welche zum Ziel hat, die Welt, wie sie ist, zur Bewahrung der Menschheit zu verändern, sie zu einer naturgemäßen Welt zurückzuführen, in der eure stinkenden und Todespartikel verströmenden Apparaturen nicht mehr gebraucht werden. In dieser Eigenschaft bin ich hier. Denn es gilt, unsere Nachrichtenquellen zu erweitern, neue Mitteilungsgrundlagen zu erschließen, um unserem Ziel näherzukommen. Ich verfiel dabei auf dich, weil ich erfuhr, daß du nicht nur sehr gute Verbindungen zu gesetzlich zugelassenen Unternehmungen pflegst, sondern auch die Bekanntschaft mit wahren Verbrechern in aller Welt. O ja, das weiß ich wohl.

Mir geht es bei dir darum, die Verbindungsleute zu erfahren und die Wege, wie sie zu erreichen sind. Du wirst es mir sehr gerne erzählen, nicht wahr?" Sie ließ ihren silbriggrauen Stab über einen Aschenbecher schwingen und sagte "Evanesco!" Mit leisem Plop verschwand der Aschenbecher spurlos. Waxman zuckte erschrocken zusammen, sprang auf und wollte zur Tür. Doch die unsichtbare Gewalt, die er schon kannte, schnappte ihn wie einen vorbeilaufenden Käfer vom Boden und warf ihn grob auf den Stuhl zurück, der unter der Wucht vom Tisch zurückrollte, bis die unheimliche Macht ihn wieder zurück an den Tisch schob.

"Ich bin noch nicht mit dir fertig, Bursche", schnarrte die übernatürliche Besucherin. Dann sagte sie: "Ich will von dir jetzt alle Namen und Orte haben, zu denen du Verbindungen pflegst. Ich biete dir die Möglichkeit, mir aus freien Stücken Auskunft zu geben. Erlangen werde ich diese Dinge sowieso." Sie lächelte bösartig. Waxman starrte sie drohend an. Vielleicht würde jemand anzurufen versuchen und keine Verbindung bekommen. Aber er hatte ja noch das Handy. Doch im selben Moment, wo er daran dachte, bereute er es auch schon. Denn das Mobiltelefon flutschte aus seinem Jacket und segelte in die freie Hand der ungebetenen Besucherin.

"So, jetzt fangen wir an", sagte sie. Dann befragte sie Waxman nach Verbindungsleuten und Informationsquellen, mußte zwischendurch mit etwas, das sie "Legilimens" nannte, in seinen Kopf eindringen und Erinnerungen hervorholen, was ihr absolut leichtfiel. Nach ungefähr einer Stunde hatte sie ihm alles entlockt, was sie wissen wollte, sogar, wen in den Geheimdiensten sie ansprechen mußte, wenn sie nicht für jeden zugängliche Dinge erfahren wollte. Zum Schluß sagte sie:

"Niemand hat mich hereinkommen sehen können. Niemand wird sehen, wie ich gehe. Du magst gleich aus voller Kehle um Hilfe rufen oder mit deinen Fernsprechinstrumenten nach Beistand verlangen. Niemand würde dir glauben, was du erzählst. Sie würden dich in ein Irrenhaus einsperren, lebenslang dort einkerkern. Aber ich werde dir helfen, diese Bürde leichter zu ertragen. Obleviate!"

Tim Waxman fand sich mit dem Kopf auf der Schreibtischplatte in einer schmerzhaft krummen Haltung auf seinem Stuhl sitzend, als er um zwei Uhr Nachmittags aus einem bedrückenden Alptraum erwachte. Er hatte geträumt, er sei in dieses Büro gekommen, habe dort eine ungebetene Kundin getroffen, die ihn ausgeschimpft und mit übernatürlichen Kräften herumgeworfen hatte. Sie hatte ihn gefoltert, mit glühenden Zangen in Arme, Beine und Unterleib gekniffen und verlangt, er solle seine Verbindungen nach Venezuela verraten. Unter der Folter hatte er ihr alles gestanden. Und jetzt saß er hier, schweißgebadet und mit pochendem Herzen.

"Verflixter Job!" Knurrte Waxman und streckte seine Hand nach dem Aschenbecher aus. Er war blitzblank. Hatte er ihn vorhin geleert? Offenbar! Er holte eine Zigarette aus seinem Jacket und rauchte sie gemütlich zu Ende. Dann griff er nach dem Telefonhörer und wählte eine Telefonnummer, die er niemals aufschreiben würde. In seinem Kopf allein wähnte er sie sicher.

"Heh, Pete! Hast du das mit den Leuten da in Pakistan klar, wieviel Plutonium die nun haben wollen?" ...

__________

Lucky Withers hatte ihr Haus auf Vordermann gebracht, alles geputzt und poliert. Als Dana Moore zuerst eintraf, half diese ihr noch bei der Vorbereitung des Nachmittagstees. Insgesamt würden zweiundzwanzig Mitschwestern kommen, die der Nachtfraktion angehörten. Sie unterhielten sich über Anthelias Plan mit Bellatrix Lestrange. Was würde die neue Anführerin mit ihr anstellen? Dann war es drei Uhr.

Laut rauschte es im Kamin, als die ersten Eintrafen. Gleichzeitig krachte und ploppte es vor der Haustür. Die meisten apparierten. Lucky ließ sie sofort eintreten. Ein magisches Glockenspiel begrüßte jede Besucherin. Sie begrüßten sich lachend und scherzend, alle insgesamt vierundzwanzig, die kamen. Dann traf noch die Anführerin, die Sprecherin ihrer Gruppe in England, Lady Ursina Underwood in ihrem sonnengelben Kleid mit dem goldenen Haarreif durch den Kamin rauschend ein. Sofort verstummten alle Gespräche, während die Sprecherin in den Salon eintrat und die Anwesenden anblickte. Sie trug eine goldene Kette, deren Glieder merkwürdig verschlungenen Schriftzeichen aus alter Zeit ähnelten. Sie suchte den großen Ohrensessel, den Lucky ihr bereitgestellt hatte, sagte nur: "Dank euch, daß ihr alle gekommen seid, Schwestern!" und ließ sich in den Sessel sinken. Sie wartete, bis alle sich auf die Hufeisenförmig vor dem Sessel aufgestellten Stühle niedergelassen hatten und holte dann die heutige Ausgabe des Tagespropheten hervor und legte sie auf den runden Tisch zwischen sich und ihren Mitschwestern. Alle hatten die Zeitung schon gelesen. Alle hier wußten, daß Fudge und seine Leute von Sirius Black als Anstifter und Helfer von Außen ausgingen. Alle hier wußten jedoch auch, daß es in Wirklichkeit der wiedergekehrte Emporkömmling Voldemort war. Deshalb vertat die Hexenlady keinen Moment mit einer Diskussion, wer dafür verantwortlich war, daß zehn gemeingefährliche Zaubererverbrecher entkommen konnten. Sie sagte nach einer halben Minute Schweigen:

"Es war doch abzusehen, daß die düsteren Kreaturen, die sich erst Bagnold und später Fudge Untertan gemacht zu haben anmaßten, ihm sehr rasch wieder zur Seite stehen würden. Offenbar hat er sie nicht sofort zur offenen Rebellion angestiftet. Aber das er zehn seiner fanatischsten Nachläufer herausholen konnte, kann nur mit Unterstützung der Dementoren passiert sein. Wer von euch weiß schon, wer und wie die zehn Ausbrecher freibekommen hat?"

"Das kann nur ein Verdrängungsnebel gewesen sein, Lady Ursina", warf eine Hexe mit kastanienbraunem Schopf und braunen Augen ein. "Meine Cousine, die in der Nokturngasse arbeitet, hat was erzählt, daß jemand, der so wie der schleimige Angeber Malfoy aussieht, bei Cliever & Lystoles mehrere Liter Blut eingekauft hat. Der Kerl hat sich dabei sehr verstohlen umgesehen, als wenn es jemanden in der Nokturngasse interessiere, wer für was welche Zutaten kauft. Es könnte das Blut unberührter Knaben gewesen sein. Ihr wißt doch, daß der junge Cliever in der Muggelwelt mehrere Kinder entführt hat, die dann grausam ermordet wiedergefunden wurden."

"Oh, dann hat dem ja wirklich nichts mehr gefehlt", sagte Lady Ursina. "Ich erfuhr von meinen Verwandten, die in der Winkelgasse ihren Geschäften nachgehen, daß dort größere Mengen anderer Zutaten zusammengekauft wurden, allerdings über einen großen Zeitraum verteilt und von unterschiedlichen Leuten. Zusammengefaßt ergibt sich daraus, daß jemand den Verdrängungsnebelsaft gebraut und in einem Druckkessel angeregt hat. Proserpina, du bist ja Großmeisterin der Alchemie. Wo muß man hingehen, um eine Druckverstärkungsapparatur aufzubauen?" Die Hexe mit den kastanienbraunen Haaren lächelte und erwiderte:

"Die Muggel haben selbst sehr viel mit Drücken über dem der irdischen Lufthülle am Hut. Einige sogenannte Chemiewerke rangieren schadhafte Hochdruckkochbehälter aus, weil diese ihnen sonst um die Ohren fliegen würden. Mit dem Wiederverdichtungszauber kann eine solche Beschädigung von jedem Zauberer mit ZAG-Abschluß behoben werden. Dann können darin Druckverhältnisse von mehr als dem tausendfachen der Lufthülle auf Meereshöhe erreicht werden", erklärte sie und fuhr fort, daß man für die Herstellung des Verdrängungsnebelsaftes einen geräumigen Felsenkeller brauchte, in den man die Schlauchleitungen zum Ein- und auslassen von flüssigen Zutaten verlegen mußte. Ein Solarisimilis-Feuer konnte dieses Gefäß dann auf höllischheiße Temperaturen erhitzen, um die richtigen Reaktionen ablaufen zu lassen. Wenn der Hochdruckkochtopf oder -kessel noch dazu mit wirksamen Runen gegen Fremdzauber beschrieben war, konnten darin die idealen Voraussetzungen für den Verdrängungsnebelsaft Ablaufen. Lucky Withers erbat sich das Wort und fragte, wieso das Zaubereiministerium noch nicht darauf gekommen sei.

"Nun, heute werden sie wohl sehr gut suchen", grinste die Alchemie-Expertin Proserpina Drake. Dann erklärte sie, daß man dieses Gebräu in eine gegen Zerplatzen und überhitzen bezauberte Glasflasche umleiten mußte, um es transportieren zu können. Wo es solche Flaschen gab, wußte sie natürlich auch. Dann kam eine andere Mitschwester darauf zu sprechen, wie die Ausrüstung nach Askaban geschafft worden war. Eines von den Pendelschiffen kam nicht in Frage, und auf einem Besen würde nur ein absoluter Idiot eine unter hohem Druck stehende Flasche mitnehmen.

"Tom Riddle wird ein Boot bei der Hand haben", sagte Alex Weatherside. Dann lachte sie: "Da kommt nur Dusky Torne in Frage. Der war seit dem Trimagischen doch immer so verängstigt."

"Ach, der das Desillusionsboot hat, die "schneller Tintenfisch". Dieses Boot käme ungesehen an die Insel heran. Dort könnte man die Ausrüstung ausladen und einsetzen. Möglicherweise hat der Emporkömmling sogar schon heimliche Post zu seinen Getreuen geschafft."

"Davon ist auszugehen, weil sie sofort verschwanden, als der Nebel die Apparitionsmauer unterdrückte", warf Lady Ursina kalt ein. Lucky Withers fragte, ob die Gefangenen nicht gleich mit neuen Zauberstäben ausgerüstet worden wären. Sie wußte es zwar schon längst, aber etwas Unwissenheit hier war nicht schlecht.

"Nach meinen Informationen haben die wohl schon neue Zauberstäbe", wandte Nelly Riggins ein. "Immerhin müssen die ja schnellstmöglich für ihn kämpfen können. Vierzehn Jahre in Askaban könnten einen heftigen Nachholbedarf bewirken."

"Welche Informationen sind denn das?" Wollte Lady Ursina wissen. Nelly gab Auskunft, daß sie von einer Mitschwester auf dem Balkan gehört habe, daß Gregorovitch, der Zauberstabmeister, vor Monaten eine Eule mit einem Großauftrag bekommen habe. Offenbar galt es, exakt festgelegte Zauberstäbe zu machen. Offenbar war das der Auftrag des Emporkömmlings.

"Gut, das heißt, daß die Bande also bewaffnet ist. Aber wo könnte er sie unterbringen, daß sie niemand findet?" Wollte Lady Ursina wissen.

"Bei den anderen Todessern ist nicht so einfach, weil das auffallen würde. Ich wüßte nur drei, bei denen das geht: Die Rossiers, von denen der älteste ja schon damals mit Riddle zusammengegangen ist und wohl immer noch in dessen Dienst stehen, die Clievers, die ja in Irland dieses unterirdische Lager haben und die Malfoys mit ihrem abgelegenen Landhaus. Abteilungen wie die von Weasley und Dodger haben schon häufig bei ihm nachgeforscht, aber nichts finden können. Lucius Malfoy hält alles gut versteckt. Außerdem sind die Lestranges mit seiner Frau verwant", vermutete Alex Weatherside.

"Das wäre ziemlich frech, ausgerechnet die Lestranges bei sich einzuquartieren", grinste Proserpina Drake. "Immerhin hätten die allen Grund, Lucius Malfoy Bauch und Kehle aufzuschlitzen, weil der schön in Freiheit herumlaufen durfte und sie in Askaban begraben waren."

"Der Emporkömmling hält die alle gut unter der Knute", wandte Dana Moore ein. "Wenn der sagt, daß sie sich nichts tun dürfen, werden die kuschen, diese inzestösen Kreaturen." Lady Ursina nickte zustimmend. Dann unterhielten sie sich noch darüber, ob man was gegen die Todesser unternehmen sollte. Lucky Withers schlug vor, nach denen zu suchen, die bereits im Ministerium saßen, sowie die Wohlhabenden unter ihnen wie die Malfoys gesondert zu beobachten, ja gegebenenfalls aus dem Verkehr zu ziehen.

"Wir dürfen nicht öffentlich auffallen, Schwestern", wies Lady Ursina noch einmal alle auf ihren Eid hin, demnach sie so behutsam und verborgen wie möglich bleiben sollten, egal was sie taten. Es war schon schlimm genug, daß Gerüchte über die Eine oder Andere umherschwirrten. So einigte man sich darauf, Protokoll zu führen, wer von den offenbar wieder zu ihm zurückgekehrten Todessern wann was tat und wen traf. Einen direkten Angriff auf einen oder mehrere hielt Lady Ursina zum jetzigen Zeitpunkt für unklug. Immerhin kannten sie den Treffpunkt nicht, wo Tom Riddle sie alle hinzitieren konnte. Wäre dieser bekannt, wäre es möglich, mit einem entscheidungsschlag alle Todesser auf einmal zu vernichten. Ja, obwohl auch die Nachtfraktion den Tod von Menschen als letzte Lösung eines Konfliktes ansah, wäre es in diesem Fall wohl hinnehmbar, die erwiesenen Todesser zu töten, womöglich auch deren Anführer. Zum Schluß kam noch etwas auf, daß vor allem Lucky und Dana aufhorchen ließ.

"Ich hörte von unserer amerikanischen Landessprecherin, daß offenbar jemand die dortigen Bruderschaften dunkler Zauberkünstler gegeneinander aufgehetzt hat. Außerdem teilte mir Lady Nimoe aus Australien mit, daß es besser gewesen sei, die Shadelakes unschädlich zu machen. Irgendwo sitzt jemand, der wie wir gegen den Emporkömmling vorgeht. Wir sollten uns Gewißheit verschaffen, wer das ist und ob dieser Jemand auch für uns eine Gefahr bedeutet. Ich habe da so einen Eindruck, als würde jemand eine neue Organisation errichten. Wenn dies so ist, möchte ich das früh genug wissen, um nicht aus dem Hinterhalt heraus umgebracht zu werden", sagte Lady Ursina. Alle anderen nickten, auch Dana und Lucky. Dann gab die Sprecherin auf, sich mit der Möglichkeit einer Dementorenrevolte zu befassen. Lucky holte aus der geheimen Bibliothek diverse alte und neue Bücher, in denen sie lasen. Dann löste Lady Ursina die Versammlung auf. Sie wartete, bis alle außer Lucretia Withers abgereist waren, dann nahm sie auch eine Prise Flohpulver und warf sie in den Kamin.

"Schwester Lucretia, ich hoffe, wir werden früh genug vorbereitet sein, um ihn daran zu hindern, sich wieder breitzumachen. Bis bald!" Sie trat in den Kamin und rief: "Zu den drei Wipfeln!" Mit lautem Rauschen verschwand sie aus dem Kamin. Das grüne Feuer fiel sofort in sich zusammen und loderte als gewöhnliches Feuer weiter.

"Es wird nicht mehr lange dauern, bis er die Prophezeiung in die Finger bekommt und dann meint, frei losschlagen zu können", dachte Lucky.

Leise klopfte etwas ans Fenster. Sie ging hinüber, öffnete es und sah eine große Krähe hereinflattern. Diese landete auf der Sitzfläche des Ohrensessels, wo Lady Ursina vor einigen Minuten noch gesessen hatte und verwandelte sich in Anthelia.

"Ein schöner Debattierclub war das, für wahr. Allerdings muß ich deiner offiziellen Vorsitzenden zustimmen, daß ein gewaltsamer Schlag gegen die bekannten Anhänger des Emporkömmlings nicht zur Lösung des Problems beiträgt. Hast du noch was von dem Tee, Schwester Lucretia?"

"Sicher doch. Vor lauter Reden haben wir wenig getrunken", sagte Lucky Withers und holte Tee und Gebäck herbei. Draußen stieg langsam die Wintersonne herab, um in weniger als zwei Stunden unter den Horizont zu sinken.

"Ich habe heute sehr nützliche Neuigkeiten einholen können, die uns helfen werden, die britischen Inseln lückenlos zu überwachen. Ein rafgieriger Kaufmann, der sich keinen Deut um Menschen und Natur schert, mußte mir heute Rede und Antwort stehen, mit wem er wo und wie Geschäfte macht. Dabei erfuhr ich auch von den Zugangsmitteln, um die Nachrichtenverbreitung in den geheimen Diensten zu überwachen. Außerdem will dieser Mensch Untergrundkämpfern in einem von Indien abgesplitterten Reich sogenanntes Plutonium verschaffen. Weißt du, was das ist?"

"Das ist ein gefährliches Schwermetall, höchste Schwester. Es ist sehr giftig und strahlt winzigste Partikel aus, die lebendes Gewebe zerstören und abtöten. Es wird in sogenannten Atomöfen hergestellt, die elektrischen Strom aus der Strahlung bestimmter Stoffe erzeugen können. Dieses Material kann aber auch in besonderen Sprengkörpern, sogenannten Atombomben, eingebaut werden und zu einer Explosion angeregt werden, die tausendmal mehr Zerstörungsgewalt als zwanzig Tonnen Schießpulver erzeugt."

"Oh, will da jemand einen Krieg mit diesen Mordgeräten?"

"In Pakistan, wie dieser Staat heißt, kennt man die Macht der Atombombe, höchste Schwester. Man liegt mit dem größeren Nachbarn Indien in einem schwehlenden Streit. Indien kennt auch den Weg, eine Atombombe zu bauen und einzusetzen."

"Dann sollten wir jemanden einweihen, daß dieses Vernichtungsmetall verkauft wird", sagte Anthelia.

"Du kennst alle Einzelheiten?" Fragte Lucky erstaunt.

"Alle", erwiderte Anthelia. Sie überlegten, ob sie selbst eingreifen sollten. Aber da es ein reines Muggelproblem war, beschlossen sie, es den Muggelbehörden zuzuspielen, daß jemand mehrere Kilogramm atomwaffenfähiges Plutonium von Sallerfield über Dänemark und Deutschland nach Islamabad in Pakistan schmuggeln wollte. Sie schrieben einen Brief, für den Lucky eine flotte-Schreibe-Feder und echtes Papier benutzte. Sie formulierten es als anonymen Hinweis für die Polizei. Sie verwischten die Fingerabdrücke, bevor Anthelia den Brief telekinetisch in ihre Umhangtasche gleiten ließ. Dann flog sie mit dem Harvey-Besen unsichtbar und unangefochten bis kurz vor das Scotland-Yard-Gebäude, ließ den Brief sicher zu einem Briefeinwurfschlitz schweben, darin verschwinden und flog weiter, ohne gesehen oder gar von Videokameras aufgenommen worden zu sein.

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Bellatrix Lestrange hatte den Groll gegen ihren Schwager Lucius einstweilen begraben. Des dunklen Lords Befehl war unumstößlich. Sie mußte warten, ob sie einmal ihre Rache bekommen würde. Lucius, der wohl wußte, was er getan hatte, hielt sich außer zu den Mahlzeiten hübsch aus dem Blickfeld der Schwägerin. Sicher, Rodolphus war ebenso ungehalten, wie auch der finster dreinschauende Rabastan. Doch er wußte, daß Voldemort jeden der drei hart bestrafen würde, auch wenn sie für ihn in Askaban gelegen hatten und er, Lucius Malfoy, nicht. Narcissa, Bellatrix' Schwester, versuchte die unerträglich angespannte Stimmung zu lockern, indem sie Bilder von ihrem Sohn Draco herumgehen ließ. Bellatrix, die eine Patin des nun in der fünften Klasse von Hogwarts lernenden Jungen war, fand tatsächlich eine gewisse Beruhigung darin, daß zumindest der Junge anständig erzogen wurde.

"Was ist mit den anderen aus seiner Klasse? Wie sind Crabbes und Goyles Söhne?"

"Ach, unser Baby hilft ihnen gerne und ist mit ihnen dick befreundet. Sicher, er weiß, daß sie ohne ihn irgendwie hinten herunterfallen würden. Aber er ist froh, so treue Gefährten zu haben", schwärmte Narcissa Malfoy, während sie gebratenen Straußenrücken mit Champagnersoße an Wildtrüffeln und Kroketten auftischte. Sie wurde gefragt, wieso sie eigentlich keinen Hauselfen mehr hatten.

"Dieser Dobby war doch sehr devot", meinte Bellatrix zwischen dem Hauptgang und dem Nachtisch, einem wuchtigen Kürbiscremekuchen.

"Potter", spuckte Lucius ein Wort hin. Bellatrix sah ihn gelangweilt an. Er sog tief Luft ein und erzählte dann, was Harry Potter mit ihm und Dobby angestellt hatte.

"Wie kann man auch so blöd sein, einen alten Socken so zu werfen, daß jeder Hauself ihn fangen muß, Lucius", feixte Rabastan. "Du hättest ihn Potter ins lose Mischblütermaul stopfen sollen. Schon eine Sauerei, daß das mit dem Tagebuch überhaupt aufgeflogen ist. Und ich dachte, ich hätte nachgelassen."

"Moment, du Kellerassel", geriet Lucius Malfoy in Rage. "Du wagst es hier in meinem Haus große Töne zu spucken. Ohne mich wärest du doch immer noch in Askaban."

"Du Rotz einer Sabberhexe!" hielt Rabastan problemlos dagegen. "Du hättest deinen noblen Arsch auch da reinschieben lassen müssen, du Schleimscheißer. Wir haben ihn gesucht. Er weiß das. Du hast dich schön herausgemogelt!" Brüllte Bellatrix' Schwager. Dann führte er mit einer übertrieben abbittenden Stimme hinzu: "Oh, ich wußte nicht, wie grausam er ist. Erhat mich unter den Imperius-Fluch genommen, Herr Minister. Ich wollte nichts mit ihm zu tun haben, Herr Minister. Ich war nie einer seiner Leute, Herr Minister!"

"Stan, ist gut jetzt!!" Rief Rodolphus so laut, daß Geschirr und Gläser zitterten. Lucius Malfoy hatte mit einer schnellen Handbewegung den Zauberstab vom Tiekholzbord gefischt. Doch Rabastan hatte seinen auch schon kampfbereit.

"Na komm, du Feigling! zeig mal,ob du's noch drauf hast!" Stachelte Rabastan seinen Schwippschwager an. Dieser hob den Zauberstab und rief:

"Strangelus!"

"Custodicorpus!" Rief Rabastan. Krachend flog der violette Blitz von Lucius Malfoy von Rabastan zurück und krachte mit Wucht in eine alte Vase, die wie aus Gummi eingebeult wurde und dann in sich zusammensackte. Der Gegenschlag von Lestrange war der Decorporis-Fluch, der Malfoys Geistform aus dem Körper treiben sollte. Doch Lucius hielt mit dem entsprechenden Schutzzauber dagegen und versuchte, dem nun verhaßten Schwippschwager den Fluch der körperlich-seelischen Trübung zu verpassen, was jedoch auch mißlang. Der Schlag landete an der Wand, die unter dem Aufprall erzitterte und faustgroße Blasen warf, die platzten und nun faustgroße Krater hinterließen.

"Ihr macht unser Haus kaputt!" Schrie Narcissa Malfoy und tauchte noch soeben unter einem weiteren Würgefluch weg, den ihr Mann losschickte. Bellatrix riss ihren Zauberstab hoch und schickte ohne laut zu sprechen einen regenbogenfarbigen Lichtstrahl aus, der Lucius voll traf und einhüllte. Für eine Sekunde stand er in eine farbige Lichtspirale gehüllt, deren unteres Ende rot und deren um Lucius' Kopf abschließendes Ende Violett war. Dann stand Lucius wie weggetreten dreinschauend da. Rabastan ließ seinen Zauberstab sinken, worauf der von ihm noch losgeschickte Fluch in den Tisch einschlug, der zitterte, wankte und dann wie morsches Holz zerfiel. Klirrend zersprangen Teller und Gläser auf dem Marmorfußboden des Salons oder besudelten mit Essens- und Getränkeresten das Einhornfell neben dem Tisch. Narcissa weinte bitterlich.

"Mann, Stan, du bist tot, wenn der dunkle Lord das hört", unkte Rodolphus.

"Ich lasse mich von diesem Drückeberger nicht beleidigen", knurrte Rabastan.

"Du hast angefangen", schnarrte Bellatrix ihren Schwager giftig dreinschauend an. "Du hast ihn hier in seinem Haus einen Versager geschimpft, weil er dieses Mischblut Potter nicht so abgefertigt hat, wie du es auch nicht getan hättest."

"Tja, aber ich hätte zumindest noch einen Hauselfen", erwiderte Rabastan gehässig.

"Für so einen blöden Streit bringt man sich doch nicht gleich um", zeterte Narcissa Malfoy und versuchte, den Tisch wieder zusammenzuzaubern. Doch der letzte Fluch Rabastans hatte das Holz unrettbar überaltern lassen.

"Aber eins müssen wir neidlos anerkennen, Stan. Dein Zeitschwundfluch geht immer noch gut", amüsierte sich Rodolphus, der sah, wie seine Schwägerin die Überbleibsel einer einst stolzen Tafel zusammenkehrte, um sie im Müllschlucker in der Form eines Drachenkopfes verschwinden zu lassen. Das Maul des steinernen Drachenschädels klaffte auf, Narcissa bugsierte den durch einen Häufungszauber zusammengeworfenen Rest der Festtafel hinein. Das Maul klappte krachend zu. Dann ruckte und zuckte der Schädel. Die Gäste vermeinten, heftiges Würgen und Keuchen zu hören. Die Nüstern des Drachenkopfes zitterten und ruckten auf und zu. Dann erklang ein hohler auf sehr tiefer Tonlage ohrenbetäubend klingender Rülpser, und ein bestialischer Gestank wie hundert faule Eier breitete sich im Festsalon aus.

"Uuuh, was für'n Gestank!" Beschwerten sich Bellatrix und Rodolphus und hielten sich die Nasen zu. Narcissa ließ mit einer Zauberstabbewegung sämtliche Türen und Fenster im Haus aufschwingen und machte einen eiskalten Durchzug, der die übelriechenden Schwaden aus dem Raum fegte. Dennoch dauerte es eine volle Minute, bis jeder ohne Nasenbeschwerden Luft holen konnte. Lucius Malfoy war durch diese Nasenfolter aus der merkwürdigen Weggetretenheit erwacht, in die Bellatrix' Fluch ihn gestürzt hatte. Narcissa zeigte ihrem Mann das anggerichtete Chaos. Er sah Rabastan an und fauchte:

"Wenn du die nächste Nacht hier überleben willst, Stan, dann kriege ich morgen alles, was du in deinem Gringottsverlies drin hast und eine Eigentumsurkunde über deine Silbermine. Das Einhornfell alleine hat schon zehntausend Galleonen gekostet. Die Biester warten schließlich nicht drauf, daß du ihnen das Fell abziehst. Der Tisch war ein Familienerbstück aus dem sechzehnten Jahrhundert und dürfte mindestens zweihunderttausend Galleonen gekostet haben. Die Vase war eine echte Ming-Vase der letzten Dekade und hat mich fünfhundert Galleonen gekostet. Das Geschirr habe ich von meiner Großmutter Clytemnestra zur Hochzeit bekommen. Es war über sechshundert Jahre im Familienbesitz. Unbezahlbar!" Zählte Malfoy den angerichteten Sachschaden auf. "Hinzu kommt wohl noch, daß wir den Fußboden und die Wand restaurieren lassen müssen. Also, Rabastan Lestrange, morgen gehört mir alles was dir mal gehört hat oder ich hole mir vom Herrn die Erlaubnis, dich eigenhändig zu töten."

"Oh, jetzt kriege ich ja richtig Angst", tönte Rabastan. "Du hättest deinen morschen Zauberstab doch nicht nehmen müssen. Ich mußte mich doch wehren."

"Du hast meinen Mann provoziert, du verschrumpeltes Fliegenhirn", schnaubte Narcissa Malfoy und hielt ihren Zauberstab drohend auf Rabastan gerichtet. Bellatrix sprang auf und eilte zu ihrer Schwester.

"Narcissa, das bringt nichts. Rabastan war immer schon der sturere Bock."

"Stimmt", erwiderte Mrs. Malfoy verächtlich und senkte den Zauberstab wieder.

Bellatrix half ihrer Schwester beim Aufräumen, wenngleich ja das meiste Geschirr und die Gläser zerstört worden waren. Relativ früh, um neun Uhr abends, saßen die beiden Schwestern noch bei einer Flasche Schnäpfeneierlikör zusammen in Narcissas Privatraum, ihrem Boudoir, wie sie es vornehm nannte. Sie unterhielten sich über Dracos Freunde und vor allem seine Freundin Pansy, von der Narcissa auch ein Bild hatte. Bellatrix schluckte eine Bemerkung über Pansys Mopsgesicht hinunter und meinte: "Wenn sie aus einer guten Reinblüterfamilie kommt solltest du deinem Sohn ein Fläschchen Venusnektar schicken, bevor sie sich wen anderen suchen kann."

"Die doch nicht. die ist froh, daß mein Baby die überhaupt als Freundin hat. Diese Millicent Bullstrode hat es zwar mal versucht, ihn zu ergattern - auch eine Reinblütertochter, aber hier!" Narcissa holte ein anderes Zaubererfoto mit einem wuchtig gebauten Mädchen. Bellatrix lachte.

"Das ist ja die Tochter von Crabbes Großcousine. Ich wußte nicht mehr wie die mit Nachnamen heißt. Askaban hat mir wirklich eine Menge Leben gestohlen. Potter hat mich um mein Leben und meine Familie geprällt", fauchte Bellatrix wie eine gereizte Katze. "Dafür wird dieser Mischblüter sterben."

"Ich denke, er wird ihn bald in die Finger kriegen und dir gerne zum Spielen geben", grinste Narcissa Malfoy. "Immerhin weiß ich von diesem abgewrackten Creacher, daß unser feiner Cousin, der sich für was nobleres gehalten hat als wir Blacks es eh waren, mit diesem Bengel zusammenhängt. Irgendwann wird er sich an die Luft trauen, dann kriegt der Herr ihn und du kriegst deine wohlverdiente Rache, Schwester. Prosit!"

Gut angeheitert küßten sich die beiden geborenen Black-Töchter noch einmal zum Abschied und zogen sich in ihren privaten Trakt zurück. Rabastan Lestrange war von Lucius kurzerhand in den geheimen Raum ohne Fenster einquartiert worden, während die Eheleute Lestrange in einem an sich komfortablen, aber nur nach Nennung eines Passworts auffindbaren Raum untergebracht waren, den ein großer Schrank, der aus einem großen Eichenblock gezimmert worden war und ein überragendes Himmelbett mit purpurfarbenem Baldachin beherrschten.

"Wir müssen morgen irgendwie nach Gringotts, Bella", flüsterte Rodolphus. "Dein Schwager meint es ernst, und Stan, dieser Idiot, hat sich noch mit ihm duelliert."

"Soll Stan ihm eine Generalvollmacht geben. Wenn Lucius sich dann alles holen will, wird er auffliegen und damit für den dunklen Lord endgültig wertlos", schnarrte Bellatrix sehr bösartig.

"Du haßt ihn wirklich, wie?"

"Warum hat der dunkle Lord mir nicht wenigstens erlaubt, ihm den Cruciatus-Fluch aufzuhalsen? Er hat mehr als den verdient", fauchte Bellatrix und mußte hicksen. Ihr Mann streichelte ihr zärtlich durch das nun wieder gepflegte dunkle Haar.

"Du kannst dem Kleinen nicht den Vater wegnehmen. Der ist noch nicht so weit, alleine klarzukommen. Hast du nicht gehört, was Narcissa zwischen ihren Worten gesagt hat. Drackie Baby hat zuweilen ein loses Mundwerk, das nicht gerade gesund für ihn ist, wenn er den falschen Leuten was erzählt, nur um anzugeben. Der Lord soll ihn mal rannehmen und eintrichtern, daß er nicht alles rausposaunen soll, was er für toll hält. Hat er das von Lucius? Fürchte, nein."

"Von Narcissa hat er's aber auch nicht", widersprach Bellatrix sofort. "Das muß die Umgebung sein. Irgendwie kommt er wohl nicht so recht hoch in Slytherin."

"Ach, Vertrauensschüler ist nicht hoch genug?" Kicherte Rodolphus. "Höher geht wohl nur Schulsprecher. Das wird der nur, wenn der Knochensack Dumbledore weg ist."

"Das wird bald sein. Dazu ist dieser Schleimbeutel, den meine Schwester geheiratet hat, noch gut zu gebrauchen", grinste Bellatrix. Irgendwie wich der Haß auf ihren Schwager Lucius einer merkwürdig großen Gier nach Nähe und Wärme, regte sie herrlich an. Rodolphus spürte, daß Alkohol und lange Einsamkeit seiner Frau wohl gewisse Bedürfnisse bereiteten, die ihm sehr entgegenkamen. Denn in der letzten Nacht waren sie zu müde und betrunken gewesen, um sich richtig aufeinander einzustimmen. Außerdem war dieses Himmelbett so herrlich groß und gut gefedert. ...

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Anthelia, in der Gestalt einer Krähe, hockte zusammen mit Dana Moore in Gestalt einer Stubenfliege, auf einem Baum. Dana war froh, den für Kaltblüter wirkenden Warmhaltetrank geschluckt zu haben. Denn in ihrer Tiergestalt wäre sie unweigerlich zu Tode erstarrt. Außerdem saß sie im Rückengefieder Anthelias und bekam von ihrer Wärme genug ab, um nicht dahinzufrieren. Etwas weiter fort saßen Patricia Straton und Lucky Withers unter einem tarnfähigen Warmhaltezelt. Schnee rieselte leise und puderig vom von dahinjagenden grauen Wolkenungetümen beherrschten Nachthimmel. Anthelia lauschte mit ihrem telepathischen Sinn auf das, was im nicht einmal zweihundert Meter entfernten Landhaus der Malfoys passierte. Doch auch ohne ihre Telepathie gaben Bellatrix' wonnevollen spitzen Schreie eine überdeutliche Auskunft, wer auf jeden Fall noch wach war.

"Oh, hat die arme lange warten müssen", wisperte Dana Moore. In Tiergestalt konnte sie irgendwie immer noch menschliche Sprache Benutzen. Doch zwischen zwei verwandelten Animagi funktionierte das auch, ohne daß Menschenohren wahrnehmen konnten, was gesagt wurde. Zwar hatte Dana die Sinne einer Fliege, doch ihr Gehirn konnte auch im verkleinerten Zustand dieselben geistigen Leistungen bringen, wie in ihrer Menschengestalt. Anthelia krächzte ganz leise zurück:

"Lass sie ihrer aufgestauten Fleischeslust fröhnen. So wird unsere Züchtigung weit eindrucksvoller auf sie einwirken."

Kurz nach Mitternacht hatten die Lestranges wohl genug voneinander bekommen. Es wurde still im Haus. Anthelia nahm vergnügt warh, wie Lucius Malfoy "Wurde auch Zeit", dachte und zu seiner schon schlafenden Frau ins Bett glitt.

Sie warteten noch eine halbe Stunde, bis alle schliefen, dann flog die Krähe Anthelia auf und trug Dana mit sich zum Haus hinüber. Ein mentiloquistischer Befehl an Patricia ließ diese mit Lucky aus dem Zelt kommen, es zusammenfalten und die beiden Harvey-Besen Besteigen. Lucky wußte, wo das Fenster des angeblich so verborgenen Schlafzimmers lag. Sie wagten nicht, zu apparieren. Denn sie kannten sich im Haus der Malfoys nicht aus und hätten auch einen Eindringlingsmeldezauber auslösen können, der die Hausbesitzer sofort aus dem Schlaf geschreckt hätte. Anthelia wollte vorher nachsehen, ob es einen solchen Warnzauber gab und ihn falls möglich unterbrechen. Patricia setzte sich von Lucky ab, die bewußt zurückblieb. Sie als Zauberkunstexpertin kannte einen Zauber, um eine andere Magie zu erkennen, ohne einen damit verbundenen Warnzauber auszulösen. Sicher, Anthelia war in der Hinsicht bestimmt nicht schlechter. Doch konnte sie die neuesten Warnzauber noch nicht alle kennen, trotz Sarah Redwoods gefangenem Wissens und Barty Crouch Juniors Gedächtnis, das sie bei der Übernahme seines Körpers wieder aufgetaut hatte, es aber nur wie weit entfernte Eindrücke oder einen räumlich ablaufenden Kinofilm betrachten konnte. Doch das sollte reichen, fanden Anthelia und ihre Hexenschwestern.

Die Krähe landete auf dem Sims des Fensters, das erst aus größter Nähe als solches erkennbar war. Ein Verhüllungszauber bewirkte, daß jeder von mehr als zwei Schritt entfernung eine glatte Hauswand zu sehen meinte. Die höchste Schwester des Spinnenordens blickte ins Zimmer hinein. Von außen war nichts von einer Falle zu bemerken. Dana Moore flog auf, schwirrte kurz um das Fenster herum und landete dann neben der zehnmal so großen Anführerin.

"Hilft nichts. Ich muß das Fenster öffnen", gab Anthelia leicht krächzend an Dana weiter. Diese wich zurück und wartete, bis Anthelia menschliche Gestalt angenommen hatte. Sie strich mit ihrem silbernen Zauberstab am Fenster entlang. Patricia Straton schwebte auf ihrem Harvey-Besen heran, der in der Luft stillstehen konnte und prüfte mit einigen Zaubern, ob das Fenster keinen Meldezauber barg. Außer der äußeren Verhüllung war es unbezaubert. So verwandelte sich Anthelia leise wieder zurück in die Krähe, ließ sich auf der Fensterbank nieder, während Patricia Straton unsichtbar zurückflog und um das Haus kreiste. Das Fenster entriegelte sich von innen. Hierzu brauchte Anthelia keinen Zauberstab. Sie hüpfte mit angelegten Flügeln hinein. Kein Warnton, kein greller Lichtschein oder auch ein merkwürdiges Singen kam aus dem Haus. Dana flog schnell hinterher. Ihre Flügel surrten mit höchster Schwingungszahl. Sie schwirrte durch das Fenster, vorbei an Anthelia zum Bett. Neben Rodolphus Lestrange landete sie auf dem Boden und nahm ihre übliche Gestalt an. Sofort hatte sie den Zauberstab auf Rodolphus gerichtet und "Fortisomnius" gemurmelt. Ein grünlicher Lichtstrahl drang aus dem Zauberstab und traf Rodolphus am vom Schlaf vollkommen entspanntem Gesicht. Jetzt würde er so tief schlafen, daß nur der Gegenzauber ihn in zwei Stunden von nun an wecken würde. Anthelia, die auch wieder eine Frau geworden war, zielte mit dem Zauberstab auf Bellatrix, die von irgendwas gewarnt die Augen aufschlug und hochzufahren versuchte.

"Silencio!" Zischte Anthelia. Bellatrix riss den Mund auf und schrie und schrie. Doch wie in einem Stummfilm drang kein Laut aus ihrer Kehle.

"Incarcerus!" Zischte Dana, die nun ihren Zauberstab auf die Hexe mit dem schwarzen Schopf richtete, die immer wieder hochzufahren versuchte, aber von Anthelias Telekinese niedergehalten wurde. Starke Seile schossen aus Danas Zauberstab und schnürten Bellatrix' Arme und Beine zusammen. Dann hob Anthelia ihr bestimmtes Opfer aus dem Bett, ohne sie anzufassen oder mit dem Zauberstab zu dirigieren. Dana faszinierte und erschauerte das immer wieder, wie eine geborene Telekinetin feste Dinge bewegen konnte, wo sie in anstrengenden Stunden die verschiedensten Fernbewegungszauber hatte lernen müssen. Sie trugen die Gefangene zum Fenster, die immer noch stumme Schreie ausstieß. Ihr Hals zitterte regelrecht. Doch kein Laut kam aus ihrem weit geöffneten Mund.

Am Fenster übernahm Patricia die Hexe im Nachthemd und ließ weitere Seile um sie herumschlingen, die sie fest an die Spitze ihres Harvey-Besens zurrten. Schnell wendete Patricia und flog, leicht schwankend, weil Bellatrix quer über ihrem Besen lag, in die Nacht hinaus. Der Besen und seine Passagiere wurden wieder unsichtbar. Anthelia und Dana nahmen wieder ihre Tiergestalt an. Dana surrte auf Annthelias Rücken, schob sich unter ihre Deckfedern und ließ sich von ihr hinaustragen. Telekinetisch gesteuert klappte das Fenster hinter ihnen wieder zu und verriegelte sich von selbst.

Lucky half Patricia beim Transport von Bellatrix. Sie alle waren vermummt, gekleidet in ihre weißen Kapuzenumhänge. Schnell wie der Wind jagten sie unter den grauen Wolken dahin, entfernten sich von dem Landhaus. Anthelia flog mit eigenen Flügeln nicht ganz so schnell hinterdrein, hatte es aber nicht so eilig. Denn sie kannte den Treffpunkt, wo sie ihr Exempel statuieren wollten. Sie wollte nur sicher sein, daß niemand sie in der Nähe der Malfoys sehen würde, bevor sie disapparierte.

Als Patricia und Lucky das Lied zu Ehren Sardonias pfeifend über dem vereinbarten Treffpunkt herunterkamen, standen Anthelia und Dana bereits dort, beide wieder als Menschenfrauen. Sie banden Bellatrix vom Besen los, die nun zitterte und bibberte, vor Kälte? Anthelia befahl:

"Bringt die Verräterin an den Richtbaum!"

"Wie du befiehlst", erwiderte Patricia Straton. Sie hatten sich darauf verständigt, daß außer Anthelia und Patricia niemand ein Wort sagen oder die Anrede "Höchste Schwester" gebrauchen durfte. Bellatrix sollte den klaren Eindruck bekommen, von ihr völlig fremden Hexen überfallen und verschleppt worden zu sein. So brachten sie die Gefangene an eine alte Eiche, die in vierter Generation von einem Opferbaum Dairons abstammte und bereits sechshundert Jahre alt war. Anthelia hatte sie schon in voller Pracht stehen sehen können, als sie in ihrem ersten Körper auf der Welt war. Bellatrix kannte diesen Baum wohl auch. Sie starrte schreckensbleich auf die furchige Rinde und wand sich in ihren Fesseln. Dana und Lucky zurrten sie am Stamm fest.

"So, Verräterin an deinem Geschlecht und deinem Stande! Ich gebe dir nun Stimme und Sprache zurück. Doch wisse, daß niemand einen Schrei von dir wird hören können. Sonoliberato!"

Bellatrix stieß zunächst einen heiseren Schrei aus. Dann weinte sie bitterlich. Anthelia fegte mit einem Schnelltrocknungszauber die Tränen von ihren Wangen weg.

"Du wurdest schwach in Askaban, der Feste böser Träume", gab die höchste Schwester mit kalter Stimme sprechend von sich. Bellatrix holte tief Luft. Dann spuckte sie kräftig nach Anthelia, die direkt vor ihr stand. Doch der gelbliche Speicheltropfen prallte vor Anthelia zurück und landete spritzend auf Bellatrix' Nase.

"Wie einfältig", lachte Anthelia. "Glaubst du echt, ich würde mich von dir bespeien lassen? Crucio!" Anthelias Zauberstab zeigte auf Bellatrix' Bauch. Lauter als sie es wohl je getan hatte schrie Bellatrix Lestrange die unendliche Pein in die Nacht hinaus. Ihre Schreie hallten von den Bäumen des weiten Eichenhaines wider, während ihr Körper unter den mörderischen Qualen zuckte und ruckte. Eine volle Minute hielt Anthelia sie unter dem Folterfluch, bis Bellatrix' Stimme zu versiegen drohte.

"Na, wie fühlt es sich an, wenn man selbst dieser Tortur unterworfen ist, Verräterin?" Fragte Anthelia, aus deren Stimme weder Haß noch Begeisterung zu hören war, sondern die kalte nüchternheit einer einfachen Frage.

"Wer bist du? Wer bist du?!" Heulte Bellatrix unter einem neuen Weinkrampf.

"Du hast vielleicht schon einmal von mir gehört, Verräterin. Aber im Moment ist nur wichtig, daß du in meiner Gewalt bist. ich harre deiner Verteidigung, wieso du dich auf einen Pakt mit einem solch niederen Zauberer eingelassen hast, wie es jener ist, der da genannt wird Lord Voldemort!"

Bellatrix zuckte zusammen. Wie konnte dieses Weib im weißen Umhang seinen Namen so verächtlich nennen und noch von ihm als niederen Zauberer sprechen? Sie versuchte sich auf ihn zu konzentrieren. Sie hatte einmal von ihm Stunden im Mentiloquismus nehmen wollen und es wirklich geschafft, ihm bei direktem Blickkontakt eine unausgesprochene Nachricht zu übermitteln. Doch sie war nun weit von ihm fort und ...

"Ihn im Geiste um Hilfe anzuflehen wird mißlingen, Verräterin", lachte Anthelia. "Du kennst doch diesen Baum. Alle, die an ihm gefesselt sind, sind ihrer eigenen Zaubermacht entblößt. Er wird dich nicht hören können, der Emporkömmling. Aber ich werde dir zuhören. Also tu uns Kund, weshalb du dein Geschlecht und deinen Stand so schnöde verrietest, das selbst die Kerker von Askaban dich nicht zur Einsicht bringen konnten."

"Du wagst es, den dunklen Lord, den größten Zauberer aller Zeiten, zu beleidigen, du dummes Flittchen?!" Brüllte Bellatrix in einem neuen Versuch, ihren Stolz und Hochmut zurückzugewinnen. Dafür litt sie eine weitere Minute unter dem Cruciatus-Fluch. Anthelia ließ sie danach eine Minute lang weinen und heulen. Dann fragte sie erneut:

"Was trieb dich in die Arme dieses Scharlatans, der da meint, die dunklen Künste alleine seien ihm Rechtfertigung zur Weltherrschaft?"

"Er ist der größte Zauberer der Welt, du niedere ...! Du vermaledeite Nachtfraktions-Hure mit deinem Geschmeiß da um dich herum!" Heulte und schrie Bellatrix wie ein kleines Kind, das in Wut und Schmerz ertrinkt.

"Gebieterin, Ihr merkt doch, daß sie nicht anders reden kann. Schenkt ihr Gnade für ihre Verfehlung", sprach Patricia Straton auf Anthelia ein. Bellatrix sah sie an. Sie kannte ihre Stimme nicht, das war sicher. Doch was wollte diese wohl noch junge Hexe damit erreichen?

"Schwester, du weißt, wie ich über Verräterinnen denke. Du weißt gut, daß ich dieser verrotteten Marionette eines irrsinnigen Mordbuben keine Gnade zu Teil werden lassen darf. Denn wahrlich, ich wünsche sie zurück auf dem Pfad wahrer Hexenehre", sagte Anthelia und wandte sich wieder Bellatrix zu.

"Dein Gewinsel mag meine jüngere Schwester beeindrucken, ja ihr Herz erweichen, Verräterin. Doch mein Herz ist lodernde Glut, die brennt, was unrein ist. Du bist unrein, Bellatrix Lestrange, zweite dieses verfehmten Namens. Du hast dich wider dein Geschlecht und wider alle Pflicht einer Tochter der Macht diesem sogenannten dunklen Lord in die Arme geworfen. Du hast dich von deinem Gatten in diesen Sumpf der Selbstverleugnung hinunterziehen lassen und wagst es, hier noch zu verlangen, ihn zu ehren, ja zu achten?"

"Du stehst da vor mir, verhüllt und namenlos. Wieso sollst du größer sein als der dunkle Lord?" Begehrte Bellatrix auf. Dann stutzte sie. Wieso hatte diese Hexe sie als "die zweite Trägerin eines verfehmten Namens" bezeichnet?

"Glaube mir, Verräterin, daß ich seine Kleinheit wohl kenne, da ich einst selbst durch eine harte Prüfung gehen mußte, um zu erwerben, was ich nun bin", sagte Bellatrix' Foltermagd.

"Wann soll die erste Bellatrix denn gelebt haben?" Fragte die Gefangene, die nun darüber nachdachte, daß sie hier und jetzt schlimmeres erleiden sollte als in vierzehn Jahren Askaban-Haft.

"Das ist jetzt nicht die Frage, die zu beantworten ansteht, Verräterin. Ich will von dir wissen, wie du zu ihm, diesem Emporkömmling, gefunden hast. Was sollte er dir bieten, das wichtiger als die Pflichten einer Hexe sein konnten?"

"Er ist der größte Zauberer aller Zeiten, du Luder. Er hat mir und uns anderen die Welt geöffnet, die Welt des reinen Zaubererblutes. Er wird sie reinigen, wird die Muggelfreunde, Schlammblüter und Mischblüter vernichten, und der wird der mächtigste Zauberer der Zeiten überhaupt", schrie Bellatrix. Offenbar schien sie in der Rolle der Märtyrerin einen gewissen Stolz zu empfinden. Patricia Straton wandte ein:

"Sie wird dir nichts anderes erzählen, Gebieterin. Sie ist von diesem Wicht so vereinnahmt, daß sie ihn auch dann noch schützt, wenn er ihre eigenen Kinder frisst. Bring sie wieder zurück und lass ihr dieses Jammerleben!"

"Was hast du amerikanisches Luder mit dieser da zu schaffen, wenn du nicht stark genug bist, dir sowas anzusehen?!" Geiferte Bellatrix. Dafür bekam sie nun den Cruciatus-Fluch von Patricia Straton. Als sie nach einer Minute abließ, sagte die junge Hexe:

"Die Gebieterin hat wohl doch recht. Du bist Unrat, nicht besser als ein Stück Drachenmist, Bellatrix Liestrejnch!"

"Wagst du Straßenmädchen noch, meinen Namen zu .... Aaaaarrrrrrg!" Diesmal erwischten Anthelia und Patricia sie mit dem Cruciatus-Fluch. Diesmal hielt die Folter länger. Sie fühlte alles in sich brennen, reißen, stechen, bohren, zerbrechen, von innen nach außen kehren, ihren Kopf zum platzen unter Druck, Feuer in ihren Lungen, Schnitte wie mit Skalpellen durch Haut und Fleisch. Als dann doch beide nachließen, fragte Anthelia wieder:

"Weißt du nun, was die Longbottoms unter dir und deiner Schmutzbande zu erleiden hatten. Ich weiß es auch. Ich habe genau das Bild immer wieder gesehen, wie Alice um Gnade winselte, schrie und heulte. Ich habe Franks Schreie gehört, immer tierhafter, bis er nur noch dümmlich heulen und verwirrt umherglotzen konnte. Sollen wir vier an dir tun, was du an den Longbottoms getan hast und dich ganze zwanzig Minuten unter dieser Agonie leiden lassen? Was meinst du, Verräterin? Wäre deinem Herrn und Meister eine sabbernde, irrsinnig kichernde, apathisch umherstierende Kurtisane lieber? Kann ich mir vorstellen, wo er doch alles Fleisch weich und willig mag."

Bellatrix erschrak. Woher wußte diese Hexe so genau, daß sie mit Rodolphus, Rabastan und dem Milchbubi Barty Crouch zwanzig lange Minuten die Longbottoms unter dem Cruciatus-Fluch gefoltert hatten, bis diese völlig den Verstand verloren hatten? Wer hatte ihr das erzählt?

"Du wirst es nicht wagen, mich derartig zu quälen, du Luder. Er wird dich grausam dafür bestrafen", stieß die Gefangene aus. Tränen der ohnmächtigen Angst und Verzweiflung schossen ihr in die Augen und ließen diese kalt werden. Sie zitterte immer noch vor Kälte. Doch die Angst, die Wut und die Nachwirkungen der Folterung ließen sie nicht an die Winterkälte denken.

"Ja, wird er bestimmt, wenn er nicht vorher stirbt oder sich selbst in einem letzten Anflug von Tollheit in tausend Stücke flucht", spottete Anthelia. Sie überwachte telepathisch, was Bellatrix durch den Kopf ging. Mit der genauen Beschreibung der Folterdauer an den Longbottoms hatte sie die stolze Märtyrerin ins Wanken gebracht. Sie beschloss, nachzustoßen. "Was hat dein lauterer Gatte noch gesagt: "Bella, halt ihr den Zauberstab zwischen die Beine, weil da die schmerzempfindlichsten Stellen sind!" Wie kann sich eine Hexe derartig dirigieren lassen?"

"Woher weißt du das?!" Schrie Bellatrix. "Das kannst du nicht wissen. Ich habe nicht daran gedacht. Du kannst es nicht aus mir herausgeholt haben."

"Was sollte ich aus dir herausholen, Verräterin?" Lachte Anthelia. Dann schien sie sich zu straffen und streckte ihre Hand nach der festgebundenen aus. Der Strick um ihren Unterleib löste sich. Eine unsichtbare Kraft schob ihr Nachthemd hoch und zerrte an ihrem Warmwolleschlüpfer, sodaß ihr Unterleib nun der Winterkälte und den Blicken der Folterer ausgeliefert war. "Natürlich kann ich diese Frage beantworten", sagte Anthelia nun mit einem sehr gefährlichen Unterton. Dann hob sie den Zauberstab, stubste Bellatrix knapp über ihrem Geschlecht an und sang eine merkwürdige Formel herunter, die der Gefesselten völlig fremd war. Sie fühlte nur, wie es in ihrem Leib kribbelte. Anthelia sang zehn Sekunden lang. Dann hörte sie auf und nahm den Zauberstab fort.

"Das Leben ist ein Wunder. Doch es ist auch wie das Spiel der Würfel. Wenn man sie wirft, mag die Eins zu oberst liegen oder die Sechs", sagte Anthelia. "Wollen wir sehen, wie Mutter Natur für dich gewürfelt hat, als du mit deinem Gatten in wilder Liebe entbrannt bist!"

Bellatrix riss ihre Augen weit auf vor entsetzen, als sie in sich ein dumpfes Gefühl von Anschwellen verspürte, ein merkwürdiges Spannen in den Brüsten wahrnahm und Hitze- und Kältewallungen erfuhr. Das durfte nicht sein! Nein, diese Hexe konnte nicht ihren Leib ...

"Ich habe es auch nicht. Dein treuer Gemahl hat seinen Keim in deinen warmen Schoß gelegt. Ich habe nur darum gerungen, ihn aufgehen zu lassen, schneller als die Natur dies eingerichtet hat."

Patricia, Dana und Lucky starrten nicht minder entsetzt auf den immer runder anschwellenden Unterleib der Gefangenen Hexe, sahen, wie ihre unter dem Nachthemd klar erkennbaren Brüste sich langsam hoben und noch größer wurden, bis Bellatrix Lestrange wie eine Frau im fünften Schwangerschaftsmonat aussah. Alle zehn Sekunden, so vermutete Patricia, schien in der Gefangenen ein weiterer Monat zu verstreichen, wurde der Leib praller und schwerer. Sie sah, wie etwas von innen gegen die immer engere Bauchdecke stieß, sich wand und streckte. Wieder zehn Sekunden später schien Bellatrix bereits sieben Monate schwanger zu gehen. Sie stöhnte vor Anstrengung und dumpfer Furcht. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Wieder flog ein Monat in nur zehn Sekunden dahin. Dann noch einer. Dann schrie Bellatrix unter unerträglichen Schmerzen auf, während ein Schwall von Wasser und Blut aus ihrem Schoß herausspritzte, auf den frostdurchsetzten Boden fiel. Stöhnend, hächelnd und schreiend hing Bellatrix in überschnell dahinrasenden Wehen, während sich aus ihr heraus ein roter kugelartiger Klumpen schob, sie immer weiter aufriss, bis ein Bündel mit Armen und Beinen und einem großen Kopf förmlich aus ihr herausfiel, eingehüllt in Blut und Schleim. Mit einem letzten Schrei verlor Bellatrix die Besinnung. Die unerträgliche Anstrengung, innerhalb von nur anderthalb Minuten ein Kind auszutragen und zu gebären, hatten ihr die Kräfte geraubt.

"Das ist grausam", dachte Patricia, während sie sah, wie Anthelia das neugeborene mit sicherem Griff annahm und die pulsierende Nabelschnur abband. Mit einem Abtrennzauber entband sie das Kind, das nun nicht mehr so rasant weiterwuchs von seiner Mutter. Anthelia legte das mit Gewalt in die Welt beschworene Kind in eine Decke aus Warmwolle, die sie aus ihrem Umhang gezogen und vergrößert hatte. Laut schrie das Bündel Mensch seine Ankunft in die kalte Nacht. Patricia Straton war selbst der Ohnmacht nahe, während Lucky Withers und Dana ihre Augen geschlossen hatten.

Daß Anthelia eine gründliche Heilkunstausbildung genossen hatte, zeigte sie, als sie die zur rasanten Mutterschaft verfluchte Gefangene ordentlich versorgte, die Nachgeburt aus ihr herauszog und die inneren Blutungen mit Zauberformeln stoppte, die wohl auch unter natürlichen Bedingungen zur Anwendung kamen. Sie ließ die Verwundungen im Unterleib verheilen und legte das Neugeborene seiner Mutter an die Brust, wo es gierig saugte und saugte.

Als Bellatrix wieder aufwachte, etwa eine Viertelstunde nach der höllischen Blitzschwangerschaft, fühlte sie das Kind an ihrem Bauch liegen, das sich holte, was sie ihm geben konnte. Mit Angst und merkwürdiger Erleichterung sah sie auf das winzige Menschlein, daß es so eilig gehabt hatte, weil eine dunkle Hexenmeisterin ihm nicht seine Zeit gelassen hatte.

"Du fühlst, riechst und siehst dein Kind, Verräterin", sagte Anthelia, diesmal mit einer zärtlichen Stimme sprechend. "Es ist ein Knabe, Trägerin eines verfehmten Namens. Dies ist die Frucht deiner Liebe von dieser Nacht. Keine Sorge, ich habe dich und ihn nach den Regeln der hohen Heilkunst versorgt. Doch nun, wo du weißt, was ich aus dir herausholen konnte, wirst du mir freiwillig kundtun, was dich veranlaßt hat, diesem Voldemort nachzulaufen, ja sogar für ihn Askaban auf dich zu nehmen."

Bellatrix Lestrange weinte. Tränen fielen auf den kahlen Kopf des Kindes, das von allen hier am unschuldigsten war. Dann erzählte sie, wie sie den dunklen Lord getroffen und sich für ihn begeistert hatte. Mit verhaltenem Stolz schilderte sie, wie er sie als seine Lieblingsschülerin bezeichnet hatte und ihr alles in den dunklen Künsten beibrachte. Doch dann erkannte sie, daß er ihr wohl doch nicht alles beigebracht hatte, wie diese mörderische Mutterschaft ihr klarmachte. Anthelia bekam das mit, wie sie immer stärker schwankte. Sie hatte sie endlich so weit, ihr den entscheidenen Stoß zu versetzen. Sie nahm ihr ohne Vorwarnung das Kind fort und legte es nicht mehr in die Warmwolldecke, sondern auf den kalten Boden. Bellatrix schrie. Offenbar war ihr dieses winzige Bündel Leben da wahrhaftig ans Herz gewachsen, obwohl sie nicht die Zeit hatte, es richtig zu sich kommen zu lassen. Doch es war aus ihr herausgekommen, sah sogar etwas aus wie Rodolphus, ihr Mann. Das war sein Kind, das sie bekommen hatte.

"Ich spüre, daß du trotz deiner Verirrungen doch noch als Frau und Hexe empfinden kannst, Bellatrix Lestrange", sagte Anthelia ruhig. Dann nahm Sie ihren zauberstab, ritzte etwas in die Baumrinde. War es Einbildung oder wahr. Als der Baum angeritzt wurde, zitterte er merklich. Dann nahm Anthelia das Kind vom kalten Boden. Es fror sichtlich und hatte schon ganz blaue Lippen.

"Sieh her, Bellatrix Lestrange, Verräterin an der Hexenheit!" Befahl Anthelia. Sie ritzte mit der Spitze ihres Zauberstabs den linken Arm des Jungen und presste ihn gegen das Mal, das sie in den Baum geritzt hatte.

"Baum für Leben, Baum für Tod.
Trink dies' Blut, so warm und rot!
Nimm zurück, was du gegeben!
Berge wohl dies frische Leben!
Halte es sicher und verborgen!
Trag' es durch die nächsten Morgen!
Halte dieses Knaben Leib,
wie einst getragen er vom Weib!
Soll sie ihn erneut empfangen,
soll zuvor sie danach langen,
sich zu lösen von dem Meister,
welcher rief verkehrte Geister.
Kommt sie frei mit Leib und Herzen,
nimm von ihr die Sorg' und Schmerzen!
Reiche ihr dann ruhig zurück,
diesen Knab', ihr Mutterglück!"

Bellatrix hatte die ersten Zeilen dieser Anrufung mit Schreien zu übertönen versucht. Doch sie konnte nicht mehr schreien. Sie starrte mit krampfhaft verdrehtem Kopf auf den Jungen, der schrie und schrie, während die Hexe in Weiß ihren Zauber sang. Aus dem mit dem Blut des Kindes benetzten Zauberstab trat ein roter Lichtstrahl, der den Baum berührte. Gleichermaßen schien die Borke des Eichenbaumes das Fleisch und Blut des Kindes zu verschlucken, immer mehr in sich hineinzusaugen. Als würde das Kind dahinschmelzen und von einem gierigen Schwamm aufgesogen, verschwand es innerhalb einer Minute restlos im Baumstamm. Der letzte Schrei des unschuldigen Knaben klang bereits hhol, wie aus dem Baum heraus. Bellatrix fühlte, wie sich etwas in ihrem Unterleib regte, dann nachließ. Sie weinte nur noch. Das Grauen dieser Gewalttat an ihr und einem Kind, daß sie wohl im ausklingenden Sommer geboren hätte, hatten sie an den Rand des Wahnsinns getrieben. Sie hing in ihren Fesseln am Baum und weinte, weinte und weinte. Patricia Straton stand wie betäubt daneben und starrte durch ihre Kapuzenschlitze auf die Hexe, die sie als gefährliche Verräterin entführt hatten und nun als hilflose Frau, die um ihr Mutterglück betrogen worden war, an diesem Baum hängen sahen. Sie achtete nicht darauf, wie die angeschwollenen Brüste der geflohenen Askaban-Gefangenen wieder kleiner wurden, als habe die unheimlich rasante Schwangerschaft nie stattgefunden.

"Und nun sieh her, Verräterin!" Zischte Anthelia und schlug ihre Kapuze zurück. Bellatrix Lestrange starrte durch die tränen auf das Gesicht ihrer Peinigerin, das Haar, das hell war und bei Tage wohl wie stroh schimmern mochte. Sie erschrak wieder und stieß aus:

"Nein, das kann nicht sein! Das-kann-nicht-sein!!!!"

"Oh doch, du Verräterin. ES ist so. Dieses Gesicht war dies eines anderen, der vor langer zeit aus Askaban entkommen konnte und von allen für tot gehalten wurde. Sein Vater hatte ihn in eigener Gefangenschaft gehalten, geknechtet unter dem Imperius-Fluch. Er entkam ihm und fand den, den du als deinen Herren bezeichnest. Ihm verdankt dein sogenannter dunkler Lord, sowie auch ich, daß wir beide nun wieder auf der Erde wandeln dürfen. Ihm verdankt er es, sich in den Besitz von Harry Potters Blut zu bringen, um seine körperliche Auferstehung zu vollenden. Ich verdanke ihm, daß er in Hogwarts enttarnt und von seiner Seele entblößt wurde, von einem Dementor. Dies gab Getreuen von mir die Macht, mir diesen Leib als neue Erscheinungsform zu geben, mir, Anthelia, der Tochter der Nigrastra, welche da war die Schwester der großen Sardonia, die größte Führerin der Hexenheit seit Anbeginn der Zeiten. Ich habe einst eine Trägerin deines Namens gekannt, die auch meinte, ruchlos auf alles einzuschlagen, was ihrer eigenen Auffassung nach nicht in diese Welt gehörte. Sardonia mußte mich dazu beauftragen, sie zu züchtigen. Doch weil dies nichts half, habe ich sie unter schrecklichen Qualen verenden lassen. An dir, Verräterin, werde ich nun mehr Gnade walten lassen als du vielleicht verdienst. Ich habe dem Baum dein Mutterglück überantwortet. Er ist unfällbar, wie du vielleicht schon einmal gehört hast. Er wird in Verbindung mit deinem Schoß bleiben. Doch er wird dir den Knaben erst zurückgeben, dich ihn wie es Mutter Natur verlangt seine Zeit heranwachsen und von dir zur Welt bringen lassen, wenn du dich gänzlich und aus freien Stücken aus dem falschen Geist des Voldemorts löst. Außerdem ..." Anthelia schwang ihren Zauberstab mehrmals über Bellatrix und sang wieder eine Formel in einer völlig unkenntlichen Sprache, bevor sie weitersprach: "wirst du nimmer verraten, was hier und heute an und mit dir geschah. Jeder Gedanke daran, wird dir Schreckenspein bereiten. Jeder Versuch, mich zu verraten, wird deinen Körper um einhundert Jahre altern lassen. Stirbst du, so behält der Baum dein Kind, und sein Vater wird nimmer andere Kinder zeugen können. Du wirst zwar weiterhin Lust zur Liebe verspüren und sie genießen. Doch dein Schoß wird solange keine Frucht ausreifen, bis du endlich von diesem Voldemort losgekommen bist. Wie gesagt, wirst du mich nicht verraten können. Jedes Wort über mich, daß du sprichst, aufschreibst oder in eine Tonaufnahmevorrichtung sprichst, wird dich um hundert Jahre altern lassen, bis du deinen letzten Verrat begehst und stirbst. Dies sage ich dir, weil ich Hexen, vor allem, wenn sie einen großen Willen besitzen, aber auch Empfindungen für die Dinge ihres Körpers haben, achte und nicht einfach vernichte, auch wenn sie es verdient haben.

Und noch etwas: Such niemals nach meiner Heimstatt. Betrittst du sie, wirst du sofort bei lebendigem Leib verwesen. Dafür habe ich Sorge walten lassen. Schwestern, verbringen wir dieses Geschöpf zurück, wo es herkam!"

Mit wackeligen Schritten näherten sich Patricia und Lucky Withers der Gefangenen, die von Anthelia mit einem Schlafzauber belegt wurde. Sie Wirkte sogar noch mehrere Zauber, die alle Erlebnisse der letzten Stunden für legilimentische Belauschung unantastbar machten. Sie bediente sich hier einer Methode, die ihr ihre Tante Sardonia selbst beigebracht hatte: Dem Schlingenden Gedanken. Tastete sich ein Telepath oder Legilimentor an verräterische Erlebnisse oder Gedanken heran, wurde ein diesen überlagernder Gedanke geweckt, der die zu schützenden Geistesinhalte aufsog und dem forschenden Legilimentor vorgaukelte, eine belanglose Erinnerung angerührt zu haben. Diese Zauberei wirkte Anthelia nun sehr sorgfältig. Dann flößte sie der schlafenden einen Aufwärmtrank ein, der sie vor allen Folgen dieser Aktion bewahrte. Schließlich brachten Patricia und Lucky Bellatrix zurück, und Anthelia und Dana legten sie so leise es ging zu ihrem Mann ins Bett. Die zwei Stunden waren bei weitem noch nicht erreicht, die der Schlafverstärker vorhalten sollte. Ganz behutsam zogen sich die Hexen um Anthelia wieder zurück vom Anwesen der Malfoys. Sie hatten die Verräterin gezüchtigt, grausam aber vielleicht wirksam. Dana, die noch in Fliegenform auf Anthelias Rücken mitflog, fragte, ob das wirklich so sein mußte.

"Schwester Dana, wie ich sagte war es ein Würfelspiel. Wäre aus der Liebe nach der langen Entbehrung kein Kind empfangen worden, hätte ich eine andere, genauso sichere Methode gefunden, um die Verräterin zu unterwerfen. So spielte mir das Schicksal einen sehr hohen Trumpf in die Hand, der sehr wahrscheinlich stechen wird, auch wenn ich die Befürchtung hege, daß Bellatrix Lestrange jetzt erst einmal noch intensiver dem Emporkömmling anhängen wird. Aber die Saat, die sie selbst mit ihrem Mann gelegt hat, wird sie dazu veranlassen, umzukehren, die geistige Klammer abzuwerfen, die ihr der Emporkömmling anlegte. Ich weiß, ihr mögt mein Vorgehen als grausam, ja wahnsinnig angesehen haben. Doch im Ende liegt der Wert der Tat. Ist es gut, war die Tat auch gut. Ist es böse, so war es die Tat auch. Auch wenn sie aus guter Absicht geschehen ist."

"Auf daß du nicht einmal über deine eigenen Worte stolperst", dachte Dana. Anthelia erwiderte dazu nichts. Doch sie mochte diesen heimlichen Widerspruch telepathisch erfaßt haben.

"In unser Hauptquartier!" Befahl Anthelia, als sie weit genug vom Malfoy'schen Anwesen entfernt waren. Ohne Widerworte disapparierten die drei Hexen. Anthelia sah sich das protzige Landhaus aus der Ferne an.

"Mögest du in Bälde mit deiner Sippe im Staub vergehen, Lucius Malfoy!" Verwünschte sie den Besitzer des Landhauses und disapparierte auch.

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Bellatrix Lestrange erwachte wie aus einem Alptraum. Was hatte sie nur für eine furchtbare Sache durchgestanden. Sie war entführt, an einen magischen Baum gefesselt, verhört und gedemütigt worden. Sie hatte den Cruciatus-Fluch über sich ergehen lassen müssen, bis eine Hexe in Weiß ihren Bauch mit einem Fluch belegt hatte, der zur Folge hatte, daß sie innerhalb von Minuten eine ganze Schwangerschaft durchleben und unter heftigen Schmerzen ein Kind gebären mußte. Dieses Kind sah aus wie Rodolphus. Es hatte an ihrem Busen gesaugt und sich wohl sehr gefreut, auf der Welt zu sein. Dann hatte dieses Weib ihr das Kind wieder fortgenommen und durch einen alten Zauber im Baum verschwinden lassen. Sie hatte ihre Kapuze zurückgeworfen und ihr ein Gesicht gezeigt, das es nicht geben konnte. Sie hatte Barty Crouches Augen erkannt, doch im Gesicht einer Frau. Sie hatte dasselbe Haar gesehen, daß Barty Crouch besessen hatte. Ja, und diese Frau hatte sich als Anthelia bezeichnet, die Nachfahrin einer alten Hexenmatriarchin, von der sie selbstverständlich was gehört hatte. Das war doch alles nur ein aberwitziger Alptraum.

"Und, hast du dich ausgeschlafen, Bella?" Fragte Rodolphus. Bella sagte nur was von einem Traum. Doch als sie erzählen wollte, was darin passiert war, bekam sie bohrende Kopfschmerzen. Und da fiel ihr ein, was Anthelia ihr als Warnung mit auf den Weg gegeben hatte. Nein, sie hatte nicht geträumt. Dies alles war wirklich so passiert, fiel es ihr mit einem Anflug von Grauen ein. Sie trug ein schreckliches Geheimnis mit sich, das sie niemandem verraten könnte. Außerdem hatte Anthelia ihr ein Kind weggenommen, daß sie von ihrem geliebten Mann hätte bekommen sollen. Doch sie würde diese Schmach nicht ungesühnt lassen. Sie würde dem dunklen Lord helfen, alle abtrünnigen Hexen zu jagen, wenn er dies wollte.

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Als Anthelia und Patricia zusammen mit Dana und Lucky in der Daggers-Villa eintrafen, erwartete sie Pandora Straton zusammen mit Dido Pane. Patricias Mutter wirkte sehr erschüttert. Sie schien etwas vor sich herzutragen, was sie loswerden mußte aber nicht wußte, was dann passierte.

"Hallo, höchste Schwester", begrüßte sie Anthelia. Diese sah Pandora Straton an und verzog das Gesicht vor stummer Wut. Pandora sah Patricia an. Diese schüttelte verärgert den Kopf. Dana war alarmiert. Sie fragte:

"Sind wir aufgeflogen, höchste Schwester?"

"Nein, unsere Werke sind noch keinem menschlichen Feind offenbart worden, Schwester Dana. Doch unsere Mitschwestern Charity und Lobelia haben eine furchtbare Torheit mit dem Leben bezahlt."

"Wie bitte?" Fragte Dana Moore, die keine Telepathin war und daher nicht wußte, was Anthelia so aufbrachte.

"Schwester Dana, Schwester Lobelia hat auf Grund der Angaben der Höchsten Schwester ermitteln können, wem der Succubus nachstellt. Leider haben sie uns dieses Wissen nicht mitgeteilt, sondern wollten den, der sein Opfer ist, eigenhändig fangen. Offenbar haben sie damit die Kreatur provoziert und sind dabei getötet worden. Ich erfuhr es von unserer Mitschwester Loren, die Lobelias letzten Hilferuf erhalten hat, bevor sie wohl ermordet wurde. Das Ungeheuer muß sie beide in einem Angriff zerfetzt haben. ich fürchte, die Muggelnachrichten werden davon voll sein", sagte Pandora.

"Wir müssen sofort zu Schwester Lobelias Wohnung und die Dokumente finden, die sie auf die Spur gebracht haben", stellte Anthelia klar, zückte ihren Zauberstab und disapparierte. Patricia, Pandora, Dana und Lucky folgten sogleich. Dido blieb allein zurück und dachte daran, wie gefährlich ihr neues Leben sein mochte.

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Polizeisergeant Patric O'Grady hatte in seiner nun zehn jahre dauernden Laufbahn als Kriminalpolizist schon einiges mit ansehen müssen. Doch was er hier in Bay City um fünf Uhr nachmittags vorfand, war zu grausam, um es jemals wieder zu vergessen. Anwohner einer Nobelsiedlung hatten um kurz nach halb fünf laute Frauenschreie gehört und etwas, das wie ein knurrendes, fauchendes Raubtier geklungen hatte. Er war mit seinem Streifenführer Detectiv-Lieutenant Michelsen zu besagter Adresse geeilt und hatte dort einen schaurigen Fund machen müssen.

In einem Hinterhof war das ganze Straßenpflaster rot von Blut. Blutgetränkte Stoffetzen schwammen in den riesigen Blutlachen herum. Dann hatte er die beiden Körper gesehen. Sie waren regelrecht zerfleischt worden. Knochensplitter lagen bleich und gezackt herum, Stücke von eingeschlagenen Schädeln und regelrecht durch den Wolf gedreht wirkende Innerein verteilten sich über die Straße. O'Grady kämpfte gegen den aufkommenden Brechreiz. Das war ein Horrorfilmszenario. Er sah, wie einige Kollegen ungeniert in einen Mülleimer spieen und fühlte, daß er den Kampf gegen die Übelkeit verlieren mußte. Ein Sanitäter, der wohl auch sehr mitgenommen von dem Blutbad war, reichte ihm geistesgegenwärtig eine Spucktüte, die der Polizist allzu dankbar verwendete. Als sein Magen nichts mehr hatte, was er hochschicken konnte, fand O'Grady Zeit, sich mit dem angerichteten Massaker zu befassen. Wer hatte das gemacht? Wie war es passiert? Wer waren die beiden Personen, die hier so schrecklich ihr Leben gelassen hatten? Er starrte auf das brutale Stilleben auf dem Hinterhof. Polizisten, Ärzte und Sanitäter kümmerten sich um die wenigen Zeugen, die das hier ansahen. Er wollte gerade mit seinem Streifenführer sprechen, als von hinten eine rundlich wirkende Frau im hellgrünen Wintermantel auftauchte. Sie trug einen Strohhut auf ihrem graublonden Lockenschopf und sah irgendwie so aus, als könne sie dies alles überblicken.

"Zurücktreten! Sie träumen nur schlecht, wenn Sie sich das ansehen", versuchte der Sergeant, die Passantin vom grausigen Schlachtfeld zu verscheuchen. Doch diese lächelte warmherzig, wie eine Großmutter, wenn ihr Enkel mit einer Spielzeugpistole auf sie zielt und "Peng!" ruft.

"Junger Mann, ich habe einiges gesehen, von dem ich schlecht träume. Da kommt es auf eine Unerfreulichkeit mehr nicht mehr an." Sie sprach im Südstaatendialekt, wie er ihn mal in New Orleans gehört hatte.

"Ich glaube nicht, daß Sie so auf eklige Sachen stehen, Ma'am", wandte O'grady ein. Die Fremde lächelte wieder.

"Da haben Sie mich richtig eingeschätzt. Ich mag sowas nicht. Aber es ist zufällig mein Job, sowas zu untersuchen. Und jetzt lassen Sie mich bitte vorbei!"

"Tut mir Leid, Ma'am, darf ich nicht", kehrte der psychisch angeschlagene Sergeant den letzten Rest von Autorität heraus. Doch die Fremde beachtete es nicht. Sie holte rasch einen Holzstab unter ihrem weiten Übermantel hervor und richtete ihn auf den Sergeanten.

"Maneto!" Sagte sie leise. Sergeant O'grady stand wie festgewachsen da und konnte kein Glied rühren, nicht einmal den Mund bewegen, um zu rufen. Dann traf ihn etwas von anderswo her am Kopf, drang darin ein und wischte alle Eindrücke der letzten Minuten fort.

"Ach, sind die Herren vom magischen Katastrophendienst auch schon da?" Rief die Frau mit dem Strohhut einem Mann in einem quietschgrünen Wintermantel mit orangeroten Flicken drauf zu, der gerade seinen Zauberstab sinken ließ.

"Wir wurden erst vor einer Minute informiert, es hier womöglich mit einem magischen Fall zu tun zu bekommen. Was machen eigentlich Sie hier, soweit außerhalb Ihres üblichen Jagdreviers, Jane?" Fragte der mann im grünen Mantel.

"Untersuchungen anstellen, wie Sie, Luke. Offenbar hat hier etwas sehr heftig zugelangt. So schlimm war das nicht, als ich gegen den Vampir von Bayoo gekämpft habe."

"Ein Vampir war's wohl nicht. Die Sonne ist noch nicht ganz weg", bemerkte Luke und überblickte die blutige Verheerung. Die Hexe mit dem Strohhut nickte.

"Eine Chimera?" Fragte Luke ängstlich.

"Dann hätte die die ganze Straße hier entvölkert. Nein, das muß ein Ungeheuer sein, daß schnell auftauchen und wieder verschwinden konnte. Allerdings hat es mächtige Klauen und Muskelkräfte besessen", stellte Jane fest. Sie wirkte überhaupt nicht angeekelt oder entsetzt von dem, was da ausgebreitet lag.

"Für Werwölfe ist jetzt auch die falsche Tagesstunde. Außerdem wüßten die im detroiter Büro, wo welche herumlaufen", meinte Luke, während Kollegen von ihm die Polizisten, Sanitäter, Ärzte und Zivilisten mit Gedächtniszaubern belegten und einstweilen am Ort stehen ließen. Dann holten sie große Scheuermittelflaschen hervor und fingen an, die grauenhaften Überreste von zwei Menschen zu beseitigen. Jane sah vor allem auf die weißen Stofffetzen. Außerdem konnte sie Haarsträhnen und zerfetzte Körperteile zuordnen, um zu sagen, daß hier wohl eine weiße und eine schwarze Frau die Opfer dieser Tat geworden waren. Beide hatten wohl die weiße Kleidung getragen, die nun wie blutige Stofftaschentuchstreifen herumlag.

"Welche Kreatur macht sowas?" Fragte Luke, der doch nicht so starke Nerven hatte wie seine Gesprächspartnerin.

"Eine Sphinx kann sowas tun, ein Mantikor, ein Greif, ein Drache. Aber die Drachenwarte hätte schon längst alarm geschlagen, wenn sich ein Vipernzahn aus dem Süden ins Land geschlichen hätte. Bleiben also noch besonders blutrünstige Vampire, die den vornehmen Halskuß nicht für Ausreichend halten, Werwölfe, Chimeras, Zombies oder Succubi."

"Zombies sind ja wohl Ihr Ding, Jane", wandte Luke ein, dem die Vorstellung, eine magische Bestie in einer stark besiedelten Muggelstadt jagen zu müssen absolut gegen den Strich ging. Jane nickte zustimmend. "Succubi, diese angeblich so schön aussehenden Monster in Frauengestalt? Ich dachte, die gebe es nur in Legenden aus dem Mittelalter, Jane. Außerdem haben die doch wohl andere Tricks drauf, oder?"

"Oh, das ist ein gefährlicher Trugschluß, Luke. Diese Wesen existieren immer noch. Wenn sie nicht in ihrer Frauengestalt unschuldige Männer regelrecht totlieben können sie auch als grausame Flügelmonster töten. Wenn hier wirklich Frauen die Opfer waren, dann sind sie nicht auf die Standardweise umgekommen, waren wohl auch nicht der Frauenliebe zugetan."

"In einigen Minuten werden wir es wohl wissen, was da passiert ist", erwiderte Luke zuversichtlich, während die Aufräumzauberer bereits die gesplitterten Knochen zusammenholten. "Wenn Elroy Patch ankommt, kann der die beiden wohl provisorisch wieder zusammenschustern. Ah, da kommt ja der große Puzzle-Künstler!"

Aus dem Nichts war ein schlachsiger Zauberer mit rotem Kinnbart und wettergegerbtem Gesicht unter einer rotkarierten Pudelmütze erschienen. Er trug einen grünen Umhang, der fast wie der eines Muggelchirurgen aussah. Er sah sich die Aufräumarbeiten an, nickte und ging dann zum Einsatzleiter der magischen Unfalltruppe.

"Haben Sie ihn schon mal beim Rekonstruieren gesehen?" Fragte Luke Jane. Diese nickte. Sie hatte den Meister der Körperrekonstruktion schon öfters beobachten dürfen, besser, beobachten müssen. Er sah sie auch und winkte ihr zu.

"Hi, Jane! Immer da wo's brennt, wie?"

"Ja, aber ich bin froh, wenn ich dann noch löschen kann", sagte Jane zu Elroy Patch. Dieser begutachtete die Leichenteile und befand:

"So, wie ich das jetzt sehe, waren das zwei Frauen. Gewisse Organfragmente deuten unweigerlich darauf hin. Die eine war dunkelhäutig, was an gefundenen Schädelknochen und naturkrausen Haarbüscheln belegt ist. Die andere war eine Weiße. Wer genau das war, werden wir in meiner Werkstatt klären. Wenn die Fragmente alle soweit eingesammelt sind, bringe ich die nach New York. Sie sollten sich von Pole und der Strafverfolgungsabteilung die Genehmigung holen, wenn sie mitgucken wollen, Jane", sagte der Zauberer. Jane grinste:

"Elroy, ich habe seit einem halben Jahr, seitdem wir die vier Sabberhexen durch die halbe Union gejagt haben, eine Generalgenehmigung für alle magiforensischen Dokumentationen. Spätestens seit der Sache mit den lebendig zergliederten Schwarzberganhängern bin ich froh, die zu haben."

"Hat man den oder die schon sicher aufspüren können?" Fragte Patch. Jane schüttelte bedächtig den Kopf.

"Man ging davon aus, es habe einen Krieg der dunklen Bruderschaften gegeben. Dabei sollen die Urheber dieser Horrordemonstration mit ums Leben gekommen sein."

"Nun, das war schon gruselig, lebendige Körperteile zusammenzukriegen. Dieser vermaledeite Fluch hat die sofort wieder zergliedert", erinnerte sich Patch. Jane Lachte. Dann sagte sie:

"Ihre Mitarbeiter haben alles zusammenklauben können. Lassen wir die Reinigungstruppe schaffen!"

Im Labor von Elroy Patch trafen neben dem Betreiber selbst noch die freundliche Hexe Jane Porter, sowie der Leiter der magischen Strafverfolgungsabteilung, Arco Swift, sowie ein baumlanger Zauberer im marineblauen Samtumhang mit silbernen Zierknöpfen ein, dessen ovales Gesicht viel Sonne abbekommen zu haben wirkte. Er trug eine silberne Brille mit dicken Gläsern und einen ebenfalls marineblauen Spitzhut mit einer Pfauenfeder oben drauf, die seine stattliche Größe bis zur Decke des Zimmers verlängerte.

"Ach, Jane, Sie sind auch hier? Wie kamen Sie denn auf die Sache?" Fragte der baumlange Zauberer, Magieminister Jasper Pole persönlich.

"Es ging mir eher um eine Nachforschung im Privaten für einen Freund meiner Enkeltochter, Herr Minister. Ich hatte ein wenig Luft und wollte heute Fühlung aufnehmen. Da geriet ich in diesen Schlamassel. Ich hoffe nur, daß meine Nachforschungen nichts damit zu tun haben werden."

"Gut, über private Dinge reden wir privat. Jetzt ist Dienst", legte der Minister die Marschroute fest. "Elroy, bitte rekonstruieren Sie die Leichen!"

"Jawohl, Herr Minister", bestätigte Patch und machte sich an die Arbeit. Er ließ aus vier bauchigen Metallkanistern von gut und gerne fünfhundert Litern Fassungsvermögen Flüssigkeiten in eine Steinwanne laufen. Brodelnd und zischend vermischten sich die Gebräue. Silberner Dampf stieg auf, der durch ein System von magischen Pumpen sofort abgesaugt wurde. Dann ließ er die zwei Gummisäcke mit dem schaurigen Inhalt in die Wanne ausleeren. Gurgelnd und noch wilder brodelnd reagierte das Gemisch in der Steinwanne auf die hineingekippten Körperfragmente.

"Ich brauche das ja keinem hier mehr zu erklären, wie das jetzt läuft. Gehen wir also gleich in die Vollen", sagte Patch im Stil eines stolzen Wissenschaftlers, der wieder einmal was großartiges vorführen will und zog seinen Zauberstab.

"Fragmentividualis!" Rief er. Ein roter Blitz schoss in die Wanne und zischte wie ein Schwall wasser, der in ein Feuer gegossen wird. In der Flüssigkeit wirbelten die eingefüllten Körperteile und Fragmente durcheinander, bis sie sich an den beiden gegensätzlichen Enden der Wanne zu zwei klar abgegrenzten Haufen zusammenballten. Als es dichter nicht mehr ging, rief Patch: "Reunificorpus!" Wieder schlug ein Blitz aus seinem Zauberstab, diesmal ein weißer. Ein lauter Knall erklang, als der Blitzstrahl in die Wanne fuhr. Dann schwappte das Gemisch aus vier Kanistern heftig, schäumte und wurde glasklar wie reines Wasser. Darin schwammen nun die beinahe vollständig erkennbaren Leichen von zwei Frauen. Einige äußere Verletzungen waren nicht ganz wegrekonstruiert worden. Außerdem waren die Körper völlig blutleer.

"Hopla, die beiden kenne ich doch", sagte Jane. Unverzüglich zückten der Leiter der Strafverfolgungsabteilung, der Zaubereiminister und Patch Notizbücher und Füllfederhalter.

"Wir hören, Jane", sagte der Minister.

"Ich identifiziere die weiße Frau als Madame Lobelia Wagner, Geboren in New Jersey im Jahre 1959. Sie arbeitete in der Abteilung für muggeltaugliche Entschuldigungen und hat mir bei diversen Einsätzen geholfen, aufgekommene Erscheinungen in Muggelsiedlungen zu beheben. Die dunkelhäutige Frau ist Madame Charity Joyce. Sie hat eine Zeit lang in einer Organisation von Voodoo-Anhängern mitgewirkt, bis ich sie vor drei Jahren aus diesem Zirkel herausholen konnte. Ich betone, dies ist eine reine Vermutung, aber ich hatte sie im Verdacht, zur Nachtfraktion der schweigsamen Schwestern zu gehören."

"Notiert, nur eine Vermutung", bestätigte Swift. Pole sah die beiden mit dem Gesicht nach oben auf der Flüssigkeit schwimmenden Hexen an und fragte:

"Was hatten die beiden zusammen zu schaffen?"

"Ich vermute, sie sind in derselben Bande gewesen, Sir", warf Patch ein. "Die weißen Oberbekleidungsreste könnten Ordensumhänge gewesen sein. Aber diese Schwesternschaft trägt doch keine Uniformen."

"Das stimmt", sagte Jane Porter. Dann legte sich ihre Stirn in Denkfalten. Sie überlegte und sagte dann:

"Herr Minister, wir vom Laveau-Institut hatten Sie doch vor Weihnachten über etwas informiert. Ich will hier nicht näher darauf eingehen, weil die Anhaltspunkte fehlen. Ich möchte lediglich einräumen, daß dieser Vorfall hier mittelbar oder unmittelbar damit zu tun hat."

"Sie meinen die Sache mit der neuen Schwesternschaft, Jane. Dafür haben wir bis heute keinen klaren Hinweis. Der Zeuge, den Sie uns präsentieren wollten, ist bis heute verschwunden, und die Muggelpolizistin, die bei dem Dementorenangriff auf diesen Schönheitssalon mitbekommen haben will, daß drei Hexen sich über die Dementoren unterhalten haben, konnte auch keine Angaben über die drei machen. Wie Sie selbst ja mitbekommen haben verliefen die Nachforschungen im Bezug auf diese Zeugenaussage im Sande."

"Andere behaupten ja auch, der Unnennbare sei wieder aufgetaucht", warf Patch ein. Offenbar glaubte er das nicht.

"Zu denen gehöre ich auch, Elroy", warf Jane ein. "Es gibt genug Beweise, nicht nur Hinweise. Auch der Ausbruch der Gefangenen aus Askaban deutet genau in diese Richtung."

"Okay, der wird dann eben in England herumlaufen. Wenn die dort keinen magiforensischen Rekonstrukteur haben, werden sie wohl auf mich zurückkommen. Aber ich habe Ihnen die beiden ja nicht nur zum identifizieren zusammengesetzt, sondern auch, um zu klären, warum sie überhaupt gestorben sind", sagte der Spezialist für Körperrekonstruktionen. "Sie sind eindeutig von einem Monster attackiert worden, und zwar von oben her. Die besonders reichen Verletzungen im oberen Körperbereich, wie das Fehlen größerer Stücke im Thoraxbereich zeigen, daß der erste Angriff von oben geführt wurde. Das Zerfetzen des Körpers kam post Mortem."

"Will sagen, die beiden waren tot, bevor dieses Scheusal sie derartig zerfleischt hat", wandte Swift ein und funkelte Patch an. Konnte der nicht einmal etwas mehr Pietät und Respekt vor den Toten äußern?

"Könnte es nicht auch ein sehr großes Geschöpf gewesen sein, das Prankenhiebe von oben nach unten geführt hat?" Fragte Pole.

"Nein, Sir, dann wären die Krallenspuren an einem ende tiefer gewesen, dort wo der Schlag zuerst und mit voller Kraft getroffen hat. Die Kratzwunden sind jedoch gleichmäßig tief, vor allem Am Hals- und Brustbereich. Ich tendiere zu einem flugfähigen Geschöpf, einem Zwergdrachen oder Hippogreifen. Aber letztere würden einen Menschen nicht blutrünstig zerfleischen, sondern nur die Verletzungen beibringen, die das Opfer kampfunfähig macht oder für respektloses Betragen bestraft."

Sie diskutierten noch einige Minuten, kamen aber zu keinem Ergebnis. Weder wußten sie, was die beiden Hexen in Bay City gewollt hatten, noch wußten sie, was für ein Untier sie derartig grausam getötet hatte. Jane vermutete nur was. Doch weil es zu gewagt war, wollte sie die Vermutung noch nicht offen herumgehen lassen. Es wurde beschlossen, die Angehörigen zu informieren und von einem Unfall in einer Muggelstadt zu sprechen. Patch sollte die provisorisch rekonstruierten Körper noch einmal genau untersuchen und dann mit Kunsthaut überziehen, die sie beim Aufbahren ansehnlicher machen würde. Jane Porter disapparierte aus der Werkstatt des Körperrekonstrukteurs in den Hangar der Besen, die für das Laveau-Institut bereitstanden. Sie nahm sich einen der Harvey-Besen und flog damit zum Institut, wo sie ihren Chef Davidson über die Lage informierte und dann einen Bericht für ihre Schattenakten schrieb. Die Schattenakten waren Notizen und Berichte, deren Wahrheitsgehalt noch nicht groß genug war, um sie in die gewöhnlichen Akten zu übernehmen. Manchmal mußten Dinge, die erst so plausibel ausgesehen hatten, wieder verworfen werden. Um für die Nachwelt eine ordentliche Kartei und ein gut sortiertes Archiv zu hinterlassen. Deshalb hatte sich Jane angewöhnt, zwei Akten zu führen. Bestätigte sich etwas, was vorher in der Schattenakte abgelegt worden war, konnte es getrost in die offiziellen Akten übernommen werden. Ansonsten blieb es in den Schattenakten oder wurde gar vernichtet. Das Archiv bekam dann nichts von den abwegigen Dingen mit, über die sie sich so ihre Gedanken machte und niederschrieb.

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Richard Andrews kehrte um acht Uhr von seinem Arbeitstag zurück. Degenhard, der Boss, hatte ihn beim Wort genommen und ihn durch die Einführung in die Arbeitstechniken verlorengegangene Stunden nacharbeiten lassen. Immerhin hatte der zu Degenhard übergewechselte Chemiker nun genug Zeit gehabt, die letzten Testläufe für einen neuen Verbundwerkstoff abzuschließen. Als er durch seine Heimatstraße ging, fiel ihm nur auf, daß einer der Hinterhöfe richtig gut gefegt worden war. Anderswo lag Müll herum, sogar ein großer Hundehaufen, der bereits gefroren war. Er ging in seine neue Wohnung und sah dort fern, bis er zu müde war, um noch etwas zu tun. Er legte sich ins Bett und schlief sofort ein.

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Anthelia apparierte mit kampfbereitem Zauberstab in Lobelias Wohnung. Doch diese war ein einziges Trümmerfeld. Alle Möbel waren umgeworfen worden, alle Bücherschränke waren zerstört. Dann hörte Anthelia das leise Summen des Computers. Ihre nachgerückten Schwestern folgten ihr. Eine unheimlich bedrohliche Stimmung lag in der Luft, als würde im nächsten Moment ein Angriff losbrechen.

"Was ist auf dem Bildschirm?" Fragte Pandora leise. Als Anthelia auf den Computer zuging, sah sie, daß die Tastatur und die Konsole spiegelblank war. Sie schrak zurück. Dann ließ sie aus ihrem Zauberstab einen Dampfstrahl herausschießen. Dieser prallte einige Zentimeter vor der Tastatur und der Konsole ab.

"Decompositus", warf Anthelia ein Wort hin, das jedoch keinen Zauber auslöste, sondern bezeichnete. Hier hatte jemand die elektronische Rechenmaschine mit dem tückischen Decompositus-Fluch belegt, der alle lebenden Wesen restlos zu Staub zerfallen ließ, wenn sie ein damit belegtes Objekt berührten. Wasserdampf wurde jedoch abgehalten, ein wichtiges Warnzeichen. Dann spürten Anthelia und Patricia die lauernde Anwesenheit. Wie ein Raubtier mit hoher Intelligenz schlich sich etwas durch das Wohnzimmer heran. Die beiden Telepathen fuhren zeitgleich herum und zielten auf einen hereinwabernden weißen Nebelstreifen. Plötzlich zog sich der Nebel zusammen und wurde zu einer roten, schuppigen Bestie, wie ein Gorilla mit lederartigen Flügeln, der brüllend auf die Eindringlinge zustürzte.

"Avada Kedavra!" Rief Anthelia. Dasselbe rief Patricia. Zwei keine Hundertstelsekunde aufeinanderfolgende Todesblitze aus gleißendem Grünlicht prallten mit wucht auf den Monsterkörper, ließen es aufheulen und zwei Meter zurückweichen. Doch es lebte noch. Die beiden Todesflüche hatten ihm nichts anderes anhaben können. Pandora schleuderte nun ihrerseits den Todesfluch auf die Bestie, dann Dana und Lucky. Irritiert wankte das Scheusal. Dann griff es erneut an. Diesmal brachte Anthelia was anderes hervor:

"ArmaSolis!" Aus ihrem Zauberstab schoss ein gleißendgelber Flammenstrahl, wie ein Speer aus gebündeltem Feuer, der das heranstürmende Ungetüm voll zwischen den beiden vorderen wölbungen traf, die weiblichen Brüsten sehr ähnelten. Der Speer aus gebündelter Glut bohrte sich zischend durch das Schuppenkleid. Heulend zerfloss das Monster zu einer weißen Nebelwolke, die vom Glutspeer hell erleuchtet wurde, wegflog und durch das halb geöffnete Fenster davonwehte.

"Diese Kreatur hat eine höllische Konstitution", stellte Pandora fest, als sie für einige Sekunden frei atmen konnten.

"Sie hat ihre Gedanken abgeschirmt", warnte Anthelia.

"Das heißt, sie wird gleich wieder angreifen", wußte Patricia und fragte sich, ob das Ungeheuer durch das selbe Fenster zurückkommen würde, aus dem es entwischt war.

"Sie hat mindestens acht gestohlene Leben verloren. Das ist die Hälfte dessen, was sie am Tag in sich speichern kann. Sie ... Volle Deckung!" Anthelias Seelenmedaillon glühte und surrte unvermittelt los. Alle fielen auf den Boden, als übergangslos das Ungeheuer aus dem Nichts auftauchte. Anthelia rief ein altes Zauberwort aus, das den Raum in ein himmelblaues Licht tauchte. Das Geschöpf prallte gegen eine Barriere aus Licht, schrak zurück und rannte wieder dagegen. Krachend zerbarst die Barriere. Doch aus dem Körper der Kreatur schlugen kleine blaue Flammen.

"Avada Kedavra!" Riefen alle Hexen außer Anthelia. Vier grüne Todesblitze sirrten ohrenbetäubend laut auf das eine Ziel zu. Krachend warfen sie das schuppige Wesen zurück, um dessen Körper eine grünlich flimmernde Aura erglühte, die besonders intensiv an den Flügelspitzen und um den Unterleib war. Heulend warf sich das Monster herum und legte die Hände zu einem Trichter zusammen. Mit einem Fauchen wie ein knapp über einen hinwegfegender Düsenjäger flog eine schwarze Kugel zwischen den Händen hervor und schlug voll in Lobelias Schreibtisch ein. Knisternd schlossen die angeschlossenen Computerkomponenten kurz. Doch das war nicht das wirklich schlimme.

Das Ungeheuer war in dem Moment verschwunden, als die schwarze Kugel in den Schreibtisch einschlug. Sofort danach explodierte sie in einer Wolke pechschwarzer Flammen, die statt sengender Hitze eisige Kälte verströmten. Die Flammenzungen erfaßten prasselnd und knackend den Schreibtisch, noch ehe die Computeranlage unter den Funken der Kurzschlüsse zu qualmen begonnen hatte. Lucky Withersstarrte erschreckt in dieses unwirkliche Inferno aus dunklen Flammen. Dabei berührte sie mit ihrem Zauberstab eine der äußersten Flammenzungen, die weiter ausgriffen, nach Nahrung gierten. Wie Zunder verbrannte ihr Zauberstab, bevor sie einen unmenschlichen Schrei tat und mit dem Ausdruck höchsten Schmerzes zurücksprang. Ihre rechte Hand stand in diesen unheimlichen dunklen Flammen und brutzelte wie Fleisch in der Bratpfanne.

"O nein! Lucky!" Rief Dana Moore und wollte ihrer Bundesschwester zur Hilfe eilen. Doch Anthelia riss sie telekinetisch zurück. Das dunkle Feuer hatte nun den ganzen Schreibtisch eingehüllt. Knirschend und krachend zerbrach das Metallgehäuse des Computers. Prasselnd, knackend und krachend fraß der unirdische Brand sich weiter fort, verschmähte nichts. Das Ganze war gerade vier Sekunden im Gange, als Anthelia "Sofortiger Rückzug!" rief, mit dem Zauberstab auf Lucretia Withers deutete, die nun laut schreiend in einen tosenden Mantel schwarzer Flammen eingehüllt war. "Avada Kedavra!" Rief Anthelia. Sirrend durchschlug der grüne Blitz die Feuerwolke, schien sie in zwei Hälften zu spalten. Lucretias Schrei brach jäh ab. Sie fiel um und blieb liegen, während das mörderische Feuer sie und die Möbel einschloss. alle anderen disapparierten sofort. Keine Sekunde zu früh. Denn mit einem lauten Schlag schossen die dunklen Flammen zur Decke auf, füllten nun den ganzen Raum. Wer jetzt nicht verschwunden war, war tot.

Weinend apparierte Dana Moore in der Daggers-Villa. Sie sah panisch auf ihre Kleidung, ob irgendwo ein schwarzes Flämmchen züngelte. Doch sie war dem Feuer aus einer anderen Welt entkommen. So ging es auch Anthelia, Patricia und Pandora. Die zeitgleich mit ihr hier eingetroffen waren.

"Drei auf einen Schlag", fluchte Anthelia. "Nur weil Lobelia nicht warten wollte, haben wir drei Schwestern verloren!

"Was ist passiert!" Rief Dido, die gerade von oben herabrannte, um zu hören, was geschehen war.

"Schwester Dido, sofort in dein Zimmer!" Befahl Anthelia mit unumstößlicher Strenge in der Stimme und Haltung. Sie hielt ihren Zauberstab auf das Mädchen gerichtet, das gerade mit großen Augen in die Vorhalle gekommen war. Sie schrak zurück, duckte sich, als würde sie gleich Schläge bekommen. Dann wirbelte sie herum und jagte die Treppen hinauf zu ihrer Dachkammer.

"In den Keller!" Befahl Anthelia leise. sie gehorchten alle und apparierten in den Weinkeller, wo sie ihre eigentliche Zentrale besaßen. An einer Wand hingen dünne Eisenketten lose herunter. Patricia fragte sich, ob der gefangene Verbrecher, der versucht hatte, Cecil Wellington zu ermorden, daraus entkommen war. Doch als sie den silbernen Kerzenhalter darunter sah, lächelte sie flüchtig. Anthelia hatte von ihr gelernt und dem Banditen einen neuen, friedlichen Verwendungszweck zugedacht. Doch das Lächeln verflog sofort wieder. Sie hatten in weniger als drei Stunden drei ihrer besten Bundesschwestern im Kampf gegen ein einziges Wesen verloren. Noch dazu hatten sie alle zu spüren bekommen, wie todbringend diese Kreatur sein konnte, ja selbst schier unverwüstlich war. Neun Todesflüche hatte sie hingenommen, den Sonnenfeuerspeer auch, der jede andere Kreatur wie ein Stück weiche Butter durchbohrt und getötet hätte. Ja, und dann hatte diese Höllenkreatur noch eine Kugel aus konzentriertem Ddunklen Feuer geschleudert. Daran hatte sie die Verwandtschaft zu ihren entfernten Cousinen, den Vilas überdeutlich erkennen können. Nur waren die Vilas wesentlich friedlicher, wenngleich auch ihr Zauber Menschen arg aus dem Tritt bringen konnte.

"Können wir sicher sein, daß die Bestie uns nicht auch hier angreift?" Fragte Dana Moore sichtlich geschockt dreinschauend.

"Nein, kann sie nicht. Der Fideliuszauber ist ein unumstößlicher Schutz. Sie hätte uns nur angreifen können, wenn ich ihr selbst verraten hätte, und zwar aus freien Stücken, wo und wie wir zu finden sind", erklärte Anthelia. "Wir müssen diesen Schwerverbrechern vom Sommer letzten Jahres noch dankbar sein, daß sie mich dazu gezwungen haben, dieses Haus mit dem Fidelius-Zauber zu verbergen. Hier wird die Tochter des dunklen Feuers uns nicht finden. Ja, sie wird nun als hungriges Raubtier umherstreifen, um die so drastisch verlorenen Leben zu regenerieren. Womöglich wird sie sogar ihren Auserwählten auszehren. Warum mußte Lobelia auch los, um ihn zu finden? Wer war es denn?"

"Es muß jemand sein, der in der Gegend von Detroit wohnt. Zumindest hat Schwester Loren das behauptet", sagte Pandora Straton.

"Die Stadt ist nicht gerade klein, und noch einmal in einen Hinterhalt dieser Kreatur zu geraten ist mir heute endgültig die Lust vergangen", warf Patricia ein und fand allgemeine Zustimmung. Anthelia ergriff das Wort

"Lobelia hat ihn gefunden, im Computer. Das heißt, sie konnte seinen Weg und seine Aufenthaltszeiten nachrechnen. Dann müssen wir noch einmal von vorne beginnen."

"Höchste Schwester, außer Schwester Lobelia kennt sich niemand von uns mit diesen Muggelgeräten gut genug aus", wandte Dana Moore ein, die gerade einmal nicht weinen mußte. "Außerdem sind alle Unterlagen verloren, die sie zusammengetragen hat." Patricia Straton hatte zwar ein wenig Ahnung von Computern, aber nicht vom Programmieren. Das brauchte man jedoch, um die Suchmethode zu finden, um den Auserwählten der Tochter des Abgrunds zu entdecken.

"Ich gebe es sehr ungerne zu, Schwestern. Aber wir sind heute von Jägern zu Gejagten geworden. Ich denke zwar nicht, daß Hallitti etwas aufgeschnappt hat, wer und wo wir sind. Aber sie wird nun danach trachten, ihre Verfolger zu finden. Sie hat erkannt, daß sie bedroht wird. Gehen wir davon aus, daß sie und ihre Schwestern schon wildere Schlachten überlebt haben, unter anderem gegen meine Tante Sardonia, wird sie keine Angst haben, sich uns zu stellen. Wobei, ich denke eher, sie wird darauf ausgehen, uns an einen ihr genehmen Ort zu locken. Doch gerade das ist es, was wir auch einkalkulieren müssen. Wir müssen sie dort treffen, wo sie ihren neuen Schlafplatz hat. Denn nur dort können wir sie vernichtend schlagen", sprach Anthelia. Alle anderen wußten, wieso. Denn wo sie ihren Schlafplatz hatte, stand auch das Gefäß, in dem sie überschüssige Lebensessenzen aufbewahrte. Gelang es, dieses zu zerstören, war sie endgültig besiegt, ja mußte sogar vergehen. Doch sie war nun gewarnt und würde grausam zurückschlagen, wenn sie noch einmal bedroht würde.

"Halte mich bitte nicht für feige, höchste Schwester. Aber in dieser Situation sollten wir uns diesem Wesen gegenüber erst einmal still verhalten, damit es nicht von sich aus immer wieder angreift", warf Dana ein. Anthelia sah sie an. Sie erbleichte wieder. Hatte sie was falsches gesagt?

"Du hast recht, Schwester Dana. Jetzt in einen wilden Aktionismus zu verfallen bringt uns nichts ein. Sie ist wie das verwundete Raubtier, nun doppelt oder dreifach gefährlich. Geben wir ihr die Zeit, ihre Wunden zu lecken und verheilen zu lassen! In der Zeit werden wir unsere Sucharbeit wieder aufnehmen und den Mann finden, der ihr nun gehört." Alle atmeten auf. Sie hatten befürchtet, daß Anthelia Dana bestrafen würde. Insbesonddere Patricia hatte dies befürchtet, nachdem sie mit angesehen hatte, wie Anthelia Bellatrix Lestrange gequält hatte. Doch offenbar unterschied diese Hexe wirklich zwischen Notwendigkeit und Unnötigkeit. Dana fragte nur noch vorsichtig:

"War es wirklich nötig, Schwester Lucretia zu töten, höchste Schwester?"

"Ja, leider, Schwester Dana", bestätigte Anthelia und führte noch aus: "Sie hätte den dunklen Brand aus der Finsternis mit zu uns hierhergetragen. Sie hat mit ihrem Zauberstab zu nahe an einer Flamme gestanden. Magische Gegenstände und Lebewesen bieten dem dunklen Feuer noch heftigere Nahrung. Außerdem habe ich ihr eine Minute unabwendbare Todesqual erspart." Alle nickten zustimmend. Ändern ließ es sich eh nicht mehr. Außerdem war es schon wieder spät am Abend, kurz vor zehn Uhr. Anthelia wußte, daß sie ihren Schlafrhythmus einhalten mußte. Deshalb schickte sie alle Schwestern nach Hause. Dana Moore sollte bei Pandora und Patricia Straton übernachten, verfügten die beiden und nahmen sie mit. Sie wußten was es hieß, eine gute Freundin zu verlieren. Außerdem würde Dana es den Leuten um Lady Ursina vielleicht erklären müssen, was Lucky Withers in den Staaten zu suchen hatte, wenn man ihre Leiche noch nach dem dunklen Höllenfeuer finden würde.

in Pandoras Haus unterhielten sich die drei noch drei Stunden über die Ereignisse des langen Tages, der für Patricia und Dana auf zwei Kontinenten stattgefunden hatte. Patricia ließ diese überbeschleunigte Schwangerschaft von Bellatrix nicht los. Sie hatte gemeint, die meisten Körperflüche zu kennen. Pandora erklärte ihr und Dana, was Anthelia da angestellt hatte.

"Dieser Baum ist ein Lebensquell, Patricia und Dana. Wenn man die richtigen Zauberformeln kennt, kann man Lebensprozesse beschläunigen oder verlangsamen. Deshalb konnte Anthelia auch das so hervorgezwungene Kind dem Baum übergeben. Ich weiß nicht, ob ich das so toll finde, was sie mit Bellatrix Lestrange gemacht hat. Aber wenn es dient, sie von diesem Wahnsinnigen abzubringen, wird sie ihr Kind wohl auf natürliche Weise zurückbekommen."

"Ja, und was hätte sie gemacht, wenn die Lestranges nicht Liebe gemacht hätten?" Fragte Dana.

"Wie gesagt, Dana und Patricia: Dieser Baum kann Lebensprozesse beschleunigen oder verlangsamen. Die höchste Schwester hätte Bellatrix auch in dem Tempo altern oder jünger werden lassen können, in dem sie ihr Kind ausgetragen hat. Deshalb war Bellatrix wohl auch so in Panik. Sie kennt den unfällbaren Baum, die dunkle Lebenseiche, den Richtbaum. Manchmal kommen unter dem Baum die stärksten Alraunen aus der Erde."

"Also, unheimlich ist es mir auf jeden Fall", sagte Patricia. Dann fragte sie, warum der dunkle Lord sich dieses Baums nicht bediente.

"Um sich des Baumes würdig zu erweisen muß jemand ein Opfer von sich selbst bringen, Kind. Anthelia hat ihn wahrscheinlich aufgesucht und geprüft, ob er sie noch als diejenige anerkennt, die ihm schon einmal geopfert hat. Glaube mir, daß ich mit Anthelia in den Jahren, wo sie noch keinen eigenen Körper hatte über vieles aus ihrer Vergangenheit sprach. Einiges davon dürft ihr nicht wissen, anderes davon würdet ihr nicht wissen wollen", erwiderte Pandora Straton.

"Gehörte dazu auch eine Prüfung, um zu werden, was sie jetzt ist?" Fragte Patricia, die nicht beliebig in Anthelias Geist lesen konnte, weil die sich immer dagegen abschirmte.

"Genau", erwiderte Pandora Straton. "mehr müßt ihr nicht wissen."

Eine Stunde nach Mitternacht gab Pandora Dana eine Tasse Träum-Gut-Tee und bettete sie im kleinen Gästezimmer zur Ruhe. Mr. Straton und der Sohn des Hauses waren im Moment wieder nicht da. Sie nahmen an einer Expedition in Zentralasien teil. Den weiblichen Mitgliedern der Familie kam das gut zu Pass, weil sie so ruhig für die Spinnenschwesternschaft arbeiten konnten. Ja, die Spinne hatte heute mindestens eines ihrer Laufbeine verloren. Denn zum einen durften sie jetzt nicht so rasch hinter dem Succubus herjagen. Zum anderen war zu vermuten, daß die Nachtfraktion sich nicht einfach damit abfinden würde, daß eine englische Bundesschwester in den Staaten verschwunden war, wenn das überhaupt herauskam. Immerhin hatte Dana wie alle anderen aus anderen Orden angeworbene Hexen einen Schutz vor legilimentischen Enthüllungen verpaßt bekommen. Mochten die um Lady Ursina doch denken, Lucretia Withers sei irgendwie verschwunden. Doch was würden die im londoner Zaubereiministerium dazu sagen, daß ihre Ungezieferexpertin von einem übergroßen Schädling verbrannt worden war, der nicht mehr im britischen Hoheitsgebiet herumstreifte? Sie wußten es nicht.

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Das Haus war nicht mehr zu entdecken. dunkle Feuersäulen ragten hoch über den Schornstein hinaus und verbreiteten zusätzliche Eiseskälte in dieser Winterabendluft. Da jedoch bei diesem Inferno auch eine Menge elementarmagischer Aufruhr entstand, dauerte es nach dem Brandausbruch keine Minute, und dreißig Zauberer und Hexen in den dunkelroten Umhängen der Katastrophentruppe tauchten auf. Sie erkannten sofort das Ausmaß der Verheerung. Die Gefahr bestand, daß die Flammen durch ihre eigene Luftströmung auf andere Gebäude überspringen würden.

"Dunkles Feuer, Leute! Das können wir nur mit magischem Feuer bändigen!" Rief der Truppführer. Fünfzehn Mann umringten den Brandort in respektvollem Abstand. Die übrigen prüften, wer das unirdische Spektakel mitbekam. Die nachtschwarzen Flammen erregten wohl nicht sofort Aufmerksamkeit. Doch wenn jemand aus dem Fenster sah und dunkle Schatten zucken sah wie Feuer auf einem abgespielten Filmnegativ, war dies um so außergewöhnlicher.

"Höchsten Feuerring bilden! Drei, zwei, eins Flammanulus Altissimus!" Nach der Anweisung des Truppführers riefen die umstehenden Zauberer die Formel für den höchsten Feuerring im Chor auf. Einer alleine hätte einen Flammenring von vier Metern Höhe aufrufen können. So schafften die fünfzehn Leute einen hohen Ring aus nichtfunkensprühendem und rauchendem Feuer, das so eng um die Brandstelle stand, daß die dunklen Flammen keinen Spielraum mehr hatten. Als sie in das Gegenfeuer griffen, schrumpften sie. Zwar wurde der vereint gezauberte Feuerring dadurch auch etwas niedriger und dunkler. Doch so gelang es innerhalb von fünf Minuten, sogar unter Einsatz von Feuerkugeln, die breite Schneisen in die Flammensprengten, das dunkle Feuer langsam zu ersticken. Jane Porter, die nur nachsehen wollte, was Lobelia Wagner hier über ihren Ausflug nach Bay City vorrätig hatte, sah den mit Feuer Feuer bekämpfenden Zauberern zu, bis die düsteren Flammen gänzlich zusammenfielen. Gerade noch rechtzeitig, bevor der künstliche Feuerring selbst erlöschen mußte.

"Sieh an, irgendwer wollte Spuren und Zeugen beseitigen", dachte sie und kehrte ohne weiteres Wort mit den Zauberern zu wechseln nach New Orleans zurück. Sie holte den Ordner mit ihrer Schattenakte und notierte auf einen freien Pergamentzettel:

"Nachtrag zum massaker in Bay City, Michigan. Heute Abend wurde das Haus der muggelstämmigen Hexe Lobelia Wagner ein Raub des unheimlichen dunklen Feuers. Dieses Feuer kann nur durch schwarzmagische Energie entfacht werden, brennt dann jedoch alles nieder, was auch natürlichem Feuer anheimfällt, besitzt jedoch eine besondere Vorliebe für Metalle und magische Gegenstände und Lebewesen. Einen direkten Zusammenhang kann ich nicht herstellen, aber eine Mutmaßung äußern:

Die Beiden Vorkommnisse haben zwei gemeinsame Nenner: Zum einen ist Lobelia Wagner in beide Fälle verwickelt. Im ersten direkt als Opfer, im zweiten ihr Haus und Hausrat. Zum zweiten wird berichtet, daß in der Riege der sogenannten Töchter des Abgrunds eine vorkommt, die "Tochter des dunklen Feuers" heißt, weil sie die Eigenschaft besitzt, schwarzmagische Energie in dunklem Feuer zu entladen. Eine reine Vermutung lautet: Die Tochter des dunklen Feuers, Hallitti, treibt sich zurzeit in den vereinigten Staaten herum. Da diese Wesen von der Lebenskraft geschlechtsreifer Männer zehren, muß geklärt werden, ob es zu darauf hindeutenden Vorfällen kam oder kommt."

Sie überlegte, ob sie das in New York registrierte Vorkommnis mit dem regelrecht aus dem Leben gebrannten Triebtäter erwähnen sollte, behielt sich jedoch vor, darauf später noch einmal einzugehen. Dann schloß sie ihr Büro, versiegelte es mit einem Zauber, der nur von ihr oder Davidson gebrochen werden durfte, ohne Alarm auszulösen und kehrte in ihr Haus am Weißrosenweg zurück.

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Die Tochter des dunklen Feuers war wütend, ängstlich und erschöpft. Man hatte ihr nachgestellt. Zwei Hexen hatten versucht, ihren Auserwählten zu fangen. Dies gelang jedoch nicht, weil dieser länger an seinem Arbeitsplatz bleiben mußte. So hatte sie die beiden in einem Handstreich getötet und zerrissen. Doch als sie in das Haus der Hexe eindrang, die ihr auf die Spur gekommen war, war sie von einem mächtigen Fluch, dem Decompositus-Fluch, davon abgehalten worden, die Maschine zu zerstören, die ihr Geheimnis bewahrt hatte. Sie konnte diesen Fluch nicht aufheben. So wollte sie warten, bis jemand kam, der ihn löschen würde. Doch als dann fünf Hexen auf einmal kamen, war sie entdeckt worden. Zwei von ihnen konnten ihre geistige Ausstrahlung spüren. Sie hatte angegriffen und war voll in zwei Todesflüche hineingerannt. Ja, und dann wurde sie von allen Seiten mit diesem Zauber angegriffen, der jeder für sich ein ganzes Leben aus ihr heraustrieb. Als dann ein Speer aus magischem Feuer in sie hineingestoßen wurde, mußte sie fliehen. Doch sie hatte noch zehn Leben in sich. Sie mußte die Maschine zerstören. Ja, und so war sie einfach im Raum erschienen, und sofort wieder angegriffen worden. Gerade so konnte sie noch das Dunkle Feuer zwischen ihren Händen zusammenballen und auf den Tisch mit der Speichermaschine werfen. Doch dann mußte sie endgültig fliehen. Sie war sich nur sicher, daß mindestens zwei der Eindringlinge bei dem entfachten Dunkelfeuer sterben mußten und die Geheimnisse, die in der Maschine gesteckt hatten, auch verbrannten.

Jetzt lag sie in ihrem Lebenskrug und atmete neues Leben ein und ließ es in ihrem Leib pulsieren. Man hatte es wieder gewagt, sie zu stören. An und für sich wollte sie heute noch zu Richard. Doch sie wollte jetzt genug Lebenskraft in sich sammeln, um einem neuen Angriff besser begegnen zu können.

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"Mr. Peter Saunders?" Fragte ein sehr heftig wie ein Polizist aussehender Kerl wie ein Gewichtheber.

"Wer möchte das wissen?" Fragte der schnieke angezogene Geschäftsmann, der gerade seinen Flugschein nach Frankfurt am Main aus der Tasche holte.

"Scotland Yard", sagte der Fremde und hielt dem Reisenden einen Ausweis unter die Nase.

"Was kann ich für Scotland Yard tun?" Fragte der Passagier.

"Sie dürfen uns begleiten. Ihr Flug findet heute nicht mehr statt", sagte der Polizeioffizier.

"Ich sehe keinen Grund, weswegen Sie mich mitnehmen sollten", sagte der Passagier ruhig.

"Ach, die drei Stahlkanister mit dem Bleimantel, die in ihrem Container mit Maschinenteilen gefunden wurden sind schon ein Grund, Sie zu verhaften, Sir. Also kommen sie bitte mit!" Sagte der Polizist und hantierte an seiner Jacke. Der Passagier erbleichte und wurde dann rot vor Zorn. Wer hatte ihn verpfiffen? Das konnte nur dieser Waxman gewesen sein.

Im Yard-Gebäude warteten auch schon zwei nette Herren vom Geheimdienst. Sie warteten damit auf, daß sie einen Tipp bekommen hätten, daß Peter Saunders 45 Kilogramm waffenfähiges Plutonium nach Pakistan verschieben wollte. Die Ladung sei bereits in Sallerfield überwacht worden, bis man genug Beweise hatte, um die Festnahme zu rechtfertigen. Saunders legte wenig später ein umfassendes Geständnis ab. Aber er verschwieg Waxman. Denn von diesem wußte er, daß der sich jederzeit da rauswinden konnte. Er würde irgendwann wieder aus dem Gefängnis kommen. Dann würde er sich seinen Schadensersatz von diesem Unternehmerschwein holen.

So hatte Anthelia zum ersten Mal in ihrem zweiten Leben wahrhaftig einen großen Dienst an der Menschheit getan.

ENDE

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