DIE ANTWORTEN AUF SIEBEN FRAGEN

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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Was bisher geschah | Vorige Story

P R O L O G

Düstere Stimmung liegt auf der Zaubererwelt. Dumbledores gewaltsamer Tod läßt fast alle Hoffnungen auf eine sichere Zukunft verschwinden. Julius darf früher als sonst in die Ferien. Doch diese sehen nicht nach purer Erholung aus. Zunächst geraten Joe Brickstons Eltern mit Catherines Tante Madeleine aneinander, was zur Aufdeckung von Catherines magischen Kräften und zauberischer Verwandtschaft führt. Allerdings kann dieser sogenannte Fall Rumpelstilzchen doch noch zu einem guten Ende für alle gewendet werden. Bei einer Feier bei Barbara Latierre erfährt er, daß sein Abenteuer mit der geflügelten Kuh Artemis diese irgendwie auf ihn fixiert gemacht hat und wird in ein weiteres Familiengeheimnis der Latierres eingeweiht. Denn einer der auf dem Hof wachsenden Kirschbäume ist in Wirklichkeit die wegen Trauer und Einsamkeit freiwillig in dieser Lebensform bestehende Urgroßmutter Mildrids. Dann taucht Darxandrias in Julius' vergrabenes Vermächtnis wieder auf. Die alte Herrscherin von Atlantis, die einige Splitter ihres Wissens und ihrer Selbst in ihm hinterlassen hat, warnt ihn vor dunklen Kriegern, über die Voldemort Macht erlangen möchte und gibt ihm auf, mit dem in der alten Festung der Morgensternbrüder errungenen Stein auf die Suche nach der alten Stadt zu gehen, in die sie ihn immer wieder in seinen Träumen geholt hat. Er weiht Millie und seine Mutter in die früheren Erlebnisse ein und kann mit Hilfe von Professeur Faucon den magischen Stein, den er als Lotsenstein kennengelernt hat, dazu benutzen, in jene alte Stadt zu reisen. Doch Khalakatan, wie die Stadt heißt, beherbergt gefährliche Einwohner aller magischen Elemente, an denen Julius gerade so vorbeikommt und in einem himmelhohen Turm in einer kugelförmigen Halle auf die wie Energiewesen überdauernden Erzmagier trifft, die zur Zeit Darxandrias gelebt haben. Von ihnen lernt er zwar nützliche Zauber, erfährt jedoch auch, daß er Skyllians Zepter, mit dem die in seinen dunklen Träumen verheißenen Krieger geweckt und geführt werden können, erst dann findet, wenn über dem antarktischen Kontinent die Sonne aufgeht.

Nachdem er nun weiß, daß er offenbar noch eine wichtige Rolle im Kampf gegen die alten Monster aus Atlantis spielen wird, reisen er und seine Freundin Millie in die Staaten, um Brittany Foresters erstes professionelles Quodpot-Spiel zu sehen. Dabei stößt er auf ein weiteres unheimliches Geheimnis. Denn die gerade einige Monate alte Tochter Peggy Swanns, einer alleinstehenden Hexe, ist in Wirklichkeit ihre durch Wiedergeburtszauber von einem schweren Fluch erlöste Mutter, die Julius dafür gewinnen will, mit ihr und anderen ihrer Bundesschwestern gegen die Wiederkehrerin zu arbeiten, von der er nun sicher weiß, daß es Anthelia vom Bitterwald ist. Er lehnt jedoch die Zusammenarbeit ab, weil ihm Larissas Mitschwestern nicht anständig genug sind. Bei Brittanys Premierenspiel lernt er die Familie Newton mit dem Gedächtniswunder Simon und dem gerade zehn Monate alten Verwandlungskünstler Otto kennen. Er bringt Brittanys Mannschaftskollegen den Dawn'schen Doppelachser bei.

Millie verlockt ihn dazu, mehrere Nächte mit ihr in einem kleinen aber undurchsichtigen Zelt zu verbringen, was Brittany zwar mitbekommt, aber nicht weitererzählt. Am achtzehnten Juli ziehen Brittany, Millie und Julius für einen Tag zu den Redliefs um, die in einem imposanten Turm mit gläsernem Aufsatz wohnen und erleben mit, wie Mrs. Dione Porter in New Orleans eine Zweigstelle ihres Kosmetikhandels eröffnet, was einigen übersittsamen Hexen so sehr mißfällt, daß der Laden am nächsten Tag bis zu einer offiziellen Aussprache geschlossen wird. Julius hofft für Glorias Cousine Melanie, daß sie weitermachen kann. Doch zunächst stehen zwei Feste in Millemerveilles an, von denen das eine ihn unmittelbar betrifft.

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FAST KEINER VON DEN ZWEIFUßLÄUFERN MEHR DA. ICH SEHE MEINE MUTTER, DIE SAGT, DAß SIE MIT EINEM KIND IST. DESHALB IST SIE JA AUCH HIERGEBLIEBEN. AH, DAS GROßE WARME LICHT IST JETZT GANZ OBEN. ICH HABE VIEL DURST. VIEL WASSER DA. DA KOMT DIE GROßE ALTE, WEGEN DER ES UNS GIBT, WIE MUTTER SAGT. SONST IST DIE IN EINER DIESER HOHEN HARTPFLANZEN MIT DEN VIELEN GRÜNEN FLACHEN DINGERN DRAN EINGESPERRT ODER MACHT, DAß SIE DAS SELBST IST. ABER JETZT SOLL DIE WOHL AUF UNS AUFPASSEN. SIE SIEHT, OB NOCH GENUG WASSER DA IST UND GEHT DANN WIEDER DAHIN, WO SIE IN DER HOHEN HARTPFLANZE DRINSTECKT. MANN, IST MIR LANGWEILIG!

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Mit einem dumpfen Knall erschien die sonnenuntergangsrote Lichtkugel in einer blauen, kreisförmigen Fläche und klaffte am oberen Pol auf, während sie blitzschnell im Boden versank. Martha Andrews stand rechts neben Camille Dusoleil und sah auf die blaue Kreisfläche, wo gerade zehn Personen eingetroffen waren. Sie sah ihren Sohn Julius von hochgewachsenen Mädchen umringt. So wirkte er wie der Hahn in einem Korb stattlicher Hühner, dachte sie behutsam lächelnd. Gloria Porter hatte in den Monaten seit dem Elternsprechtag in Beauxbatons auch noch einmal einige Zentimeter Körperlänge zugelegt, erkannte Martha. Womöglich würde sie in zwei oder drei Jahren ein wenig größer als Julius sein. Millie hatte ihn jedoch schon mit fünfzehn Jahren überholt, trotz des Vorsprungs, den seine unnatürliche Alterung ihm zunächst verschafft hatte. Die weizenblonde Brittany mochte so groß wie Millies Mutter und ihre ältere Schwester Martine sein, dachte Julius' Mutter. Melanie Redlief hatte offenbar etwas abgenommen, staunte Martha. Myrna hingegen war immer noch etwas pummelig gebaut.

"Jetzt können wir hin", stellte Camille Dusoleil fest. Martha und sie traten an den Rand des blauen Kreises, der von hohen Schirmblattbüschen umgeben war. Martha eilte auf Julius zu und begrüßte ihn noch vor Camille Dusoleil, die ihr zwei Sekunden Vorsprung gab, bevor sie selbst vortrat und den äußerlich schon gut herangewachsenen Jüngling umarmte, den sie leider nicht als ihren Schwiegersohn bekommen hatte. Dann Begrüßten Martha und Camille die mit Julius eingetroffenen Gäste, wobei Millie zu ihrem eigenen Erstaunen sehr herzlich von Camille umarmt wurde. Dies gefiel Madame Faucon nicht so recht. Sie blickte mißmutig zu Camille und Millie hinüber, die sich wie Mutter und Tochter, oder eher doch wie Tante und Nichte umarmten. Martha sprach derweil mit Brittany und den Redlief-Schwestern.

"Ich weiß nicht, wie das mit euch gehandhabt wird. Hat Madame Faucon was von einem Wechselzungentrank erzählt?"

"Sie hat geklärt, wer von uns Französisch kann", erinnerte sich Brittany. "Wir bekommen keinen Wechselzungentrank. Ist mir auch lieber, weil in dem Jarvey-Blut mit verrührt wird", setzte sie grummelnd hinzu.

"Tante Di und Glo werden wohl für uns übersetzen, Ma'am", fügte Melanie hinzu. "Wir bleiben ja nur bis übermorgen früh hier, bevor hier das andere Fest steigt."

"Apropos", sagte Martha und wandte sich Julius zu, der gerade mit Camille und Millie zusammenstand. "Julius, wir beide möchten noch einmal zu Eleonores Haus kommen, wenn du dein Gepäck bei Camille untergestellt hast. Soweit sie mir das über Camille mitgeteilt hat sind die Hellersdorfs vor zwei Stunden hier eingetroffen und würden uns gerne sehen, damit sie wissen, daß sie hier nicht alleine sind."

"Ist gut, Mum", sagte Julius dazu, während Mr. Porter mit Madame Faucon klärte, wo er die beiden Zelte aufbauen konnte, die er als eine Art Doppelrucksack auf dem Rücken trug. Dann fragte Marthas Sohn sie noch: "Wann bist du denn genau hier eingetrudelt, Mum?"

"Vor einer Stunde mit Catherine und ihrer Familie. Ich bin gleich zu Camille gegangen, während sie bei Madame Faucon Quartier bezogen haben."

"Yo, Britt, dann können wir unsere Klamotten schon unterbringen, wenn Onkel Plinius weiß, wohin es geht", sagte Mel zu Brittany. Diese nickte ihr zu.

"Ist deine Tasche mit dem Besen dran diebstahlsicher gezaubert?" Fragte Camille Dusoleil Julius. Dieser nickte bestätigend. "Dann bringe ich dich damit mal eben zu uns. Dann können deine Maman und du gleich zu Eleonore weitergehen. Leider darf ich sie ja nicht auf dem Besen mitnehmen oder apparieren."

"Das ist wohl leider richtig", wandte Martha ein. Sie verschwieg Camille jedoch, daß sie von einigen der Latierres schon mal auf die fast zeitlose Weise mitgenommen worden war.

"Okay, Julius, dann warte ich hier, bis Camille dich zurückbringt", sagte Martha ihrem Sohn und winkte. Brittany folgte den Porters und Redliefs, während Catherine sich an Millie wandte. Was diese ihr zu sagen hatte bekam Julius jedoch nicht mit, weil Camille ihn mal soeben am rechten Arm ergriff und mit sich in die kräftig zusammenstauchende Apparition hinüberzog, deren Endpunkt genau vor einer Tür auf einem Julius wohlbekanntem Flur lag.

"Ihr habt wieder das Waldlandschaftszimmer, Julius. Deine Mutter hat ihre Sachen dort schon eingestellt."

"Ist Florymont nicht im Haus?" Fragte Julius.

"Der ist in seiner Werkstatt. Uranie ist bis morgen früh in St. Tropez, und Denise ist bei Jeanne. Seitdem sie Tante ist ist sie häufiger bei Viviane Aurélie als bei uns", gab Camille lächelnd Auskunft. Julius dachte in einem trüben Moment daran, daß Denise Vivianes einzige direkte Tante war. Denn die andere lebte jetzt in einer anderen Welt außerhalb von Leben und Tod.

"Schläft die da auch? Hätte nicht gedacht, daß Denise Spaß am Babysitten hätte. Babette ist da ja nicht so von begeistert, solange sie ihren Vater nicht mit diesen Teletubbies ärgern kann."

"Weil Babette bis Claudines Ankunft keine Geschwister hatte und Denise es schön findet, daß sie nicht mehr "die Kleine" in der Familie ist", erwiderte Camille vergnügt. "Ich finde das schön und traurig zugleich, weil ich jetzt häufiger in einem leeren Haus bin."

"Deine Schwägerin ist in St. Tropez, wo die reichen Muggel Urlaub machen?" Fragte Julius.

"Ja, denk mal an, Julius. Offenbar gefällt ihr der Strand dort mehr als die Ruhe hier", entgegnete Camille. Dann fand sie jedoch, daß Julius seine Reisetasche abstellen möge, damit sie ihn wieder zu seiner Mutter bringen könne. So legte Julius die unausgepackte Reisetasche in den versteckten Kleiderschrank im Gästezimmer mit der lebendig wirkenden Waldlandschaftstapete und ließ sich von Camille wieder durch diesen zusammenquetschenden Tunnel durch das Raum-Zeit-Gefüge ziehen.

"Hat Madame Delamontagne gemeint, daß nur Julius und seine Mutter zu ihr hinsollen, Tante Camille?" Fragte Mildrid.

"Du möchtest bitte zu der großen Wiese fliegen, wo deine Verwandten in einer halben Stunde landen wollen", sagte Camille. "Deine Mutter wollte zwar schon hier am Ausgangskreis warten, konnte sich aber nicht gegen ihre Mutter und ihre Schwester Barbara durchsetzen, die gerne eine Anreise im Familienverbund machen wollen."

"Kapiere, Oma Line wollte wieder mit allen ihren Kindern anreiten", grummelte Millie. "Aber geht klar, Tante Camille. Ich fliege dann zur Wiese. Britt und Mel wollten da wohl auch noch hin, weil die noch keine Latierre-Kuh in echt gesehen haben."

"Die werden ja keine zweihundert Meter davon weg lagern", sagte Madame Faucon. "Ich hoffe, die Eltern Glorias vertragen sich gut mit deiner Sippschaft, Mildrid."

"Nur wenn die nicht beißen", erwiderte Millie keck.

"Ein wenig mehr Anstand stünde Ihnen sehr gut, Mademoiselle Latierre", fauchte Madame Faucon. Catherine sah Julius an und mentiloquierte ihm:

"Maman ist momentan nicht gut gelaunt." Julius gab darauf keine wie auch immer geartete Antwort. Er blickte seine Mutter an und ging mit ihr davon, während Millie ihren Besen bestieg und wie von einem Dampfdruckkatapult abgefeuert davonschoß.

"Sollten wir Joe und die Hellersdorfs nicht auch zusammenbringen?" Fragte Catherine ihre Mutter.

"Nein, Eleonore und ich möchten, daß Laurentines Eltern zunächst mit denen Kontakt bekommen, die unserer Lebensweise positiv gegenüberstehen, Catherine", grummelte Madame Faucon. Dann wandte sie sich an Camille. "Es ist zwar sehr nett von dir, daß du Julius noch die Nachträglichen Gäste genehmigt hast. Aber es wäre bestimmt nicht verkehrt gewesen, ihn bestimmt zurechtzuweisen, daß er nicht einfach so mal eben zusätzliche Besucher anbringen möge."

"Blanche, wir hatten es schon einmal, und ich wundere mich bei deinem Gedächtnis, daß ich das noch einmal sagen muß. Julius wohnt bei uns im Hause. Und wer bei uns im Haus wohnt untersteht unseren Vorstellungen von anständig und unanständig. Natürlich hätte ich Julius darauf hinweisen können, daß er nicht einen Tag vor der Rückkehr drei zusätzliche Gäste anmelden könne. Aber zum einen war mir das klar, daß er die drei jungen Damen doch noch gerne dazuholen würde, wenn die es wollten und zum anderen habe ich in meinem Garten genug Platz, und Florymont hat mit Julius' Hilfe so gut verdient, daß wir es uns als Ehre anrechnen, ihm einen so unbeschwerten Geburtstag wie es geht auszurichten. Oder mißfällt dir etwas an den drei Mesdemoiselles aus den Staaten?"

"Auf den ersten Blick nicht, Camille. Es geht mir lediglich darum, trotz allen Wohlwollens noch bestimmte Anstandsregeln zu verdeutlichen."

"Wenn Julius dich gefragt hätte, ob du noch drei Gäste mehr in deinen Garten kommen lassen würdest hättest du auch nicht nein gesagt, Maman", warf Catherine ein.

"Das tut jetzt nichts zur Sache", schnaubte Madame Faucon. "Julius hat in den letzten Monaten viel durchgemacht. Aber das berechtigt nicht zu übergroßer Nachsicht."

"Du bist doch nur verstimmt, weil der Junge sich Lines Enkeltochter als neue Gefährtin ausgesucht hat", warf Camille eine Bemerkung ein, die ganz sicher kräftig einschlug.

"Mir ist bewußt, daß ich die bestehende Lage nicht rückgängig machen kann, Camille. Wenngleich ich nach wie vor der festen Überzeugung bin, daß Julius sich eine besser zu ihm passende Partnerin hätte suchen können."

"Maman, das Thema hatten wir doch schon mehr als ausreichend", seufzte Catherine. "Die beiden haben erkannt, daß sie füreinander viel empfinden und müssen nun mit den Marotten des jeweils anderen zurechtkommen. Denkst du nicht, daß Mildrid durch die Verbindung mit Julius einiges lernt, von dem du findest, es gehöre sich so?"

"Ich fürchte, Catherine, dein Schutzbefohlener lernt lieber als dieses junge Ding, auf dessen Werben er eingegangen ist", knurrte Madame Faucon. Catherine verzichtete auf eine Erwiderung. Camille sah Blanche Faucon nur betrübt an. Schwieg jedoch genauso wie Catherine.

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"Und wann genau bist du wieder in Frankreich gelandet?" Fragte Julius seine Mutter auf dem Weg zum Haus der Delamontagnes.

"Heute morgen unserer Zeit, Julius. Der deutsche Zaubereiminister Güldenberg selbst wollte sich in allen relevanten Einzelheiten vorführen lassen, was die eingerichtete Verbindung tun und lassen sollte. Zum Glück spricht er ein ziemlich gutes Englisch, wenngleich mit deutschem Akzent", antwortete Martha.

"Und, war viel los wegen der Fußball-Europameisterinnen?" Fragte Julius weiter.

"In Frankfurt muß die große Feier stattgefunden haben. Da ich ja einen Direktflug nach Berlin hatte bekam ich davon nicht viel mit", erwiderte Martha. "Überhaupt eine interessante Stadt, dieses Berlin. Da werden gerade hypermoderne Büro- und Wohnkomplexe fertiggestellt, und ein paar U-Bahn-Stationen weiter kannst du alte Stadtviertel oder noch ältere Schlösser besichtigen. Ich war mit einer Gräfin Greifennest im Schloß Charlottenburg. Sie läßt dich übrigens grüßen."

"Oh, da hattest du ja eine ganz prominente Reisebegleitung. Du weißt ja, was sie beruflich macht."

"Oja, und wir hatten ein interessantes Gespräch über die verschiedenen Schulsysteme. Da du ja ähnlich wie das Fräulein Eschenwurz nicht von Anfang an in Beauxbatons warst fand sie es wohl ebenso informativ, sich von mir anzuhören, wie ich deine Umschulung empfunden habe."

"Will sagen, die nette Gräfin hat dich ausgeforscht?" Fragte Julius keck.

"Sagen wir es so, daß ich ihr nur die Details preisgegeben habe, von denen ich finde, daß wir beide uns nicht dafür schämen müssen."

"Will sagen, doch alles", erwiderte Julius darauf. Denn ihm fiel nichts ein, wofür er sich im Bezug auf seine nun zwei Jahre in Beauxbatons hätte schämen müssen. Selbst als er Belles Zwillingsschwester war hatte er nichts angestellt, was ihm peinlich sein müßte.

"Jedenfalls bedanken sich die deutschen Hexen und Zauberer für die Einrichtung eines Internetknotens, der ihnen hilft, die Geheimhaltung der magischen Welt zu sichern, ohne dafür irgendwen körperlich oder seelisch angehen zu müssen."

"Ich hatte auch lustige Tage", begann Julius ein neues Thema und schilderte die Erlebnisse in VDS, wobei er seiner Mutter jedoch Millies heimliches Zwei-Personen-Zelt verschwieg. Brittanys Spiel und das Training mit den Quodpottern beschrieb er jedoch sehr umfassend. Er gab weiter, daß sie sie gerne mit auf dem Segelausflug dabeigehabt hätten und daß Brittanys Mutter das vielleicht noch einmal wiederholen würde, wenn die Andrews zusammen in VDS verweilen würden. Doch Peggys Tochter erwähnte er mit keinem Wort. Erst wollte er sich von Madame Faucon anhören, was er von der Sache zu halten hatte. Mochte es angehen, daß die Nachtfraktions-Hexen ihn tatsächlich nicht mehr aus den Augen ließen? Falls ja, wie konnte er sich dagegen wehren? Sollte er sich überhaupt dagegen wehren?

"Ich hatte den Eindruck, daß Brittany und Mildrid sich sehr gut verstehen, Julius. Wie kommt das?"

"Das kann ich dir nicht sagen, Mum. Das versteht wohl nur ein weibliches Wesen, und das bin ich ja doch nicht", erwiderte Julius.

"Gerade das, weil ich sowas bin, hat mich zu der Frage getrieben, wieso die beiden sich immer noch so gut verstehen, wo ich schon den Eindruck hatte, daß Brittany nicht so begeistert von Millie war."

"Zum einen ist Brittany eine ziemlich direkte Type, die problemlos rausläßt, wenn ihr wer nicht so recht paßt. Auf der anderen Seite hat sie aber den Durchblick, wenn eine Situation so ist wie sie ist. Ihr Vater meinte mal, daß Brittany wohl gerne noch eine kleine Schwester gehabt hätte", sagte Julius. Daß Brittanys Vater sich wegen der verheimlichten Unbedachtsamkeit seiner Tochter auf unbestimmte Zeit abgesetzt hatte war das dritte Erlebnis, über das er seiner Mutter mit keinem Wort berichtete.

"Und du hast gegen Brittanys Mutter mehrere Schachpartien gewonnen?" Fragte Martha ihren Sohn nach dem Austausch von Reiseerlebnissen.

"Ich habe jetzt ein paar Varianten raus, mit denen ich Line vielleicht beeindrucken kann, sollten die uns wieder gegeneinander spielen lassen, solange ich nicht aus dem Turnier fliege", sagte Julius.

"Nun, Line und Eleonore werden wohl sehr traurig sein, wenn sie nicht gegen dich antreten dürften", bemerkte seine Mutter dazu.

"Ist nur schade, daß du nicht mitmachen darfst", wandte Julius ein.

"Da vorne ist schon der Schachgarten", sagte Martha und deutete auf eine etwa einhundert Meter entfernte Ansammlung schwarzer und weißer Gebilde. Julius nickte und beschleunigte seine Schritte.

Madame Delamontagne sah zwar immer noch sehr füllig aus, wirkte aber nicht mehr so wuchtig wie während ihrer letzten Schwangerschaft. Sie begrüßte Martha und Julius Andrews mit der landestypischen Umarmung und den Wangenküssen. Dann führte sie sie durch den Garten zu einem Tisch, an dem Virginie gerade mit Babette, zwei wohl zehnjährigen Mädchen mit strohblonden Pferdeschwänzen und einem leicht untersetzten Mädchen in Julius' Alter sprach. Babette deutete auf Julius, worauf sich das gutgenährte junge Mädchen mit der hellblonden Dauerwellenfrisur umdrehte und Julius mit tiefblauen Augen anblickte.

"Ach, du bist jetzt auch da?" Grüßte sie. Es war Laurentine Hellersdorf.

"Ja, wir sind gerade vor so zwanzig Minuten mit der Reisesphäre aus New Orleans über Paris angekommen", sagte Julius und begrüßte erst die junge Braut Virginie, dann Laurentine und dann die anderen Mädchen. Die beiden in Babettes Alter waren Virginies entfernte Cousinen Louise und Geneviève.

"Arons zwei Cousinen Lucille und Jacqueline sind mit Oma Oleande bei Madame Arachne, weil die Kostüme umgeändert werden müssen und Oma Oleande das nicht so recht hinbekommt", berichtete Virginie, wo die beiden letzten Brautjungfern abgeblieben waren. Denn sie wollten ja mit sechs Brautjungfern zum Gemeindehaus ziehen.

"Ach, deine Großmutter ist schon länger hier?" Fragte Julius.

"Seit einer Woche", grummelte Virginie. "Jetzt weiß ich zumindest, woher Maman ihre bestimmende Art hat."

"Das habe ich gehört, ma Chere", schnarrte Madame Delamontagne zurück. "Sei froh, daß deine Oma dir und den Brautjungfern so gut hilft, während ich wegen Dorfratsangelegenheiten andauernd beschäftigt bin."

"Was zieht ihr denn so an?" Fragte Julius eher wie ein Mädchen als wie ein Junge interessiert. Babette erzählte, daß sie Kleider aus gewebtem Gold mit klingelnden Glöckchen an den Säumen anziehen würden. Laurentine wandte sich Julius zu und sagte dazu:

"Meine Eltern sind im Haus. Wir schlafen in dieser Dorfkneipe, die Caro Renards Eltern gehört. Das war eine Bedingung für die Zusage meiner Eltern, mich wieder herkommen zu lassen."

"Oha, dann kriegen die ja voll den Eindruck, wie lustig Zauberer und Hexen sein können. Dachte eigentlich, daß bei Caros Eltern alle Zimmer belegt sind."

"Ja, jetzt auf jeden Fall", erwiderte Laurentine. Martha und Julius wurden aufgefordert, sich hinzusetzen. Dann kamen Laurentines Eltern zusammen mit Monsieur Delamontagne aus dem Haus. Virginies Vater trug seinen gerade vier Monate und ein paar Tage alten Sohn Baudouin wie eine Trophäe vor sich her. Als sie dann alle saßen schwiegen sie zunächst eine Minute. Dann beendete Martha die Stille und fragte Laurentines Eltern, wie sie angereist seien.

"Wir sind mit einem dieser PKWs angekommen, die mal eben über mehrere Kilometer wegspringen können", sagte Monsieur Hellersdorf. Seine Frau schwieg jedoch weiter. Offenbar mißfiel es ihr, Laurentine nach Millemerveilles begleitet zu haben. Babette fragte Julius, wie es "bei den Yankees" war.

"Lustig und rasant, Babette. Glorias Verwandte wohnen in einem Turm, wo ein gläserner Zaubererhut als Wintergarten auf der Spitze sitzt, und Quodpot ist ein ziemliches Krawallspiel."

"Haben Millie und die anderen Mädels sich gezofft oder nicht?" Fragte Babette.

"Das sind alles große Mädchen, Babette. Die haben sich nicht gezofft. Falls doch, dann so, daß Jungs wie ich das nicht mitkriegen konnten", antwortete Julius grinsend. Wie auf ein Stichwort fühlte er seinen Herzanhänger etwas schneller pulsieren und fühlte etwas wie Erleichterung. Ihn juckte es in den Fingern, seine Hälfte des Zuneigungsherzens hier und jetzt hervorzuholen und Millie damit anzumentiloquieren. Doch er beherrschte sich noch gut genug.

"Du warst bei den Foresters, nicht wahr. Tante Oleande hat uns das gesagt, daß du bei denen wohnen würdest", wandte Genevieve ein.

"Ja, stimmt", erwiderte Julius wahrheitsgemäß und berichtete eine Viertelstunde lang von seiner Reise in die Staaten. Dabei hörte er immer wieder aus der Ferne jenes sehr tiefe Brüllen, daß allen hier verriet, daß eine Latierre-Kuh in Hörweite war. Doch er wurde andauernd mit Fragen bestürmt, wie er Quodpot empfunden hatte, was es in Viento del Sol so alles zu sehen gab und ob er noch andere Orte in den Staaten besucht habe. Dann erzählte seine Mutter noch von Berlin, wo Madame Delamontagne auch schon einmal gewesen war. Allerdings hatten die Muggel da noch diese irrwitzige Mauer mitten durch die Stadt gehabt.

"Da habe ich noch ein paar Brocken von gekriegt. Mittlerweile müssen sie den Rest dieses Betonmonstrums wohl unter Denkmalschutz stellen, damit in zwanzig Jahren überhaupt noch wer was davon glaubt, daß die einmal sowas gebaut haben", erwähnte Julius' mutter. "Und ich habe es beim Durchstreifen der von Nichtzauberern bewohnten Stadtteile gemerkt, wo Osten und Westen ist. Auch wenn die da in den letzten Jahren viel Geld für ausgegeben haben, Berlin zur gesamtdeutschen Hauptstadt umzubauen, ist das schon erschreckend, wie sehr sich West von Ost unterscheidet. Herr Güldenberg und Herr Weizengold, die ich dort ja getroffen habe, vermuten, daß die sogenannten Muggel das in zwanzig Jahren noch nicht geschafft haben werden, die Jahre der zwei deutschen Staaten zu überwinden. Da mußte ich an die Lage in England denken, wo ja gerade wer ähnliches wie Stalin oder Hitler an die Macht will."

"Nun, dieses Thema möchte ich hier und jetzt nicht vertiefen, Martha", warf Madame Delamontagne ein. "Übermorgen möchte meine Tochter heiraten, und ich möchte ihr dabei gerne eine glückliche Zukunft wünschen können."

"Entschuldigung, Eleonore, ich hätte daran denken müssen, daß euch dieses Tehma zum jetzigen Zeitpunkt nicht gelegen kommt", sprach Martha Andrews abbittend. Julius erinnerte sich noch daran, wie sie und Madame Delamontagne bei Jeannes Hochzeit sehr kräftig aneinandergeraten waren. Der Grund dafür saß hier und jetzt mit am Tisch.

"Denises Mutter sagt, daß ihr diese Brittany mitgebracht habt", wandte Babette ein. Julius grinste und sagte:

"Ja, aber nur zu Besuch, weil ich mir das gewünscht habe, daß die und Glorias Cousinen mit euch meinen Geburtstag feiern."

"Wo is'n die gerade?" Fragte Babette neugierig.

"Irgendwo bei der großen Wiese, wo Millies Familie wohl gerade gelandet ist", vermutete Julius. "Aber ich denke, die wirst du morgen noch zu sehen kriegen."

"Die soll ja so groß sein wie Mayettes Schwestern", erwiderte Babette aufgeregt. Julius wollte schon einwerfen, ob Babette sich in große Mädchen verlieben würde. Doch einerseits war Babette vielleicht doch noch etwas zu jung für entsprechende Festlegungen und andererseits konnte er sich vorstellen, daß es ihr imponierte, Frauen zu sehen, die größer als ihr Vater waren.

"Vielleicht kann sie gleich mal herüberkommen, falls Virginies Eltern das erlauben. Sie spricht aber nicht so gut Französisch hat sie gesagt."

"Na klar, weil die Yankees meinen, daß ihre Quaksprache die Sprache der Welt ist", grummelte Monsieur Hellersdorf.

"Quaksprache? Ich dachte, Dollarscheine raschelten nur, auch wenn sie ansonsten grün wie Frösche sind", erlaubte sich Julius eine sarkastische Bemerkung.

"Das glaube ich jetzt nicht", giggelte Monsieur Hellersdorf, der den Scherz von Julius verstanden hatte. "Okay, die Leute von der anderen Seite vom großen Teich sprechen sowas ähnliches wie Englisch."

"Zumindest bin ich nicht bei denen verhungert", erwiderte Julius. Madame Delamontagne sah Babettes bittenden Blick. Offenbar wollte die echt eine Hexe sehen, die größer als ihr eigener Vater war. Julius überlegte schon, ob er ihr nicht statt Brittany Madame Maxime herbitten sollte, damit sie die volle Ladung Riesenfrau vorgeführt bekäme. Er fragte die Hausherrin, ob er Brittany herbestellen dürfe. Madame Hellersdorf wandte sich an Julius' Mutter und zischte ihr die Frage zu, wie er diese Hexe denn anrufen wolle, wenn Mobiltelefone hier doch so sehr verpönt wären. Diese sah Julius an, der jedoch nichts darauf antwortete. Madame Delamontagne gestattete es ihm. So konzentrierte er sich auf Brittany und mentiloquierte ihr, ob sie Lust habe, mal eben zu den Delamontagnes herüberzukommen, weil Catherines Tochter gerne eine Hexe sehen wollte, die größer als ihr eigener Vater sei.

"Wenn du mir zeigst, wie ich dahinkomme gerne, Julius. Mel und Ich sind gerade auf dieser Wiese, wo dieses Prachtmädel von einem Zaubertier runtergekommen ist. Ist wohl eine sehr erfahrene Transportkuh, weil die kaum zehn Meter nach dem Aufsetzen stehengeblieben ist."

"Aha", schickte Julius zurück. Dann setzte er an, zu beschreiben, wie Brittany zu dem Haus finden würde. Doch diese melote ihm, er solle sich entspannen, sie würde das über den Exosenso-Zauber rauskitzeln. Julius gestattete es ihr.

"Wie, Telepathie?" Hörte er Laurentines Vater ungläubig fragen. "Sie wollen mir im Ernst einreden, daß die in Laurentines Mutantenschule Gedankenübertragung lernen, Madame Andrews."

"Was meinen Sie, warum mein Sohn gerade so konzentriert dasitzt, Monsieur Hellersdorf", erwiderte Martha ruhig. Für Julius klang das wie aus etlichen Metern Entfernung, weil ihn gerade jenes irritierende Kribbeln überkam, das erst von seinem Herzanhänger ausging und dann in ihn hineinglitt, als glitte gerade etwas nicht greifbares in seinen Körper hinein. Dieses Gefühl hatte er bisher nur einmal verspürt, als Brittany eine Exosenso-Verbindung zu ihm errichtet hatte. Dann kribbelte es nur noch durch seinen Herzanhänger.

"Britt, ich merk das irgendwie", schickte Julius zu ihr hin. Doch sie antwortete ihm nicht. Offenbar mußte sie sich voll auf den Zauber konzentrieren. Vorsichtig drehte er sich um und blickte die Schachfelder an, die Grundstücksgrenze und das Haus. Dann ließ das Kribbeln im Anhänger nach, und Julius meinte, etwas würde sanft aus seinem Kopf und seinem Körper hinausgleiten.

"Okay, bin gleich bei euch", erhielt er nun eine Gedankenbotschaft Brittanys. "Dein Liebesklunker ist schon ein nützliches Ding."

"Julius, hallo, hörst du mich?" Fragte Monsieur Hellersdorf.

"Laut und deutlich", erwiderte Julius.

"Was sollte das gerade. Könnt ihr echt Telepathie, Gedankenübermittlung?"

"Na klar, wir können fast alles, was das Lexikon der Mutantenkräfte hergibt", bestätigte Julius lässig. "Nicht erschrecken, wenn Brittany gleich vor dem Haus hier materialisiert."

"Materialisiert? Teleportation?" Fragte Monsieur Hellersdorf. Da krachte es auch schon, und Brittany Forester stand vor der Grundstücksgrenze. Madame Delamontagne erhob sich und trat ihr ruhig entgegen.

"Ich sehe es ein, daß vieles möglich ist", knurrte Monsieur Hellersdorf mit etwas verstörtem Gesichtsausdruck. All sein Wissen um die Gesetze der Physik wurde hier in jedem Moment lächerlich gemacht. Der gestandene Raketeningenieur wußte, daß er das niemandem erzählen durfte, was er in den letzten Jahren und besonders heute so miterleben mußte. An und für sich war ihm der zeitlose Ortswechsel von Materie ja schon von den merkwürdigen Reisebussen her bekannt. Aber daß ein Junge unhörbar mit einem weit entfernten Mädchen reden konnte und dieses dann wahrhaftig herbeigezaubert vor ihm auftauchte rüttelte immer noch arg an seinem Verstand.

Bondschuhr leh tuht", begrüßte Brittany die Gesellschaft und grinste Monsieur Hellersdorf an, der ihr Auftauchen am wenigsten zu verkraften schien. Madame Delamontagne fragte sie, ob sie etwas französisch sprechen könne. Brittany schüttelte vorsichtig den Kopf. Martha wollte aufstehen, um für Brittany zu übersetzen. Doch Madame Delamontagne sprach nun im besten britischen Englisch mit der Besucherin aus Übersee.

"Die junge Mademoiselle Brickston bat mich darum, Sie kennenlernen zu dürfen, Ms. Forester. Bitte treten Sie näher!"

"Mercie, Madame! Danke schön!"

Brittany kam nun in den Garten und begrüßte alle, auch Laurentines Eltern. Sie stellte sich vor Babette hin, die ihre Arme so weit nach oben streckte wie sie konnte, um Brittanys Wangen ertasten zu können. Dann durfte sich Brittany zu den Gästen setzen und mit ihnen plaudern.

"Diese Kühe sind schon was wuchtiges", schwärmte Brittany. "Nur schade, daß diese Tiere zweckgebundene Züchtungen sind."

"Hast du mit den Latierres gesprochen?" Fragte Julius.

"Nöh, ich habe mir das prachtmädel nur aus fünfzig Metern Entfernung angeguckt. Schon was erhabenes."

"Sah die noch verspielt aus oder schon altgedient?" Fragte Julius vorsichtig.

"Könnte ich jetzt nicht so einschätzen. Aber vom Wesen her wohl schon eine ruhigere Dame, zumindest kein Stier. Als die damit gelandet sind hat eine von den vielen rotblonden Hexen diese Melkvorrichtung an die großen Zitzen angehängt, wie Millie und du uns das beschrieben habt. Muß also schon eine Zuchtkuh sein, die vor nicht all zu langer Zeit geworfen hat", grummelte Brittany. Julius atmete auf. Zumindest hatten sie nicht Temmie zum Herfliegen benutzt. Er mentiloquierte Ursuline Latierre an und begrüßte sie. Sie schickte ihm einen Dank zurück. Er fragte, mit welcher Kuh sie denn angereist wären und bekam zur Antwort, daß sie Demies Cousine Bellona genommen hatten, die vor einem Jahr ihr letztes Kalb bekommen habe. Julius wurde bei dem Namen etwas seltsam. Immerhin hieß Orion Lesauvages Schwester ja auch Bellona, und die Lage, in der er das überdeutlich mitbekommen hatte, löste in ihm sowohl lustvolle Erregung wie Triumph aber auch Unbehagen aus. Doch die geflügelte Kuh konnte unmöglich eine Wiedergeburt von Orions Schwester sein, und das, was Béatrice und er im letzten Sommer heraufbeschworen hatten war vernichtet worden. Er schickte nur zurück, daß er den Namen ja kannte. Darauf bekam er die belustigt klingende Antwort, daß Ursulines Großtante mütterlicherseits Bellona mit Rufnamen geheißen habe.

"Na, mit wem melost du gerade?" funkte nun Brittany in Julius Gedankenströme hinein. Er schickte ihr den Namen zurück.

"Ich dachte mit Millie", schickte Brittany zurück. Dann sprachen sie ruhig über die Latierres, wobei Laurentine mal wieder einwarf, daß Julius sich doch besser wen anderen ausgesucht hätte. Julius nutzte es aus, daß Laurentines Eltern dabeisaßen und fragte dreist:

"Hast du dir doch was ausgerechnet, Laurentine?"

"Ey, was soll denn das jetzt?" Knurrte sie zurück. Brittany verstand zwar nicht, was gerade gesprochen wurde, erfaßte jedoch, daß Julius Laurentine wohl sehr stark in die Enge getrieben haben mußte. Monsieur Hellersdorf funkelte Julius an und schnaubte:

"Meine Laurentine wird sich keinem Mutanten wie dir oder den anderen Jungen an den Hals werfen und von dem dann noch wen neues ausbrüten." Laurentine errötete vom Hals bis unter ihre Haare. Madame Hellersdorf schnarrte dann:

"Viel Anstand ist aber nicht in eurer Schule auf dem Plan, wie?"

"Offenbar wollte er nur provozieren", knurrte Madame Delamontagne sehr verbittert und mentiloquierte Julius:

"Wag dich sowas nicht noch mal!" Doch Julius hatte seinen Erfolg gehabt und ritt nicht weiter darauf herum. Laurentine unterließ die Bemerkungen über Millie und sprach mit den Andrews und mit Hilfe von Julius auch mit Brittany über die letzten Ferientage. Das ging solange, bis Virginies kleiner Bruder Baudouin nach seiner Mutter schrie. Madame Delamontagne stand auf, nahm ihn in die Arme und ging mit ihm ins Haus. Monsieur Hellersdorf grummelte:

"In dem Alter hat die sich noch ein Balg andrehen lassen."

"'tschuldigung, Monsieur Hellersdorf, aber das nehmen Sie bitte zurück", knurrte Virginie. "Meine Mutter ist glücklich verheiratet und gesund genug, um sich und ein Kind zu ernähren. Abgesehen davon ist sie noch jung genug zum Kinderkriegen. Ich kenne eine Hexe, die noch mit Mitte sechzig Zwillinge bekommen hat."

"Das sieht euch ähnlich, die Natur derartig zu beschwindeln. Was hat denn eine Hexe in dem Alter noch von ihren Kindern und was die Kinder von so einer angejahrten Mutter?"

"Ich kann die betreffende Hexe herbitten, wenn Madame Delamontagne das erlaubt", schlug Julius vor. Doch Madame Delamontagne kehrte gerade mit ihrem Sohn aus dem Haus zurück und sah Monsieur Hellersdorf an, während sie Baudouin ein volles Fläschchen in den Mund steckte.

"Erstens, Monsieur Hellersdorf, geht Sie das absolut gar nichts an, in welchem Alter unsereinen noch einmal Kindersegen zu Teil wird. Zweitens erlaube ich es nicht, daß diese Person ohne triftigen Grund dieses Grundstück betritt, Julius. Keine Widerrede!"

"Muß dieser Bengel hier draußen gefüttert werden?" Fragte Madame Hellersdorf.

"Er hat auch ein Anrecht auf frische Luft, Madame. Außerdem bin ich dabei, ihn zu entwöhnen und muß ihn deshalb beaufsichtigen", sagte die Dorfrätin für gesellschaftliche Angelegenheiten kategorisch.

"Papa, es ist besser, wenn du das von eben zurücknimmst", zischte Laurentine ihrem Vater zu. "Hexenmütter können ziemlich kleinlich sein."

"Nicht tuscheln, Laurentine. Das gehört sich nicht!" Maßregelte Madame Delamontagne Laurentine. Das brachte ihre Eltern gegen sie auf. Es entspann sich ein kurzer, aber heftiger Wortwechsel, was ihr denn einfiele, ihre Tochter vor den Eltern so herunterzuputzen. Darauf antwortete Madame Delamontagne sehr bedrohlich klingend:

"Seien Sie bloß ruhig, falls ich nicht befinden soll, daß Sie weiterhin ein schlechtes Vorbild für ihre Tochter sind! Virginie verläßt in drei Tagen das Haus. Dann wäre ein Zimmer zur dauerhaften Unterbringung außerhalb der Schulzeiten frei."

"Ja, ich weiß, daß Sie uns unsere Tochter abspenstig machen wollen", knurrte Monsieur Hellersdorf. "Aber ich habe mich beraten lassen und weiß, daß Sie sie nicht so einfach einbehalten können, nur weil Sie finden, daß wir nicht die richtigen Eltern für sie sind."

"Papa, lass es bitte!" Schnarrte Laurentine. Julius sah seine Mutter an, die wohl ebenso verunsichert war wie er. Brittany verfolgte die für sie unverständliche Auseinandersetzung mit gewisser Teilnahmslosigkeit. Dann sagte Virginie:

"Laurentine hat erkannt, daß sie mit dem, was sie in Beauxbatons lernt, sehr gut leben kann, Madame und Monsieur Hellersdorf. Sie sollten eher stolz darauf sein, daß sie sich so vernünftig verhält, was sie ja wohl von ihnen geerbt hat."

"Virginie, wenn Laurentines Eltern befinden, sich mit mir anlegen zu müssen gewähre Ihnen die Möglichkeit, zu lernen, was sie davon haben", knurrte Eleonore Delamontagne. Sie sah Monsieur Hellersdorf so durchdringend an, daß Julius sich sicher war, daß sie ihn legilimentiere. Laurentines Vater zuckte wie von einem Stromstoß getroffen zusammen. Dann sagte er:

"In Ordnung, ich erkenne an, daß Sie wegen Ihrer übernatürlichen Veranlagungen am längeren Hebel sitzen. Aber denken Sie nicht daran, daß Laurentine bei Ihnen einzieht, ob für die Ferien oder für immer!"

"Wenn sie weiterhin in Beauxbatons so gut mitarbeitet wie im letzten Jahr besteht für mich kein Anlaß dazu."

Ein Familienbesen flog heran. Auf ihm saßen zwei Mädchen in Babettes Alter und eine füllige Hexe, die wie Madame Delamontagnes älteres Ebenbild aussah, nur daß ihr Haar weißblond war und wie bei Professeur Faucon hinter dem Nacken festgeknotet war.

"Oh, jetzt wird's lustig!" Mentiloquierte Julius an Brittanys Adresse.

"Oleande Champverd?" Hörte er ihre Gedankenstimme fragen. Er schickte ein Ja zurück.

Virginie begrüßte ihre Großmutter und ihre bald verschwägerten Cousinen Lucille und Jacqueline, die wie lebendig gezauberte Puppen wirkten mit ihren hellblonden Zöpfen, den hellblauen Kulleraugen und den pausbäckigen, rosigen Gesichtern. Julius trat vor und deutete eine Verbeugung an, als er Madame Champverd begrüßte und ihr dann Brittany Forester vorstellte.

"Ich erfuhr es von meiner Tochter Eleonore, daß Sie Millemerveilles bis übermorgen beehren, Ms. Forester. Natürlich habe ich von Ihrer Frau Mutter gehört. Sie ist ja bei Ihnen in den Staaten ähnlich engagiert wie Madame Maxime hier", sprach Oleande Champverd in akzentfreiem Englisch. Dann sah sie die Hellersdorfs, die sie ziemlich verärgert anglotzten. Julius wurde das Gefühl nicht los, daß der Ärger, den er in der Luft liegen fühlte, bereits schon einmal vorbeigekommen war. Und er sollte recht behalten. Denn kaum hatten Virginies letzte Brautjungfern Pplatzgenommen fragte Monsieur Hellersdorf provozierend:

"Haben Sie sich das überlegt, was ich Ihnen heute Mittag noch vorhalten mußte, weil Sie befanden, wir sogenannten Muggel seien hirnlose Wilde?"

"Sie geben mir derzeit kein plausibles Gegenbeispiel für meine These, Monsieur Hellersdorf. Alle in Ihrer sogenannten Zivilisation wissen, daß sie sich auf einem Irrweg befinden, was die mechanisierung der Städte und Verkehrsmittel angeht. Doch alle wollen noch mehr Maschinen, die Dreck in unsere wertvolle Lufthülle blasen und durch ihre seelenlose Pseudointelligenz jede Menschlichkeit verdrängen und zu Isolation und Unmenschlichkeit verleiten. Sie vergiften die Erde und das Trinkwasser und bezeichnen das als Fortschritt, und wagen es dann noch, sich uns überlegen zu fühlen, wenn wir uns Ihrer Kinder wegen mit Ihnen auseinandersetzen müssen. Wenn Sie zumindest Ihre Tochter in aller gebotenen Vernunft erlernen lassen, was sie auf Grund ihrer erkannten Fähigkeiten erlernen muß, um keine Gefahr für sich und andere zu werden, würde ich meine Ansicht doch noch einmal überdenken. Aber Sie geben mir wie erwähnt keinen Anlaß dazu, Monsieur." Martha Andrews sah Oleande Champverd sehr verdrossen an und fragte, ob sie das wirklich für alle sogenannten Muggel denken würde. Bevor Virginies Großmutter etwas dazu sagen konnte blaffte Monsieur Hellersdorf:

"Nur bei denen, die nicht unter der Fuchtel einer Hexe leben wollen, Madame Andrews."

"Weil meine Enkeltochter meine Tochter und meinen Schwiegersohn darum gebeten hat, Sie mit zu ihrer Hochzeit einzuladen, respektiere ich Sie als Gast. Aber Respekt ist wie ein Darlehen, Monsieur. Wenn er nicht erwidert wird kann das sehr unangenehme Folgen nach sich ziehen."

"Natürlich drohen Sie mir jetzt, weil Sie merken, daß Sie selbst hinterm Mond leben und meinen, wegen des Bißchens Hokuspokus die Welt unterwerfen zu können. Aber sowohl in Frankreich als auch meinem Geburtsland Deutschland gilt die Meinungsfreiheit." Julius grinste abfällig. Das sollte ein Raketeningenieur sein? Soeiner mußte doch immer logisch denken.

"Sie haben sich gerade selbst widersprochen", stellte Madame Champverd fest. "Denn wenn Sie die Meinungsfreiheit so wertschätzen, dürfen Sie meine Meinung nicht für das Produkt einer unzivilisierten Lebensweise ansehen." Julius nickte unwillkürlich. Eleonore Delamontagne bemerkte dies und deutete auf ihn.

"Dieser junge Mann hier, Monsieur Hellersdorf, hat das Bild Ihrer Welt und der nichtmagischen Eltern von magiebegabten Kindern sehr brauchbar verbessert, als er mit meiner Mutter sprach. Sie, Monsieur Hellersdorf, sind gerade dabei, diese Aufwertung wieder zunichte zu machen. Im Namen Ihrer Tochter sollten Sie dies nicht einmal in Erwägung ziehen."

"Der duckmäusert doch nur, weil sie ihm und seiner Mutter zugesetzt haben", konterte Monsieur Hellersdorf.

"Wenn das der einzige Weg wäre, Schüler wie ihn zu verantwortungsvollen Mitgliedern der magischen Welt zu erziehen, würden Sie ganz sicher nichts mehr zu lachen haben, Monsieur", warf Madame Champverd ein. Brittany sah Julius fragend an. Dieser mentiloquierte, daß er nicht wisse, ob er etwas dazu sagen sollte oder nicht.

"Wovon haben die es denn?" gedankenfragte sie zurück. Er schilderte ihr im Telegrammstil, was gerade vorging. Offenbar bekam Madame Delamontagne dies mit und blickte ihn sehr prüfend an. Er wandte die Kunst der Occlumentie an, nur für den Fall, daß die Dorfrätin seinen Geist ausforschen wollte. Doch offenbar lag ihr nichts daran, in seine Erinnerungen und Gefühle einzudringen, sondern sie wollte nur wissen, ob er und Brittany miteinander Gedanken austauschten oder dem Gespräch zuhörten. Als es immer hitziger ausuferte nickte Madame Delamontagne Virginie zu, die mit schnellen Gesten ihre sechs Brautjungfern einsammelte. Laurentines Vater wollte seine Tochter zwar zurückhalten, doch diese schnarrte ihn an:

"Klär du erst mal, mit wem du dich heute noch anlegen willst, Papa!" Dann folgte sie Virginie.

"Sie haben unsere Tochter tatsächlich mit Gehirnwäsche gefügig gemacht", blaffte Madame Hellersdorf. Julius grinste darüber nur. "Und den da sowieso", fügte sie auf Martha Andrews' Sohn deutend hinzu.

"Vernunft ist immer besser als Zwang", wandte Julius' Mutter darauf ein. "Mein Sohn kann zaubern, vielleicht besser als Ihre Tochter. Um das nicht unkontrolliert um sich greifen zu lassen lernt er das mit meinem absoluten Einverständnis. Ich begreife es nicht, daß Sie das nicht anerkennen wollen, daß Ihre Tochter lernen darf, wenn sie die Fähigkeiten dazu hat."

"Soll dann jeder Mensch, der mit den Händen geschickt ist zu einem professionellen Dieb ausgebildet werden? Oder soll jeder, der körperlich sehr stark ist zum Schläger werden?" Knurrte Monsieur Hellersdorf.

"Geschickte Leute können gute Musiker, Köche oder Handwerker werden. Starke Leute können Feuerwehrleute oder Polizisten werden", wußte Martha die passende Antwort. "Oder sind Sie nur deshalb Ingenieur geworden, weil in der Gilde für Bombenbauer kein Ausbildungsplatz mehr freigeworden ist?" Julius mußte grinsen. Brittany fragte, was los sei. Monsieur Hellersdorf mußte offenbar überlegen, wie er antworten sollte. Seine Frau nahm es ihm ab:

"Sie wagen es, meinen Mann derartig anzugehen?"

"Ich habe lediglich seine Argumentation überprüft", erwiderte Martha kühl. "Offenbar findet Ihr Gatte sich mit Geräten und Tabellen besser zurecht als mit Rhetorik."

"Sie sind doch auch manipuliert worden", zischte Laurentines Mutter. Martha erwiderte darauf:

"Sie und ich werden jeden Tag manipuliert, durch das was wir erleben, neue Situationen und neue Bekanntschaften. Insofern muß ich wohl mit Ja antworten. Allerdings bleibe ich dabei, daß Vernunft immer länger vorhält als jeder Zwang. Und Sie wissen doch gar nicht, was wirklich machtsüchtige Zauberer anstellen können, um Menschen nach ihrem Willen handeln zu lassen. Jetzt frage ich Sie ernsthaft, warum Sie sich hergetraut haben, wo Sie doch eine unglaubliche Angst haben müssen, hier nach belieben umgepolt zu werden, wie Sie es Ihrer Tochter, meinem Sohn und mir ja andauernd unterstellen."

"Vergessen Sie es, Madame Andrews. Diese Herrschaften sind und bleiben ignorante Leute, die es nicht wert sind, sich mit ihnen länger als nötig auseinanderzusetzen", wandte Madame Champverd ein. Ihre Tochter sah sie beipflichtend an. Julius deutete auf Brittany und wies darauf hin, daß sie sich wohl langweilen würde. Eleonore Delamontagne sah ihn an und sagte auf Englisch:

"Da Virginie mit ihren Brautjungfern wohl die Festkleider und anderes durchgehen will erlaube ich euch beiden, euch zu entfernen. Ich dachte eigentlich, wir könnten verbliebene Meinungsunterschiede friedlich ausgleichen. Aber ich habe wohl mehr Hoffnung als Vernunft walten lassen."

"Bilden Sie sich ein, meine Frau und ich könnten kein Englisch, Madame Delamontagne?" Schnarrte Monsieur Hellersdorf.

"Nein, das bilde ich mir nicht ein", antwortete Eleonore Delamontagne. "Es war auch für die junge Mademoiselle Forester gedacht, die unserer Muttersprache nicht mächtig genug ist."

"Okay, dann überlassen wir Sie den notwendigen Ausgleichsverhandlungen", sagte Julius trotzig auf Englisch und stand auf. Brittany erhob sich. Beide gingen ungeachtet der ihnen nachgerufenen Vorwürfe zur Grundstücksgrenze, überschritten diese und disapparierten dann Seit an Seit.

"Ah, da wohnst du bis übermorgen?" Fragte Julius Brittany, als er die beiden grasgrünen Zelte sah, die sich wie flache Hügel auf einer golfplatzartig geschorenen Wiese erhoben.

"Ja, da wohnen wir", sagte Brittany. "Mel und Myrna sind mit Gloria unterwegs im Ort, und Mr. Porter wollte zu einem Monsieur Dusoleil. Ist das der Mann von der orientalischen Hexe in Grün?"

"Genau der. Der macht Zaubergegenstände und Komfortzauber", erwiderte Julius. Dann hörte er ein tiefes Muhen, daß seinen ganzen Körper zum vibrieren brachte.

"Ist Millie bei ihrer Familie?"

"Denke ich mal. Gibt ja doch 'ne Menge zu erzählen", erwiderte Brittany. "Glos Mutter ist bei denen. Vielleicht wirbt sie neue Kundinnen."

"Nutze die Gunst! Das ist das Erfolgsrezept einer Unternehmerin", erwiderte Julius darauf. "Vom Ausschlag auf der nach oben offenen Richterskala her ist das Zentrum des Muhens keine hundert meter von uns weg. Darf ich da mal hinlaufen oder wolltest du erst noch mehr über diesen Affenzirkus hören, den sich Laurentines Eltern mit Madame Champverd liefern?"

"Nur wenn mich das in den nächsten Tagen echt was betrifft, Julius", erwiederte Brittany. "Wie Eltern von Muggelstämmigen querschießen können kenne ich ja von Mom her. Wunder mich nur, daß die Champverd so'ne tolle Selbstbeherrschung hat. Ich las was, daß die keine Muggel und fast keinen Muggelstämmigen so richtig für voll nimmt."

"Genau deshalb bleibt die so ruhig. Der geht das Getue der Hellersdorfs quer am Sitzfleisch vorbei", bemerkte Julius verdrossen.

"Dann hätte die das Thema doch nicht anfangen müssen. Oder habe ich das falsch mitgekriegt, daß sie die beiden Muggel angelabert hat?"

"Neh, hast du nicht. Aber jetzt können die zusehen, wie die alleine klarkommen. Schade, daß ich meine Mutter nicht einfach so da wegholen konnte. Aber im Grunde betrifft es sie ja irgendwie auch noch."

"Wie gesagt ist das für mich schon eine alte, vermoderte Kiste, daß Eltern von muggelstämmigen Schülern es nicht raffen wollen, wenn ihre Kinder mit Magie umzugehen lernen. Du kennst das ja leider auch zu gut. Deshalb verstehe ich, daß du dir diesen Schwachsinn nicht länger als nötig antun wolltest."

"Warum können erwachsene Menschen, die doch was gelernt und mitgekriegt haben nicht einfach sagen, daß es so ist wie es ist und das beste draus machen?" Seufzte Julius.

"Liegt wohl daran, daß viele, die was im Leben geschafft haben es nicht abkönnen, wenn was passiert, das sie nicht umstoßen können", erwiderte Brittany. Dann schlug sie vor, Julius könne mit ihr zu den Latierres auf die große, wesentlich üppigere Wiese hinübergehen. Er nickte und lief neben ihr her auf den breiten Weg zwischen der Zeltplatzwiese und einer mehrere Meter hohen Hecke, wo ein kleiner Durchlaß auf eine mehrere Fußballfelder große Wiese mit kniehohem Gras führte. Julius sah den kutschenartigen Transportkasten von vier großen, himmelblauen Zelten umstanden. Rotblonde Kinder spielten keine fünfzig Meter davon entfernt mit bunten Frisbees, die jedesmal beim Aufgefangenwerden die Farbe wechselten. Millie stand zusammen mit ihren Cousinen Callie und Pennie vor einem der Zelte, während ihre Schwester Martine zusammen mit ihrer Tante Béatrice die tollenden Kinder beaufsichtigte. Barbara Latierre rollte gerade mit ihrer Mutter zusammen ein wohl gut gefülltes Fass in das Zelt, das der gerade an den langen Graswedeln rupfenden Riesenkuh am nächsten Stand. Ein Baby schrie, und löste damit eine Lawine von Babyschreien aus.

"Hoffentlich kriegt die dicke Dame da vorne keinen Rappel", zischte Julius Brittany zu. Doch die Latierre-Kuh wippte nur mit ihren großen Ohren und ließ sich sonst nicht aus der Ruhe bringen. Mayette, Ursulines jüngste, auf eigenen Beinen laufende Tochter, sah Julius und winkte ihm zu. Das brachte auch die anderen Kinder dazu, ihm zuzuwinken. Béatrice sah Brittany und Julius und winkte ihnen zu, sie mögen herüberkommen.

"Da ist die ganze Rasselbande schon wieder in Millemerveilles", begrüßte Julius Béatrice und Martine. Dann wünschte er Mayette, Callie, Pennie und Patricia, sowie einigen der Jungs aus dem großen Tross der latierres einen guten Tag.

"Ja, wir sind noch einmal eingeladen worden, weil Virginies Bräutigam um zwei Ecken mit uns verwandt ist. Camille hat die Wiese dann noch einmal für uns bereitgemacht", erwiderte Béatrice. Dann ließ sie sich Brittany Forester vorstellen. Martine fragte sie, ob Millie und Julius ihrer Mutter Anlaß zur Sorge gegeben hätten. Brittany erwiderte darauf nur, daß ihre Mutter die beiden wohl jederzeit wieder einladen würde.

"Glorias Mutter soll hier irgendwo sein", sprach Julius.

"Ja, die handelt gerade mit Josianne, Hippolyte und Raphaelle Montferre eine Großbestellung für glückliche Hexenmütter aus", sagte Béatrice. "Ich habe da zwar einige nette Mixturen zusammengerührt, um die körperlichen Auswirkungen der anderen Umstände zu verringern, aber offenbar meinen die, eine Kosmetik-Hexe brächte ihnen mehr als eine Heilerin."

"Die Montferres sind auch hier?" Fragte Julius.

"Diesmal hat Maman sich nicht davon abhalten lassen, sie mitzunehmen", sagte Martine. Da schwirrte das gerade himmelblaue Frisbee heran. Julius machte eine blitzschnelle Fangbewegung und hielt die Wurfscheibe mit dem nach unten gewölbten Rand sicher in der rechten Hand. Doch sie leuchtete jetzt in einem hellgelben Farbton wie das Licht der Sonne.

"Na, willst du demnächst Sucher werden?" Fragte Martine amüsiert. Julius schüttelte den Kopf und zielte auf Millie. Mit einer schnellen Armbewegung schleuderte er das Frisbee von sich, das munter rotierend auf Millie zuflog, die sich anspannte, hochsprang und die Wurfscheibe zwischen den Knien einklemmte. Dabei wechselte das Wurfgeschoß die Farbe von Sonnengelb zu Blutrot.

"Also, daß meine Schwester eine Rote ist ist klar. Aber wieso die Chamäleon-Scheibe bei dir gelb wurde ist mir nicht klar", sagte Martine, als Millie die Wurfscheibe mit der Hand aufnahm, wobei sie jedoch nicht die Farbe wechselte, Brittany anvisierte, die ihr zunickte und dann das Wurfspielzeug mit links aus der Luft pflückte, wobei dieses eine Mischung aus Grasgrün, tomatenrot und weizengold annahm.

"Zwei Zauber, Julius. Einer um bei Besitzerwechsel die Farbe zu ändern und einer, um die Farbe oder Farben der gerade herrschenden Grundstimmung des Fängers anzupassen", sagte Tine. "Mein Onkel Otto hat dieses nette Ding hier ... Ups, Pattie!" Patricia Latierre hatte ein zweites Chamäleon-Frisbee von ihrem Neffen Serge aufgefangen und es ohne zu verharren auf Martine abgeworfen. Diese hätte das gerade goldene Frisbee fast an den Brustkorb bekommen, wenn sie es nicht noch mit der rechten Hand abgestoppt hätte. Brittany warf indes auf Millies Cousine Pennie ab, die zwar versuchte, das Wurfgeschoß wie Millie mit den Beinen aufzufangen, dabei jedoch zu hoch sprang und die Flugscheibe deswegen unter sich durchrotieren ließ. Callie tauchte dem Geschoß nach und erwischte es gerade eben mit den Fingerspitzen, worauf es lila-blau-türkis wurde.

"Hie, was ist denn das für'ne abgedrehte Mischung?" Fragte Brittany, als Callie die Wurfscheibe mit voller Wucht von sich schleuderte. Martine, Béatrice, Brittany und Julius warfen sich fast zeitgleich in Deckung, bevor das ungestüme Fluggerät wie ein lila-blau-türkiser Schemen über sie hinwegzischte und in nur zwei Sekunden die fünfzig Schritte zwischen Brittany und der Begrenzungshecke zurücklegte. Es schlug voll in die Zweige der Hecke, wurde dabei blattgrün und rasierte die äußeren Blätter ab, bevor es allen Schwung verloren hatte und aus der Hecke heraus auf den Boden fiel, ohne die Farbe zu wechseln.

"Calypso, mußte das jetzt echt sein, so wild zu werfen?" Fragte Béatrice sehr ungehalten klingend, als sie sich alle wieder erhoben hatten.

"Reflexe sind alles. Bald hätte dieser Wurf einem von uns die Knochen gebrochen", knurrte Martine.

"Pennie hätte die blöde Scheibe doch fangen können, wenn die nicht so angeben wollte wie Millie, Tante Trice", zeterte Callie. Die Latierre-Kuh wandte ihren großen Kopf um und schnaufte vernehmlich. Ursuline wandte sich der kleinen Gruppe um ihre tochter Béatrice zu und strahlte Julius an. Dann wechselte sie innerhalb eines Lidschlages mit vernehmlichem Plopp von ihrem Standort zu den Neuankömmlingen herüber. Béatrice deutete derweil mit dem Zauberstab auf das am Boden liegende Wurfgeschoß und rief: "Accio!" Das Frisbee leuchtete grellblau auf, während es aufstieg und wie geworfen zu Béatrice hinüberschwirrte, die es mit der freien Hand auffing, wobei die Wurfscheibe einen kirschroten Farbton mit sonnengelben Punkten annahm.

"Die beiden sind den anderen zu stark. Deshalb lassen die die nicht mitspielen, Julius. Oh, Sie sind die Mademoiselle Forester, von der meine Enkeltochter Mildrid gesprochen hat?" Begrüßte Ursuline Latierre Brittany auf Französisch. Julius übersetzte. Béatrice fragte dann, warum Brittany keinen Wechselzungentrank genommen hätte. Sie hätte welchen mit, weil sie in anderthalb Wochen zu einer Heilerkonferenz nach Marokko wolle.

"Nein, Danke, Madame oder Mademoiselle Latierre. Da sind mir zu viele tierische Bestandteile drin", entgegnete Brittany. Ursuline nickte und grinste ihre Tochter an. Diese verzog zwar erst das Gesicht, meinte dann aber, daß sie die Entscheidung akzeptiere. Sie fügte jedoch für Britt verständlich hinzu: "Wechselzungentrank ist ja kein heilungbedingender Trank. Aber es wird dir bestimmt irgendwann passieren, daß du von einem Heiler einen Trank verordnet bekommst, in dem diverse tierische Bestandteile verrührt sind. Den kannst du dann nicht so einfach ablehnen."

"Hängt von den Auswahlmöglichkeiten ab, Mademoiselle Latierre", knurrte Brittany. Béatrice sah sie darauf nur bedauernd an. "Jeder erwachsene Mensch, auch wenn er mit Magie begabt ist, hat das alleinige Entscheidungsrecht über den Umgang mit seinem Körper", fügte Brittany in entschlossener Pose hinzu.

"Sofern er oder sie in einem entscheidungsfähigen Zustand ist und über die Auswirkungen der ihm oder ihr gebotenen Möglichkeiten klar befinden kann", konterte Béatrice. "Fangen Sie bitte nicht eine Diskussion um die gesetzlichen Bestimmungen für das Heiler-Patienten-Verhältnis an! Ich fürchte, da würden Sie verlieren, Mademoiselle."

"Wenn Sie fürchten, daß ich eine Auseinandersetzung mit Ihnen verlieren könnte, dann legen Sie es doch nicht darauf an!" Versetzte Brittany. Julius fragte sich, was das jetzt geben sollte. Er kam mit Béatrice und ihr gut zurecht und hatte eigentlich gedacht, daß die beiden Hexen sich gut verstehen würden, so wie Millie sich mit Britt immer auf einer Wellenlänge befunden hatte. Line winkte Julius zu sich heran und dann hinter sich her, während Béatrice sehr ruhig sagte:

"Sie meinen, ich wollte nicht, daß Sie eine Grundsatzdebatte über die Rechte zwischen Heiler und Patienten verlieren, Mademoiselle. Da haben Sie mich offenbar mißverstanden. Ich sagte "Fürchte", weil ich aus der gebotenen Höflichkeit bedacht bin, Sie nicht in eine hoffnungslose Lage geraten zu lassen." Was Brittany darauf erwiderte bekam Julius nicht mit, weil Ursuline ihn fest am rechten Arm ergriff und mit ihm disapparierte. Julius empfand den Transit durch Raum und Zeit diesmal nur als einen Moment völliger Dunkelheit und Stille, als sei die Welt um ihn herum für einen winzigen Sekundenbruchteil verschwunden. der Eindruck, durch einen viel zu engen Gummischlauch gequetscht zu werden, der sonst beim Apparieren aufkam, blieb aus.

"Hups, über hundert Meter ist das ja fast nicht mehr spürbar", stellte Julius fest, als sie vor Bellona, der geflügelten Riesenkuh standen. "Warum hast du mich eigentlich da weggeholt. Jetzt denkt Brittany, ich würde sie hängen lassen", grummelte er, als die Faszination für die Kurzstreckenapparition verflogen war.

"Ich denke nicht, daß du ihr hättest helfen können, Julius. Ich denke auch, daß sie das weiß und deshalb nicht denkt, du wolltest sie im Stich lassen. Außerdem hat die sich das doch selbst ausgesucht, sich mit Trice zu käbbeln."

"Habe ich so nicht mitgekriegt", widersprach Julius. "Trice fragte Brittany, warum sie keinen Wechselzungentrank getrunken habe und hätte doch nur sagen müssen, daß sie das akzeptierte. Aber sie mußte ja die Heilerin rauskehren, und Brittany meinte dann, auf ihre Rechte als volljährige Hexe zu bestehen."

"Die Mademoiselle Forester ist sehr willensstark und selbstbewußt, nicht wahr. Sind meine Töchter auch. Wäre ja auch sehr traurig, wenn nicht", erwiderte Ursuline lächelnd. "Sollen die beiden sich gegenseitig umkreisen und sehen, wer länger durchhält. Trice wird sie schon nicht schlagen oder duellieren, es sei denn, die junge Ms. Forester fängt damit an."

"Wie sagt ihr in der Zaubererwelt: Rufe den Drachen nicht, wenn du nicht willst, daß er kommt!" Seufzte Julius.

"Wieso, ist Brittany Forester so unbeherrscht und aggressiv?" Fragte Ursuline Latierre.

"Sie spielt Quodpot. Da muß man viel Biß haben", erwiderte Julius. Dann sah er Barbara auf ihn zulaufen.

"Wir haben uns ja noch gar nicht begrüßt", sagte Ursulines zweitälteste Tochter und schloß Julius in die landesübliche Umarmung. Er erwiderte die Begrüßung und deutete dann auf die Kuh, die keine zehn Meter von ihnen fortstand.

"Das ist eine Cousine von Demie?"

"Ja, das ist Demies Cousine. Sie ist vier Jahre jünger als Demie", sagte Barbara. "Sie wurde diesen Frühling nicht trächtig. Deshalb habe ich sie gewählt, um uns alle herüberzubringen. Sie ist von denen, die ich nehmen konnte die ruhigste."

"Das hoffe ich, bei den ganzen lebhaften Kindern hier", sagte Julius.

"Besonders wo meine Schwester Eleonore gerade selbst ein Kind erwartet", sagte Barbara und deutete auf eines der aufgebauten Zelte. Ursuline lächelte stolz. Julius hatte die junge Hexe, die den gleichen Vornamen wie Madame Delamontagne trug, nur im letzten Sommer bei den Latierres hier gesehen und zu Weihnachten im Sonnenblumenschloß. Dem Club der guten Hoffnung war sie damals wohl nur deshalb nicht beigetreten, weil sie mit ihrem Ehemann da gerade die Hochzeitsreise gemacht hatte, die sie wegen Jeannes und Barbaras Trauung verschoben hatte.

"Oh, dann hat Béatrice ja demnächst wieder wen neues auf die Welt zu holen", stellte Julius amüsiert fest. Doch gleichzeitig beschlich ihn eine trübe Stimmung, wenn er sich vorstellte, daß Béatrice andauernd neue Kinder auf die Welt holte und selbst bisher kein einziges bekommen hatte. Er wehrte dieses Bedauern mit dem Gedanken ab, daß sie sich das ja schließlich selbst ausgesucht habe und mit ihrer Rolle als Tante oder ältere Schwester genug Kinder um die Ohren hatte.

"Sie ist doch gut in Übung", sagte Ursuline. "Wenn wir weiterhin so fruchtbar bleiben holt sie Hipps Schwiegermutter noch ein. Allerdings sollte sie dann auch mal selbst wen ins Leben tragen", fügte sie mit einem leichten Seufzr hinzu.

"Wenn Leute wie wir ihr andauernd neue Arbeit aufhalsen kommt die doch nicht dazu", feixte Barbara. "Oder soll ich Trice wen aussuchen und den dazu bringen, sie zu belegen, Maman?"

"Bloß nicht, Babs", erwiderte Ursuline und sah Julius verschmitzt an. Dieser bemerkte dazu, daß er sich doch schon festgelegt habe. Da apparierten Brittany und Béatrice auch noch.

"Habt ihr's von uns?" Fragte Béatrice ihre Mutter und ihre Schwester.

"Julius hat sich nur gesorgt, weil ich ihn von dir und der weizenblonden Mademoiselle weggeholt habe, damit ihr euch von Frau zu Frau aussprechen könnt", entgegnete Ursuline. Britt wandte sich Julius zu und sagte:

"Also hier möchte ich besser nicht krank werden. Die Heiler hier sind wesentlich aufdringlicher als die bei uns."

"Das hab' ich verstanden", flötete Béatrice auf Englisch. "Deshalb sind die Hexen und Zauberer hier ja auch alle sehr drauf bedacht, nicht krank zu werden."

"Ich dachte, ihr beiden hättet euch entweder total verkracht oder geeinigt", wandte Julius ein.

"Wir haben nur geklärt, daß sie meine Meinung nicht ändert und ich meine Meinung nicht ändern werde", antwortete Brittany darauf. Dann deutete sie auf die geflügelte Kuh, die sie haushoch überragte. "Schon ein ziemlich großes Tier." und mentiloquistisch fügte sie hinzu: " Nur bedauerlich, daß es auf künstliche Weise entstanden ist."

"Wie viele magische Wesen", schickte Julius zurück. Darauf kam von Brittany keine Antwort.

"Was macht eigentlich Temmie?" Fragte Julius Barbara zugewandt.

"Sie hat nach deiner Abreise damals noch einige Tage versucht, hinter dir herzufliegen", sagte die Besitzerin des großen Latierre-Hofes. "Aber dann ist sie etwas ruhiger geworden. Könnte nur bald sein, daß sie sich langweilt, weil Auberge offenbar ein Kalb heranträgt und ihre Schwester Nuagette demnächst zusammen mit einem Bullen aus Andalusien und drei Kühen aus Portugal, Andorra und der Normandie zusammen eine Reise über die Weltmeere macht. Ich habe vorgestern mehrere Eulen bekommen, daß die Überführung einer kleinen Herde nach Viento del Sol, da wo Mademoiselle Forester wohnt, genehmigt wurde. Ich muß mich mit dem Leiter des dortigen Tierparks nur noch über die Aufwandsentschädigung abstimmen." Julius erstarrte für einen winzigen Moment. Ihm fiel der Traum ein, den er in der Nacht im Glashutturm der Redliefs geträumt hatte. Darin hatte er mit Millie auf Temmies Rücken gesessen, und die geflügelte Kuh hatte ohne Hilfsmittel mit ihnen gesprochen und ihnen erzählt, daß ihre eine Cousine wohl schwanger sei und die andere in Richtung Sonnenuntergang fortgebracht worden sei. Und jetzt bekam er von Babs Latierre genau das erzählt. Er glaubte nicht an Hellseherei oder das Vorwegträumen zukünftiger Ereignisse. Aber dann war es doch schon sehr merkwürdig, daß er das so geträumt hatte. Schnell sagte er laut:

"Dann wird Temmie sich ja wirklich langweilen, wenn ihre Lieblingscousinen nicht mehr mit ihr spielen und toben können."

"Es sei denn, sie kriegt auch noch was kleines", erwiderte Ursuline mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht. Brittany sah alle nacheinander an, sagte jedoch nichts. Babs wandte dann ein, daß Temmie ja noch jung genug sei, auch wenn ihre Mutter in dem Alter schon das zweite Kalb getragen hätte. Doch auch sie wirkte dabei etwas merkwürdig, als wolle sie nicht alles erzählen, was sie dazu sagen könnte. Brittany fiel das genauso auf wie Julius. Sie mentiloquierte ihm die Frage zu:

"Was haben die füllige Oma und die Landhexe?"

"Weiß ich auch nicht. Probleme mit einer der Kühe vielleicht", schickte Julius zurück. Um zu klären, ob das was mit ihm zu tun hatte fragte er laut:

"Aber Temmie kommt jetzt damit klar, daß ich nicht mehr in ihrer Nähe bin, oder?"

"Sieht so aus", erwiderte Barbara verhalten. "Allerdings denke ich, daß sie sich immer noch für dich interessiert."

"Tja, dann weiß ich ja, daß ich für's erste nicht mehr auf euren Hof kommen kann", warf Julius ein. Barbara entgegnete darauf:

"Ich hatte nicht den Eindruck, daß dir das so sehr mißfallen wäre, daß Temmie dir sehr willig gehorcht hat. Oder magst du keine unterwürfigen Partnerinnen?"

"Auf diese Frage gebe ich besser keine Antwort", grummelte Julius. Babs, Béatrice und ihrer beider Mutter lachten lauthals. Brittany wollte wissen, was da los war. Julius übersetzte ihr kurz, was Babs ihn gefragt und was er darauf geantwortet hatte. Da mußte auch Brittany lachen. Das rief andere Mitglieder der Latierre-Familie herbei, auch Millie und ihre Schwester Martine. Bellona gab einen lauten schnaufer von sich. Ursuline befand, daß sie besser etwas weiter von der großen Kuh entfernt weiterreden sollten. In dem Moment empfing Julius eine Gedankenbotschaft von Madame Delamontagne:

"Julius, deine Mutter ist jetzt zu den Dusoleils unterwegs. Sei in zwanzig Minuten da!"

"In Ordnung, Madame", schickte er zurück. Laut sagte er dann, daß er in zwanzig Minuten bei den Dusoleils erwartet würde, obwohl er an und für sich erst in anderthalb Stunden dort eintreffen sollte und berichtete kurz, warum Brittany und er sich abgesetzt hatten.

"Die Eltern von Laurentine hätte ich auch sehr gerne kennengelernt", sagte Ursuline Latierre. "Hoffentlich findet sich bei Virginies Hochzeit eine Möglichkeit."

"Die sind stur und bleiben das auch", sagte Julius. "Sie haben es doch dieses Schuljahr mitgekriegt, daß die sich nicht für die Ausbildung ihrer Tochter begeistern", seufzte Julius.

"Ich habe nur mitbekommen, daß sie offenbar viel Angst davor haben, was aus ihrer Tochter wird. Und das ist kein strafwürdiges Vergehen, sondern ehrenhaft, wenn Eltern sich um ihre Kinder sorgen", erwiderte Millies Großmutter. Béatrice wandte dazu ein:

"Die haben nicht angst um ihre Tochter, sondern vor dem, was sie ist, Maman. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Oder denkst du, ich hätte außer Babs's und Hipps Bäuchen nichts anderes mitbekommen, als wir in Beaux beim Elternsprechtag waren?"

"Woher willst du das so genau wissen, Trice?" Fragte Ursuline ihre Tochter.

"Weil ich das gesehen habe, wie schwer sie die Verachtung zurückgehalten haben, die sie für uns alle da empfinden. Ich habe in der Heiler-Ausbildung genug über Mimik und Körpersprache gelernt, um das Befinden von Menschen durch bloßen Augenschein einschätzen zu können. Wundere mich, daß du es nicht so siehst, Maman."

"Weil ich im Gegensatz zu dir Erfahrungen als Mutter habe, meine Tochter", versetzte Ursuline nicht so unbekümmert und fröhlich wie sonst. Béatrice sah sie etwas verärgert an. Ihre Ohren wurden rosarot. Julius konnte förmlich die Wut fühlen, die in Béatrice zu brodeln begann. Doch die Heilerin beruhigte sich schnell wieder und entgegnete eiskalt:

"Deshalb fehlt dir die gebotene Objektivität, Maman."

"Sollte das jetzt eine Herabwürdigung werden?" Fragte Line. Brittany sah Julius an, der ihr nur zunickte.

"Eine Feststellung, daß ich mich nicht alleine auf mein Mitgefühl für andere beziehe, um Leute einzuschätzen. Aber ich fange jetzt keinen Streit mit dir an, Maman. Guck dir die Eltern dieser Laurentine an und finde raus, wer recht hat!"

"Du möchtest dich nicht mit mir streiten, Trice? Vielleicht halte ich es aber für richtig, mich mit dir zu diesem Thema auseinanderzusetzen."

"Wenn du der Ansicht bist, allen Müttern und Vätern nur die besten Absichten zubilligen zu können, dann sei es so, Maman. Aber das müssen wir dann nicht vor allen anderen hier besprechen."

"Es geht mir nicht um gute Absichten, sondern um mögliche Deutungen, Trice. Aber du hast recht. Im Stehen bespricht sich sowas nicht so gut. Wir gehen rein und setzen uns!" Lenkte Ursuline ein. Dann wandte sie sich an Brittany. "Ich hoffe, wir haben Sie jetzt nicht gelangweilt, Mademoiselle", sagte sie auf Englisch. Brittany schüttelte den Kopf und erwiderte, daß sie es verstehen könne, daß sie nicht verlangen konnte, daß alle nur englisch redeten, nur weil sie dabeistand. Millie sagte darauf:

"Das wird morgen lustiger für dich, Britt."

"Hoffe ich doch sehr", entgegnete Brittany. Sie sah die geflügelte Riesenkuh Bellona genauer an und verwickelte Barbara in eine kurze Unterhaltung, wie dieses mächtige Tierwesen ohne körperliche Gewaltanwendung so abgerichtet werden konnte, daß es so ruhig blieb. Ursuline ging derweil mit Béatrice in eines der aufgebauten Zelte, um die offenbar nötige Aussprache mit ihr fortzusetzen. Martine Latierre sah Brittany und Julius an und fragte auf Englisch:

"Ich habe von Millie gehört, daß du Glorias Mutter in Sachen rein pflanzlicher Pflegemittel beraten hast. Sie ist gerade bei meinen Tanten, die vor kurzem Kinder bekommen haben und berät die in Sachen Pflegeprodukte für Mütter und Kinder. Dann hat Millie was von dem Laden erzählt, in dem ihr gestern wart. Stimmt das alles, was sie erzählt hat?" Millie funkelte ihre Schwester zornig an. Brittany grinste jedoch und nickte. Julius wurde klar, daß Martine Brittany irgendwie beschäftigen wollte. So sagte er nur, daß er von hier aus locker zu den Dusoleils hinlaufen konnte, ohne sich abzuhetzen, als Brittany sich von Martine zu einem Gespräch junger Frauen einladen ließ. Die drei jungen Hexen verschwanden auch in einem Zelt. Jetzt stand Julius mit Barbara Latierre alleine vor Bellona. "Ich geh dann mal los", sagte er nur. Doch Barbara hielt ihn mit einer leichten Handbewegung zurück und deutete dann auf eine Ecke der Wiese, wo nichts und niemand stand.

"Es ist gut, daß du heute noch zu uns gekommen bist, dann können wir etwas abklären, was ich nicht vor den anderen hier ausplaudern wollte", mentiloquierte sie ihm. Sie sah sich um, wer von den Erwachsenen auf die immer noch munter tobenden Kinder aufpassen konnte und dirigierte ihren Schwager Albericus, der sich gerade noch mit einem drahtigen zauberer im lindgrünen Umhang unterhielt, auf die Kinder und Jugendlichen zu achten. "Die andren sind bei der Mutter deiner Schulfreundin Gloria und lassen sich in Mutter-Kind-Kosmetik beraten. Ich gehe davon aus, daß Hipp, Josianne oder Raphaelle mir da schon genug von erzählen werden."

"Rahphaelle Montferre ist auch hier. Ist sie alleine gekommen?"

"Mit ihren beiden Wonneproppen und Michel. Bine und San sind noch beim Training. Die haben eine Mannschaft gefunden, die sie beide als Treiberinnen aufnehmen will. Aber wir beide haben jetzt wichtigeres zu klären", sagte Barbara und ging auf Julius zu. Dieser unterdrückte die Regung, ihr auszuweichen und streckte ihr die rechte Hand hin. Sie ergriff diese und führte ihn erst einige Meter von Bellona weg, bevor sie mit ihm zu der weit abgelegenen Ecke der großen Wiese apparierte. Sie zeichnete mit gewandten Bewegungen ihres Zauberstabes eine Bank in die Luft, die erst als kreiselnder Schemen und dann als festes Gartenmöbel mit grasgrüner Färbung vor ihnen landete. Als sie beide saßen sah sie Julius mit einem angespannten Ausdruck an. Der Zauberschüler dachte schon, sie wolle ihm gleich was über Temmie erzählen, was er vielleicht nicht gut verkraften konnte, ja ihm vielleicht vorwerfen, er habe diese Flügelkuh für alle Zeit verdorben.

"Ich hatte in den letzten fünf Tagen außer meinen beiden Jüngsten einiges um die Ohren, Julius. Insbesondere habe ich festgestellt, daß Temmie keinen Lenkhilfen mehr folgt. Will sagen, sie ist seit der Sache mit den Dexters und dem Cogison unlenkbar und störrisch. Meine Großmutter - von der ich dich übrigens schön grüßen soll - vermutet, daß diese kurzzeitige Geistesverbindung von dir mit Temmie ihr eine andere Empfindung für Stärke eröffnet hat, ja vielleicht sogar einen Widerwillen gegen einfache Ausbildungs- und Führungsformen. Das soll jetzt kein Vorwurf an dich sein, Julius. Denn du kannst ja wirklich nichts dafür, was dir nach Ostern mit ihr passiert ist. Ich wollte dich fragen, ob diese Verbindung zu Temmie wirklich beendet ist, also daß du nichts mehr von ihr mitbekommen hast, seitdem du für wenige Sekunden in ihrem Körper gesteckt hast."

"Ich empfange keine Gefühle oder Gedanken von ihr, wenn du das meinst, Barbara", erwiderte Julius. Doch er konnte nicht ganz verheimlichen, daß diese Vermutung seiner zukünftigen Schwiegertante ihm sehr stark zusetzte. Gedanken wirbelten durch seinen Kopf wie aufgescheuchte Wespen. Er hatte dreimal von Temmie geträumt. Einmal nachdem sie ihm per Cogison verraten hatte, daß sie ihn als den Zauberer wiedererkannte, der ihren Körper übernommen hatte. Da hatte er sich wieder in ihrem Körper empfunden und hören können, wie ihre Cousinen sie zum spielen aufgefordert hatten. Dann hatte er diesen einprägsamen Traum mit Millie geteilt, wo Temmie sie und ihn vor heranrückenden Schlangenmonstern gerettet hatte. Ja, und das dritte Mal, wo er von Temmie geträumt hatte war erst gestern gewesen. Wie zufällig konnte das denn sein, daß er da schon erfahren hatte, daß ihre beiden Cousinen wohl bald nicht mehr mit ihr spielen würden? Seine zukünftige Schwiegertante sah ihn eindringlich an. Er wußte nicht, ob sie legilimentieren konnte. Andererseits hatte er gerade Schwierigkeiten, seinen Geist von allen verräterischen Gedanken freizumachen und nichts von außen greifbares zu denken. Ja, und er wußte auch, daß er sich ihr hier und jetzt leichtfertig ausgeliefert hatte und sie ihn zwingen konnte, ihr alles zu verraten, was ihn im Zusammenhang mit Temmie umtrieb. So atmete er tief ein und wieder aus und verriet, daß er ein paarmal von Temmie geträumt hatte, wobei er den zweiten Traum mit keinem Wort erwähnte. Er erwähnte den ersten Traum, wo er als sie herumgeflogen war und den dritten, wo er mit Millie auf ihr geritten war und sie ihm ohne Cogison das mit Auberge und Nuagette erzählt hatte, wobei er schnell sagte, daß er das nicht erfinde, nachdem er das von Barbara gehört habe.

"Du hast also intensive Träume von ihr gehabt und dabei einmal ihre Gestalt angenommen", sagte Barbara. "Ich glaube es dir, daß du mir das mit dem Traum von Temmies Cousinen nicht erzählst, um mir was vorzuflunkern. Das brächte dir ja nichts. Wann hast du denn diesen Traum gehabt, beziehungsweise, wie spät war es nach der Ortszeit, wo du aus diesem Traum aufgewacht bist?" Julius überlegte und gab ihr die Uhrzeit, die er nach diesem Traum zuerst abgelesen hatte. Sie nickte und seufzte leicht. Dann straffte sie sich:

"Zwei Stunden vor dieser Zeit, gemessen an unserer Ortszeit hier, habe ich Nuagette nach Bleu Havre gebracht, einem unortbaren Anlegepunkt für den fliegenden Holländer an der französischen Atlantikküste. Dort habe ich sie mit den drei anderen Kühen und Trueno, dem stattlichen Bullen vom Porta-Mayor-Hof bei Sevilla zusammen auf einen gemieteten Frachter der Überseelinie verladen. Mein entfernter Verwandter betreute die fünf Tiere zusammen mit seinen Söhnen, so daß ich wieder auf unseren Hof apparieren konnte, um dort mit Bellona und meiner Familie abreisen zu können."

"Ja, aber ich war nicht echt mit Temmie zusammen über Millemerveilles", erwiderte Julius.

"Du meinst, du hast nicht im Traum echte Eindrücke von Temmie erfahren, sondern sie und dich über einem Ort gesehen, der dir viel bedeutet. Aber trotzdem hat sie zu diesem Zeitpunkt schon gewußt, was mit ihren beiden Cousinen los ist, Julius. Das allein reicht mir völlig aus."

"Ja, aber ich war tausende von Kilometern von ihr weg, Barbara", widersprach Julius. "Ich lernte beim Mentiloquieren und im Zusammenhang mit anderen Zaubereien, daß Raum und Zeit in der Magie nicht unbedeutend sind."

"Genau deswegen messe ich diesem Traum von dir ja auch eine so große Bedeutung bei, Julius. Die Verbindung ist nicht ganz gelöst worden. Du bist über eine Art immer noch mit Temmie verbunden, die du im Wachzustand nicht bemerken kannst und wohl nur dann erfährst, wenn sie gefühlsmäßig mit dir verbunden ist und du gerade nicht bei vollem Bewußtsein bist. Ich habe in meiner Ausbildung zur Hexe und vor allem von meinen Eltern und Großeltern vieles über Magie und Träume gelernt, Julius. Wer hellsichtige Begabungen hat, kann weit entfernte Ereignisse im Traum erleben oder zukünftige Ereignisse als realistische oder symbolische Eindrücke vorauserleben. Immerhin ist unsere Bezeichnung für das Gefühl, schon einmal etwas erlebt zu haben, obwohl das nicht wirklich passiert ist, ja in viele andere Sprachen übernommen worden. Manchmal trift sowas wirklich zu."

"Du glaubst also, ich sei irgendwie noch mit Temmie verbunden, obwohl ich körperlich ich selbst bin und auch nicht hören oder fühlen kann, was sie umtreibt?" Fragte Julius aufgebracht.

"Nun, du hast mir ohne von mir darauf gestoßen worden zu sein erzählt, daß du Träume von Temmie hattest, wo du einmal sie selbst warst und zum anderen was von ihr erzählt bekommen hast, wovon du zu dem Zeitpunkt nicht wirklich erfahren hast."

"Das kann aber daher kommen, daß ich in VDS den Tierpark besucht habe und Millie und ich uns mit Mr. McFusty drüber unterhalten haben, daß er gerne eine kleine Herde Latierre-Kühe haben würde", entgegnete Julius.

"Ja, aber da konntest du ja nicht wissen, welche Latierre-Kuh ich dafür hergeben würde", widersprach ihm Barbara. "Du magst es vielleicht vermutet haben, daß ich die beiden verspielten Cousinen Temmies gerne abgeben würde, aber nicht welche und auch nicht, warum die eine und nicht die andere. Auberge wird nämlich ihr Kalb auf unserem Hof bekommen. Sie in eine fremde Umgebung zu verlegen wäre ihr im Momemt nicht gerade förderlich."

"Na ja, aber das heißt doch nicht, daß ich echt mit Temmie über so eine große Entfernung verbunden sein soll", wandte Julius ein. Doch Barbara Latierre sah ihn energisch an und bemerkte sehr ernst:

"Das glaubst du selbst doch auch nicht, daß du nur zufällig von ihr geträumt hast, Julius. Du hast doch von Professeur Faucon einiges mitbekommen, was Magie und Geisteskräfte angeht. Womöglich ist durch das Vita-Mea-Ritual meiner Mutter irgendwas bei der unfreiwilligen Körperübernahme zwischen dir und Temmie verknüpft worden, weil meine Großmutter bei der Schöpfung der Latierre-Kühe etwas von ihrer eigenen Lebenskraft in die Schöpfungen übertragen hat. Nur der Umstand, daß sie damals sehr jung war bewahrte sie davor, daran zu sterben. Ihre Lebenskraft wirkt in meiner Mutter, in jedem ihrer Kinder, also auch in mir, und durch die Verbindung mit meinen jüngsten Schwestern und dem Ritual auch in dir, Julius. Kein Wunder, daß deine Fürsorgerin Catherine und wohl auch ihre Frau Mutter sehr aufgebracht waren." Julius erschauderte. Das konnte tatsächlich so sein. Aber dann wäre das mit Millie und ihm ja auch keine reine Zuneigung ... Nein, das wollte er nicht denken. Außerdem hatten sie in der Zeit, die sie schon zusammen waren, etliche Gelegenheiten gehabt, herauszufinden, daß sie nicht geistig miteinander verschmolzen worden waren. Und Martine hatte ihn nicht über die Brücke tragen können, was ja wohl kein Problem gewesen wäre, wenn ihrer beider Großmutter ihn durch das Ritual mit ihren Enkelinnen verbunden hätte. Also lag es bei ihm und Millie nicht an dem Ritual. Aber bei Temmie konnte das tatsächlich so sein.

"Das hieße ja, daß egal ob Temmie irgendwann mal trächtig wird oder nicht, ich irgendwie auf Lebzeiten mit der wie mit einer Art geistiger Nabelschnur verbunden wäre oder was?"

"Der Vergleich mit einer Nabelschnur träfe es, wenn bestätigt würde, daß diese Verbindung zwischen euch besteht. Trice soll das rausfinden!"

"Wieso Trice?" Fragte Julius. Da ließ Barbara die Bombe platzen.

"Meine Großmutter, deren Namen ich trage, meine Mutter und ich haben uns darüber unterhalten, was zu tun sei, wenn belegt würde, daß du und Temmie durch die damalige Körperverschmelzung miteinander verbunden seid. Oma Babs sagte, daß Temmie dann zu dir gehöre, ähnlich wie Goldschweif. Dann solltest du auch lernen, wie wir Latierres mit unseren Kühen kommunizieren können, ohne Cogison zu benutzen. Im Grunde habe ich es deshalb gekauft, damit meine Brüder und Schwestern auch mit Demie, Bellona oder Temmie sprechen können, was Mutter und ich ohne Cogison können."

"Du hast Goldschweif erwähnt. Mit der habe ich eine Interfidelis-Verbindung geknüpft. Die geht nur bei einem Tierwesen, und ich habe allen Grund dazu, die Verbindung mit Goldschweif zu erhalten."

"Hat Millie behauptet, ich hätte den Interfidelis-Trank benutzt?" Fragte Barbara. Julius nickte. "Ja, ich habe ihr das erzählt, daß es diesen Trank gibt und damit eine Verbindung zu einem magischen Tierwesen hergestellt werden kann, weil sie mich andauernd gefragt hat, wie ich das mit den Kühen anstelle. Aber mittlerweile sollte sie es wissen, daß ich ihr damit nicht verraten habe, wie ich es wirklich gemacht habe. Und das verrate ich dir auch nur, wenn herauskommt, daß Temmie nicht nur von dir beeindruckt ist, weil du mal eben ihren Körper übernommen und sie nach deinem Willen gesteuert hast, sondern da noch etwas mehr ist. Mag sein, daß es nicht nur Mutters Lebenskraftverstärkungsritual ist, was euch beide verbindet. Aber wie gesagt, das wird Béatrice rausfinden.""

"Und wenn ich finde, daß ich das nicht wissen will?" Entgegnete Julius trotzig, um zu verbergen, wie die letzte Vermutung Barbaras ihn erschüttert hatte.

"Das glaube ich nicht, daß dich das nicht interessiert, ob Temmie mit dir verbunden ist, wo du sonst alles lernst und ausprobierst, was dir möglich ist, Julius", erwiderte Barbara überlegen lächelnd. "Die Verbindung mit Goldschweif wurde nicht gestört, nachdem du mit Temmie herumgeflogen bist. Und mit Goldschweif hast du ja auch freiwillig eine magische Bindung geknüpft, weil du dir davon gewisse Vorteile versprichst."

"Ja, aber falls rauskommt, daß ich irgendwie immer noch mit Temmie verbunden bin, was hätte sie davon? Goldschweif meint, mich beschützen zu müssen und wollte mir schon vor Claires unfreiwilligem Abschied aus Beauxbatons eine deiner Nichten oder eine der Montferres als Fortpflanzungspartnerin anbringen. Was hätte Temmie denn von einer solchen Verbindung?"

"Goldschweif hat sich dich ausgesucht. Kniesel sind keine Herdentiere. Sie haben ihren eigenen Kopf und machen nur das, was ihnen Vorteile bringt. In Goldschweifs Fall ist es der, einen starken Zauberer um sich zu haben, dessen Kräfte sie nutzen kann, wenn sie oder ihre Jungen bedroht sind. Du hast Temmie unfreiwillig niedergerungen und für eine kurze aber spürbare Zeit komplett beherrscht. Für ausgeprägte Herdentiere ist das eine klare Botschaft. Du bist ihr ranghöchster, ihr Anführer. Zumindest würdest du diesen Status solange besitzen, bis sie an einen kräftigen Artgenossen gerät, der sie rein körperlich unterwerfen kann. Zumindest gingen meine Großmutter und Maman davon aus, wie ich von Maman erfahren habe. Sollte aber jetzt rauskommen, daß da mehr als nur eine kurzfristige Zuwendung zu dir als Temmies Herdenführer besteht - und du kannst weder dir noch mir vormachen, daß dich das absolut nicht interessiert -, dann wärest du der einzige, der sie wirklich lenken und vorantreiben könnte. Sie würde in dir einen Vertrauten sehen, für den sie alles machen würde. Du könntest dafür ihre Vorzüge ausnutzen, über die du ja schon genug gelernt hast."

"Wenn das mit dieser Verbindung echt stimmt", erwiderte Julius kühl. Barbara nickte. Er dachte daran, daß nicht nur das Vita-Mea-Vita-Tua-Ritual Ursulines diese Verknüpfung begünstigt haben mochte. Immerhin hatte er zusammen mit Millie ja auch von Temmie geträumt, die dann noch zu Darxandria wurde. Konnte es sein, daß die in seinem Geist verankerten Erinnerungen Darxandrias bei der Körperübernahme mit in Temmie übergesprungen waren? Ja, das sollte er eigentlich genau klären! "In Ordnung, Barbara, ich will das wissen, ob die Verbindung besteht oder nicht. Aber wie bitte soll Béatrice das rausfinden, und hat Catherine oder meine Mutter dazu nicht vielleicht noch was zu sagen, solange ich nicht volljährig bin?"

"Catherine hat von meiner Mutter und mir gestern schon einen entsprechenden Brief bekommen. Besprich es bitte mit ihr und deiner Mutter, um zu klären, ob ja. Béatrice kann dann ähnliche Untersuchungen mit dir anstellen wie Madame Rossignol sie mit dir im Zusammenhang mit Goldschweif angestellt hat. Soweit ich weiß wurde damals ja auch geklärt, ob zwischen ihr und dir eine gewisse Verbindung besteht. Außerdem kann sie dich in einen Zustand versetzen, wo du zwischen wach und Traum schwebst. Ich würde dann bei Temmie sein und sie beobachten, wie sie reagiert. Aber wie gesagt mußt du das mit Catherine und deiner Mutter abklären."

Julius nickte. Wenn die beiden das ablehnten war die ganze Angelegenheit ja erledigt. Dann fiel ihm etwas ein, womit er vielleicht die ganze Untersuchung umgehen konnte. Er hatte Temmie sprechen hören können. In dem Traum von irh, Darxandria und Millie hatte er sie sprechen hören können. Auch in dem Traum von gestern Nacht hatte er sie mit derselben tiefen Stimme hören können, wie die eines hochgewachsenen, dreizehnjährigen Mädchens. Vielleicht konnte er mit dieser Vorstellung von ihrer Stimme ein Experiment durchführen, das für ihn völlig ungefährlich war. Er sagte, daß er das mit seiner Mutter und Catherine besprechen würde, aber nicht sicher sei, daß er das am selben Abend noch wisse, ob er durfte oder nicht. Barbara nickte und sagte dann:

"Ich glaube nicht, daß Catherine große Einwände dagegen hat. Deine Mutter wird womöglich befürchten, daß wir versuchen, dich noch mehr in unsere Familienangelegenheiten einzuspannen als deine Beziehung mit Millie und das Ritual Mamans das schon tun. Aber du hast recht, daß sie darüber befinden muß, worauf du dich einlassen darfst und worauf nicht. Ich bringe dich am besten zu den Dusoleils." Julius erklärte sich einverstanden. Als er sich von Millie und Brittany verabschiedet hatte, apparierte Barbara Latierre mit ihm vor die Grundstücksgrenze der Dusoleils. Dort wartete Catherine bereits auf sie.

"Ich habe mir gedacht, daß du oder deine Mutter so schnell wie möglich mit Julius über diese Sache reden wollt, von der du mir geschrieben hast, Barbara", begrüßte Catherine die beiden Neuankömmlinge. "Camille hat noch in der Küche zu tun. Sie war nicht darauf gefaßt, daß Martha schon so früh herkommen wollte. Welches Gästezimmer habt ihr, Julius?"

"Das Waldlandschaftszimmer", gab Julius Auskunft.

"Dann nutzen wir die eine Stunde noch aus, um darüber zu sprechen", bestimmte Catherine. Barbara nickte einverstanden. Auch Julius stimmte dem zu. Catherine bat Barbara darum, bei ihrer Familie zu warten, bis die Angelegenheit besprochen worden sei. Auch damit erklärte sich Barbara einverstanden und disapparierte. So warteten sie, bis Martha Andrews zu Fuß bei den Dusoleils ankam und zogen sich, nachdem sie Camille und Florymont erzählt hatten, sie hätten noch etwas wichtiges zu besprechen, ins Waldlandschaftszimmer zurück, wo Catherine einen Klangkerker errichtete. Julius' Mutter sah ihren Sohn an, der sofort zur Sache kam:

"Die Damen Ursuline und Barbara Latierre vermuten, ich könne wesentlich stärker mit ihrer Flügelkuh Artemis verbunden sein als zu ahnen war. Sie wollen das nachprüfen, wie Madame Rossignol das damals mit mir und Goldschweif geprüft hat."

"Noch so'n Zaubertier?" Fragte Martha Andrews. Catherine nickte. Dann holte sie einen Brief hervor, den sie gestern erhalten hatte und gab ihn Julius' Mutter zu lesen.

Als Martha den Brief zweimal durchgelesen hatte sah sie Julius an und blickte sich dann um, ob wirklich alle sechs Innenflächen des Zimmers vom ockergelben Klangkerkerschimmer bedeckt waren. Dann fragte sie ihren Sohn:

"Du hast mir sehr spät aber doch noch rechtzeitig erzählt, daß diese atlantische Herrscherin Darxandria über ihre Kettenhaube etwas von ihren Erinnerungen in dir zurückgelassen hat, Julius. Könnte es sein, daß du bei dieser Sache mit Temmie etwas davon auf die Kuh übertragen hast?"

"Barbara Latierre meinte, es könnte auch von dem Ritual ihrer Mutter herkommen, daß zwischen Temmie und mir was aufgebaut wurde, Mum. Aber an Darxandria habe ich auch schon gedacht", erwiderte Julius.

"Oha, das Ritual. Das könnte natürlich auch etwas begünstigt haben", knurrte seine Mutter. Catherine nickte. Dann sagte sie:

"Genau aus dem Grund ist meine Mutter auch so aufgebracht gewesen, als ihr beiden ihr von dem Ritual erzählt habt, Martha und Julius. Es knüpft ein magisches Band über die Linie der Hexe, die es ausübte. Da sie dabei ihre eigenen Kinder als Mittler eingesetzt hat, in denen du, Julius, ein klein wenig deiner eigenen Lebenskraft konzentriert hast, wirkte es erheblich stärker als ohne diese lebenden Medien. Nachdem, was ich aus dem Brief gelesen habe gehen Ursuline und Barbara ja auch davon aus, daß die Verknüpfung, wenn sie denn nachweisbar sei, wegen des Rituals in Verbindung mit Ursulines Mutter, die diese Tiere erschaffen hat, stabil sei. Von Darxandria wissen sie ja nichts. Das soll ja auch so bleiben. Die Verbindung zu Darxandria ist ja eine rein geistige. Da du Artemis rein geistig unterworfen hast, könnte diese Verbindung zu Darxandria auf Artemis' tierisches Bewußtsein übergegriffen haben. In Gemeinsamkeit mit dem euch beide verknüpfenden Zauber des Vita-Mea-Rituals ergäbe sich dann eine doppelte Verknüpfung, sowohl über die körperliche als auch geistig-seelische Energie. Hast du irgendwas in den letzten Tagen empfunden, was nicht so war wie du es gewohnt bist, Julius. Körperliche Gelüste, merkwürdige Gedanken oder einprägsame Träume, die im Zusammenhang mit Artemis stehen?" Julius erwähnte, daß er ein paarmal von ihr geträumt habe und beschrieb diese Träume, wobei er auch den erwähnte, wo Millie und er dasselbe geträumt hatten. Catherine zuckte kurz zusammen, straffte sich dann und sah Martha an, die wohl auch der Blitz einer befremdlichen Erkenntnis getroffen hatte.

"Ich habe zwar nicht so viel Ahnung von allgemeiner Zauberei, Julius. Aber ich habe genug Vorstellungskraft und logisches Denkvermögen, um zu erkennen, daß du in der Tat über Darxandria mit Temmie verbunden bist, Julius. Weil sonst hätte sie sich nicht über diese Kuh in deine Träume eingemengt. Sonst hättest du wohl auch nicht zweimal von ihr geträumt und dabei Dinge erfahren, die nur sie erfahren haben konnte. Ich fürchte, um endgültige Klärung zu bekommen müssen wir dieser Überprüfung zustimmen, Catherine", sagte Martha Andrews mit gewissem Unbehagen.

"Ja, und wenn sich herausstellt, daß es diese Verbindung gibt, Martha?" Fragte Catherine.

"Tja, Dann sieht es danach aus, als ob Artemis geistig von Julius abhängig wäre", erwiderte Martha. "Etwas anderes als Goldschweif, aber auch eine nicht mehr zu leugnende Beziehung. Sie zu lösen wäre wohl nur mit Gewalt möglich."

"Hoffentlich ist das nicht so, daß wenn ich sterbe meine Seele in Temmies Körper rübergezogen wird oder wenn sie stirbt ich anfange, gras zu fressen und große, haarige Typen mit Hörnern auf dem Kopf supertoll zu finden", seufzte Julius.

"Gerade deshalb sollten wir das klären, um zu überlegen, ob wir irgendwas dagegen tun sollen oder können", stellte Catherine ziemlich ungehalten fest. Julius hörte jedoch keinen Vorwurf heraus, sondern nur eine gewisse Verärgerung, weil da etwas ablief, das sie nicht kontrollieren konnte. Martha Andrews sah ihren Sohn leicht betroffen an und bemerkte: "Immer wieder was neues."

"Wenn du das so siehst, Mum, dann wird's auf jeden Fall nicht langweilig", gab Julius eine hämische Bemerkung dazu ab. Seine Mutter verzog zwar das Gesicht, schwieg jedoch.

"Gut, dann soll Béatrice Latierre das rausfinden. Ich will aber dann dabei sein", machte Catherine deutlich, daß sie Julius nicht unbeaufsichtigt in dieses Experiment hineingehen lassen wollte. Dieser nickte. War es jetzt Zeit, auszuprobieren, was er sich eben noch überlegt hatte? Er straffte sich und sah Catherine an. Dieser mentiloquierte er:

"Weißt du, ob man Tierwesen anmentiloquieren kann?"

"Dazu müßtest du dir genau vorstellen, wie es was sagen würde. Und eben das geht in den allermeisten Fällen nicht", schickte sie zurück.

"Ich probier mal was aus, ungefährlich. Red bitte mit Mum über irgendwas!" Catherine sagte darauf:

"Martha, unabhängig davon, wie dieser Versuch ausgeht werde ich meine Aufgaben nicht abgeben und auch nicht wollen, daß Julius von dir wegzieht oder dergleichen. Ursulines Familie legt es wohl auch nicht darauf an, daß Julius von dir wegkommt, falls du das fürchtest."

Währenddessenstimmte sich Julius auf einen anderen Melo-Empfänger ein. Er rief sich das Geräusch von Wind in Baumwipfeln ins Bewußtsein, fügte diesem Eindruck das Bild einer grünen Wiese hinzu, fühlte sich immer entspannter und wohler, dachte den Namen Mamille dabei und sah dann Temmies blütenweißen Körper vor sich, um dann mit genau der Stimme, die er in seinen Träumen von ihr gehört hatte, "Temmie, hallo!" zu denken. Es war ihm sofort, als riefe er per Megaphon in eine weitläufige Kathedrale hinein und höre seine Worte sehr lange nachhallen. Diese intensive Empfindung ließ ihn wie unter einem Stromschlag zusammenfahren. Er brauchte eine Sekunde, um sich seiner gegenwärtigen Umgebung bewußt zu werden. Catherine sah ihn an und mentiloquierte ihm: "Was hast du gemacht?"

"Temmie erfolgreich anmentiloquiert", schickte er zurück, als seine Mutter gerade eine Antwort auf Catherines Bemerkung beendete. Sie sah ihren Sohn erschrocken an und fragte, was er habe. Da sagte er laut:

"Ich habe was versucht, Mum. Ich habe Temmie im Traum mehrmals sprechen hören können und mir die Stimme ziemlich gut gemerkt. Da habe ich versucht, sie mit einer Gedankenbotschaft zu erreichen. Dabei sind mir meine eigenen Wörter wie aus zehntausend-Watt-Lautsprechern in der St.-Pauls-Kathedrale in meine Birne zurückgedröhnt und haben lange nachgehallt. Laut Melo-Regeln gilt damit eine Botschaft als erfolgreich abgesetzt."

"Moment, du kannst mit dieser Kuh von hier aus in telepathische Verbindung treten?" Fragte seine Mutter aufgeregt. Catherine sah Julius mit einer Mischung aus Faszination und Verunsicherung an, als sehe sie einem Vulkanausbruch zu und wisse nicht, ob nicht gleich eine feurige Glutwolke aus dem Krater quellen und sie zu Asche verbrennen würde.

"Sogesehen könnte ich dann auch Goldschweif anmentiloquieren, weil ich mit der eine gewisse Stimme verknüpfe", sagte Julius eher beeindruckt als bekümmert, daß sein Experiment auf Anhieb geklappt hatte.

"Nur, daß weder Goldschweif noch diese geflügelte Kuh dir auf dieselbe Weise antworten können. Sie sind dafür doch noch zu begriffsstutzig und haben ein sehr stark eingeschränktes Vorstellungsvermögen."

"Ja, aber was bedeutet das, daß Julius diese Artemis mit Gedankenbotschaften erreichen kann?" Fragte Julius' Mutter.

"Daß ich die ohne Zaumzeug und laute Kommandos steuern könnte, wenn ich's darauf anlegte", erwiderte Julius darauf. Catherine nickte. Dann forderte sie ihn auf:

"Versuch auch Goldschweif anzumentiloquieren!"

Julius entspannte sich und ging alle vier ersten Stufen durch, dann schickte er sich mit Goldschweifs nur für ihn hörbarer Stimme sagen hörend: "Hallo Goldschweif!" Aus. Er vernahm einen leichten Widerhall. "Hallo Goldschweif!" Schickte er noch einmal aus. Diesmal hallte es lauter und länger in seinem Geist nach. "Hallo Goldie!" Sandte er zum dritten Mal aus. Doch das Nachschwingen seines Rufes wurde nicht lauter. "Erreichen kann ich die, Catherine und Mum. Aber es haut nicht so rein wie bei Temmie. Kann sein, weil Temmie den größeren Kopf hat."

"Die physischen Abmessunen des Gehirns allein machen das nicht aus, Julius. Wichtiger ist die innere Verbundenheit mit dem Empfänger", rief Catherine ihm ins Gedächtnis und fügte nur in seinem Geist klingend hinzu: "Aber das habe ich dir beigebracht, Lümmel!"

"Mit anderen Worten, mein Sohn steht in geistiger Verbindung mit einem elefantengroßen, geflügelten Fabeltier, das überwiegende Anteile eines weiblichen Hausrinds aufweist", seufzte Martha Andrews.

"Martha, mach dir keine Sorgen. Dieses Wesen kann Julius nicht beeinflussen", sagte Catherine wohl auch um sich selbst zu beruhigen. Julius war sich jedoch nicht so sicher, ob er nicht gerade wie der Zauberlehrling in dem Gedicht mit den zu Wasserträgern verwandelten Besenstielen einen Geist gerufen hatte, den er nun nicht wieder loswerden konnte. Ähnliches mußte seine Mutter wohl denken, weil sie Catherine beklommen ansah und sagte:

"Was, wenn Goldschweif oder Artemis instinktiv herausfinden, was sie empfinden oder beabsichtigen müssen, um Julius irgendwie zu beeinflussen? Immerhin konnte diese Hallitti den Aufspürzauber ja auch umkehren, um ihn zu finden."

"Das ist ein himmelweiter und abgrundtiefer Unterschied, Martha. Hallitti ist bereits als superintelligentes, magisch hochbegabtes Wesen geboren worden. Trotz aller nachweisbaren Intelligenz bei Knieseln oder Latierre-Kühen sind sie doch immer noch einem ausgewachsenen, menschlichen Verstand unterlegen."

"Catherine, so wie ich das jetzt sehe wurde ein derartiges Experiment bisher noch nie gemacht, und was die Verbindung angeht, die wohl doch besteht, ist es wohl eine bisher nicht beobachtbare Erscheinungsform. Das heißt für mich im Klartext, daß keiner wirklich weiß, was dadurch möglich ist, Catherine. Da müßte mir sogar deine Mutter zustimmen, daß sie in diesem Punkt mit mir gleichgut im Bilde oder eben nicht ist."

"Ich fürchte, Martha, daß meine Mutter sofort gesagt hätte, daß diese Verbindung nicht ganz unerwartet zustandekam", widersprach Catherine. "Sie weiß noch nicht, daß die geflügelte Artemis Julius wie einen mächtigen Anführer oder Angebeteten sieht. Ich habe es ihr nicht erzählt, was bei der Willkommensfeier herauskam."

"Oha, wenn die das mitkriegt, wo die die ganze Geschichte kennt wird das ein tierisches Vergnügen", feixte Julius. "Wo die mit den Latierres absolut nicht klarkommt."

"Nun, am besten warten wir die Ergebnisse der heilmagischen Überprüfung ab. Dann haben wir auch was dokumentierbares in der Hand", wandte Catherine ein. Martha verzog nur wieder ihr Gesicht. Julius konnte sich ausmalen, daß seine Mutter gerade alle Folgen überdachte, die eine über große Entfernungen wirksame Verbindung mit einem fliegenden Ungetüm nach sich ziehen mochten. Es war ihr wohl schon schwergefallen, die Interfidelis-Bindung mit Goldschweif hinzunehmen. Julius fragte sich aber eher, was Millie sagen würde, wenn er ihr auftischte, daß da noch ein weibliches Wesen außer ihr und Goldschweif hinter ihm herlaufen mochte. Das amüsierte ihn so sehr, daß er unwillkürlich lächeln mußte. Als er von seiner Mutter nach dem Grund für die Erheiterung gefragt wurde sagte er nur:

"Weil ich mich frage, ob Millie und Temmie gut miteinander klarkommen, wenn Millie das mitkriegt."

"Frage sie doch, wenn wir es amtlich haben", entgegnete Catherine darauf. Martha blickte sie vorwurfsvoll an, wußte aber offenbar keine passende Antwort.

"Soll ich Ursuline anmentiloquieren, daß ich eine ihrer jüngeren Flügelkühe mit voller Leistung anmeloen kann?" Fragte Julius.

"Weil du mit ihr bessere Verbindung hast als mit Barbara?" Fragte Catherine. "Dann mach das!" Bestärkte sie ihn. Martha nickte zustimmend. So mentiloquierte er an Ursuline:

"Habe die geflügelte Artemis auf eurem Hof anmentiloquieren können! Sage Barbara bitte, daß Catherine dabei sein wird, wenn Trice die Verbindung zwischen mir und Temmie nachprüft!"

"Warum melost du ihr das nicht selbst? Durch meine Gabe müßtest du mit ihr auch sehr gut können", bekam er zur Antwort. Julius überlegte nicht lange und schickte seine Botschaft an Ursulines zweitälteste Tochter weiter. diese antwortete, daß Catherine sich mit ihr über den Zeitpunkt des Experimentes verständigen solle. Das gab er sofort weiter.

"Was meint ihr, soll ich Camille die Kiste erzählen?" Wollte Julius von seiner Mutter und Catherine wissen.

"Ich weiß nicht, ob das jetzt angebracht ist", sagte Catherine. "Du kannst dir sicher vorstellen, daß gerade die Kommenden Tage noch schwer auf ihr Gemüt drücken mögen."

"Und dann feiern wir ausgerechnet hier", grummelte Julius, der wohl wußte, was Catherine damit meinte.

"Eben, weil Camille durch dich noch einen gewissen Halt zu Claire hat", brachte seine magische Fürsorgerin es auf den Punkt. Julius nickte. Das und nur das war ja der Grund, warum Camille, überhaupt die Dusoleils, ihn immer noch als willkommenen Besucher, ja trotz des Verlustes von Claire als ein Familienmitglied ansahen, weil er wie sie Claires Andenken lebendig hielt. Er fragte sich zwar, ob sie es so einfach hingenommen hatten, daß er ausgerechnet mit Mildrid Latierre eine neue Bindung eingegangen war. Aber obwohl Camille es zu Ostern mitbekommen hatte, war ihre Zuneigung zu ihm nicht verschwunden. Seine Mutter wandte ein, daß Camille dann ja auch erzählt bekommen müßte, was Ursuline mit Julius gemacht hatte und welche Geheimnisse er bisher vor ihr verborgen gehalten hatte. Catherine stimmte ihr wortlos zu. Es war wohl nicht gerade die passende Situation, noch mehr Leute in die ganze Sache mit Darxandria einzuweihen.

"Julius, meine Mutter hat mich angemelot, daß Temmie andauernd in die Richtung guckt, wo Millemerveilles liegt", hörte er Ursulines Gedankenstimme. "Sie ist an die Grenze ihres Bannkreises geflogen und versucht, diesen zu verlassen."

"Oha, da habe ich was angerichtet", stöhnte Julius. "Ursulines Mutter ist als Stallwache auf dem Latierre-Hof und hat gesehen, daß Temmie versucht, in Richtung Millemerveilles aus dem Rückhaltekreis herauszufliegen."

"Dann schick ihr zu, daß sie ruhig bleiben und auf dem Hof bleiben soll", sagte Catherine ohne groß überlegen zu müssen. Julius nickte und stimmte sich auf Temmie ein.

"Temmie, feines Mädchen! Bleib zu Hause! Feines Mädchen! Bleib da, wo du bist! Ganz liebes Mädchen!" Ihm dröhnte der Schädel, so heftig hallten seine Worte nach. Mit körperlicher Stimme sagte er: "Der kann ich aber nicht dauernd was zuschicken. Das bläst mir ja fast die grauen Zellen weg."

"Dann kannst du sicher sein, daß ihr auch der Schädel brummt, Julius", versetzte Catherine darauf. Nach zwanzig Sekunden bekam Julius Lines Gedankennachricht, daß Temmie erst wütend gemuht hatte und dann zu ihrem Weideplatz zurückgeflogen sei.

"Es hat geklappt", sagte er laut. Martha sah ihn befremdet an. Daß er seit bald einem Jahr andauernd mit anderen Hexen und Zauberern Gedankenbotschaften austauschte war ihr schon unheimlich. Aber daß er nun auch über mehrere hundert Kilometer Entfernung eine geflügelte Riesenkuh fernsteuern konnte brachte dieses unheimliche Können richtig zur Geltung. Julius überlegte, ob Goldschweif vielleicht auch rammdösig geworden sei und fragte Catherine, ob die Armbandverbindung durch den Klangkerker ginge. Natürlich ging das nicht. So öffnete er kurz das Fenster, schloß es danach fest und tippte sich an den weißen Schmuckstein des silbernen Pflegehelferarmbandes. Hoffentlich kam Schwester Florence nicht darauf, ihn nach seinen letzten Ferientagen und -nächten zu fragen.

"Hallo, Julius, ich weiß, daß Mildrid und du in Millemerveilles angekommen seid. Ist irgendwas passiert, das ich wissen sollte?" Klang Madame Rossignols Stimme aus dem Armband, während ihr räumliches Abbild frei vor Julius in der Luft schwebte.

"Nicht, daß ich wüßte", sagte Julius ruhig. "Ich wollte nur wissen, wie es Goldschweif geht."

"Da müßte ich zum Gehege. Ich sitze gerade über einigen Briefen, die ich gerne morgen noch losschicken möchte. Aber ich seh gerne nach, wie es Goldschweif geht."

"Ich habe mal aus Jux probiert, sie anzumentiloquieren, weil ich ja eine Vorstellung von ihrer Persönlichkeit habe, Madame. Könnte sein, daß die jetzt findet, mir nachlaufen zu müssen."

"Ich seh nach", erwiderte Madame Rossignol.

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Wie kommt denn Julius' Stimme in mich rein? Er ruft nach mir. Ich kann aber nicht hören, woher. Hmm, irgendwie fühle ich aber, daß er da ist, wo ich schon mal hingelaufen bin, in dieser Ansammlung von großen Wohnhöhlen, wo die unheimlich brummende Kraft drum herumsteht. Ich rufe zurück. Aber er hört mich wohl nicht. Wie macht der das denn? Jetzt ist seine Stimme aus mir weg, und ich fühle ihn nicht mehr so stark. Er ist aber ganz bestimmt noch da, wo dieses schwächliche Weibchen wohnt und die Höhle mit diesem schrill quiekenden Großohrenweibchen, das klein und mit der Kraft voll ist steht. Ist der bei diesem dicken Menschenweibchen mit dem goldenen Schwanz am Kopf? Ich laufe zu der Grenze. Olympe ist noch in dem großen Steinbau. Aber die Kraft, die wach wird, wenn die Sonne über uns ist, singt noch zu stark. Ich kann hier nicht raus! Ich laufe mehrmals herum. Ist Julius in Gefahr? Braucht er mich? Klang nicht so. Er hat irgendwie nur gerufen, ob ich da bin. Klang nicht mit Angst. Ich setze mich so, daß ich genau in die richtung sehe, wo Julius wohl gerade ist. Diese Dinger, die mit ihrer Kraft machen, daß ich ihn nicht wie sonst spüren kann zirpen und singen leise. Ui, da kommt Florence, das ältere Weibchen, das denen, die sich nicht wohlfühlen hilft. Bei ihr singt diese Kraft, mit der sie machen kann, daß jemand gesehen wird, der nicht da ist. Ich sehe Julius. Aber ich fühle und rieche ihn nicht, und seine Stimme kommt mit leisem Wimmern der Kraft aus diesem glitzernden Ding an Florences rechter Vorderpfote.

"Sie sitzt in ihrem Gehege wie vor einem Mauseloch, Julius. Hmm, sie sieht in die Richtung, wo von uns aus Millemerveilles liegt. Kann sein, daß sie die Ausrichtung deiner Gedanken irgendwie mitgekriegt hat", höre ich Florence sagen. Was sagt die da? Was sind denn Gedanken? Kenne ich nicht.

"Eigentlich geht das bei Melo doch gar nicht", höre ich Julius von der Kraft nachgemachte Stimme sagen und sehe das wie er aussehende so, als sage er das wirklich.

"Kniesel haben ein besonderes Gespür für Orientierung und Magie, Julius. Könnte sein, daß sie das mitkriegt ... Aha, sie sieht und hört uns", sagt Florence.

"Sind die Abschirmsteine noch verteilt, Madame Rossignol?" fragt die Stimme, die von Julius zu sein scheint.

"Ja, die sind noch aktiv", spricht Florence.

"Dann kann nichts passieren", kommt diese Stimme wie Wimmern aus dem Glitzerding.

"Ja, aber dann lass sie bloß in Ruhe, Julius. Wenn du sie noch mal anmentiloquierst könnte sie rausfinden, wo genau du bist und dann wieder ausreißen."

"Ich sage ihr, daß sie keine Angst haben muß und auf mich warten soll", spricht die Stimme aus dem Glitzerding. Florence wackelt einmal mit dem Kopf vor und zurück. Da höre ich Julius' Stimme wieder in mir drin. Irgendwie unheimlich aber auch irgendwie die Stimmung anregend.

"Goldi, bist eine feine Freundin. Bleib bei Florence und Olympe zu Hause. Mir geht's gut. Komme nach dem nächsten Mond wieder zu dir hin. Feines Mädchen!"

Wie macht der das? Ich kann sowas nicht. Dabei will ich ihm sagen, daß ich ihn gehört habe. Ich wackel zweimal mit dem Kopf vor und zurück, damit Florence das sieht. Oh, sie zeigt ihre Zähne. Das kenne ich. Damit zeigen die Menschen, wenn ihnen etwas gefällt oder sie zeigen, wenn sie jemandem nichts böses tun wollen. Dann sagt sie:

"Julius, die hat mir zugenickt wie ein Mensch. Ich lerne doch immer wieder was neues."

"Dann hat sie verstanden, Madame. Vielen Dank für die Hilfe!"

"Kein Problem. Jetzt habe ich den Kopf auch wieder freier für den Pergamentstapel, der noch beschrieben werden will." Das was so wie Julius aussieht ist einfach weg. Die Kraft aus dem Glitzerding singt jetzt so leise, daß ich sie über das Singen in der Grenze um den Platz, wo ich bei Sonnenlicht bin fast nicht mehr hören kann. Florence geht zum Steinbau zurück. Julius geht es gut. er ist in dieser Ansammlung von Wohnhöhlen. Da tut ihm keiner was, weiß ich. Also kann ich hier ruhig bleiben. Es ist aber shön, daß er jetzt was machen kann, damit ich ihn in mir drin hören kann. Wenn nur ich ihn höre, kann der mich dann rufen, ohne von wem anderem gehört zu werden. Das gefällt mir. Ich gehe zu meiner Wohnhöhle zurück und fauche meine Jungen an, die sich einfach auf mein trockenes Schlafgras hingeworfen haben. Morgen ist Schluß damit. Dann sollen die ihre eigenen Wohnhöhlen kriegen. Dann habe ich erst einmal Ruhe. Dann habe ich ein paar Monde Zeit, bis die nächste Stimmung da ist und ich neue Junge kriegen kann.

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UH, ICH HABE IHN WIEDER IN MIR DRIN! JULIUS IST WIEDER IN MIR DRIN. ABER DIESMAL IST NUR WAS VON IHM DA, WAS SEHR LAUT IN MEINEM KOPF RUFT: "Hallo temmie!" ICH MERKE, DAß ER NICHT WIEDER RICHTIG IN MIR IST, WEIL ER JA SONST IN MEINEN BEINEN, MEINEN FLÜGELN UND MEINEM KOPF WÄRE. IRGENDWAS MACHT ER, DAß ICH IHN IN MIR DRIN RUFEN HÖREN KANN. DAS TUT ZWAR SEHR WEH, ABER ICH MERKE JETZT WO ER IST. ER IST DA, WO BELLONA MIT DER TRAGEHÖHLE AUF DEM RÜCKEN HINGEFLOGEN IST. EH! WIESO WERDE ICH VON DIESEM FESTHALTERING WIEDER ZURÜCKGEZOGEN? BELLONA KONNTE DOCH WEGFLIEGEN. ICH FLIEGE IMMER WIEDER LOS, ABER DIESER FESTHALTERING ZIEHT MICH SEHR KRÄFTIG AM HALS ZURÜCK. DAS MACHT MICH WÜTEND. ICH RUFE LAUT UND KÄMPFE GEGEN DAS FESTHALTEN. ABER ES IST NICHT WEGZUKRIEGEN. IMMER WIEDER FLIEGE ICH DAGEGEN AN. DA KOMMT SO EINER DIESER SCHWARZ-WEIßEN VÖGEL UND FLIEGT UM MICH RUM. GEHST DU WOHL WEG! AH, ER LÄßT MICH IN RUHE. ABER DAS FESTHALTEN WILL MICH NICHT VON HIER WEGFLIEGEN LASSEN. EH! LOSLASSEN! ICH WILL ZU DEM, DER MAL IN MIR DRIN WAR!

"Temmie, feines Mädchen! Bleib zu Hause! Feines Mädchen! Bleib da, wo du bist! Ganz liebes Mädchen!" WIEDER RUFT JULIUS SO LAUT IN MIR, DAß MIR DAS RICHTIG WEHTUT. ABER ER KLINGT SEHR FREUNDLICH UND MACHT MIR RUHE. ER WEIß ALSO, DAß ICH IHN GEHÖRT HABE. BESTIMMT KOMMT ER BALD ZU MIR UND BLEIBT DANN BEI MIR.

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"Also das mit dem anmentiloquieren von magischen Tierwesen lasse ich wohl erst mal bleiben", stellte Julius fest, als das räumliche Abbild Madame Rossignols verschwunden war. Sie hatte ihm erzählt, daß Goldschweif wie auf dem Sprung hinter dem Zaun des Knieselgeheges gesessen hatte. Er hatte sie dann noch einmal anmentiloquiert, um sie zu beruhigen und zu befehlen, in ihrem Revier zu bleiben. Sicher war Goldschweif eigenwillig. Aber er hatte nach der erfolgreichen Interfidelis-Verbindung häufig mit ihr gesprochen, daß sie nicht andauernd zu ihm hinlaufen konnte. Außerdem hatte sie ja noch die vier Jungen, um die sie sich kümmern mußte. Die würden zwar bald von ihr verstoßen werden, aber bis dahin blieb Julius noch ein wenig Zeit, ohne Goldschweif die Ferien zu erleben. Er hoffte, daß Temmie nicht doch noch irgendwie aus ihrem mit Rückhaltebannzaubern belegtem Weidegrund ausbrechen könnte. Ein mehr als sieben Meter großes, fliegendes Ungetüm würde den Muggeln bestimmt nicht entgehen, wenn Temmie über Autobahnen oder Städte dahinflöge. Das konnte noch was geben. Doch vielleicht brachte ihm die genaue Feststellung der magischen Verbindung zwischen der Latierre-Kuh und ihm die Möglichkeit, dieses Tierwesen besser zu kontrollieren als Goldschweif.

Catherine errichtete erneut einen Klangkerker und wandte sich dann an Julius und seine Mutter. "Wir bleiben dabei, daß Camille und ihre Familie davon nichts erfahren. Meiner Mutter werde ich es vorerst auch nicht erzählen", stellte Catherine klar. "Mir mißfällt es zwar, eine Nacht- und Nebelaktion daraus zu machen, aber bis wir absolute Gewißheit haben, ob dieser Mentiloquismus-Erfolg nur auf Grund eines Zufalls oder auf bestehende Verbindungen zwischen dieser Artemis und dir zustandekam", wobei sie Julius ansah, "möchte ich gerne so wenige Leute wie möglich über diese Gegebenheit benachrichtigen." Martha und ihr Sohn nickten Catherine beipflichtend zu. Catherine nickte ebenfalls und schlug dann verbindlich vor, daß Julius nach der offiziellen Bettgeh-Zeit aus dem Fenster klettern möge. Catherine würde ihn dann in hundert Metern Entfernung vom Dusoleil-Grundstück erwarten und mit ihm zu den Latierres apparieren. Martha und Julius nickten. "Gut, dann werde ich vor dem Abendessen noch zu den Latierres auf die Wiese apparieren und das mit Béatrice und Barbara abklären", verkündete Catherine Brickston. Dann öffnete sie die Tür, womit der gerade eben erst wieder errichtete Klangkerker erlosch.

Während des Abendessens bei den Dusoleils sprachen Martha und Julius von ihren Reiseerlebnissen und erfuhren von den stolzen Großeltern Vivianes, daß die Kleine in den letzten sieben Tagen ein Viertelpfund zugenommen hatte. Camille bemerkte schmunzelnd, daß Jeanne wohl eine sehr gute Milch bilden würde. Julius fragte nach Barbara van Heldern und erfuhr, daß sie immer noch in Millemerveilles sei und auch immer noch bei Jeanne im Haus wohne. Julius dachte sich, daß die beiden jungen Mütter sich beim Stillen womöglich abwechseln würden. Aber er beließ Camille in der Vorstellung, ihre Tochter ernähre die kleine Viviane Aurélie so hervorragend. Martha wandt seufzend ein:

"Tja, erst freuen sie sich alle über jedes Pfund, das ein Mädchen zunimmt, und irgendwann freuen sie sich über jedes Gramm, das sie wieder loswird. Aber ich denke, ihr kriegt Viviane alle zusammen gut groß." Julius vermutete, daß seine Mutter immer noch daran zu knabbern hatte, daß um sie herum so viele Frauen neue Babys zu versorgen hatten. Jetzt, wo Eleonore Latierre auch noch in freudiger Erwartung war, kam da in einigen Monaten schon wieder wer kleines an, mit dem sie vielleicht zu tun bekäme. Camille fragte Martha, ob sie diese Erfahrungen gemacht hätte, erst rund und propper gefüttert zu werden und dann zum Abnehmen angehalten worden zu sein. Julius' Mutter errötete leicht, als sie sagte:

"Sagen wir es so, bis zur Schwangerschaft mit Julius konnte ich essen, so viel ich wollte, ohne anzusetzen. Die Pfunde, die ich durch die anderen Umstände zunahm habe ich sehr schwer wieder loswerden können. Den Rekord, den Ursuline Latierre aufgestellt hat, erst viel zuzulegen und dann durch das Stillen einen Großteil davon wieder abzugeben, kann ich nicht für mich in Anspruch nehmen."

"Tut das eigentlich weh, wenn so'n Baby an der Brust saugt?" Wollte Denise wissen. Die am Tisch sitzenden Mütter sahen sich abstimmend an, wobei Martha etwas röter anlief als gerade eben noch. Camille erzählte ihrer jüngsten Tochter dann:

"Ich kann jetzt nur von mir sprechen, Denise. Als ich Jeanne, Claire und dich so klein hatte, das ihr bei mir getrunken habt, tat das mehr weh, wenn ich euch längere Zeit nicht angelegt habe, weil mir die Brüste dann zu schwer wurden. Ob das richtig wehtut kommt ja darauf an, ob so'n Baby mehr Hunger hat als die Mutter stillen kann oder nicht. Ist ja auch sehr wichtig, ob eine Mutter ihr Kind sehr lieb hat oder nicht. Nachdem du das bei Jeanne ja sehr gut mitbekommen hast, wie sie Viviane ausgetragen hat und jetzt mit ihr umgeht kannst du wohl verstehen, daß alles nach der Geburt nicht mehr so wehtut wie alles davor." Martha nickte ihr sachte zu, sagte aber keinen Ton.

"Irgendwann hast du wohl selbst ein kleines Kind. Dann kriegst du das selbst mit, wie das ist", sagte Florymont Dusoleil seiner Tochter zugewandt. Ihm schien dieses sehr persönliche Thema offenbar nicht gerade kindgerecht zu sein. Doch seine Frau sah ihn etwas verstimmt an und wandte ein, daß Denise jetzt in einem Alter sei, wo sie mehr über die möglichen Aufgaben einer Frau wissen dürfe, vor allem wo Jeanne gerade selbst einen Säugling zu versorgen hatte.

"Die Frau deines Bruders hätte dir da nicht zugestimmt, Camille", wandte Florymont verächtlich ein. Das rang Camille ein abfälliges Grinsen ab. Sie sagte:

"wenn es nach der geht dürfte eine Frau, Hexe oder Muggel, erst im neunten Schwangerschaftsmonat erfahren, woher sie so rund wird, und was da in ihrem Bauch andauernd herumkullert und stupst. Ich habe unsere zwei älteren Töchter bei Denises Geburt zusehen lassen, damit sie wissen, woher ihre Schwester kommt. Jeanne konnte sogar ... Du weißt es natürlich." Sie wirkte etwas betrübt, und ihr Mann erfaßte sofort, woran das lag und verfiel ebenfalls in eine sichtbare Trübsal. Julius kämpfte dagegen an, mit in diese Stimmung hineingezogen zu werden. Denn hier und jetzt war eine entscheidende Erinnerung erwähnt worden, die besonders in diesen Tagen des Juli schwer auf der Seele wog. In vier Tagen hätte Claire ihren fünfzehnten Geburtstag gefeiert. Jetzt fehlte sie an diesem Tisch und würde an besagtem Tag nicht wie die zwölf oder dreizehn Jahre zuvor in die bezauberte Truhe hineingreifen, um die darin verstauten Geschenke herauszufischen. Denise kapierte es wohl auch, daß gerade von ihrer toten Schwester gesprochen wurde. Doch sie wirkte nicht so betrübt wie ihre Eltern. Und Julius verstand, daß Denise an Ammayamiria dachte. Dieser Gedanke genügte, um ihn selbst zuversichtlich zu stimmen.

Ich wollte nur sagen, daß andere Eltern nicht so früh ihren Kindern alles erklären", stellte Florymont fest. Seine Frau sah ihn nur kurz an und wandte sich dann wieder an Denise.

"Ich habe euch alle drei jedenfalls sehr gerne bei mir trinken lassen, Denise. Das hat mir den halben Speck, den ich mir angefuttert habe, als ich für euch mitgegessen habe, wieder vom Leib gezogen. Natürlich gibt es Hexen, die ihren Töchtern in deinem Alter nicht alles zeigen oder erzählen. Aber jetzt wo du eine Tante bist sehe ich das nicht ein, warum du nicht wissen dürftest, was Jeanne so aushalten kann oder wie das war, als ich euch bekam. Warum guckst du so peinlich berührt, Martha?"

"Nun, in den Kreisen, in denen ich groß geworden bin wurde sowas vor Kindern nicht erörtert", wandte Julius' Mutter ein. "Zumindest nicht vor Kindern unter zehn Jahren."

"Ich bin doch bald zehn", warf Denise trotzig ein. Florymont fühlte sich gehalten, seine Tochter darauf hinzuweisen, daß sie erst in fünf Monaten zehn Jahre alt würde. Dann bat er eindringlich um ein anderes Gesprächsthema. Das kam Martha sehr gelegen. Sie fragte, ob Florymont diesen Sommer auch wieder am Schachturnier teilnehmen würde.

"Ich weiß nicht, ob ich dieses Mal wieder eingeladen werde, Martha. Da die Gewinnerin des letzten Turniers ja den Titel verteidigen muß könnte es sein, daß alle, die nicht über die ersten zwei Runden gekommen sind auf ihre Spielstärke überprüft werden und die schlechtesten von denen dann nicht dazu angehalten werden, sich für nichts und wieder nichts wieder abzuquälen."

"Müssen die Gewinner des Bronzehutes denn auf jeden Fall mitspielen?" Fragte Julius herausfordernd.

"Ich glaube nicht, daß Eleonore, Blanche und deine mögliche Schwiegeroma das auch nur einen Moment lang denken, dich nur zugucken zu lassen", warf Camille dazu ein. "Die sind doch wild darauf, gegen diejenigen zu spielen, die ihnen auch nur fünf Minuten lang standhalten können. Außerdem will Uranie auch wieder teilnehmen, und die hat mich schon gefragt, ob du vorher schon zu uns kämst oder erst, wenn Eleonore Delamontagne dich persönlich abholen kommen will, falls du dich sonstwo herumtreibst. Sie selbst kommt ja morgen zurück."

"Hoffentlich ohne Zusatzgepäck", schnarrte Florymont. Seine Frau blickte ihn dafür vorwurfsvoll an, schien ihm womöglich noch was zu mentiloquieren. Doch Florymont grinste nur abfällig und legte nach: "Ich fürchte, meine Schwester hat sich zum jungen Mädchen zurückentwickelt. Aber mehr sage ich im Moment nicht dazu."

"War ja auch schon mehr als nötig", zischte Camille. Julius verstand. Mademoiselle Uranie Dusoleil hatte offenbar entdeckt, daß das Leben noch mehr zu bieten hatte als Studien und korrektes Benehmen. Doch wenn sie selbst nichts darüber erzählen wollte wäre es unfair, andere danach zu fragen. Aber die Vorstellung, daß Uranie sich verliebt haben könnte und vielleicht doch noch eigene Kinder in Planung hatte amüsierte ihn schon irgendwie.

"Auf jeden Fall will Uranie auch gegen dich spielen, Julius. Und wenn du Lust hast, Martha, würde sie dich auch gerne noch einmal zu einem Duell auf dem Schachbrett herausfordern", sagte Florymont. Julius' Mutter nickte zustimmend und bekundete, daß sie sich freue, gegen sie anzutreten, aber daß Eleonore Delamontagne und Ursuline Latierre sie auch schon um eine Partie gebeten hätten.

"Die wollen checken, ob sie dann gegen mich besser gewinnen können, Mum", warf Julius dazu ein. "Immerhin hast du mir ja alle Tricks beigebracht."

"Na ja, ein paar neue wirst du wohl gelernt haben. Ich hörte von Herrn Weizengold, gegen den ich auch einmal gespielt habe, daß deine Gastgeberin Professor Forester auch gerne Schach spielt. Oder hat sie dich nur mit Brittany und Glorias Cousinen herumziehen lassen?"

"Millie hatte schon was dagegen, daß ich nur zum Schach spielen nach Amerika reise. Sie meinte, daß ich dafür auch gleich ins Château Tournesol hätte umziehen können."

"Da möchte ich jetzt besser nicht fragen, was Millie bei und von dir erwartet hat", entgegnete seine Mutter leicht vergnügt. Camille fragte Julius, ob Brittany sich auch die grüne Gasse ansehen wolle. Falls ja, könne sie für sie eine kostenlose Führung arrangieren. Julius wußte es nicht. Er bot an, sie anzumentiloquieren und fragte Brittany auf die unhörbare Weise, ob sie sich die grüne Gasse ansehen wolle. Sie schickte zurück, daß sie morgen zu einer Übungsrunde Quidditch eingeladen worden sei, um das europäische Besenspiel auch einmal kennenzulernen. Das gab Julius weiter.

"Mel, Myrna, Glo und ich hören heute abend ein Freiluftkonzert in diesem runden Park, den wir uns gerade ansehen", gedankensprach Brittany an Julius' Adresse. Dann wünschte sie ihm noch einen schönen Abend. Das gleiche wünschte ihr Julius.

Sie sprachen dann von neuen Zauberpflanzen und Zaubertieren. So verging der Abend bis halb zehn. Dann traf Aurora Dawn noch per Flohpulver im Jardin du Soleil ein. Julius sprach mit dieser über seine Erlebnisse in Viento del Sol, wobei er Peggy Swanns Tochter und seine besonderen Erlebnisse mit Millie jedoch ausließ.

"Arcadia ist jetzt ganz zu mir umgezogen, Julius. Tante June und Onkel Tony mußten vor Todessern flüchten, die sie auf ihrem Weg zur Arbeit überfallen haben. Ob die auch noch zu mir kommen weiß ich im Moment nicht", seufzte die in Australien lebende Heilhexe. "Ich fürchte, nach Dumbledores Tod wird die Lage immer schlimmer. Dann hat diese Giftspritze Kimmkorn noch einen herabwürdigenden Schinken über Professor Dumbledore abgesondert. Meine Schulfreundin Petula hat sich dieses Machwerk bestellt. Ihre Schwester Priscilla hat mir erzählt, daß wohl vieles aus der Jugendzeit Dumbledores zuträfe, weil sie selbst vor zehn Jahren mit Bathilda Backshot über Zaubereigeschichte und große Hexen und Zauberer gesprochen habe und die ihr das damals schon erzählt habe, daß Dumbledore eine Zeit lang mit Grindelwald befreundet gewesen sein soll."

"Ach du großer Drachenmist", entfuhr es Julius. "Dumbledore mit Gellert Grindelwald. Oha, wenn das stimmt schon heftig. Wenn nicht, dann eine dreiste Sauerei von der Kimmkorn, sowas zu behaupten."

"Wie gesagt kann einiges wahr sein, was diese Schmierhexe da unters Volk geworfen hat. Allerdings hat es mich auch ziemlich erschüttert, mir vorzustellen, daß Dumbledore und Gellert Grindelwald Freunde gewesen sein sollen. Ich kannte ihn zwar nur als Schulleiter, aber da hatte er doch ganz andere Ansichten als die von Grindelwald oder Du-weißt-schon-wem."

"Du meinst den Massenmörder Voldemort", berichtigte Julius Aurora Dawn. Diese machte eine hektische Handbewegung, die Julius fast als Bekreuzigung verstand. Sie sprach sehr ernst:

"Julius, auch wenn du wie ich von Dumbledore gelernt hast, daß wir dieses Monster bei seinem Namen nennen sollen weiß ich nicht, ob er nicht irgendwie mitbekommt, wenn ihn jemand so nennt. Da gibt es Flüche und Meldezauber, die auf bestimmte Sachen ansprechen. Und du kannst davon ausgehen, daß dieser grausame Schwarzmagier alle diese Zauber kennt und noch etliche mehr, die ich nie gelernt habe und wohl auch nicht lernen will, wenn ich mich am nächsten Morgen noch im Spiegel ansehen können möchte. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, daß Dumbledore als junger Zaubererr Gefallen an Grindelwald gefunden haben kann."

"Weiß ich heute, ob jemand, mit dem ich gut klar komme übermorgen nicht hundert Leute umbringen will?" Fragte Julius. "Aber dieser Nodberry, der kleine Mann mit den weißen Haaren, hat bei der Beerdigung natürlich kein Wort davon verloren, ob Dumbledore mal auf diesen Massenmörder abgefahren wäre. Es hieß ja nur, daß er den 1945 in einem sehr heftigen Duell besiegt habe."

"Was nicht heißen will, daß die beiden in der Jugend nicht gut miteinander klarkamen, Julius. Sogesehen wissen wir beide doch so gut wie gar nichts von Professor Dumbledore. Und Mr. Nodberry hat zum einen als langjähriger Freund von ihm und zum anderen gemäß dem Grundsatz de Mortuis nisi nil bene gesprochen."

"Über Tote nichts als gutes", grummelte Julius, der diesen Grundsatz wie andere lateinische Redewendungen und Sprichwörter in seinem dicken Lateinkursbuch drinstehen hatte. "Das habe ich doch bei der Beerdigung von Glorias Oma Jane mitgekriegt, daß Leute diesen Grundsatz zur Heuchelei benutzen können, Aurora. Aber du hast natürlich recht, daß wir echt so gut wie nix von Professor Dumbledore wissen, was der so alles erlebt hat. Deshalb wollte Gloria Porter ja dieses Kimmkorn-Ding auch lesen."

"Am besten reden wir nicht mehr davon, Julius. Ich bin immer noch ziemlich schockiert, daß Dumbledore tot ist und sein Mörder immer noch frei herumlaufen darf."

"Hat man Snake noch nicht erwischt? Der verkriecht sich wohl bei seinem Herrn und Meister unterm Umhang, zusammen mit Drecksau Malfoy."

"Davon ist auszugehen, Julius", erwiderte Aurora Dawn darauf. "Ich hoffe nur, das Ministerium wird nicht von diesen Mördern übernommen. Denn dann ist ganz Britannien dem Untergang geweiht." Julius dachte daran, daß dann nicht nur Großbritannien zur Hölle fahren würde. Die Träume von den Skyllianri hatten ihm gezeigt, was passieren konnte, wenn Voldemort diese uralten Krieger aufwecken würde. Doch davon durfte er Aurora nichts erzählen, auch wenn sie über vieles bescheid wußte.

Gegen elf Uhr abends verkündete Julius, er wolle nun schlafen gehen. Seine Mutter schloß sich diesem Vorhaben an. Sie warteten dann in ihrem Gästezimmer, bis es im ganzen Haus still geworden war. Julius versuchte, Catherine anzumentiloquieren. Doch es gelang nicht. Ihm fiel ein, daß sie im Haus ihrer Mutter keine Gedankenbotschaften austauschen konnte. So mentiloquierte er Ursuline an, die ihm zurückschickte, daß Catherine gegen Zwölf Uhr Mitternacht auf ihn warten wolle. So vertrieben sich Julius und seine Mutter noch eine halbe Stunde mit Lesen, um die übrigen Hausbewohner nicht unnötig aufzuwecken. Dann kam Catherines Gedankenbotschaft bei ihm an: "Zieh dich tagesfertig an und kletter mit dem Seil, daß Florymont dir geschenkt hat aus dem Fenster! In hundert Metern Entfernung richtung Süden warte ich auf dich." Julius sandte ein "Okay, verstanden!" zurück und holte das magische Seil von Florymont Dusoleil aus seiner Reisetasche. Es knotete sich fast von alleine am Bettpfosten fest. Julius warf das freie Ende aus dem Fenster hinaus und sah zu, wie das Seil sich immer länger auseinanderzog, ohne dabei schmaler zu werden oder Lücken zu bekommen. Fast unhörbar landete das lose Ende auf der Wiese hinter dem Haus. Julius zog das Seil soweit ein, daß es senkrecht von der Fensterbank herabhing und schwang sich hinaus. Mit festen Griffen hangelte er sich an dem Seil nach unten, stützte sich dabei mit den Beinen ab, damit er nicht zu schnell hinabrutschte und sich womöglich noch die Hände aufriß. Doch das Seil lag griffsicher aber weich in seinen Händen. Dann stand er auf festem Boden. Er sah noch einmal zu seiner Mutter hinauf, die wohl nicht wußte, ob sie nun auch hinausklettern oder drinnen auf ihn warten sollte. Julius las ein paar Kieselsteine aus dem schmalen Weg zwischen Wiese und Blumenbeeten auf, zeigte sie seiner Mutter im fahlen Mondlicht und deutete dann von sich nach oben. Seine Mutter verstand. Sie holte das Zauberseil wieder ein und drückte so leise sie konnte das Fenster soweit zu, daß ein schmaler Spalt offenblieb. Julius wandte sich wortlos ab und ging los. Er vermied es, auf den knirschenden Kies zu treten und tanzte förmlich an den Rändern der Beete entlang, darauf achtend, keiner daraus hervorlugenden Pflanze Stengel oder Blätter zu krümmen. Dann war er auf dem plattierten Hauptweg und beschleunigte seine Schritte. Knapp fünfzig Meter entfernt verfiel er in einen leichten Trab und lief auf eine schattenhaft abgezeichnete Gestalt zu, die sich beim Näherkommen als Catherine Brickston entpuppte. Diese winkte ihm zu. Er bremste seinen Lauf ab und streckte ihr die Hand entgegen. Kaum hatte Catherine diese ergriffen, wirbelte sie auf der Stelle herum und zog ihn mit sich durch den schrottpressenartigen Schlund zwischen den Dimensionen von Raum und Zeit.

"Ah, da ist das konspirative Duo ja", grüßte Ursuline leise, als Catherine und Julius mit sektkorkengleichem Plopp in dem Transportkasten apparierten, in dem die Latierres auf Bellona herbeigeflogen waren.

"Ich weiß, Line, daß dich das jetzt amüsiert, daß die Tochter von Blanche Faucon hinter dem Rücken ihrer Mutter agiert, weil irgendwas passiert ist, was mit euren magischen Tieren zu tun hat. Das tut mir in der Seele weh, meiner Mutter nicht offen mitteilen zu können, was schon wieder mit Julius los ist. Also mach es nicht noch schlimmer!"

"Ich hätte kein Problem damit gehabt, wenn Blanche gemeint hätte, anwesend sein zu müssen, Catherine. Du bist für den Jungen zuständig und nicht sie. Aber sei es. Trice wartet auf Julius im kleinen Einzelschlafraum."

"Ist Babs wieder auf ihrem Hof?" Fragte Julius.

"Vor einer halben Stunde mit dem Besen zur Dorfgrenze und dann disappariert", informierte ihn Ursuline. "Und jetzt geh da rein!" Trieb sie ihn an und deutete auf eine kleine Kabine innerhalb des rauminhaltsvergrößerten Fahrgastraumes. Julius nickte. In dieser Kabine hatte Béatrice vor fast einem Jahr seine Mutter wegen ihres Platzangstanfalls befragt und im magischen Schlaf überdauern lassen, bis sie sicher beim Sonnenblumenschloß gelandet waren. Er wartete, bis Catherine auch in die doch sehr enge Schlafkabine eingetreten war. Béatrice deutete auf das Bett.

"Umhang ausziehen und hinlegen!" Kommandierte sie. Julius sah Catherine verschmitzt an. Diese rümpfte nur die Nase und sagte:

"Solange du die Unterwäsche anbehältst muß ich mich nicht schämen. Und die junge Dame hier hat dich ja schon mehr als nur unbekleidet gesehen." Julius nickte und warf seinen tannengrünen Umhang ab. Er legte sich auf die mit weißem Tuch bezogene Matratze. Béatrice beugte sich über ihn und bewegte ihren Zauberstab. Julius fühlte, wie es in seinem Kopf und seinem Körper Kribbelte. Das war der übliche Diagnosezauber, um das körperliche Befinden zu prüfen. Dann sagte Béatrice:

"Gut, deine Körperfunktionen sind vollkommen in Ordnung. Ich werde jetzt einen Zauber über dich sprechen, der dich in einen tranceartigen Zustand versetzt, bei dem du ähnlich wie im Traumschlaf auf Tageseindrücke oder Vorstellungen zurückgreifen kannst, die dann für dich so wirklichkeitsgetreu werden, als würdest du sie wirklich erleben. Versuch dann, dir Temmie vorzustellen. Babs ist bei ihr und hat nach meinen Anweisungen diverse Spürzauber in Stellung gebracht, die Veränderungen in ihrem Körper oder Gedankenfluß sofort anzeigen. Außerdem trägt sie das Cogison, für den Fall, daß sie verbalisierbare Gedanken empfindet. Ich überwache hier, wie sich dein Körper verhält. Es kann passieren, daß der Zauber die Nebenwirkung hat, daß du dich in deinen eigenen Vorstellungen verlierst und dann nicht von selbst in die Wirklichkeit zurückfindest. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, diesen Zauber unter Heileraufsicht anzuwenden. Der Vorteil des Zaubers beruht darin, daß du dir vollkommen bewußt bleibst, was du in den Traumvisionen erlebst und daß sie wie reale Sinneseindrücke mit dem Exosenso-Zauber, also mit der Kombination Haube und Tuch, für andere wahrnehmbar sind, was bei richtigen Träumen nicht möglich ist, zumindest nicht dann, wenn sie gerade geträumt werden. Catherine oder ich können also zeitgleich mitverfolgen, was du erlebst."

"Oh, und wenn ich im Traum mit Millie zusammenfinde?"

"Wird mich das kalt lassen und Catherine nicht groß Aufregen", warf Béatrice ein. Julius nickte. Dann legte Béatrice ihm das Exosenso-Tuch um den Hals. "Davon wird mein zauber nicht beeinträchtigt", sagte sie noch und begann einen wiegenlidartigen Singsang, dessen Sprache für Julius schwer zu verstehen war. Er hörte nur eine Abwandlung von "somnium", das lateinische Wort für Traum und "percepto" für wahrnehmen heraus. Offenbar war es ein Stufenzauber, dachte Julius, weil die Wirkung nicht schlagartig einsetzte, sondern sich allmählich bemerkbar machte. Als er dann fühlte, wie er in eine art Dämmerzustand hinüberglitt und wie zum schlafen die Augen schloß glaubte er, von einem zum anderen Moment völlig schwerelos zu sein. Er hörte seinen Herzschlag und seinen Atem immer lauter werden. Dann war es ihm, als höre er zwei Herzen schlagen, ein großes, langsames und sein eigenes. Er öffnete die Augen ... und sah Barbara Latierre, die für ihn winzigklein rechts von ihm stand. Nun fühlte er seinen Körper wieder. Seinen Körper? Er stand auf allen vieren und spürte drei zusätzliche Glieder, eines an seinem Steißbein und zwei auf Schulterhöhe.

"Hups, ich stecke in Temmies Körper", dachte er. Er hörte es mit seiner Stimme sagen und das Cogison quäken. Er versuchte, sich zu bewegen, was ihm mühelos gelang, wobei er fast Barbara Latierre mit dem rechten Vorderbein erwischte.

"Trice, mach das mit dem Zauber wieder rückgängig, sonst muß ich mein Leben lang Gras fressen", quäkte das Cogison. Seine Stimme klang wie aus weiter Ferne und hörte sich eher wie ein verstörtes Muhen an.

"Oha, die Verbindung ist also doch sehr intensiv", stellte Barbara fest. Julius konnte ihre Stimme sehr deutlich von unten hören. Er beugte den Kopf und bewunderte es, daß Temmies Nackenmuskeln offenbar so geschmeidig waren, daß sie den schweren Schädel so locker bewegen konnten.

"Ich hoffe, meine Schwester kann den Körpertausch wieder umkehren", sagte Barbara. Dann horchte sie in sich hinein.

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BABS MACHT IRGENDWELCHE SACHEN UM MICH HERUM. ICH SOLL STEHENBLEIBEN UND WARTEN. AH, IRGENDWAS KOMMT ZU MIR HIN. OH, ES IST JULIUS! EH! WAS IST DENN JETZT? ICH BIN JA AUF EINMAL GANZ WO ANDERS UND FÜHLE MICH IRGENDWIE KOMISCH AN. DA IST BEATRICE, EINES VON LINES KINDERN UND EIN ANDERES ZWEIBEINWEIBCHEN MIT EINEM FELL ÜBER DEM KOPF: DIE SIND JA SO GROß! ICH WILL SO NICHT BLEIBEN! ICH WILL WIEDER ICH SEIN! AH, JULIUS IST WIEDER IN MEINEM KÖRPER DRIN. ER FÜHLT SICH NICHT WOHL. DANN BIN ICH JETZT WOHL IN IHM DRIN. ABER JETZT BEKOMME ICH WIEDER MEINE EIGENEN BEINE UND MEINEN KÖRPER; KANN DEN ABER NICHT BEWEGEN, WEIL JULIUS DA NOCH DRIN IST. OH, IST DER SCHÖN STARK! HALLO JULIUS, KANNST DU MICH FÜHLEN?

"Mist, ich will doch nicht für immer hier drin bleiben", HÖRE ICH IHN SAGEN. "DANN GEH DOCH WIEDER RAUS!" GEBE ICH ZUR ANTWORT. DIESES QUAKRUND AN MEINEM HALS SAGT DAS IRGENDWIE, WAS JULIUS UND ICH UNS SAGEN.

"Temmie, wir stecken irgendwie in deinem Körper fest", SAGT JULIUS. DA HÖRE ICH NOCH EINE STIMME VON EINEM WEIBCHEN, DAS IRGENDWIE MIT JULIUS UND MIR IN MEINEM KÖRPER STECKT. ES SINGT IRGENDWAS. WAS IST DAS?

"Darxandria?" HÖRE ICH JULIUS FRAGEN. DANN FÜHLE ICH, WIE ETWAS WARMES DURCH MICH DURCHGEHT UND IHN VON MIR WEGZIEHT. NEIN! JETZT IST WER ANDERES BEI MIR, IST IN MEINEM KÖRPER DRIN UND BEWEGT IHN. WO IST JULIUS DENN HIN?

"Das wollte ich nicht, daß er deinen Leib annimmt und darin gefangen bleibt. Dann muß ich wohl statt seiner hier verweilen", HÖRE ICH DIE FREMDE SEUFZEN. "Doch die Verbindung muß bleiben", SAGT SIE NOCH. ICH SEHE SACHEN, DIE MAL GEWESEN SIND. ICH SEHE MICH AUS MUTTER DEMETER RAUSKOMMEN; DANN EIN WINZIGES MENSCHENJUNGES AUS EINEM ÄHRENFARBFELLKÖPFIGEM WEIBCHEN UND DANN NOCH EINS AUS EINEM WEIBCHEN, DESSEN KOPFFELL GRAUGELB IST. HUH! MIR WIRD SCHWINDELIG, WEIL SO VIELE SACHEN UM MICH HERUM ABLAUFEN. JULIUS GEHT JETZT WIEDER WEG. DAFÜR FÜHLE ICH DIESES ANDERE WEIBCHEN ... NEIN! WAS PASSIERT DA?! ICH FÜHLE MICH NICHT MEHR! ICH merke nichts mehr ...

Das wollte ich so nicht. Jetzt muß ich in diesem Wesen bleiben, seine Gelüste ausleben und seine Aufgaben erfüllen. Doch meine Verbindung zu meinem Erben besteht noch. Ich werde dieser Hüterin dort meinen Namen offenbaren. Soll Julius sie über mich instruieren.

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Julius fühlte, wie Temmies eigenes Selbst in ihm wiedererwachte und sprach mit ihm. Dann hörte er Darxandrias Stimme auf ihn einsingen, fühlte, wie sie ihn warm und wohlig umfing, wie damals der Corpores-Dedicata-Zauber, sah eine rasante Abfolge von Bildern, wie Temmie von Demeter geboren wurde, seine eigene Geburt, und dann noch eine Frau mit der goldbraunen Hautfarbe Darxandrias, die in den letzten Presswehen lag, Bilder aus Temmies, seiner und Darxandrias Kindheit. Dann fühlte er sich wieder in seinem angeborenen Körper, hörte Darxandria weiter auf ihn einsingen und sah ihr leicht verdrossenes, aber doch noch gutmütiges Gesicht vor sich. Er hörte sie sagen:

"Dies war nicht meine Absicht, dich in diesem friedfertigen, doch zu deinen Aufgaben unfähigem Geschöpf gefangen sein zu lassen. Ich bin dafür an deine Stelle getreten und habe mich mit dem schwachen Sein dieses Wesens unlöslich verbunden. Aber die Bindung zu dir und allen, die meinen Kopfschmuck trugen, besteht weiterhin. Ab heute kannst du auch im Wachzustand mit mir sprechen, sobald du in der Nähe dieses fliegenden Wesens stehst. Ich werde nur dir und seinen beiden Hüterinnen mein Selbst offenbaren. Heiße mich Artemis, wenn du mir leibhaftig gegenübertrittst. Sorge bitte dafür, daß ich nirgendwo hingebracht werde, wo du mich nicht erreichen kannst! Aber wenn die Zeit für Ratschläge kommt, werde ich weiterhin in deinem Schlafleben zu dir sprechen. Denn du weißt, daß du noch eine Aufgabe zu erfüllen hast. sei unbekümmert über das nun von mir erfahrene Los. Dieser Körper entspricht meinem Empfinden besser als deinem, und die Gestalt ist erhaben und körperlich kräftig. Ich hätte einen schlechteren Leib für meine Wiederverkörperung finden können. Ich habe Jahrhunderte gelebt, Jahrtausende in selbsterwählter Untätigkeit verharrt und mich dann auch nie mehr als über die Schlafleben derer, die meinen Kopfschmuck trugen äußern können. Jetzt habe ich ein neues Leben und werde es führen, wie es der Natur des Wesens dienlich ist. So sorge dich nicht darum, wie ich nun gestaltet bin! Harre aus und erwarte meinen Rat, wenn die Zeit für Ailanorars Stimme naht!"

Julius sah, wie sich Darxandria innerhalb einer Sekunde in die blütenweiße, geflügelte Kuh Artemis mit den goldbraunen Augen verwandelte, bevor er wie durch dichten Nebel Béatrice und Catherine wiedersah. Er hörte Catherines Stimme wie durch Watte dringen:

"Hol ihn zurück, Béatrice!"

"Bist du sicher, Catherine?" Fragte Béatrice. Julius sah sie auf einmal völlig unbekleidet, dann auch Catherine. Dann fühlte er, wie die Leichtigkeit, die er zu Beginn dieser verrückten Traumreise empfunden hatte, ihn noch einmal ergriff, bevor er unter Béatrices Worten wie in einen immer wilder kreiselnden Strudel hineintrieb und dann, fast ohne Übergang, hellwach auf der Matratze des schmalen Bettes lag. Er konnte seine Arme und Beine nicht bewegen. Irgendwer hatte ihn mit breiten Riemen ans Bett gefesselt.

"Hallo! Macht mir bitte eine von euch beiden diese Tobsuchtsbremsen ab!" grummelte er und versuchte, Arme und Beine zu bewegen.

"Béatrice mußte dich schnell anschnallen, weil ich ihr sagte, daß du und Temmie die Körper getauscht haben. Aber was dann passierte war ja noch befremdlicher als der Körpertausch als solches", sagte Catherine, während Béatrice die Gurte löste und verschwinden ließ. Dann mentiloquierte sie ihm: "Ich habe diese Darxandria gesehen. Sie sagte, sie habe nun Temmies Körper in Besitz genommen, um dich in deinen Körper zurückzuführen."

"Stimmt", schickte Julius zurück.

"Also, eigentlich sollte ich dieses Experiment in der nächsten Heiler-Rundschau veröffentlichen", sagte Béatrice. "Ich habe dich die ganze Zeit überwacht und dabei eine Veränderung der Körperfunktionen festgestellt. Dein Herzschlag ging auf zwanzig Schläge in der Minute zurück, und deine physische Ausstrahlung nahm immer mehr die Ausprägungen eines weiblichen Körpers an", beschrieb Béatrice, was sie beobachten konnte. "Catherine beschrieb mir dann was du erlebtest, bis auf die Sache, wer oder was dich aus dem Körper Temmies zurückgedrängt hat. Könnte es sein, daß es nicht ursächlich an Mamans Ritual lag, was dich mit Temmie verbindet?"

"Oder verbunden hat", entgegnete Julius. Er überlegte, ob er Temmie noch einmal anmentiloquieren konnte. Er versuchte es, empfand aber keinen Nachhall in seinem Geist. So probierte er es mit Darxandrias Stimme, die er oft genug gehört hatte. Tatsächlich empfand er jetzt einen sehr deutlichen, wenn auch nicht unangenehmen Nachhall. Und keine fünf Sekunden später bekam er eine Antwort:

"Dieser Weg ist möglich, aber für mich beschwerlich." Darxandrias Stimme klang deutlich in seinem Geist nach. Er schickte an Catherine, daß Darxandria mit ihm mentiloquieren könne. Béatrice sah ihn nun sehr streng an, als wolle sie ihn gleich lautstark anschreien.

"Julius, da Barbara gerade mentiloquiert hat, daß Temmie nicht mehr wie früher sei und offenbar wer anderes in ihr drinstecke, die sich Darxandria nennt, will ich jetzt wissen, wer das ist und was du mit ihr zu schaffen hast, bevor meine Schwester dich an deinem fünfzehnten Geburtstag in ein Neugeborenes zurückverwandeln und dich dann als ihren dritten Sohn aufziehen würde."

"Ich weiß nicht, ob ich das verraten darf", sagte Julius. Catherine sah Béatrice an.

"Julius hat über ein Artefakt, das in der Sonderabteilung des Ministeriums liegt, Verbindung mit einer ausgelagerten, aber gutartigen Seele bekommen, der Persönlichkeit einer Lichtkönigin aus dem alten Reich", antwortete Catherine. Julius wollte einwenden, daß das doch nicht jeder wissen dürfe, doch Catherine belegte ihn kurzerhand mit einem ungesagten Erstarrungszauber. Dann sprach sie weiter. Julius sah, daß um sie herum das ockergelbe Klangkerkerlicht leuchtete und beruhigte sich innerlich wieder. "Er hat in einem Geheimauftrag für das Ministerium eine ziemlich waghalsige Reise gemacht, wobei ihm das Artefakt dieser Herrscherin sehr nützlich war. Keiner, auch die Leute Grandchapeaus nicht, wußten, daß der, der es trägt, Fragmente oder mehr der darin eingelagerten Seele in sich aufnimmt. Das kam erst heraus, als Julius von einer fremdartigen Stadt geträumt hat und den Auftrag erhielt, ein bestimmtes anderes Artefakt zu suchen, mit dem er dann wiederum mehr über das Alte Reich lernen konnte, weil die freiwillig in außerkörperlichem Zustand verharrende Herrscherin die Anzeichen für eine weitere, diesmal aber düstere Wiedererstarkung alter Mächte wahrgenommen hat." Béatrice zuckte zusammen, wiegte den Kopf und knurrte dann:

"Also das hatte Hippolyte zu geheimnissen, als sie mit Albericus und Millie nach Beauxbatons ging. Es ist also so, daß unser werter Zaubereiminister, Monsieur Armand Grandchapeau, Jugendliche auf haarsträubende Sondereinsätze schickt, weil ihm seine ausgebildeten Spezialisten dafür zu schade sind?"

"In dem Fall ging es wohl um zwei Dinge, Eile und Ortskenntnisse, und auch um eine besonders gut entwickelte Grundkraft", wandte Catherine sehr verdrossen ein. Denn daß ihr Julius' Geheimeinsätze ebensowenig gefielen wußte dieser zu gut. "Ich bekam davon natürlich auch nichts mit. Ich war und bin ja nur die für seine magischen Belange zugeteilte Fürsorgerin und habe deshalb natürlich kein Mitspracherecht, wenn Julius vom Minister und anderen Herrschaften in gefährliche Sachen verwickelt wird, die sehr viel mit Zauberei zu tun haben, für die ich dann selbstverständlich nicht zuständig bin", schnarrte Professeur Faucons Tochter. Julius hörte den Sarkasmus wie einen Strom aus Gift aus jedem ihrer Worte sprudeln. Béatrice sah Catherine mitfühlend an. Dann blickte sie Julius an:

"Ich verstehe, Julius, daß wegen deiner Ruster-Simonowsky-Veranlagung eine große Versuchung besteht, dich zu Sachen zu treiben, die eigentlich nur Erwachsene Zauberer tun können. Aber da du jetzt definitiv mit meiner Nichte Mildrid verheiratet bist ... Guck mich jetzt nicht so abstrafend an, Catherine. Also da du definitiv mit meiner Nichte verheiratet bist, und ihr somit zu meiner Familie gehört, in der ich als Heilerin für körperliches und seelisches Wohlbefinden zuständig bin, will ich jetzt von dir oder Catherine wissen, was wann wie, wo und warum passiert ist. Vorher lasse ich dich nicht hier raus."

"Die beiden sind nicht angetraut, Béatrice. Sie sind beide minderjährig und daher nicht dazu befugt, von sich aus den Ehebund einzugehen. Wenn wegen der Matura-Corporis-Regel eine vorzeitige Eheschließung beantragt werden soll, dann nur von ihren Eltern. Also spiel dich bitte nicht auf! Oder hast du deine Nichte untersucht und eine erfolgreiche Empfängnis festgestellt?"

"Ich denke mal, daß ich schon weiß, was ich sage, Catherine. Zu deiner letzten Frage: Nein, ich habe Mildrid nicht untersucht und daher auch keine erfolgreiche Empfängnis festgestellt. Aber ich habe mich etwas genauer durch die Matura-Corporis-Regeln durchgelesen, nachdem Hippolyte mit ihrem Mann, Millie und Miriam zu Madame Maxime gereist ist, wo ja auch deine Mutter und deren einzige Tochter zugegen waren", erwiderte Béatrice sehr entschlossen. "Demnach gilt ein Paar aus einer Hexe und einem Zauberer als rechtlich einander angetraut, wenn unter Befragung eines magischen Prüfers, der nichts als die Wahrheit zuläßt, die gegenseitige Zuneigung bestätigt wird und innerhalb von einem Tag beide die erste körperliche Liebe miteinander erleben, sofern die beiden Freiwillig an den Ort der Prüfung kamen oder von einem Elternteil einer der beiden in voller Absicht, die magische Prüfung durchführen zu lassen, dorthin gebracht wurden. Diese Eheschließung ist dann rechtskräftig, wenn beide Prüflinge das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben und die Eltern der beiden Prüflinge dem Ergebnis der Prüfung und dem Vollzug des ersten Geschlechtsaktes vorher oder nachher zustimmen. Das gesetz ist so alt, daß ich in einer großen Bibliothek lange danach suchen mußte. Wundere mich echt, daß eine ausgewiesene Magiehistorikerin diese Regelung nicht kennt", blaffte Béatrice Catherine an. Julius erkannte nun noch ein drittes Gesicht der bisher unverheirateten Tochter Ursuline Latierres. Zwar gefiel ihm dieses superstrenge Gesicht nicht. Aber mit einer gewissen Schadenfreude stellte er fest, daß Catherine im Moment die volle Wucht dieser superstrengen Hexe abbekam. Doch Catherine war wohl schon seit ihrer Zeit im Mutterleib an diese Art von Strenge gewöhnt. Denn sie sah Béatrice sehr sicher an und erwiderte:

"Natürlich ist mir diese Regelung bekannt. Allerdings wollte ich um eine unbeschwerte Entwicklung deiner Nichte und meines magischen Schützlings zu gewährleisten nicht auf die amtliche Feststellung drängen, und meine Mutter, die diese Regelung auch sehr sehr gut kennt, ebensowenig."

"Natürlich nicht, weil sie damit ja zuließe, daß die Enkeltochter der Hexe, die sie selbst damals angeblich arglistig getäuscht hat, mit dem Jungzauberer offiziell verbunden wäre, den sie in ihrem ganz persönlichen Sinne wie einen Adoptivenkel kultivieren und nach Möglichkeit von Leuten wie uns fernhalten wollte. Aber diesen Status Quo, den deine Mutter gerne beibehalten möchte, bis die beiden aus Beauxbatons heraus sind, werden wir nicht mehr zulassen. Jetzt, wo heraus ist, daß Julius in irgendwelche wie gut auch immer gemeinten Sachen verwickelt wurde, haben Hippolyte und Albericus bereits Antrag auf anerkennung des Matrimoniums ante Maturam gestellt, nachdem ich Ihnen diese Sonderregel um die Ohren gehauen habe und auch, daß sie bis zum heutigen Tage nicht außer Kraft gesetzt wurde. Wenn Julius das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hat, soll die Bestätigung erfolgen."

"Moment, das wäre ja ...", erwiderte Catherine perplex. Julius mentiloquierte ihr:

"Ungefähr seit etwa einer Viertelstunde."

"Removete!" Stöhnte Catherine mit auf Julius deutendem Zauberstab. Er konnte sich wieder bewegen. Obwohl Catherine gegen die etwas jüngere Béatrice so gut durchgehalten hatte, war der letzte Satz von dieser wie ein Schlag gegen beide Beine zugleich gewesen. Sie sackte förmlich in sich zusammen, während Julius Béatrice ansah und leise sagte:

"Ich weiß nicht, ob das nicht ein wenig zu früh wäre. Millie hätte wohl wie ich einiges in Beaux durchzumachen, wenn das so rauskäme, Béatrice. Ich kann doch nicht zu meiner Mutter hingehen und ihr sagen, daß ich schon mit Millie ... Obwohl sie das ja selbst schon so gesehen hat. Im Mittelalter war das ja wohl üblich, daß mit dem ersten Sex ein Paar für verheiratet erklärt werden konnte, vor allem, wenn dabei ein Kind zustandekam."

"Na gut, da haben wir, also ihr beide und ich ja gut drauf geachtet, daß ihr euer Leben nicht so drastisch umplanen müßt. Aber der Antrag ist raus und bestätigt. Könnte sein, daß die Eule mit der Bestätigung schon bei deiner Mutter in Camilles Haus angekommen ist oder am Morgen zum Frühstück hereinkommt. Ich hätte jetzt auch keinen Grund, das zu ändern, weil ich nicht Millies Mutter bin."

"Martha könnte noch dagegen einspruch erheben", warf Catherine ein. "Immerhin müssen alle betroffenen Elternteile dem zustimmen, und ich wüßte nicht, daß Martha in den letzten Tagen einen derartigen Fragebogen ausgefüllt oder vor einem Ministerialbeamten eine rechtskräftige Aussage gemacht hätte. Also spielen Sie sich nicht so auf, Mademoiselle!"

"Stimmt, Mum könnte das nicht so toll finden", entgegnete Julius, den die Eröffnungen der letzten Minuten mehr zu schaffen machten als das Experiment mit der geflügelten Kuh Artemis. "Ginge ihr wohl zu schnell. Abgesehen davon müßte ja dann geklärt werden, ob Millie und ich zusammen wohnen oder nicht und wenn zusammen dann wo. Spätestens da würde meine Mutter wohl Einspruch erheben."

"Abgesehen davon, daß eine Feststellung einer Ehe vor Erreichen der Volljährigkeit von einem Zeremonienmagier für wirksam erklärt werden müßte und hierzu alle betroffenen Elternteile noch einmal und aufrichtig ihre Zustimmung erteilen müßten", legte Catherine nach. "Mit anderen Worten, ob ihr beiden, Millie und du, zueinander Ja sagt reicht dem Zeremonienmagier nicht aus. Deine Mutter müßte zustimmen, ebenso wie Mildrids Eltern. Und ich wüßte nicht, ob Mildrids Vater einer solchen schnellen Verbindung uneingeschränkt zustimmt."

"Nichts für ungut, Madame Brickston, aber offenbar gibt es etliches, was Sie nicht mitbekommen haben. Ich sagte bereits, daß Hippolyte und Albericus dem zugestimmt haben und deshalb die Feststellung heute getroffen wird. Praktischerweise ist ein Zeremonienmagier gerade in Millemerveilles, ebenso alle lebenden Elternteile der zu trauenden", spielte Béatrice eine weitere Karte aus, die Catherines Joker offenbar übertrumpfen sollte. Doch Julius' Fürsorgerin hielt immer noch dagegen:

"Ich fürchte, ein einstimmiges Zugeständnis würde deine Schwwester Hippolyte nur bekommen, wenn sie Martha Andrews dem Imperius-Fluch unterwerfen würde. Und das würde sie niemals wagen, wo Martha keine Occlumentie benutzen kann."

"Wozu sollte sie das auch?" Fragte Béatrice verächtlich. "Sie hat oft genug mit Martha gesprochen, während Millie und Julius in Beauxbatons waren. Ich denke mal, daß sie da keinerlei Schwierigkeiten hätte."

"Sie hat mich als magische Fürsorgerin einmal gefragt, was sei, wenn diese Matura-Corporis-Regel wegen der Mondburg schon eine formell geschlosseneEhe sei. Ich habe ihr dann erzählt, daß sie sich dann in allen Belangen, die Julius' reine Ausbildungs- und Familienfragen anginge mit Hippolyte und Albericus abstimmen müsse, wie auch umgekehrt", fiel es Catherine ein. Dann straffte sie sich und legte nach: "Insofern bin ich sehr zuversichtlich, daß Martha es ablehnt, wenn deine Nichte und mein magischer Schützling vor der Volljährigkeit einander zugesprochen werden. Denn dann müßte sich Martha in jeder Frage an Hippolyte und Albericus wenden und damit einen Gutteil ihrer Alleinerziehungskompetenzen abtreten. Abgesehen davon wüßte sie selbst ja nicht, was für Millie der weitere Weg wäre. Ich glaube nicht, daß deine Schwester Hippolyte ebenso auf ein Stück ihrer Bestimmungsrechte gegenüber Mildrid verzichtet. Oder hast du da ebenfalls mehr Informationen erhalten als ich?"

"Zu deinem Bedauern ja, Catherine. Hippolyte sagte mir vor fünf Tagen, daß sie durch ihre Gespräche mit Martha keine Bedenken hätte, alles wesentliche, was die Zukunft von Mildrid und Julius bis zur Volljährigkeit anginge mit ihr abzustimmen, da die Brücke der vereinenden Leichtigkeit ja eindeutig bewiesen habe, daß die beiden füreinander dasein wollten. Da bis zum siebzehnten Lebensjahr ja keine größeren Umstellungen in der Ausbildung der beiden abzusehen sei, gäbe es wohl auch nichts, was da groß zu diskutieren wäre."

"Wenn Mum nicht denkt, mit mir wieder nach England zurückzugehen, wenn die offiziellen ZAGs durch sind", fühlte sich Julius berufen, was einzustreuen.

"Ich denke, da werde ich sie doch noch von abbringen können, solange dieser Massenmörder dort sein Unwesen treibt", erwiderte Catherine darauf.

"Nur ganz akademisch, Julius: Würde Millie dich nach Hogwarts begleiten, und wenn nicht, würdest du dann dahinwollen?" Fragte Béatrice. Julius überlegte kurz. Dann schüttelte er den Kopf. jetzt erst fiel ihm auf, daß er immer noch im Unterzeug auf dem Bett lag. Er fragte, ob er sich zumindest wieder anständig anziehen dürfe. Béatrice sagte ihm lächelnd: "Ja, du darfst dich wieder anziehen. Babs hat gerade einen höchst informativen Rundflug auf Temmie gemacht, während dem sie ihr über das Cogison die Geschichte erzählt hat, die Catherine mir erzählt hat und auch, was dich, Julius, damals mit ihr zusammengebracht hat. Die beiden haben sich geeinigt, daß sie, also Temmie / Darxandria, auf dem Bauernhof bliebe, wenn drei Bedingungen erfüllt würden: Erstens möchte sie, daß du, Julius, von Rechtswegen ihr Eigentümer wirst. Zweitens möchte sie alle Kinder, die sie in ihrer neuen Gestalt gebären wird bis zur Geschlechtsreife um sich haben. Drittens möchte sie, wenn sie Sachen oder Leute transportiert, nie wieder eine Trense im Maul haben, sondern nur über Stimmkommandos oder in deinem Fall, Julius, über Mentiloquismus geführt werden. Sie akzeptiert den Namen Artemis, da er ihrem Naturell entgegenkommt."

"Huch, das alles hast du während der netten Plauderei, ob ich schon verheiratet bin oder nicht von Babs erfahren?" Fragte Julius.

"Gerade eben, als Catherine sich überlegen mußte, was sie mir noch entgegenhalten würde. Sei froh, Julius, daß du nicht an deinem Geburtstag auf körperliche null Jahre zurückgeführt wirst."

"Bei Babs' hungrigen Kleinen wäre ich da wohl voll verhungert."

"Dann hätte dich Hipp oder Raphaelle genommen. Abgesehen davon hätte meine Mutter wohl was dagegen gehabt, daß der Vater ihrer ersten Urenkel erst wieder neu aufwachsen müßte."

"Bestell deiner Schwester Barbara bitte meinen Dankk!"

"Mach das selbst!" schnarrte Béatrice. Catherine sah sie an, während Julius sich ankleidete und fuhr dann mit der angeregten Debatte über seine Zukunft fort.

"Nun, nachdem das geklärt ist, daß deine Schwester ihre Rachegelüste nicht an ihm befriedigt und er ihr oder deiner sonstigen Verwandtschaft dafür monatelang ausgeliefert wäre bleibe ich dabei, daß deine Kompetenz dem Jungen gegenüber immer noch in Frage steht, weil ich mir nicht vorstellen kann, daß seine Mutter einer Ehefeststellung vor Erreichen der Volljährigkeit zustimmen wird. Er ist trotz aller Erlebnisse und seinem körperlichen Erscheinungsbild immer noch in der körperlich-geistigen Entwicklung. Eine Ehe verlangt da doch mehr Sicherheiten und einen gewissen Reifungsgrad."

"Nett, Catherine", mentiloquierte Julius ihr mal eben. Doch was Béatrice laut sagte war für Blanche Faucons Tochter wesentlich schwerer zu verdauen.

"Wenn du mir jetzt damit kommen möchtest, daß ich keine Ahnung von einer Ehe habe, stimmt das zwar, Catherine, aber ich weiß, das eine Partnerschaft eine fortlaufende Entwicklung ist, die unabhängig vom geistigen Reifungsgrad ansetzen und foranschreiten kann. Zumindest sehe ich das an meinen verheirateten Geschwistern und meiner Mutter. Abgesehen davon ist der Reifungsgrad unwichtig, wenn sich zwei Partner aus zwei verschiedenen Lebenswelten zusammenschließen."

"Wie war das?" Fragte Catherine sichtlich verärgert. Béatrice wiederholte ihre letzte Bemerkung. "Julius, geh bitte vor die Tür! Ich fürchte, diese junge Dame legt es auf eine sehr persönliche Aussprache an."

"Wenn ihr beiden euch nicht gegenseitig umbringt oder in irgendwelche glotzäugigen Monster verwandelt kein Problem", erwiderte Julius. Catherine griff behutsam in ihren Umhang und zog sehr langsam den Zauberstab heraus, hielt ihn aber dabei mit der Spitze nach unten gerichtet. Sie strecte ihre Hand aus und bat Julius, den Stab für sie in Verwahrung zu nehmen. Béatrice nickte und gab auch ihren Zauberstab an Julius ab.

"Aber keinen Unsinn damit anstellen, Julius!" Befahl sie ihm. Er nickte und verließ die Kabine. Hinter ihm wurde die Tür geschlossen und dann der Vorhang zugezogen.

"Haben Sie ihr Experiment gemacht?" Flüsterte Hippolyte Latierre, die auf einem der Sofas saß. Julius erschrak fast. Dann wisperte er zurück:

"Ja, ich habe Temmie ohne es zu wollen mit einer anderen Software aufgefrischt, Belle-Maman." Von der Kabine her klang der nun erregte Wortwechsel Catherines und Béatrices.

"Oh, hat dir Trice erzählt, daß Beri und ich das eindeutig geklärt haben, daß du und unsere Millie offiziell zusammengehört?" Fragte Hippolyte leise. Sie klang dabei amüsiert. Julius tat überrascht und erwiderte leise:

"Öhm, was soll die mir erzählt haben? Wollte nur mal hören, wie das klingt, wenn ich das Wort sage."

"Was maßen Sie sich an, meine Beziehung zu Joe als Vorwand zu benutzen?" Klang Catherines leicht verärgerte Stimme durch die geschlossene Tür.

"Soso", entgegnete Hippolyte. "Deshalb sind die beiden auch nicht mit dir zusammen rausgekommen."Dann deutete sie nach draußen. "Ich bin mit Miriam in einem kleineren Mutter-Kind-Zelt untergebracht. Raphaelles kleine sind da und Babs' Kinder auch. Was haben deine magische Fürsorgerin und meine Schwester so gefühlsgeladenes zu besprechen, daß sie dir ihre Zauberstäbe in die Hand gedrückt haben, um sich nicht gegenseitig zu verhexen?"

"Irgendwas, daß meine mutter heute einen Brief krriegen soll, von dem Catherine bisher nichts wußte und deshalb ziemlich geladen ist und deine Schwester der Meinung ist, sie wäre dann auch für mich zuständig. Aber dann müßte ich wohl auch Tante zu ihr sagen."

"Also haben sie es dir doch erzählt", entgegnete Hippolyte. "Und das Wort für Schwiegermutter klingt aus deinem Mund sehr achtungsvoll, Beau-Fils. Dann lass die beiden sich da drinnen mal käbbeln!!" Sie öffnete die Tür so leise sie konnte. Von der kleinen Schlafkabine klang gerade eine sehr entschlossen klingende Antwort Béatrices, daß es schon etwas anderes sei, wenn Partner aus zwei unterschiedlichen Lebenswelten zusammenkamen, von denen der eine bis dahin überhaupt nichts von der anderen Welt gehört oder es für möglich gehalten hatte. Leise verließen Hippolyte und Julius den Transportkasten. Draußen nahm sie seine Hand und apparierte mit ihm an einen abgelegenen Rand der großen Wiese. In etwa dreihundert Metern Entfernung konnte Julius die Zelte der Porters sehen, schräg links davon lag wie eine silberweiße Walze Bellona im Gras, das im Mondlicht dunkelgrau schimmerte.

"Ich weiß echt nicht, ob das mir nicht zu schnell geht", sagte Julius, als sie sich auf zwei von Hippolyte gezeichnete Stühle gesetzt hatten. "Trice hat nach der Sache mit Temmie, von der ich nur sagen darf, daß dabei schlummernde Erinnerungen aus der Sache mit dem runden Stein in sie übergeflossen sind rausgelassen, daß Millie und ich schon echt verheiratet wären. Öhm, ich meine okay, früher galt das Erste Mal gleich als eine Form von Hochzeit. Aber das war vor Jahrhunderten. Und jetzt kriege ich mit, daß Trice und Catherine die ganze Zeit wußten, daß nach dem alten Matura-Corporis-Gesetz Millie und ich wegen der Mondburg schon miteinander verheiratet wären, weil Trice sich als meine Hausheilerin aufgespielt hat. Ihr, also du und Albericus, hättet nach meinem Ausflug in die Stadt, deren Namen ich besser nicht unter freiem Himmel verrate, einen offiziellen Antrag Matrimonium ante Maturam gestellt, was wohl Kinderehe oder Ehe vor der Reife oder sowas heißt, wenn Mums Lateinbuch mich da nicht hat hängen lassen. Stimmt das?"

"Würde Trice dich und Catherine anlügen?" Fragte Hippolyte. Dann schob sie so schnell wie eben Julius nach: "Dann hat sie dir und ihr auch auf den Tisch geknallt, daß der Termin für die Feststellung dieser Frühehe - klingt besser als deine beiden anderen Übersetzungen - an deinem fünfzehnten Geburtstag festgestellt werden soll. Also heute. Bei der Gelegenheit freue ich mich, dir als eine der ersten zu deinem fünfzehnten Geburtstag gratulieren zu dürfen."

"Du bist die allererste", stellte Julius fest.

"Oh, hatten es Trice und deine bestimmt sehr ungehaltene Fürsorgerin nicht nötig, dir zuerst zu gratulieren, bevor sie mit dir dieses Experiment machten?" Fragte Hippolyte amüsiert. Dann wurde sie wieder ernst. "Julius, ich bin diejenige, die Martine und dann Millie zu dir vor die Mondburg gebracht hat. Mir war da doch klar, was für eine Regelung gilt, wenn eine meiner Töchter dich da rübertragen konnte. Das Béatrice Mildrid dann untersucht und vor einer vielleicht zu frühen Mutterschaft bewahrt hat habe ich angeregt. Andererseits würde ich jetzt nicht mehr viel dagegen einwenden, wenn meine Mildrid von dir ein Kind bekäme."

"Bei dem Tempo, daß ihr Latierres mit mir durchzieht würde das nach einem Monat ausgetragen sein, wie der Korken aus einer Champagnerflasche rausploppen und in einem Jahr schon in der Grundschule sitzen", wagte Julius einen Scherz.

"Du hast selbst gerade gesagt, daß es mal eine Zeit gab, wo junge Paare durch den Liebesakt die Ehe vollzogen haben, ohne daß ein Zeremonienmeister sie um das Jawort gefragt hätte. Unsere heutige Gesellschaftsordnung verlangt da eine öffentliche Feststellung durch einen Zeremonienmagier und die Einwilligung der Eltern, wenn das Paar selbst noch minderjährig ist. Hast du den Eindruck, du hättest dich mit Millie schon auseinandergelebt?"

"Überhaupt nicht", sagte Julius und konnte gerade noch die Worte zurückhalten, bevor er ausplauderte, daß Millie und er schon das Nebeneinander-Einschlafen und -Aufwachen ausprobiert hatten.

"Den Eindruck hatte ich auch nicht, als ihr mit der Familie Porter und Mademoiselle Brittany hier ankamt. Und wenn es nach Millie geht, würde sie Professeur Fixus darum bitten, euch ein gemeinsames Schlafzimmer zuzuweisen."

"Oh, ich fürchte, das verbieten die Beauxbatons-Schulregeln", wandte Julius etwas bedauernd ein. "Abgesehen davon würden wir in Beaux doch andauernd dumm angequatscht, was für eine voreilige Sache das sei. Und Professeur Faucon - die hat ja irgendwas gegen deine Mutter - würde das auch nicht haben wollen. Ich denke, die könnte euch noch kräftig in die Suppe spucken."

"Das eben nicht, weil sie die Regel auch kennt. Sie hat sich ja deshalb so sehr darüber aufgeregt, als sie das mitbekommen hat, als sie meinte, dich auszukundschaften und dabei bei mir und Miriam gelandet ist. Die weiß das schon, daß das nur von Albericus, deiner Mutter und mir abhängt, ob wir die alte Regelung bemühen oder nicht. Und nachdem wir, also Albericus, deine Mutter und ich erfahren haben, zu welchen haarsträubenden Sachen dich Mamans alte Schulkameradin Blanche Faucon gebracht hat, haben Albericus und ich beschlossen, die Sache durchzuziehen."

"Ja, aber meine Mutter würde sagen, daß wir zu jung seien und uns noch besser kennenlernen sollten und wenn schon verheiratet dann doch erst dann, wenn wir unser eigenes Leben frei planen könnten und so. Ich meine dieses Ultimatum der Mondtöchter ..."

"Das was?" Fragte Hippolyte leicht ungehalten.

"Die meinten, Millie und ich würden in drei Jahren unser erstes Kind auf den Weg bringen, wenn wir nicht irgendwelche Schwierigkeiten kriegen wollten. Das wäre immer noch früh genug ..."

"Ich habe auch fünf Jahre vorher geheiratet, bevor ich Martine empfing, Julius. Sicher, ihr habt euch auf eine sehr kurze Frist eingelassen. Das mit den drei Jahren wußte ich nicht mehr so genau. Ich dachte auch eher an vier Jahre. Aber sei es. Ihr müßt ja jetzt noch keine Kinder haben, nur weil ihr offiziell angetraut werdet. Und falls doch, und ihr seid da noch in Beauxbatons, könnten sie weder sie noch dich fristlos entlassen, weil wir, eure Eltern, eurer Verbindung ja zugestimmt haben. Und das es geht, ein Kind in Beauxbatons großzuziehen hat die wesentlich voreiligere Mademoiselle Constance Dornier ja bewiesen. Wie erwähnt war ich diejenige, die euch beide zusammengeführt hat. Ich habe dich auch so kennengelernt, daß du dich nicht vor den Folgen einer einmal getroffenen Entscheidung drücken würdest. Immerhin hast du es ja auf dich genommen, in einer ganz neuen Schule weiterunterrichtet zu werden, damit deine Mutter und du zusammenleben könnt."

"Genau da wird meine Mutter dann einhaken und sagen, daß sie nicht zustimmen wird, daß Millie und ich vor der Volljährigkeit verheiratet werden, weil sie ja dann entweder Millie bei uns mit im Haus hätte oder ich zu euch ins Honigwabenhaus ziehen müßte. Oder haben Albericus und du getrennt gelebt?"

"Auch, wenn dich das jetzt nicht mehr überraschen sollte, Julius: Seitdem deine Mutter Mildrid als zukünftige Schwiegertochter und Mutter ihrer Enkelkinder akzeptiert hat, haben sie und ich uns sehr häufig bei ihr getroffen. Sie hat schon Angst, allein in dieser Wohnung zu sein. Andererseits bist du ja die meiste Zeit des Jahres in Beauxbatons. Dein Zimmer ist ein wenig klein, im Vergleich zu dem aufgeblasenen Wohnzimmer. Andererseits weiß ich, daß du nicht so einfach auf die Errungenschaften der magielosen Welt verzichten würdest. Außerdem ist es trotz Sardonia und ihrem Versuch, die Hexen zur herrschenden Volksgruppe zu machen immer noch üblich, daß die Gattin entweder in das Haus der Familie des gatten zieht oder mit ihm einen eigenen Haushalt begründet. Deine Mutter befürchtet, daß wenn ihr bei ihr wohnen würdet und ihr nicht durch Abstandszauber voneinander getrennt würdet, zwischendurch immer wieder die vollkommene Nähe suchen und dabei alle Nachbarn aufwecken würdet. Deshalb würde sie nur dann eurer Zusammenlegung zustimmen, wenn ihr euch zurückhaltet oder so leise seid, daß niemand außerhalb des Zimmers es mitbekommt."

"Oha, das würde nicht klappen", sagte Julius und verwies auf die Nacht in der Mondburg.

"Soso, seither habt ihr beiden keine Gelegenheit mehr gefunden? Das wundert mich jetzt aber. Warst du zu ängstlich?" Julius witterte eine Falle und sagte rasch:

"Kann ja nicht immer sofort eine behütende Tante mit blauen Sündentilgern zur Stelle sein."

"Schön, wenn ihr euch auch so sehr gut versteht. Aber wenn ihr zusammenwohnen würdet hättet ihr jede Nacht die Gelegenheit, zumindest in den Ferien. Aber wenn du sagst, daß ihr das nicht im Flüsterbetrieb machen könnt ... könnten wir in das Zimmer von dir ein Klappbett mit Schnarchfängervorhang hineinstellen. Ich denke schon, daß eine Mutter sehr daran interessiert ist, daß du glücklich wirst und einen Anreiz für die Zukunft hast."

"Was sagt denn dein Mann dazu, wo Millie und ich wohnen sollten?" Fragte Julius.

"Es täte ihm zwar weh, wenn Millie schon so früh aus dem Haus ginge. Aber das täte es ihm bei Martine auch, und die hätte ja fast diesen Edmond Danton auf ihren Besen geholt."

"Neh, hat die nicht. Die hat mich aufgegabelt, weil sie vor ihren Freundinnen nicht ganz alleine landen wollte", grummelte Julius.

"Und du hast es nicht als Ehre empfunden?" Fragte Hippolyte. Irgendwie schien der Geist ihrer Mutter in sie eingefahren zu sein. Nach den Erlebnissen von gerade eben hielt Julius das mittlerweile für möglich. Er sagte:

"Ich wollte deine Tochter nicht entehren, indem ich sie zum Gespött der Leute werden ließ, weil sie den gerade noch dreizehnjährigen Bengel, der da auch noch so wie dreizehn aussah auf den Besen gehoben hat."

"Sie wollte, wie du gesagt hast, nicht ohne jemanden vorne drauf zurückfliegen. Du standest parat, und so konnte sie zumindest zeigen, daß sie wen aufladen konnte. Du hast sie nicht entehrt."

"Apropos, wenn ihr, also meine Mutter und ihr beiden diese Früheehe-Feststellung durchkriegt hättet ihr Millie die Besenwerbung und den Auftritt als weiße Braut versaut."

"Das Weiß steht für absolute Unberührtheit, Julius. Aber mit der Besenwerbung hast du wohl recht. Das könnte sie mir und Albericus übelnehmen", erwiderte Hippolyte. "Andererseits wäre sie noch vor Tine und vor Trice ordentlich verheiratet. Das dürfte sie etwas besänftigen."

"Also bei dem Tempo, daß ihr vorlegt wundert mich das mit Trice eh. Aber werden die Heilervorschriften gewesen sein. Aurora Dawn erzählte mir mal sowas, daß die ziemlich puritanisch lebten."

"Ach du morsches Besenende, wo hast du denn den Ausdruck her? Ich habe das letzte mal vor sechzehn Jahren darüber gelacht, wie arm die Leute sind, die diese Lebensweise pflegen. Ich fürchte, Millie wird bei diesem Wort gleich auf ein wildes Erdbeben oder herumwerfen gefaßt sein. Sie wäre mir fast durch den Bauchnabel entstiegen."

"Wieso erzählst du mir das alles? Das sind doch ganz persönliche Erinnerungen, die dir gehören", wunderte sich Julius.

"Weil du es wohl immer noch nicht wahrhaben möchtest, daß wir Latierres, ob Mädchen oder Jungen, keine Probleme mit den Dingen haben, die sich zwischen Liebenden abspielen. Außerdem hast du mich ja schon dort besucht, wo sie selbst mal gewohnt hat, weil ich dich dabei haben wollte, als Albericus und ich mit deiner Mutter sprachen."

"Julius, wo bist du?" Mentiloquierte Catherine.

"Auf der Wiese, mich nett mit Trices Schwester unterhalten", schickte Julius zurück.

"Gut, wir sind soweit klar, und wir haben uns keine Kratzer zugefügt, Julius. Komm mit der Hexe, die an diesem kleinen Disput schuld ist zurück zu uns, damit ich mit dir zu den Dusoleils apparieren kann!"

"Geht klar", mentiloquierte er zurück. Er teilte es Hippolyte mit, daß Catherine ihn jetzt nach Hause bringen wolle.

"Gut, dann sehen wir uns wohl morgen früh oder morgen Mittag. Du brauchst echt keine Angst zu haben. Die Babys kriegt Mildrid, und das andere kriegen wir alle zusammen." Julius mußte lachen. Hatte er diese Hexe echt so verkehrt eingeschätzt? Er hatte immer gedacht, daß sie und ihre Schwester Béatrice eher die ruhigen, zurückhaltenden aus der Familie wären. Er dachte auch daran, daß sie ihn damals zur Rede gestellt hatte, nachdem er mit Béatrice Orions Fluch ausgetrieben hatte. Konnten Menschen, auch die mit Magie begabten, so viele verschiedene Seiten haben? Offenbar.

Hippolyte lieferte ihn vor der Tür zu der kleinen Schlafkammer ab. Catherine sah sie mit einer Mischung aus Vorwurf und Unbehagen an. Doch Millies Mutter blieb ruhig.

"Niemand wollte deine Kompetenzen schmälern, Catherine. Aber du wirst einsehen, daß wir alles Recht haben, die Zukunft unserer Tochter zu klären, und dein Schutzbefohlener ein Teil davon ist", sagte sie, nun sehr ernst. Catherine sah sie an und erwiderte ruhig:

"Wenn du das meiner Mutter so sagen kannst, ohne zu stottern, Hippolyte, dann kann ich überhaupt nichts dagegen einwenden. Ich hoffe nur inständig, daß der Junge durch eure Voreiligkeit nicht für das ganze Leben verwirrt wird. Er ist gerade erst fünfzehn Jahre alt geworden und ..." Catherine lief rot an, weil ihr offenbar jetzt klar wurde, daß sie ihm eigentlich als allererstes vor dem Experiment mit Temmie zum Geburtstag hätte gratulieren müssen. Das holte sie jetzt natürlich nach, wobei sie Hippolytes überlegenes Lächeln ignorierte. Béatrice schloß sich dem noch an. Sie flüsterte dann noch:

"Babs unterhält sich immer noch mit Temmie. Offenbar stellt Demies Tochter mit dem Cogison eine sehr interessante Gesprächspartnerin dar. Sie wird aber gleich wieder herkommen, weil ihre beiden Söhne sonst von Raphaelle oder Hippolyte gesäugt werden müßten."

"Ich schicke ihr gleich noch einmal einen Gutenachtgruß", sagte Julius. Dann gab er ihr ihren Zauberstab zurück. Er reichte auch Catherine ihren Zauberstab. Sie ließ ihn neben sich Aufstellung nehmen. Er griff ihren freien Arm und wünschte noch eine gute Nacht. Dann verschwand die Transportkabine um ihn herum.

"Wie erwähnt muß Camille nichts von der Sache mit Temmie wissen", mentiloquierte Catherine. "Was das andere angeht, so sollen Trices Verwandte das mit deiner Mutter klären. Ich werde nur dabeisein, um die aufkommenden Zaubererweltformalitäten zu überwachen, unabhängig davon, wie sich deine Mutter entscheidet."

"Hoffentlich steckt deine Mutter das weg, falls meine sich dafür entscheidet. Ich werde zumindest kein Feigling sein und zurückziehen", schickte Julius zurück.

"Vernunft ist was andres als Feigheit", entgegnete Catherine. Dann umarmte sie ihn noch einmal kurz und verschwand dann. Julius wartete. Er stellte noch einmal eine Gedankenverbindung mit Barbara Latierre her, die wirklich nicht so schwer war.

"Also, deine Untermieterin ist jetzt unkündbar in Temmie eingezogen, Julius. Wenn ich das vorher von irgendwem aus deiner Umgebung gewußt hätte, wäre ich nicht darauf gekommen, dich von Trice diesem Versuch unterziehen zu lassen."

"Ja, aber dann wäre Temmie andauernd hinter mir hergeflogen", wandte Julius ein.

"Nur auf dem Hof, Julius. Jetzt habe ich eine uralte Königin im Körper einer jungfräulichen Latierre-Kuh und darf das keinem erzählen. Aber sie hat mir zugesichert, als Artemis weiterleben zu können. Wollen doch mal sehen, ob sie das immer noch schön findet, wenn sie das erste Kalb wirft."

"Komische und gruselige Vorstellung", schickte Julius zurück. Dann empfing er noch einen Gutenacht- und einen Geburtstagsgruß. Er dachte nur bei sich, daß die gestrenge Barbara Latierre in wenigen Stunden vielleicht die nächste dicke Überraschung erleben würde, genau wie seine Mutter. Dann dachte er an die Dusoleils. Das mochte ein schlimmer Schock für sie werden, wenn er mal eben so zwei Jahre vor dem siebzehnten mit einer anderen als Claire verheiratet wrürde. Er schrak zusammen, weil er Camilles Stimme von oben hörte, leise aber erkennbar. War das vielleicht das schlechte Gewissen oder das Mitleid für Camille, weil ihre Tochter nicht mehr da war?

Er ging vorsichtig an den Beeten vorbei. Er hörte Camilles Stimme jetzt deutlicher. Das fand nicht nur in seinem Kopf statt. Sie unterhielt sich wohl mit seiner Mutter. Das Fenster stand ganz weit offen, und das Zauberseil hing schnurgerade herunter. Man wartete auf ihn. Julius packte das Seilende und stieß sich mit den Füßen ab. Eigentlich hätte er schon längst den in Khalakatan erlernten Flugzauber ausprobieren sollen. Aber in den Ferien und ohne Notfall ... Er turnte so gut es ohne sonstige Magie ging die Wand des Hauses hinauf, wobei er Camilles Stimme sagen hörte:

"Das wirst du dann ja erleben, wenn Hippolyte dich nachher darauf anspricht. Kommt ja dann darauf an, ob du dem zustimmst oder nicht. Außerdem mußt du Julius fragen, ob er wirklich gut mit Millie klarkommt. Aber frage ihn erst einmal ... wenn er gleich bei uns ist, was das jetzt mit dieser Kuh gebracht hat!" Julius fühlte, wie jemand am Seil zog und hielt sich so gut fest wie es ging. Da rollte sich das Seil von alleine ein und zog ihn spielendleicht mit sich in das Waldlandschaftszimmer. "

"Hier kommt der Wolf in der Geschichte", grüßte Julius. "'tschuldigung, Camille, falls du denkst, wir hätten dich hintergangen!" Schickte er noch nach, bevor er seine Füße wieder auf festen Boden stellte und das Zauberseil losließ, dessen nun kleiner Knäuel um den Bettpfosten geringelt war wie ein besonders langer Regenwurm. Camille saß in einem limonengrünen Morgenrock auf dem Bett. Daneben saß Aurora Dawn, die in einen zimtroten Morgenmantel gehüllt war. Seine Mutter hockte irgendwie verunsichert auf dem zweiten Gästebett, in dem sie wohl schlafen wollte.

"Ich habe dich gesehen, wie du dich um meine Blumenrabatten herumgeschlichen und davongemacht hast", begrüßte ihn Camille leise. Florymont schläft so tief, daß ich mich von ihm fortstehlen konnte. Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!" Mit diesen Worten stand sie auf, umarmte Julius innig und küßte ihn mehrmals auf die Wangen. Als sie von ihm abließ, übernahm Aurora die Glückwunschliebkosung. Dann schloß Camille das Fenster richtig und baute einen Klangkerker auf. Julius fragte sie, ob das nicht schon überflüssig sei, wo er sie von draußen schon gehört hatte.

"Jetzt kommt ja das interessante", sagte Camille. "Bevor ich mir die Geschichte mit dieser Kuh Artemis von dir erzählen lasse, wobei Aurora da eine interessante Theorie zu hat, möchte ich dir deine erste Eulenpost des neuen Lebensjahres übergeben. Deine Mutter hat einen ähnlichen Brief bekommen, gerade als ich sie fragte, wozu du es nötig hättest, wie ein Dieb in der Nacht aus einem Fenster zu klettern. Deine Mutter erzählte dann, du hättest was mit Catherine und Béatrice Latierre zu erledigen, was keiner sonst mitkriegen dürfe." Martha Andrews nickte errötend. Julius wußte nicht, ob es wegen der aufgeflogenen Nacht- und Nebelaktion war oder wegen des Briefes, von dem er sich denken konnte, was drinstand. Er sah Aurora Dawn an, die jedoch keine Anstalten machte, irgendwas zu sagen oder aufzustehen und zu gehen. Sie sah ihn nur aufmunternd an und deutete auf den Brief in Camilles Hand. Julius nahm ihn und las:

Monsieur Julius Andrews
Waldlandschafts-Gästezimmer
Haus Jardin du Soleil
Millemerveilles


Sehr geehrter Monsieur Andrews,

zunächst unsere allerherzlichsten Glückwünsche zur Vollendung Ihres fünfzehnten Lebensjahres! Zeitgleich wird Ihnen gemäß Abschnitt 14 und Abschnitt 26 ff. Familienstandsgesetz der internationalen magischen Konföderation folgender Sachverhalt mitgeteilt, dessen amtliche Feststellung am Tag der Zustellung dieses amtlichen Schreibens um 11.30 Uhr im Rathaus zu Millemerveilles erfolgen wird.

Gemäß einer Mitteilung der Eheleute Hippolyte und Albericus Latierre trug es sich am 28. März 1997 zu, daß Madame Hippolyte Latierre, Sie, Monsieur Andrews, zu einer örtlich nicht angegebenen Befestigung, bekannt als Festung der großen Himmelsschwester, verbrachte, um da selbst zunächst ihre volljährige Tochter Martine Barbara Latierre zu beauftragen, Sie, Monsieur Andrews, über eine magische Verbindungsbrücke, auch Brücke der vereinenden Leichtigkeit genannt, zu tragen. Im Falle eines Gelingens dieses Unterfangens hätten Mademoiselle Martine Barbara Latierre und Sie, Monsieur Julius Andrews, die inneren Örtlichkeiten der obigen Befestigung aufzusuchen. Durch eigenen Augenschein Madame Hippolyte Latierres belegt mißlang dieses Unterfangen jedoch unbestreitbar. Hierauf verbrachte Madame Hippolyte Latierre ihre minderjährige Tochter Mildrid Ursuline Latierre an denselben Ort und instruierte diese, das oben erwähnte Vorhaben mit Ihnen durchzuführen. Durch belegten Augenzeugenbericht von Madame Latierre haben wir Kunde, daß Mademoiselle Mildrid Ursuline Latierre, Sie, Monsieur Julius Andrews, ohne Mühe, ja förmlich über oben erwähnter Brücke schwebend, über den von derselben überspannten Graben trug, woraufhin sie mit Ihnen in der oben erwähnten Befestigung verschwand und erst nach sechs Stunden wieder zurückkehrte. Durch einen von Ihnen und Mademoiselle Latierre abgegebenen Bericht an die Heilerin Béatrice Latierre und deren heilkundliche Bestätigung (Virgo intacta negativ) erhielten wir Kenntnis, daß es innerhalb der Räumlichkeiten der Festung zwischen Mademoiselle Mildrid Ursuline Latierre und Ihnen zum Beischlaf im gegenseitigen Einvernehmen kam. Da Sie beide zu diesem Zeitpunkt bereits vierzehn Lebensjahre klar vollendet haben bleibt dieser Akt gemäß Lex Maturae Corporis von 1066 ohne strafrechtliche Ahndung. Jedoch stellt die Benutzung weiter oben erwähnter Brücke den Vorgang einer partnerschaftlichen Verbundenheit durch ein hochpotentes, magisches Artefakt dar. Gefolgt von dem erwähnten Beischlaf in gegenseitigem Einvernehmen ergibt sich daraus ein weiteres durch die Lex Maturae Corporis geregeltes Faktum. Wenn eine magisch unterstützte Prüfung auf partnerschaftliche Verbundenheit im gegenseitigen Einverständnis und mit ausdrücklicher Genehmigung eines erziehungsberechtigten eines der beiden Prüflinge ein positives Resultat erbringt und innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden ein einvernehmlicher Beischlaf zwischen den beiden Prüflingen stattfindet, so erfüllt dies die Grundlage für eine amtliche Feststellung eines ehelichen Verhältnisses gemäß Abschnitt 14 Familienstandsgesetz, sofern die erfolgreich füreinander befundenen Prüflinge und alle ihre lebenden Elternteile einer amtlichen Feststellung einer ehelichen Gemeinschaft vor Erreichen der Volljährigkeit zustimmen. Somit ergeht an alle Beteiligten der Bescheid, daß zur Anerkennung einer ehelichen Gemeinschaft vor Erreichen der Volljährigkeit im Zuge der Lex Maturae Corporis und der Sonderregelung Permissio Matrimonium ante Maturam Mademoiselle Mildrid Ursuline Latierre und Sie, MOnsieur Julius Andrews, bei einhelliger Zustimmung Ihrer Eltern oder Erziehungsberechtigten ihr Familienstand gemäß Abschnitt 26 ff. Familienstandsgesetz eine Umwandlung von ledig zu verheiratet erfährt. Um die amtliche Feststellung der Gegebenheiten zu ermöglichen, verfügen Sie sich bitte am 20. Juli 1997 mit Ihrer Frau Mutter, Madame Martha Andrews, zum Rathaus von Millemerveilles, um sich dort der amtlichen Frage nach Zustimmung oder Ablehnung der Familienstandsänderung zu stellen! Die Befragung wird der amtlich zertifizierte Zeremonienmagier Erasmus Laroche um 11.30 Uhr durchführen.

Bitte bringen Sie diese Mitteilung und das beigefügte Formular zur Vorlage mit!

Mit hochachtungsvollen Grüßen

Antoine Bonfils

Behörde für magische Familienfürsorge und Gesellschaft

"Ui, was für ein bürokratischer Wortsalat!" Stöhnte Julius und legte den Brief auf den Nachttisch zurück. Seine Mutter hielt einen ähnlichen Brief in der Hand. Er trug das gleiche Siegel und war auf dem selben eierschalenfarbenen Pergament mit smaragdgrüner Tinte verfaßt.

"Mehr sagst du dazu nicht?" Fragte sie ihren Sohn. "Da steht klar und deutlich drin, daß Hippolyte und ihr Mann befunden haben, Millie und du hättet während des Ausfluges in die Pyrenäen, wo ich weit weg in den vereinigten Staaten war, inoffiziell und ohne Trauschein geheiratet." Julius sah Camille abbittend an. Diese lächelte jedoch. Das gab ihm etwas Übermut ein:

"So steht das da nicht drin, Mum. Da steht drin, daß durch den Besuch der Mondfestung die Möglichkeit besteht, daß Millie und ich zwei Jahre vor unserem siebzehnten Geburtstag als minderjähriges Ehepaar anerkannt werden können, wenn du und ihre Eltern das auch wollen. Wir werden zwar gefragt, aber wenn du nein sagst, ist die Kiste bis zu unserem siebzehnten vom Tisch. Zumindest lese ich das aus diesem Brief hier."

"Genau das, Julius. Es ist nicht so, daß Mildrids Eltern und ich nicht sehr häufig über eine schnelle Eheschließung gesprochen hätten. Mir kommt es nur ein wenig plötzlich, vor allem, wo der Auslöser für dieses Vorhaben schon mehrere Monate her ist. Ich dachte, Hippolyte, Albericus und ich wären uns einig, daß ihr beiden zunächst die Schule abschließt und dann offiziell und ohne unsere nötige Einwilligung heiratet."

"Öhm, Mum, ohne jetzt ins Detail zu gehen wußten die Latierres da noch nicht, was mir alles in den letzten Jahren so passiert ist. Außerdem knabbern die immer noch an dieser Sache zwischen Martine und Edmond Danton. Könnte sein. Das Ding hier bezieht sich auf einen Antrag vom achten Juli. Also hat das was mit etwas zu tun, was mir kurz davor passiert ist, Mum."

"Ja, aber dann ein derartiges Tempo aufzunehmen bringt ihnen und dir doch überhaupt nichts ein."

"Außer dem Recht, über die außerschulischen Sachen deines Sohnes informiert und um zustimmung gebeten zu werden, Martha. Das steht deutlich in dem beigefügten Auszug der betreffenden Gesetze." Julius hatte nicht den Eindruck, daß Camille enttäuscht, wütend oder erschüttert war. Eher hörte er aus ihren Worten heraus, daß das eben passieren konnte, wenn man sich mit dem Latierre-Clan einließ. Martha Andrews überflog zwei Pergamentseiten und nickte.

"Mit anderen Worten, diese Sache hat nicht nur dazu geführt, daß du und Mildrid euch geeinigt habt, sondern auch, daß ihre Eltern und damit ihre restliche Familie Anspruch auf Mitbestimmung bei deiner Erziehung erheben können. Danke, Camille, daß du mir das noch mal gesagt hast."

"Dann ist die Sache für dich erledigt, Mum?" fragte Julius herausfordernd.

"Nun, das berührt auch magische Angelegenheiten und damit Catherines Mitspracherecht, Julius. Da möchte ich vor diesem Termin noch gerne ihre Meinung zu hören. Ich selbst habe kein Problem mit Mildrid, außer, daß sie genauso noch in der Pubertät steckt wie du, Julius. Da können leicht voreilige Entschlüsse gefaßt und noch schneller wieder verworfen werden. Andererseits akzeptiere ich dieses Verfahren mit der Brücke, soweit Catherine es mir noch einmal erklärt hat. Und Mildrid machte bei meiner Unterredung mit ihr einen bereits sehr gereiften Eindruck. Dann stelle ich jetzt mal auch eine provokante Frage, Julius: Würdest du diesem Monsieur Laroche mit "Ja" antworten, wenn er dich fragt?"

"Ja, würde ich", stieß Julius ohne groß zu überlegen aus. Er war sich seiner Sache sicher. Auch wenn es sehr hektisch ablief wußte er durch die Sache mit der Mondfestung, durch den Traum in Ashtarias Obhut und die Sachen der letzten zwei Jahre, daß er dieses Hexenmädchen Mildrid als seine Frau haben wollte. Er hatte es ja vor kurzem erst wieder bestätigt gefunden, als er mit ihr mehrere Nächte verbracht hatte. Und wenn er einen absoluten Beweis für die Zuneigung von Millie zu ihm und von ihm zu ihr brauchte, dann fühlte er ihn mit jedem warmen Pulsieren des roten Herzanhängers um seinen Hals. Sie beide gehörten zusammen. Ob sie jetzt auf Grund eines uralten Schnellhochzeitsgesetzes miteinander lebten oder noch zwei Jahre miteinander heimliche Gelegenheiten ausnutzten blieb da doch gleich. Wenn nicht irgendwas drastisches passierte, würden die beiden Herzanhänger in den zwei Jahren immer noch so pulsieren, vielleicht sogar noch viel viel länger. Er sah Aurora Dawn an, die ohne ein Wort gesagt zu haben auf dem Bett saß, in das er sich eigentlich hatte legen wollen. Er mentiloquierte sie an, ob sie unter einem Schweigezauber stünde. Sie schickte ihm zu, daß sie zwar sprechen könne, aber in dieser Situation besser nur zuhörte.

"Womöglich würde Mildrid das auch sofort bejahen, Martha", sagte Camille. Immer noch lächelte sie erheitert.

"Julius, dir ist doch klar, was für euch beide an dieser Kinderehe oder wie immer das übersetzt werden soll dranhängt. Außer, daß ich bei Millies Erziehung mit reinreden darf und ihre Eltern bei deiner müßte geklärt werden, ob ihr in einer gemeinsamen Wohnung lebt, wie ihr mit Nachnamen heißt und wie diese Minderjährigen-Ehe euren Status in Beauxbatons ändert, wie eure Freundinnen und Freunde damit umgehen, und wie ihr anderen Eltern mit miteinander befreundeten Kindern als Beispiel dient. Denkst du, das zwischen deinem Vater und mir wäre so schnell zustande gekommen?"

"Nein, ihr habt fast zwei Jahre umeinander herumgeschnurrt", erwiderte Julius frech. Seine Mutter machte schon Anstalten, ihn lauthals auszuschimpfen. Doch sie schluckte was immer sie ihm an den Kopf werfen wollte hinunter und sagte in beherrschtem Ton:

"Und warum, weil wir beide klären mußten, was eine Ehe für uns beide an Veränderungen bringt. Wir wollten immerhin unsere Studiengänge beenden. Was glaubst du denn, wird Professeur Faucon sagen, wenn sie damit konfrontiert wird, daß ihr beiden mit elterlicher Genehmigung zu Eheleuten erklärt worden seid, obwohl ihr euch eigentlich erst vier Monate richtig kennt."

"Tja, Mum, das ist eben das blöde für Eltern von Internatskindern. Die kriegen es nicht mit, wer sich wie gut kennt, liebt, haßt oder verachtet", entgegnete Julius. "Im Grunde habe ich Millie schon bei der ersten Arithmantikstunde kennengelernt und durch viele Sachen, die mir mit ihr passiert sind." Schnell verdrängte er es, daß sie ihm den ersten richtigen Kuß gegeben hatte, daß er danach von ihrer Schwester als leidenschaftliche Geliebte geträumt hatte und noch so dies und jenes, was ihn immer schon mit ihr verheddert hatte, Goldschweif eingeschlossen. Er dachte an die Aussprache mit Martine im Pflegehelferkurs und auch zu Weihnachten im letzten Jahr und daran, daß er die wirklich leidenschaftlichen Träume immer nur von Millie oder Martine geträumt hatte. Sicher war er sehr in Claire verliebt gewesen und hatte Millies Annäherungsversuche als lästig empfunden. Doch das, so wußte er es ja jetzt, hatte er ja nur so empfunden, weil er auch für sie empfänglich gewesen war, es aber ihr und vor allem sich gegenüber nicht zugeben konnte.

"Also Millie wollte dich schon immer, weiß ich von Claire und Caro", sagte Camille kategorisch. "Und ich weiß auch, daß Claire genau wußte, daß wenn es zwischen dir und ihr nicht mehr weitergehen würde, du bei ihr landen würdest. Ich weiß auch, daß Claire wollte, daß du schnell eine neue Partnerin findest, Julius. Deshalb brauchst du mich nicht so abbittend anzusehen, als tätest du mir damit weh oder Florymont, Jeanne oder Denise. Der einzigen, der du womöglich sehr heftig zusetzen wirst ist Blanche, also Madame Faucon. Doch so respektlos das klingt, Julius, deren Meinung sollte dich nur kümmern, wenn sie es noch vor dem Termin hinbekäme, deine Mutter für unzurechnungsfähig zu erklären und die Vormundschaft über dich erwirkt."

"Oh, rufe bloß keinen großen Drachen, Camille!" Unkte Julius.

"Genau das will ich eben vermeiden, daß der dann auch kommt. Also nehmt ihr, deine Mutter, Milies Eltern, sie und du an dieser Veranstaltung teil! Wenn du es möchtest, Julius, komme ich gerne mit und warte draußen vor dem Rathaus auf euch. in dem Gesetz steht ja drin, daß die Befragung unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindet. Insofern hätte Blanche Faucon ja auch kein Recht, dort unangemeldet aufzutauchen. Es sei denn, Catherine erfährt davon und hält Rücksprache mit ihrer Mutter."

"Das könnte ihr einfallen", grummelte Julius. Dann ließ er die Katze aus dem Sack und berichtete, was ihm mit Béatrice, Catherine und Hippolyte passiert war. Dann erzählte er ohne Darxandria und woher er sie kannte zu erwähnen, daß er vorübergehend mit der Kuh Temmie die Körper getauscht hatte, bis eine Art Rückstoß ihn aus ihr herausgelöst und ihn zu sich selbst hatte finden lassen.

"Ja, und jetzt?" Fragte Camille.

"Kriege ich das dralle Mädel wohl symbolisch zum Geburtstag", antwortete Julius.

"Die hat noch nicht gekalbt, richtig?" Forschte Camille nach.

"Soweit ich weiß noch nicht", erwiderte Julius. Da durchzuckte ihn Auroras Gedankenstimme:

"Das Vita-Mea-Ritual in Verbindung mit deinem Ausflug in die Bilderwelt könnten da die Verbindung geschaffen haben, außerdem diese Körperübernahme nach Ostern." Julius schickte ein "Stimmt alles" zurück. Camille merkte, daß Julius und Aurora sich wohl unhörbar verständigten. Sie sah beide tadelnd an. Dann sagte sie:

"So, bevor mein ordentlich angetrauter Mann mich vermißt gehe ich jetzt zu Bett. Aurora, deins ist drüben im Wiesenzimmer. Julius braucht das, auf dem wir sitzen. Vielleicht ist es auf absehbare Zeit das letzte Mal, daß er in den Ferien allein in einem Bett liegen kann."

"Ich wünsche euch noch eine gute Nacht", sagte Aurora nur noch und verließ mit Camille das Gästezimmer.

"Es ist nicht nur Sex, was da zwischen euch läuft, Julius?" Flüsterte Martha. Julius holte den Herzanhänger hervor und zeigte ihn seiner Mutter.

"Der wirkt nicht nur durch körperliche Anziehung, aber auch damit zusammen."

"Wenn du dir sicher bist, Julius, dann wünsche ich dir alles Glück, zu dem ich dir verhelfen kann."

"Hippolyte sagte, Millie könne mit mir bei dir wohnen, wenn wir das anstellten, nachts keinen Krach zu machen, damit Babette und Claudine nicht wach werden", wisperte Julius.

"Ich habe es dir nach Ostern in diesem Saloon gesagt, daß ihr euch meinetwegen in den höchsten Himmel lieben könnt, wenn ihr beide das wollt und beide darauf achtet, daß nichts passiert, was ihr nicht wollt. Ich geh mal davon aus, daß Millie durch Constances Kind noch keinen Drang verspürt, als junge Mutter in Beauxbatons zu lernen."

"Im Moment wohl nicht, Mum. Ein Jahr zurückgestuft zu werden ist ja nicht gerade Werbung für junge Hexenmütter in Beauxbatons."

"Nun gut, ich erkenne, daß ich nur die Wahl habe, mir den Unmut der Latierres aufzuladen und zwei Jahre lang immer dumm angeguckt zu werden, bis die befinden, daß du zu ihnen ziehen mögest. Nur wenn Albericus und Hippolyte dem auch zustimmen, habt ihr beide meinen Segen, so traurig mich das jetzt auch macht."

"Mum, ich sterbe nicht und ziehe auch nicht weg von dir, bis ich mein Leben ganz frei bestimmen kann."

"Was das sterben angeht solltest du dann tunlichst aufpassen, nicht wieder in solche Sachen wie die Bilder hineinzugeraten", flüsterte seine Mutter. "Aber dieses Geisterweib Darxandria hat dich ja schon für die nächste Wahnsinnsmission vorgeplant."

"Tja, dafür steht die jetzt auf Babs' Weide rum, muß Gras fressen und bei Bedarf Leute auf dem Buckel tragen oder kleine Latierre-Kühe ausbrüten und dann wohl noch lange frische Milch hergeben. Ein Großteil von dem, was ihre Haube in mir abgesetzt hat, ist jetzt in Temmie und kann da auch nicht mehr rausgezogen werden."

"Der Preis der Macht", erwiderte Martha Andrews leicht schadenfroh lächelnd.

"Das könnte so stimmen, Mum", erwiderte Julius. Dann wünschte er auch seiner Mutter eine gute Nacht, die ja eh schon kurz genug sein würde.

__________

Julius stand in einem großen Zimmer voller Wiegen und Kinderbettchen. Alle diese Schlafmögel waren belegt. In einer Wiege lag Miriam, Millies gerade zwei Monate und acht Tage alte Schwester. In einem Kinderbett lag Claudine Brickston, und in einer weiteren Wiege lag Viviane Aurélie, Jeannes knapp einen Monat altes Töchterchen. Dann sah er noch Cythera Dornier, die Lumière-Zwillinge Étée und Lunette, und Ursulines jüngste Töchter Esperance und Felicité. Sie alle sahen ihn vorwurfsvoll an. Miriam quäkte: "Mann, hättet ihr nicht heiraten können, wenn ich richtig laufen kann?" Felicité Latierre maulte: "Meine Schwester und ich sind doch noch nicht aus den Windeln raus, und ihr wollt schon neue Kinder machen." Claudine schnarrte: "Das ist voll gemein, was ihr meiner Maman antut, einfach ohne Fest verheiratet rumlaufen und dann noch über meinem Kopf zusammen im Bett liegen. Was soll ich denn davon halten. Meine Oma kriegt ja dann die Vollkrise." Lunette brabbelte: "Maman hat gehofft, sie könnte für euch eine richtige große Feier ausrichten. Wäre doch gerne Brautjungfer geworden, und Étée auch." Miriam krakehlte, daß sie auch Brautjungfer sein wollte, aber im Tragetuch könne sie doch nicht tanzen. Viviane Dusoleil blaffte: "Das ist fies, wo Maman und Papa mich gerade erst gekriegt haben und dann noch ohne Feier. Magst du keine richtigen Hochzeiten?" Dann schrillten alle Mädchen vom fast Neugeborenen bis zur Zweijährigen: "Wir wollen Brautjungfern sein! Wir wollen Brautjungfern sein!"

"Ist bald mal Ruhe hier", herrschte eine sichtlich genervte Martine Latierre die Kinderschar von draußen an. Sie kam herein und machte eine energische Handbewegung. "Noch nicht ein Jahr alt und schon Ansprüche stellen, was?! Die einzige Brautjungfer, die Millie verdient hat bin ich, meinetwegen noch Mayette, Callie, Pennie und Pattie. Ihr Plärrbälger seht besser zu, bald trocken zu werden, bevor ihr wem nachlauft!"

"Deine Tante Barbara hat gesagt, ich soll hier auf die aufpassen", sagte Julius.

"Klar, weil du dann zu spät zur Verabredung mit diesem Laroche hinkommst. Könnte der so passen. Wo ist die eigentlich?"

"Bei Temmie", sagte Julius.

"Der mit den Hörnern?" Fragte Martine.

"Genau die", entgegnete Julius. Die kleinen Mädchen sahen Martine vorwurfsvoll an, weil sie sie angebrüllt hatte. doch sie wagten keinen Muckser mehr. "Komm, ich bring dich zum Rathaus. Tante Trice paßt auf die Schreibande auf", wandte sich Martine an Julius und zog ihn mit sich in eine Apparition, die jedoch nicht im Rathaus von Millemerveilles endete, sondern in Madame Faucons Wohnküche.

"Habe ich es mir doch gedacht, daß sie dich mit dieser voreiligen Göre zusammensprechen wollen", knurrte Madame Faucon. Martine langte nach ihrem Zauberstab. Doch ein ungesagter Bewegungsbann ließ sie mitten in der Bewegung erstarren. Julius suchte fieberhaft nach seinem Zauberstab, fand ihn aber nicht. Da erwischte auch ihn der Bewegungsbann. "Du willst mit einer Enkeltochter dieser nichtsnutzigen person zusammensein. So sei es!" Blaffte Madame Faucon und stieß Julius' bis dahin unbekannte Zauberworte aus, bei denen sie mehrmals den Stab zwischen Martine und Julius hin und herpendeln ließ. Die beiden Erstarrten fühlten, wie sie aufeinander zugezogen wurden, wie zwei Starke Magneten zusammenstießn, aneinander hefteten und sich dann wie eine zähflüssige Masse durchdrangen, bis Julius meinte, doppelt so schwer zu sein und Martines Gedanken in sich hörte:

"Verdammt, sie hat uns androgynomorph fusioniert." Da fühlte er, wie sein Körper unter heißen Wallungen verändert wurde, bis er Martine Latierres Gestalt angenommen hatte.

"Da sie älter als du ist und trotz deiner Ruster-Simonowsky-Gabe ein klein wenig besser ausgeprägte Zauberkräfte erlangt hat, wirst du nun in ihrer Erscheinungsform festsitzen, solange bis du gleichstark bist und dich mit ihr abwechseln kannst, Julius", triumphierte Madame Faucon. "Ich denke nicht, daß Mildrid ihre eigene Schwester heiraten will."

"Das ist illegal", sprach die Verschmelzung zwischen Julius und Tine mit ihrer beiden Stimmen. "Das dürfen Sie nicht tun."

"Wer sagt, daß ich euch das angetan habe?" Fragte Madame Faucon überlegen und winkte mit dem Zauberstab. "Obleviate!" Da ertönte laut dröhnend ein fröhliches Lied und ließ die Wohnküche und deren Besitzerin in einem farbigen Funkenregen verschwinden. Julius-Martine stürzte in einen endlos erscheinenden Schacht, fort von der Musik, die leiser wurde. Dann fand er sich in seinem Bett wieder und hörte das fröhliche Spiel von Flöte, Akordeon, Harfe und Schellentrommel und erkannte den Text, den mehrere fröhliche Hexen trällerten:

"Wache auf, du neuer Morgen!
Treibe fort die Alltagssorgen!
Jede Pein und jede Plage
soll an diesem Jubeltage
fortverfliegen, denn für wahr
neubeginnt ein Lebensjahr."

Sofort fühlte sich Julius drei Jahre zurückversetzt, an seinen zwölften Geburtstag. Damals hatte er dieses Lied zum ersten Mal gehört. Damals hatte er bei Madame Faucon einen Großteil der Sommerferien verbracht. Er dachte an den Tag, wie er damals verlaufen war, an das Ständchen, die Vorbereitungen, die er mit bloßen Händen ausführen mußte, weil er seiner damaligen Gastgeberin nicht erzählt hatte, daß er bald Geburtstag hatte, an die eingeladenen Schulfreunde und wie er sich da noch kindlich unbekümmert mit Claire unterhalten hatte. Drei Jahre war das jetzt her. Drei Jahre, in denen so viel passiert war. Mit einer Mischung aus leichter Wehmut, aber auch mit einer gewissen Freude lauschte er dem Spiel und Gesang. Das Lied vertrieb die Bilder und Eindrücke aus dem Traum von einer bösartigen Madame Faucon, die ihn mit Martine auf Lebenszeit zu einem einzigen Wesen zusammengeflucht hatte. Würde sie denn wirklich alle Gesetze mißachten, nur um zu verhindern, daß er, Julius, Mildrid zur Frau nahm? Er fragte sich, ob die Ereignisse der letzten Nacht nicht doch ein einziger Traum gewesen waren. War doch schon komisch, erst das mit Artemis, dann die OffenbarungBéatrices, er sei doch schon mit ihrer Nichte verheiratet, das Gespräch mit Hippolyte und dieser amtliche Brief ... der immer noch auf dem Nachttisch lag. Er sah den Pergamentbogen mit dem Siegel der magischen Behörde für Familienfürsorge und Gesellschaft dort liegen und bildete sich ein, ihn wie einen ziemlich leise gestellten Heuler rufen zu hören: "Heute ist dein Hochzeitstag! Heute ist dein Hochzeitstag!" Er schrak zusammen, weil die Erkenntnis, was ihm heute bevorstand so viele Gedanken in den Kopf spülte, daß er meinte, er stürze durch eine Flut von Bildern und Worten. Seine Mutter grummelte schlaftrunken im anderen Gästebett. Julius sprang förmlich aus dem Bett. Er hatte Geburtstag. Aber heute sollte er ... heiraten. Wollte er das wirklich? Was würde dann passieren? Würden Millie und er in Beauxbatons nicht dumm angequatscht? Wie würden seine Hogwarts-Schulfreunde das sehen, wenn er ihnen heute als Monsieur Julius Latierre gegenübertrat? Die meisten würden das doch gar nicht glauben, ihn für einen Spinner oder Dummkopf ansehen. Sollte er das wirklich tun, ja sagen, wenn er gefragt würde? Hatte das nicht doch noch genug Zeit? Seine Mutter knurrte: "Julius, die singen für dich da draußen! Geh raus und sag denen bitte, ich möchte noch was schlafen!"

"Es ist sechs Uhr, Mum. Da stehen die hier schon auf. Aber ich seh zu, daß ich für dich noch zwei Stunden raushole", sagte Martha Andrews' Sohn. Er zog sich einen tannengrünen Umhang über seinen kurzen Schlafanzug, schlüpfte in die weichen Hausschuhe und verließ so leise er konnte das Waldlandschafts-Gästezimmer. Er sah, daß die dem Waldlandschaftszimmer gegenüberliegende Tür weit geöffnet war. Also war Aurora Dawn auch schon auf. Er eilte die mit einem Läufer bedeckten Treppen hinunter und folgte der Musik, die aus dem Garten kam. Als er durch die weit offenstehende Hintertür den Garten betrat, sangen und spielten die fröhlichen Ständchenbringer noch lauter. Julius erkannte außer den Dusoleils, bei denen auch Jeanne und Bruno waren, Aurora Dawn, Madame Faucon, Madame Delamontagne und Virginie, die sangen und spielten. Julius erschauderte, als er Madame Faucon sah, die völlig harmlos, ja aufmunternd den Bogen über die Saiten ihres Cellos führte. Schnell besann er sich und strahlte sie und die anderen an. Da hörte er Milies Gedankenstimme in seinem Kopf:

"Einen wunderschönen guten Morgen, Julius Andrews! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Sind die alle bei dir und singen dir was?" Er dachte konzentriert:

"Ja, das stimmt! Danke für deinen Glückwunsch, Mamille!"

"Hast du schon Post bekommen?" Fragte Mildrid ihn lauernd.

"So'n bürokratisches Anschreiben, daß wir uns heute im Rathaus zu treffen hätten? Kurz nachMitternacht hatte meine Mutter das. Die soll da mit deinen Eltern auch hinkommen", antwortete Julius frech. Gleichzeitig riefen alle die für ihn aufgespielt hatten: "Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!"

"Danke!" Rief Julius laut zurück. Millies Gedankenstimme erwiderte darauf amüsiert:

"Schön, daß du dich für das bedankst, was Maman und Papa da hinter unserem Rücken angeleiert haben. Aber ich komme da auf jeden Fall hin, Monju. Also lass dich an deinem letzten Geburtstag als Julius Andrews noch einmal richtig beglückwünschen!"

"Klingt so, als sollte ich heute sterben", schickte Julius leicht unbehagt klingend zurück.

"Absolut nicht, Monju. Heute fängst du erst richtig an zu leben", widersprach Millie. Madame Dusoleil eilte auf Julius zu. Beinahe hätte er wegen der Gedankenplauderei mit Millie nicht mehr auf seine Umgebung geachtet. Gerade noch rechtzeitig stellte er sich so, daß Camille ihn innig umarmen konnte. Sie küßte ihn mehrfach auf die Wangen und hauchte ihm noch einmal einen herzlichen Glückwunsch ins rechte Ohr. Er bedankte sich und ließ es sich gefallen, daß Camille ihn an ihre Tochter Jeanne weiterreichte, die von der gerade einen Monat zurückliegenden Schwangerschaft noch etwas rundlicher war als ihre leicht untersetzte Mutter.

"Fühlst dich richtig weich und warm an, Jeanne. Am besten bleibst du so", brachte Julius ein etwas nahe am Rande einer Derbheit balancierendes Kompliment an.

"Sagt Bruno auch. Jetzt hätte ich die richtige Figur für eine liebende Mutter", grummelte Jeanne, zwickte Julius in die Nase und schmatzte ihm noch zwei Wangenküsse auf. "Auf das du mit dem heutigen Tag alle Liebe und alles Glück erfährst, das du dir verdient hast."

"Danke, Jeanne", erwiderte Julius aufrichtig artig. Da klickte es bei ihm, daß Jeanne offenbar auch schon wußte, was mit Julius und Millie in nächster Zeit passieren sollte. Melo war zwischen Mutter und Kind immer noch am leichtesten. Doch er hütete sich davor, Brunos Frau zu fragen, was sie genau wußte. Vielleicht weckte er damit einen schlafenden Hund oder besser eine schlafende Hündin auf. Denn soeben trat Madame Faucon heran und wartete, daß Jeanne das Geburtstagskind aus der Umarmung freigab. Dann gratulierte sie ihm auch herzlich.

"Catherine und Babette kommen nach dem Frühstück zum Gratulieren. Joseph wollte erst um sieben geweckt werden."

"Danke, daß Sie hergekommen sind, Madame", entgegnete Julius und hoffte, daß es nicht wie Heuchelei herüberkam.

"Ich erinnere mich an den Tag vor drei Jahren, wo wir zusammen deinen Geburtstag gefeiert haben. Seit damals ist viel geschehen. Ich hoffe, daß du aus all dem guten wie schlechten neue Kraft geschöpft hast und dir im vollen Bewußtsein dessen, was richtig und was falsch ist noch lange weiterleben kannst", sagte Madame Faucon sehr tiefgründig dreinschauend. Dann gab sie ihn aus der Umarmung frei und überließ Julius Bruno, der ihm kräftig auf die Schultern hieb und sagte:

"Hast dich echt gut rangehalten. Dann kriegt Millie einen ziemlich ausdauernden Mann ab."

"Vielleicht will die ja keinen ausdauernden Typen haben", warf Julius herausfordernd ein. Bruno lachte herzhaft.

"Die will keinen Duckmäuser oder Jasager und bestimmt auch keinen Schlappschwanz, Julius."

"Die will keinen Jasager? Echt? Oh, dann wird das wohl nix mit heiraten", konterte Julius amüsiert. Bruno erkannte, was er da angestellt hatte und erwiderte schlagfertig:

"Dann sagst du halt nicht "Ja" sondern nur "Ich will". Das macht ihr Engländer doch eh nur so."

"Ja, da gibt's mehrere Uraltschlager drüber", entgegnete Julius. Dann trat Madame Delamontagne zu ihm hin, schubste Bruno energisch bei seite und umarmte Julius. Er ließ sich an ihren üppigen, weichen Körper drücken und überlegte schon, was er ihr noch sagen sollte. Sie gratulierte ihm erst und küßte ihm auf die Wangen. Dann mentiloquierte sie ihm:

"Ich erfuhr von Monsieur Laroche, er würde dich, Mademoiselle Latierre und eure beiden Eltern um halb zwölf sehen. Sei dir ja sicher, ob du das richtige tust, egal was du ihm sagst!"

"Sie wirken nicht böse", schickte Julius an sie zurück, während sie ihn immer noch an sich gedrückt hielt.

"Ungehalten vielleicht, aber nicht wütend, Julius. Solltest du auf Madame Latierres Ansinnen positiv reagieren, sei dir im klaren, daß du dann erst recht nicht mehr alles machen kannst, wonach dir ist oder was dir andere zu tun anbieten. Falls du negativ darauf ansprichst wirst du wohl noch zwei Jahre Schonfrist herausholen. So oder so genieße jeden glücklichen Moment, der nicht zum Schaden anderer entsteht!" Sie sagte dann noch mit körperlicher Stimme: "Komm gut durch den Tag!"

Nachdem ihm von Virginie und den anderen gratuliert worden war, bat er Camille darum, seine Mutter noch zwei Stunden schlafen zu lassen. Sie gestattete es ihm. Julius ging kurz nach oben und öffnete leise die Tür. Seine Mutter lag im Bett und war offenbar schon wieder in tiefen Schlaf versunken. Sollte er sich auch noch einmal hinlegen? Nein, die Vorstellung, was ihm an diesem Tag bevorstand hatte ihn hellwach gemacht. So holte er ganz leise sein Unterzeug und schloß die Tür von außen. Vor dem Gästebad traf er wieder auf Aurora Dawn.

"Du möchtest dich auch schon anziehen? Dann geh du zuerst rein!" Gestattete sie ihm den Vortritt. Er rasierte sich nach dem Duschen so gründlich, daß er schon meinte, eine Haut wie ein Baby zu haben. Florymonts Rasierer war einfach sehr praktisch. Er kämmte sich etwas von Dione Porters Frisurhaltlösung ins Haar. So, jetzt würde nichts sein Haar einen vollen Tag lang verstruweln können. Als er das Badezimmer verließlächelte ihm Aurora zu und sagte leise:

"Du hast dich offenbar entschieden, nicht wahr?"

"Ja, habe ich. Und Mum auch", erwiderte Julius darauf und ging hinunter zu Camille, die gerade für ihre Töchter, den Ehemann und den Schwiegersohn Frühstück machte. Florymont Dusoleil las bereits in der Zeitung.

"Was angenehmes oder unangenehmes?" Fragte Julius.

"Angelique Liberté erwartet Zwillinge und wird wohl bis auf weiteres ihre Karriere als Besenkunstfliegerin beenden. Deine möglicherweise zukünftige Schwiegertante Barbara Latierre hat sich mit Ihren Cousin Gilbert Latierre über ihre Kühe unterhalten, und Belle Grandchapeau hat sich photographieren lassen. Sie trägt ja auch gerade was kleines unterm Umhang."

"Huch, und ich dachte, die würden das nicht in alle Öffentlichkeit rausposaunen", wunderte sich Julius. Jeanne sagte dazu:

"Sie will wohl sich und allen anderen zeigen, daß sie sich einen zeugungsfähigen Mann geangelt hat und selbst nicht unfruchtbar ist, nachdem die Klatschbasen im Miroir im letzten Jahr so häufig drüber hergezogen haben, ob Belle noch zehn Jahre warten will, bevor sie ihrem berühmten Vater einen Enkel schenkt."

"Wenn die sonst keine Probleme haben geht es uns in Frankreich wohl gut", knurrte Julius, weil er an das dachte, was jetzt vielleicht in England los war. "Was steht denn zum Ausland drin?" Fragte er noch.

"Seltsamerweise nichts, Julius. Die Großbritannien-Korrespondentin Iris Poirot hat vor einem Tag noch geschrieben, daß die Untaten dessen, der nicht beim Namen genannt werden darf deutlich zurückgegangen wären, weil das Ministerium dort einige hochrangige Todesser verhaftet habe."

"Snape?!" Entfuhr es Julius. Das wäre doch ein geniales Geburtstagsgeschenk, wenn Dumbledores Mörder doch noch erwischt worden wäre. Doch hatten Aurora und er nicht gestern noch darüber gesprochen, daß Snape immer noch auf der Flucht und untergetaucht sei?

"Neh, Julius, den haben sie nicht erwischt. Die hat hier ein paar Namen erwähnt, die ich aber nicht kenne", sagte Jeanne.

"Julius, ich würde mir diesen Tag nicht mit schlechten Nachrichten vermiesen, bevor er richtig angefangen hat", wandte Camille ein. "Sei froh, daß das Zaubereiministerium in England doch noch sicher auf dem Besen sitzt!"

"Wäre ich, wenn ich wüßte, daß sämtliche Schweinehunde dieses Irren und der selbst entweder im Knast oder im Leichenschauhhaus sind", entgegnete Julius. Bruno antwortete darauf nur:

"Gefängnis ist für die viel zu gut, und anständig beerdigt gehören die auch nicht. Die sollen die in Kakerlaken verwandeln und dann einen Freudentanz drauf veranstalten!"

"Bruno, sowas gehört sich nicht", zischte Camille ihrem Schwiegersohn zu. Julius pflichtete ihm zum Teil bei. Andererseits würden die Opfer dieser Verbrecher dadurch nicht entschädigt, und die, die sie auf dem Gewissen hatten kamen davon auch nicht wieder zurück. Aber wenn Gewalt das einzige Mittel war ... Immerhin wurde ja bei Waldbränden oft eine Schneise freigeschlagen oder ein kontrolliertes Gegenfeuer gelegt, um die Ausbreitung zu stoppen.

"Zu dem angeblichen Skandal um Madame Porters Kosmetikgeschäft steht noch ein kurzer Artikel drin, ob es schon unmoralisch sei, das Äußere künstlich zu verbessern oder ob das der Ausdruck einer freien Meinungsäußerung sei."

"Na ja, Papa, das was Julius uns gestern abend erzählt hat ging ja eher in die Richtung, daß diese supermoralischen Damen der Ansicht sind, daß sich Hexen nicht an allen Körperstellen mehr als nötig pflegen sollten", erwiderte Jeanne und warf Julius einen vielsagenden Blick zu. Dieser nickte automatisch.

"Möchtest du schon frühstücken, oder möchtest du auf deine Mutter warten, Julius?" Fragte Camille.

"Die möchte wie gesagt noch zwei Stunden liegen. War gestern ein bißchen spät", antwortete Julius.

"Oh, dafür bist du aber sehr munter", stellte Camille mit einem Lächeln fest.

"Liegt an der frischen Luft, die ich ja schon genießen durfte, als ich zu euch rauskam", behauptete Julius. Camille lächelte hintergründig.

"Wie war denn dieses Quodpot-Spiel, Julius. Ich war ja gestern abend nicht hier", sagte Jeanne. Julius erzählte dann, wie sie trainiert hatten und wie Brittanys erstes Profi-Spiel verlaufen war. Währenddessen trank er Milchkaffee und aß das eine und andere Croissant. Aurora Dawn kam auch noch herunter. Jetzt trug sie einen apfelgrünen Umhang und hatte ihr schwarzes Haar hinterm Nacken mit einer grasgrünen Spange zusammengesteckt.

"Ich fürchte, meine Mutter ist nachher beim Frühstücken allein", raunte Julius. Doch Camille wandte ein:

"Ich werde heute den ganzen Tag hier sein. Vorzubereiten ist zwar nicht mehr viel, aber die Gelegenheit, den Garten noch etwas herzurichten lasse ich mir nicht entgehen." Julius dachte daran, daß seine Mutter wohl nicht den ganzen Morgen hier im Haus oder im Garten zubringen würde. Er erzählte Aurora, daß er beim Quodpot die Doppelachsentechnik vorgeführt hatte. Er gestand ein, daß er diese auch Brittany und anderen gezeigt hatte.

"Ich habe da kein Patent drauf, Julius. Flugmanöver werden zwar benannt, aber nicht entlohnt. Dann dürfte ja keiner mehr im Quidditch was ausfliegen, ohne nach dem Spiel Lizenzgebühren dafür zu bezahlen", erwiderte Aurora Dawn. "Allerdings, wenn Brittany Forester mit diesem Manöver in der kommenden Saison Punkte macht, und es fällt was von der Erfolgsbeteiligung ab ... Vergiss es! Das wäre eine zu große Rechnerei."

"Moment, Julius. Du hast den Leuten aus der Quodpot-Mannschaft ein Flugmanöver von Aurora Dawn gezeigt. War es das, wovon Virginie mir geschrieben hat?" Fragte Jeanne argwöhnisch. Julius nickte. "War Millie da auch bei, als ihr das eingeübt habt?"

"Ich hatte keine legale möglichkeit, sie daran zu hindern, Jeanne", verteidigte sich Julius, der sich sicher war, was Jeanne gleich sagen würde.

"Mit anderen Worten, die kann das jetzt auch fliegen. Öhm, dann habt ihr in Beaux nächstes Jahr bestimmt einen sehr schweren Stand gegen die Roten. Ich weiß nicht, ob deine Mannschaftskameraden das so toll finden."

"Gleichgewicht der Kräfte, Jeanne", schnaubte Julius. Natürlich hatte er sich mal überlegt, ob Giscard oder Hercules das so toll fänden, wenn die Roten im nächsten Schulturnier alle den Dawn'schen Doppelachser fliegen würden, wo Virginie ihn nur von Julius hatte vorführen lassen. Dann lächelte Jeanne und sagte:

"Da habe ich auch keine Rücksicht drauf genommen, als ich Bruno in den Sommerspielen hier neue Tricks gezeigt habe und der die dann an Boreas und die anderen Mannschaftskameraden weitergegeben hat. Du hattest alles Recht, der Hexe, die du liebst, zu helfen, ihr eigenes Spiel zu verbessern. Ob Virginie das so sähe wie ich weiß ich nicht, aber die ist ja jetzt mit Beaux durch."

"Apropos, mir hat noch keiner erzählt, ob die UTZs schon rausgegangen sind", wandte Julius ein.

"Am vierzehnten Juli, Julius. Virginie kam mit sechs "Ohne gleichen" und zwei "Erwartungen übertroffen" als zweitbeste ihres Jahrgangs raus", informierte ihn Jeanne. "Camus aus dem weißen Saal hat mit sieben Os und einem E die UTZ-Königskrone gewonnen."

"Oh, hatte der ja echt noch Zeit für, so gut zu lernen. Das ermutigt doch", stellte Julius leicht verächtlich grinsend fest. Immerhin hatte Edgar Camus im verstrichenen Schuljahr auch viel mit Waltraud Eschenwurz und der auf diese eifersüchtigen Callisto Montpelier zu tun gehabt.

"Ich bin auch nicht schlecht mit den UTZs weggekommen, Julius", erwiderte Jeanne, die ahnte, woran Julius dachte.

"Julius, noch ein Marmeladenbrot?" Fragte Camille die ohne Aufforderung ein großes Glas Orangensaft vor Julius abstellte. Er nickte halbmechanisch und ließ sich zwei geröstete Weißbrotscheiben mit Kirschmarmelade auf den Teller legen.

"Monju, bist du beim Frühstück?" Fragte Millie ihn per Gedankenstimme.

"Kam nicht dran vorbei, wenn ich Camille und Jeanne erzählen wollte, wie die Ferien waren", schickte Julius zurück. Dann fragte er noch: "Wie machst du denn das, wo deine Familie um dich herumläuft?"

"Wie eben auch schon, im Badezimmer unseres Wohnzeltes. Das ist abschließbar. Wir kommen dann so um neun kurz vorbei zum Gratulieren, weil du ja nur Tine und mich zu der Feier heute nachmittag eingeladen hast."

"Okay, Millie. Aber das müßtest du dann Camille irgendwie offiziell mitteilen, weil sie das mit der Melo-Verbindung nicht weiß. Ach was, ich behaupte, deine Mutter oder deine Oma hätten mir das mitgeteilt."

"Geht klar!" Trällerte Millies Stimme.

"Camille, ich bekam eben aus der Latierre-Familie bescheid, daß die gerne noch alle um neun zum Gratulieren rüberkommen möchten."

"Sind die jetzt erst wach geworden?" Wunderte sich Camille. ich dachte bei denen muht um sechs der große, weiße Wecker."

"Nur für Barbara Latierre", warf Julius ein.

"Verstehe, die große Madame Ursuline durfte ausschlafen und hat gemerkt, daß du ja heute Geburtstag hast", meinte Florymont.Julius nickte.

Die Zeit bis acht Uhr besprachen die Dusoleils, Aurora Dawn und Julius Andrews das neueste der letzten Tage, was in Frankreich so an- und vorgefallen war, daß Bruno jetzt einen sicheren Stammplatz in der Mannschaft der Mercurios hatte, weil Polonius Lagrange es sich mit Monsieur Dupont und anderen vom Vorstand verdorben hatte und bereits nach einer anderen Mannschaft ausschau hielt, bevor die nächste Saison beginnen sollte. Er erfuhr, daß Seraphine Lagrange vor einer Woche mit einem jungen Zauberer namens Logophil Bonfils die Besenwerbung vollzogen hatte, der eine Klasse über ihr in Beauxbatons gewesen war.

"Bonfils? Hmm, der hat nicht zufällig wen der Delourdes-Klinik?" Fragte Julius, dem der Name noch aus einem taufrischen Zusammenhang bekannt war.

"Sein älterer Bruder ist da Heiler und sein Vater ist im Ministerium in der Behörde für Familienfürsorge und Gesellschaft", sagte Jeanne. Aber Logophil ist ein Lesezauberer, der gerne in alten Archiven stöbert. Der ist in der Rue de Camouflage in der öffentlichen Bücherei beschäftigt."

"Oh, dann wird Seraphine in zwei Monaten heiraten", erkannte Julius und dachte wieder daran, daß Millie wohl keine Besenwerbung mit ihm durchführen konnte, weil die ja nur für volljährige Hexen und Zauberer verbindlich war. Zwischendurch mußte Jeanne zu Viviane hin, um sie frühstücken zu lassen, und Bruno befand, daß jetzt gerade die Zeit für einen längeren Morgenlauf im Quidditch-Stadion sei. Er gab seiner Frau einen Abschiedskuß, verabschiedete sich auf Landesart von seiner Schwiegermutter und winkte seinem Schwiegervater und Julius locker zu, bevor er disapparierte.

"Wenn der laufen will hätte der doch jetzt zum Stadion locker antraben können", bemerkte Julius dazu.

"Er müßte an zu vielen Häusern vorbei, wo die Hochzeitsgäste von Virginie und Aron noch schlafen wollen", sagte Jeanne. Das verstand Julius.

Um acht Uhr ging er hinauf, um seine Mutter zu wecken. Als sie wach wurde sagte Julius ihr, daß die Latierres um neun Uhr zum gratulieren herüberkämen. Seine Mutter deutete auf die Tür. Julius schloß sie von innen.

"Ich habe einen bizarren Traum gehabt. Julius. Ich war noch mit dir schwanger und trug den Hochzeitsanzug deines Vaters, während Hippolyte, hochschwanger, ein weitgeschnittenes Brautkleid trug. Dieser Laroche hat uns dann in der Kirche, wo ich deinen Vater geheiratet habe, vor den Altar gebeten und dann auf unsere Bäuche gedeutet und gepredigt, daß selten zwei Mütter vor der Geburt ihrer Kinder diese zum Altar tragen würden, um sie einander antrauen zu lassen, und das wahre Liebe schon vor dem ersten Atemzug wachsen könne und so weiter. Dann fragte er dich, ob du die an diesen Ort getragene Mildrid Ursuline Latierre lieben, ehren und begleiten würdest, von der Stunde der Geburt bis daß der Tod euch scheide. Da hast du ja gerufen, ähnlich wie das ungeborene Jesuskind, das einem Kirschbaum befohlen hat, seiner Mutter einen Ast voller Kirschen zum Pflücken runterzureichen. Das gleiche Spiel wiederholte er mit Millie, die so klar zu verstehen war, als sei sie bereits geboren. Dann wurde ich gefragt, ob ich Millie als meine Schwiegertochter annehmen und sie wie mein eigen Fleisch und Blut lieben und schützen würde. Da habe ich mit Ja geantwortet. Dann wurde Hippolyte gefragt, ob sie dich als Schwiegersohn annehmen und wie ihr eigen Fleisch und Blut lieben und schützen würde. Das hat sie auch mit Ja beantwortet. Dann sollten wir beide uns umarmen und küssen, damit ihr beiden in uns bereits vor der Geburt miteinander verbunden gewesen wäret. Als ich zögerte, kam Hippolyte auf mich zu und zog mich in ihre Arme. Genau da meinte ich, die Wehen würden einsetzen und bin aufgewacht. Man kann schon echt seltsame Träume haben, wenn man in eurer Welt Urlaub macht."

"Willkommen im Club, Mum. Ich habe auch schon die abgedrehtesten Träume gehabt", erwiderte Julius. Seine Mutter meinte dann noch:

"Offenbar habe ich richtig daran zu knabbern gehabt, daß ihr beiden heute schon den Ehestatus erhalten sollt, nur weil Hippolyte und Albericus meinen, nicht warten zu können. Oder wollte Millie das jetzt so plötzlich?"

"Wir beide hätten die nächsten zwei Jahre so weiterleben können, Mum. Aber spätestens heute in zwei Jahren hätte sie mich auf den Besen gezogen, und wir wären als Ehepaar nach Beauxbatons ins letzte Jahr gegangen, Mum. So oder so hätte ich dann mitbekommen, wie die da auf uns reagieren. Aber eigentlich kann es nicht heftiger sein als nach Ostern, wo Millie und ich mit den roten Herzen offen sichtbar nach Beauxbatons zurückgereist sind", vermutete Julius.

"Also ich bleibe bei meiner Entscheidung. Wenn du dir so sicher bist, daß das mit Millie die richtige Entscheidung ist, dann werde ich dir helfen, mit ihr so gut es geht zusammenzuleben. Allerdings erwarte ich dafür auch, daß Millie mich als gleichberechtigt respektiert und nicht meint, weil ich keine Hexe sei meine Ansichten abwerten zu müssen."

"Hattest du den Eindruck, daß sie so drauf sei, Mum?" Fragte Julius. Martha Andrews schüttelte den Kopf.

"Ich sage es nur deshalb, weil ich bei Joes Familie schon den Eindruck habe, daß seine verschwägerten Verwandten ihn oft nicht für voll nehmen, inklusive Babette."

"Das hat sich radikal geändert, seitdem das mit Joes Eltern im Raum stand, Mum. Ich denke, Babette hat's kapiert, daß ihr Vater schnell abrauschen könnte, wenn er findet, daß ihn keiner mehr respektiert."

"Mag sein, Julius. Aber bevor wir dieser Befragung entgegengehen noch drei Punkte, die du vielleicht nicht bedacht hastt: Erstens, wie soll das mit dem Nachnamen geregelt werden? Oder behaltet ihr eure Nachnamen bis siebzehn?"

"Weiß ich nicht, ob das geht. Falls nicht, werde ich wohl nicht drum rumkommen, mich Latierre nennen zu lassen", sagte Julius ruhig.

"Zweitens: Ihr bekommt beide Taschengeld und habt, soweit ich das in aller Bescheidenheit sagen darf, begüterte Eltern. Wie wird das dann verteilt?"

"Du meinst Gütergemeinschaft oder Gütertrennung? Vielleicht geht das bis zu meinem siebzehnten oder bis zum Schulabschluß, daß keiner dem anderen in sein oder ihr Taschengeld reinlangen kann."

"Hast du also doch dran gedacht", erwiderte seine Mutter beruhigt. "Dann eben drittens: Falls ihr findet, ein gemeinsames Kind wertet eure Beziehung auf, und ihr seid beide bei dessen Geburt noch minderjährig, haben wir dann ein mitbestimmungsrecht, was damit passiert?"

"Wenn wir beide meinen, wie Connie Dornier vor den UTZs ein Kind in Beaux großziehen zu müssen müßte eigentlich gelten, das dem Bauern, der die Kuh gekauft hat auch das Kalb gehört, Mum."

"Tja, eben das gilt nur für Kühe. Wenn eine ledige Frau Mutter wird, bekommt sie das alleinige Sorgerecht. Ich weiß nicht, wie das bei Zauberern und Hexen geregelt ist, aber in der sogenannten Muggelwelt hat nur die Familie der Mutter das Sorge- und Mitbestimmungsrecht, falls die Mutter bei der Geburt des Kindes noch minderjährig ist."

"Ein Grund, warum wir uns damit dann doch noch Zeit lassen sollten", wandte Julius ein. Seine Mutter nickte sehr eifrig. Er fragte sich in Gedanken, ob Mildrid dann nicht erst recht von ihm ein Kind haben wollte, um es ohne ihn fragen zu müssen aufzuziehen. Andererseits konnte dieses Kind ja dann doch nur nach Beauxbatons zur Schule, wenn es kein Squib oder Muggel werden würde. Er sah auf seine Uhr und erkannte, daß es schon zehn Minuten nach acht war.

"Mum, am besten stehst du jetzt auf, bevor Camille meint, du möchtest dein Frühstück am Bett serviert bekommen."

"Hmm, würde sie das?" Fragte seine Mutter mädchenhaft grinsend. Julius schlug vor, sie mal zu fragen. Doch seine Mutter schüttelte den Kopf und stand richtig auf.

Julius stand in seinem tannengrünen Umhang zusammen mit seiner Mutter, Camille und Jeanne auf der großen Landewiese vor dem Haus. Florymont war wieder in seiner Werkstatt verschwunden. Zwischendurch zischte und knisterte es, als würden elektrische Entladungen überspringen. Doch Julius hatte auf die Frage, was er gerade tolles baute nur die Antwort bekommen, daß er das erst wissen dürfe, wenn es funktioniere und das Amt für magische Gebrauchsgüter es für unbedenklich genug erklärte, die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Es ploppte einmal, und Ursuline Latierre stand auf der Wiese und winkte. Dann knallte und ploppte es mehrmals. Bis auf Barbara standen nun alle erwachsenen Latierres auf der Wiese und winkten. Julius ging auf Ursuline Latierre zu, die ihm strahlend entgegentrat und ihn umarmte.

"Herzlichen Glückwunsch zum fünfzehnten, Julius! Martine und die anderen flugberechtigten wollten lieber fliegen", sagte sie dann noch. Dann übergab sie an ihre älteste Tochter Hippolyte, die erst die übliche Begrüßung vollführte und dann zu Julius' Mutter hinüberging, um sie zu begrüßen. Das Geburtstagskind hatte keine Zeit, sich zu den beiden hinzustellen und mitzuhören. Denn Béatrice übernahm Julius von ihrer Schwester. Diese flüsterte ihm zu:

"Ich denke, deine Mutter kommt mit uns allen sehr gut zurecht und Catherine wird auch damit leben können."

"Das wird erst in zwei Stunden und dreißig Minuten rauskommen", vertröstete Julius sie auf später. Sie lächelte nur vielsagend. Dann ließ sie von ihm ab, damit ihre Schwägerin Josianne ihn beglückwünschen konnte. Da hörte er ein Schwirren von vielen Besen. Er blickte nach oben und sah Brittany, die Gloria hinter sich sitzen hatte, Mel und Myrna auf einem geliehenen Besen, die Montferres, Callie und Pennie, sowie Partricia, die ihre Schwester Mayette auf dem Besen hinter sich sitzen hatte, obwohl sie offiziell noch keine Soziusflugerlaubnis hatte. Dann hörte er seinen Namen aus großer Entfernung rufen: "Julius Andrews!" Er sah sich um. Von ihm aus links flog ein einzelner Besen heran, auf dem Mildrid in ihrem blaßblauen Beauxbatons-Schulmädchenkostüm ritt wie eine heranpreschende Amazone, kerzengerade aufgerichtet und mit fest um den Besenstil geklammerten Beinen. Doch sie saß nicht in der Mitte, sondern sehr nahe am Hinterende, was den Ganymed 10 ein wenig schweiflastig daherfliegen ließ. Doch Millie stieg nicht nach oben, sondern glitt wie auf leichten Wellen immer weiter nach unten. Julius schwante es, was sie vorhatte und löste sich aus Josiannes Umarmung, bedankte sich bei ihr und eilte an ihrem Mann Otto vorbei, dessen Handschlag er mal eben entgegennahm und stellte sich dann frei auf die Wiese. Camille rief gerade, daß das wohl nicht angehen könne, als Millie noch einmal nach Julius rief, der nun mit rotglühenden Wangen mit beiden Armen nach oben winkte.

"Glaubst du, die könnten das nicht übelnehmen?!" Rief er ihr zu.

"Bleib so! Super!" Rief Millie, warf sich nach vorne, worauf der Besen erst in einen leichten Sturzflug überging, den sie jedoch knapp einen Meter über dem Boden abfing, die Beine nach hinten, mit den Füßen fast im Schweif und dann mit einem schnellen ruck nach vorne waagerecht auf Julius' zuflog. Martine Latierre winkte Julius anerkennend zu, als dieser die Entfernung und Geschwindigkeit abschätzte, dann kurz durchfederte und im richtigen Moment mit leicht gespreizten Beinen absprang, sodaß Millies Besen paßgenau dazwischen durchglitt. Sie lehnte sich nach Hinten, wodurch Julius regelrecht aufgegabelt wurde, zog ihn mit dem rechten Arm an sich heran, während der Besen mit großer Geschwindigkeit in einem sanften Steigungswinkel emporstieg. Dann umfing sie ihn auch mit ihrem linken Arm und hielt ihn sicher an sich gedrückt.

"Noch mal alles gute zum Geburtstag, Julius Andrews. Immerhin ist es dein letzter."

"Hat deine Schwester dich damit aufgezogen, daß du die Besenwerbung nicht mehr bringen mußt?" Fragte Julius.

"Du kennst sie ja gut", knurrte Millie und preschte mit ihrem aufgelesenen Erwählten genau auf den Pulk ihrer fliegenden Verwandtschaft zu, die von Brittany und Gloria angeführt wurde.

"Als ich heute morgen um halb sechs aufgewacht bin fand ich einen Brief vor und habe mich dann mit meinen Eltern unterhalten. Da die beiden sagten, das sie sich das gut überlegt hätten, meinte Tine, ich hätte die Besenwerbung dann nicht mehr nötig. Aber das muß sein, Monju. Und daß du mir so auffanggerecht vor den Besen gesprungen bist zeigt, daß du das genau weißt und es auch so wolltest."

"Die da unten gucken jetzt blöd und ... Ua!" Gerade passierten sie Brittany und Gloria. Brittany rief ihnen zu:

"Früh übt sich, wie?!"

"Das ist keine Übung!" Rief Mildrid zurück und flog weiter. Brittany wendete im weiten Bogen. Mit Gloria hinten drauf wollte sie keinen Doppelachser fliegen. Aber der Bronco Millennium war dem Ganymed auf gerader Strecke sowieso überlegen. Melanie und Myrna bekamen keine so schnelle Wende hin. Sabine und Sandra zischten an ihnen vorbei. Julius schätzte die zusammengezählte Geschwindigkeit auf über zweihundert Stundenkilometer.

"Um nichts in der Welt hätte ich mir das versauen lassen, dich auf meinen Besen zu holen, Monju", sagte Millie freudig erregt. Julius fühlte, wie ihre Freude und Aufregung ihn ansteckte, und er jauchzte, während Millie mit dem Besen in einen sachten Sinkflug überging, um in etwa zwanzig Metern Höhe über Millemerveilles dahinzufliegen. Brittany folgte ihnen mit gleichbleibendem Abstand. Dann waren sie über dem Dorfteich, der wie ein runder Spiegel unter ihnen glänzte. Millie flog zwei Runden über den Bronzefiguren, die bei diesem Tempo schwer auseinanderzuhalten waren. Julius fühlte sich unwahrscheinlich gut, als erlebe er gerade die körperliche Liebe. Für Millie war es wohl ähnlich, weil sie lustvoll seufzte und dann meinte:

"Alle, die es sehen sollten haben es gesehen, Monju. Ich bring dich jetzt zurück und hör mir Tante Camilles Donnerwetter an, wenn sie es nötig hat."

"Da kommt eine, die eine bessere Donnerwetterhexe ist", stellte Julius fest, als er Madame Delamontagne allein auf ihrem Besen heranpreschen sah. Millie wendete. Brittany und Gloria machten das Manöver wie angekoppelt mit und blieben im Windschatten des Ganymed 10.

"Was erdreisten Sie sich, Mademoiselle Latierre!" Rief Madame Delamontagne. Julius machte Anstalten, den Flug zu übernehmen, als hätte er die ganze Zeit gesteuert. Doch Millie herrschte ihn an, daß er sich von ihr fliegen lassen müsse, bis sie ihn freiwillig wieder absetze. So laute die ungeschriebene Regel. Dann rief sie zurück:

"Gleiche Frage, Madame Delamontagne! Wüßte nicht, was Sie daran auszusetzen haben dürfen."

"So, finden Sie?!" Schrillte Madame Delamontagne zurück. Brittany Forester verlegte der Dorfrätin ungewollt die Flugbahn, weil sie einen leichten Schlenker machen mußte, um die hinter ihr sitzende Gloria wieder in eine ungefährliche Sitzhaltung zu bringen. Da tauchte das Glückwunschgeschwader der Latierres und Redliefs vor ihnen auf. Alle hatten gewendet, waren aber wegen des schnelleren Besens von Millie zu weit abgehängt worden. Jetzt brausten Millie und Julius links an der Gruppe Besen vorbei. Sabine Montferre rief von ihrem Besen aus:

"Wolltest du ihm zeigen, daß du ihn schon draufheben kannst, Millie oder was?!"

"Das auch!" Rief Millie und preschte weiter, brachte den Besen fast übergangslos in einen steilen Neigungswinkel und stürzte sich mit ihrem aufgegabelten Geliebten auf die Landewiese hinunter, wo das Begrüßungskomitee um die restlichen Dusoleils, Aurora Dawn und Barbara van Heldern ergänzt worden war. Millie zog den Besen knapp über der Wiese in die Waagerechte zurück, bremste ab und landete keine zwei Sekunden später nur vier Meter von dem Punkt entfernt, wo Julius sich von ihr hatte auflesen lassen.

"Na, wie war ich?" Fragte Millie.

"Sechs in der A- und in der B-Note", antwortete Julius. Millie fragte ihn, was damit gemeint sei. Er erzählte ihr kurz, daß es in einigen Sportarten zwei Benotungen gab, die eine für die ausgeführte Übung und die andere in der dabei gezeigten Haltung und das eine glatte Sechs die Bestnote sei.

"Dann sag das doch gleich, Monju", knurrte Millie, mußte aber lächeln. "Ich denke, wir beide werden uns noch sehr viel neues beibringen können", bemerkte sie. Dann landete Madame Delamontagne.

"So, die junge Dame und der junge Herr. Nachdem Sie beide ja offenkundig aller Welt beweisen wollten, daß Sie sich jeder Herausforderung des Lebens gemeinsam stellen möchten, werde ich Ihren Eltern einige Dokumente zur Vorherigen Kenntnisnahme überreichen. Je nachdem, wie diese sich dann nachher entscheiden werde ich ihnen und Ihnen beiden auch noch Dokumente aushändigen, die mir Madame Faucon vor einer Stunde übergeben hat."

"Öhm, Madame Faucon weiß, daß wir nachher bei Monsieur Laroche vorsprechen sollen?" Fragte Julius.

"Da die dort zu treffende Entscheidung über dich und deine Besenwerberin auch den weiteren Aufenthalt in Beauxbatons betrifft, ist sie als höchste erreichbare Repräsentantin der Akademie verpflichtet, gewisse Empfehlungen und Richtlinien zu erteilen, Julius. Dir ist hoffentlich bewußt, worauf du dich unter Umständen einlassen wirst."

"Das hängt von meiner Mutter und Mildrids Eltern ab, Madame. Selbst wenn Mildrid und ich uns eindeutig einig sind, haben diese immer noch das Sorge und Bestimmungsrecht", machte sich Julius klein. Millie sah ihn leicht ungehalten an, mußte dann aber nicken. Denn er hatte ja doch recht.

"Ich persönlich bin nicht so emotional involviert wie Madame Faucon, wenngleich ich die Art, wie ihr beiden euch gefunden habt etwas merkwürdig finde. Ich habe jedoch damit gerechnet, daß deine Eltern, Mildrid, alle rechtlichen Möglichkeiten, die sich aus eurem Zusammensein ergeben nutzen würden, wenn sie befänden, daß ihr zwei euch dessen würdig erwiesen habt. Nun denn, wir sehen uns um halb zwölf. Ich werde der Befragung beiwohnen, als amtierende Dorfrätin für gesellschaftliche Angelegenheiten und damit amtliche Zeugin der Befragung und ihres Ergebnisses. Bis dahin benehmt euch beide bitte so, daß kein Zweifel an dem nötigen Reifegrad aufkommt!" Millie sah Madame Delamontagne kritisch an, sagte jedoch nichts. Julius schwieg ebenso. Die Dorfrätin sah sie beide noch einmal eindringlich an und ging zu Julius' Mutter hinüber, der sie zwei Pergamentbögen überreichte. Kopien davon gab sie auch an Millies Eltern weiter, bevor sie wieder auf ihrem Besen aufsaß und davonflog. Ursuline Latierre und ihre Tochter Béatrice unterhielten sich derweil mit Aurora Dawn.

"Was steht auf dem Schrieb, Mum?" Fragte Julius seine Mutter. Diese schüttelte den Kopf.

"Das ist nur für uns Erziehungsberechtigte. Da werden die drei Punkte abgehandelt, über die wir beide vorhin noch gesprochen haben. Das soll unsere Entscheidung beeinflussen."

"Na hoffentlich sind die Pergamente nicht verflucht, Mum", unkte Julius. Seine Mutter sah ihn und dann die Pergamentbögen mißtrauisch an. Julius winkte Aurora Dawn herbei, die eigentlich mit Béatrice weitersprechen wollte. Doch als Julius sie bat, die Pergamente auf versteckte Flüche zu prüfen, da sie ja neutral sei, nickte sie und wendete mehrere Flucherkennungszauber an, die jedoch wohl alle negativ ausfielen.

"So, ich habe auf alle Arten von Flüchen geprüft, Julius. Die Pergamente sind nicht verflucht. Allerdings will ich nicht ausschließen, daß bei den zu leistenden Unterschriften magische Tinte benutzt werden dürfte, die die Pergamente zu bindenden magischen Verträgen machen könnten. Nur um der Vollständigkeit halber, Martha und Julius."

"So, was würde denn passieren, wenn ich unterschreibe und mich dann nicht an das halte, was ich unterschrieben habe?" Fragte Martha Andrews.

"Je nach Dringlichkeit und Gültigkeitsdauer könntest du dich entweder nicht gegen die von dir per Unterschrift anerkannten Vertragspunkte vergehen oder würdest bei bewußter Mißachtung der von dir anerkannten Bedingungen vom Unwohlsein bishin zur Versteinerung bestraft. Aber in der Regel werden magische Verträge so gehandhabt, daß der Unterschreibende gar nicht mehr anders kann, als die von ihm unterschriebenen Bestandteile zu erfüllen. Es gibt auch Gegenstände, die diese Funktion erfüllen, wie Eidessteine oder Zuteiler, die auslosen, wer an einer bestimmten Veranstaltung teilnehmen wird. Julius hat dir vielleicht von dem Feuerkelch erzählt, der beim trimagischen Turnier verwendet wurde. Wer seinen Namen und die von ihm besuchte Schule aufschreibt und dort hineinwirft ist dazu gezwungen, am Turnier teilzunehmen, wenn sein Name ausgelost wird."

"Tja, wenn nicht wer hingeht und den Kelch mit irgendeinem Zauber durcheinanderbringt, daß er auch Leute auswirft, die eigentlich nicht teilnehmen dürfen", erwiderte Julius.

"Stimmt, die unrühmliche Geschichte hast du mir erzählt, Julius. und du meinst, wenn ich mit Zaubertinte unterschreibe, könnte ich nicht mehr gegen die damit anerkannten Bedingungen verstoßen oder würde zu einer Statue?"

"Wie gesagt, je nach Dringlichkeit", bestätigte Aurora Dawn.

"Dann sollte ich mir den Vertrag oder was das ist wirklich sehr genau durchlesen", raunte Martha Andrews.

"Vielleicht belassen sie es aber bei einer gewöhnlichen Unterschrift ohne bindene Zauberkraft", räumte Aurora Dawn ein. Julius bedankte sich für die Überprüfung. Aurora grinste, daß sie dafür normalerweise fünf Galleonen fordern könne, aber verstehe, wie wichtig das für seine Mutter sei. Dann kehrte sie zu Béatrice Latierre zurück.

"Geh du zu Camille und Jeanne, Julius. Ich möchte dieses Dokument so gründlich studieren wie angebracht ist. Halte dich bitte bis zur offiziellen Aussprache bei Monsieur Laroche von Millie fern!" Julius nickte ihr zu und ging zu Camille und Jeanne. Mit diesen sprach er leise über die gerade abgelaufene Besenwerbung. Dann ließ er sich noch von Brittany, Gloria, Melanie und Myrna beglückwünschen. Gloria meinte, daß es wohl alle gesehen hatten, die hier gestanden hatten, daß er sich von Millie auf den Besen heben lassen wollte. Sie fauchte nur einmal:

"Hoffentlich bereust du das nicht, dich auf ihre Spielchen einzulassen, Julius. Madame Faucon könnte da ziemlich allergisch drauf reagieren."

"Sie ist nicht meine magische Fürsorgerin, Gloria", entgegnete Julius aufsässig. Sie verzog zwar das Gesicht, sagte aber keinen weiteren Ton und zog sich zurück.

Nachdem sie alle noch über eine Stunde im Garten der Dusoleils gesessen hatten zogen sich Mutter und Sohn Andrews ins Haus zurück, um sich dem Anlaß angemessen umzukleiden. Da Millie wohl in ihrem Beauxbatons-Sonntagskostüm erscheinen würde, zog Julius seinen weinroten Festumhang an, während seine Mutter in ein langes, himmelblaues Kleid schlüpfte. Einmal konnte Julius kleine Tränen sehen, die sie schnell mit dem Ärmelsaum wegwischte. Julius fragte sie zum Scherz, ob sie in Vaters Hochzeitsanzug gut ausgesehen hatte:

"Wie ein Schornsteinfeger mit einem Fußball unter dem Hemd, Julius. Immerhin habe ich dich ja zu dieser Ungeborenenhochzeit hingetragen", erwiederte sie verhalten lächelnd.

Die Latierres waren nicht mehr auf der Landewise oder im Garten. Mutter und Sohn Andrews gingen mit Camille Dusoleil zusammen durch das kleine Gartentörchen und folgten den Straßen bis zum Rathaus. Dort erst trafen sie auf Catherine Brickston, sowie die Familie von Hippolyte und Albericus Latierre. Martine trug die kleine Miriam im Tragetuch über ihrer Schulter. Wie ihre Schwester Mildrid hatte sie ein blaßblaues Kostüm, das sie wohl nach Beauxbatons behalten hatte. Ihre Mutter war in apfelgrünen Tüll gehüllt. Albericus führte einen mitternachtsblauen Festumhang und einen mit silbernen Sternchen verzierten, ebenfalls mitternachtsblauen Zaubererhut zu diesem Anlaß vor. Die Rathaustür öffnete sich, und Madame Delamontagne winkte ihnen von innen her zu. Sie wirkte unbeteiligt aber aufmerksam, als sie die fünf zu befragenden namentlich aufrief. Catherine wollte zwar mit hineingehen, wurde aber von Madame Delamontagne mit der Harschen Begründung ausgeschlossen, daß es hier jetzt nur um die leiblichen und erziehungsberechtigten Elternteile ginge. Daraufhin nickte Catherine Julius nur noch zu und disapparierte, bevor er sehen konnte, wie sie diesen Ausschluß hinnahm. Auch Martine und Camille blieben draußen, weil sie nicht zu der anstehenden Befragung gebeten worden waren. Julius warf einen Blick auf die Standuhr in der großen Halle. Sie zeigte fünf Minuten vor halb zwölf. Eine halbe Stunde später, dachte Julius, und die Uhrzeit hätte als ernste Warnung herhalten können. Was so eine halbe Stunde doch bedeuten mochte. Er sog den Geruch von Holzpolitur, Bodenreiniger und Kaminholz in seine Nasenflügel. Er fühlte den glatten, in blaue, weiße und rote Rauten aufgeteilten Marmorfußboden unter seinen Füßen. Sein Blick wanderte noch einmal zu der goldenen Uhr im schwarzen Ebenholzrahmen, verglich ihre Zeit mit der seiner Armbanduhr und stellte fest, daß beide Zeitmesser dieselbe Uhrzeit angaben. Er horchte auf seine Schritte und die seiner Begleiter. Das Öffnen einer mehr als zwei Meter hohen Eichenholztür wehte ihm Millies Parfüm und Haarpflegemittel in die Nase. Beides war ihm so sehr vertraut. Mit beidem in der Nase war er drei Nächte hintereinander eingeschlafen und mit einem Hauch von beidem auch wieder aufgewacht. Sollte er das jetzt echt tun, ihr vor einem Zeremonienmagier das Jawort geben und darauf hoffen, daß seine Mutter und ihre Eltern dem zustimmten? Oder sollte er doch besser darauf bestehen, daß sie beide noch drei Schuljahre Zeit bekamen, sich noch besser kennenzulernen? Vielleicht würde seine Mutter ja doch dagegenstimmen. Vielleicht würde Albericus Latierre dagegenstimmen. Millies Mutter wollte es, daß er hier und jetzt ihr Schwiegersohn wurde. Er dachte an Claire, die wohl auch sofort eingewilligt hätte. Ja, mit ihr hatte er sich ja auch schon einer magischen Prüfung unterzogen. Er dachte an Ammayamiria, in der Claires Sein nun aufgegangen war und weiterbestand. Sie hatte ihm Millie als Gefährtin abgesegnet. Sie wußte wohl, ob Mildrid Ursuline Latierre die Gefährtin war, die ihn, Julius, in eine glückliche und sichere Zukunft begleiten würde. Eigentlich machte er sich doch nur Gedanken um die Leute drumherum, um seine Schulkameraden von Beauxbatons, seine Freunde aus Hogwarts, von denen außer Gloria heute noch die Hollingsworths, Pina und Kevin kommen würden. Was die wohl alle sagen würden? Sogesehen würde es immer Leute geben, die ihm Dummheit oder Irrsinn vorwerfen würden, egal was er im Leben tat. Sein Vater hatte die Zauberei als Abart angesehen. Trotzdem war er nach Hogwarts gegangen. Belisama hatte versucht, ihn zu umgarnen. Doch jetzt ging er mit Millie durch das Rathaus, stieg eine Eichenholztreppe in den ersten Stock hinauf und bog in einen mit hellen Teppichen ausgelegten Gang nach links ab. Links und rechts verschlossen feste Türen dahinterliegende Büroräume. Julius las die Namen im Vorbeigehen: Lumière, Pierre und ein goldenes Schild mit der Aufschrift Charpentier, amtierender Ratssprecher. Dann war da links von ihnen eine Tür, deren Schild das dahinterliegende Arbeitszimmer Madame Eleonore Delamontagne zuwies. Vor der Tür stand ein erhaben wirkender Zauberer mit grauem Schopf und gleichfarbigem Bart, der ihm auf die Brust herabwallte und ordentlich gekämmt und gestriegelt aussah. Der Zauberer trug einen blütenweißen, bis zu den Schäften seiner silbernen Schuhe herabwallenden Umhang und eine goldene Borte am Umhang. Auf seinem Kopf ritt ein gleichfalls weißer Zaubererhut, dessen Rand golden und dessen hohe Spitze silbern gefärbt war. Julius erstarrte in Ehrfurcht. Dreimal hatte er diesen Magier bisher gesehen, zweimal in dieser hellen Aufmachung und einmal im Trauerdunkel. Das war Monsieur Laroche, der Zeremonienmagier. Obwohl Julius es seit den ersten Morgenstunden wußte, daß er von diesem befragt würde, rührte ihn der Anblick dieses Zauberers sehr stark an. Nur bei Albus Dumbledore und den Altmeistern von Altaxarroi hatte er mehr Erhabenheit gepaart mit unbedingter Macht und Güte verspürt. Auch Mildrid, die rechts von ihrem einige Köpfe kleiner als sie gewachsenen Vater einherschritt, erstarrte in Ehrfurcht. Dann sprach Monsieur Laroche mit einer raumfüllenden, dennoch sanft nachklingenden Baritonstimme.

"Ich begrüße Sie recht herzlich, Madame Andrews, Madame und Mademoiselle Latierre, Monsieur Latierre und Monsieur Andrews. Ich möchte zunächst, dem heutigen Datum entsprechend, Monsieur Andrews zur Vollendung seines fünfzehnten Lebensjahres gratulieren." Während er dies sagte schritt er würdevoll auf Julius zu. Die schnabelartigen Schuhspitzen hoben und senkten sich wie Bugspitzen metallischer Boote in sanften Wellen. Er streckte seine rechte, in einem weißen Seidenhandschuh geborgene Hand aus und ergriff die von Julius. Eine Sekunde lang drückten sich beide fest aber nicht schmerzhaft die Hände. Dann deutete er auf die verschlossene Bürotür. Madame Delamontagne nickte bestätigend und schloß sie mit einem silbernen Schlüssel auf. Dreimal klickte es, bis das Schloß geöffnet war und die Tür völlig geräuschlos nach innen schwang. Julius hatte Madame Delamontagnes offizielle Amtsstube bisher nie betreten. Er war immer nur in ihrem Arbeitszimmer in ihrem Haus gewesen. Doch hier sah es eher karg als prunkvoll oder ehrfurchterheischend aus. Nur ein wuchtiger, heller Schreibtisch deutete darauf hin, daß hier wichtige Entscheidungen getroffen wurden. Sieben Stühle umstanden den in der Raummitte aufgebauten Arbeitstisch mit mindestens vier Schubladen. Ein schlichter, weißer Kerzenleuchter thronte in der Tischmitte. In der Ecke des Raumes war ein kleiner Kamin eingelassen, der wohl als Wärmequelle und als Fernverständigungshilfe diente. Für Personentransporte war er etwas zu schmal und zu niedrig gearbeitet, vermutete Julius. Madame Delamontagne schloß die Tür von innen und schloß einmal herum. Dann deutete sie auf die fünf türseitig aufgestellten Stühle, während sie mit dem Zeremonienmagier auf den zwei breiten und hochlehnigen Stühlen auf der anderen Schreibtischbreitseite platznahm.

"Das Zimmer ist ein permanenter Klangkerker, wenn ich nicht eines der Fenster öffne", verhieß Madame Delamontagne und machte eine deutende Handbewegung zu den zwei Flügelfenstern, durch die genug Sonnenlicht hereinfiel. Dann übergab sie das Wort an Monsieur Laroche. Dieser erklärte ruhig, daß er vom Amt für Familienfürsorge und Gesellschaft damit beauftragt worden sei, die Grundlagen für eine Eheanerkennung bei Minderjährigen zu prüfen und gegebenenfalls die Anerkennung formell bekundete oder verwarf. Er befragte Martha Andrews zunächst, ob sie das von Madame Delamontagne ausgehändigte Schreiben erhalten habe. Julius' Mutter bestätigte es und legte ihm das Schreiben vor. Dann fragte er auch Madame und Monsieur Latierre, ob sie dieses Dokument erhalten hatten. Sie bestätigten es beide. Dann deutete Laroche auf ein Messingfaß mit blauer Tinte und einem Federhalter mit acht verschiedenen Federn. Martha, die nie zuvor mit derartig altmodischen Mitteln geschrieben hatte machte ein paar Handbewegungen, um zu prüfen, ob sie überhaupt etwas mit einer Feder auf Pergament schreiben konnte. Laroche ließ sich von Madame Delamontagne für jeden Elternteil eine Schreibfeder aushändigen und fragte, ob sie die entsprechenden Stellen unterzeichnen würden. Julius' Mutter atmete tief ein und wieder aus. Dann tunkte sie die Feder in die Tinte und schrieb doch noch sehr geschickt ihren Namen in die betreffenden Felder. Auch Hippolyte und Albericus Latierre leisteten ihre Unterschrift. Julius fragte sich, ob die beiden mehr zu gewinnen hatten als seine Mutter. Er hatte sie ein paarmal gefragt, was sie da vorgelegt bekommen hatte. Sie hatte nur was von den drei Punkten erwähnt, die sie am Morgen besprochen hatten, also den Nachnamen, die Finanzen und das Umgangs- und Sorgerecht bei möglichen Kindern vor dem Erreichen der Volljährigkeit. Als die drei zweifach abgezeichneten Dokumente an Monsieur Laroche übergeben worden waren sagte dieser ruhig:

"Sie haben sich also verpflichtet, das Ergebnis der Anerkenntnisprüfung nicht anzufechten, die getroffene Entscheidung gemeinsam zu tragen und sich zu verpflichten, einen gemeinsamen Nachnamen für das minderjährige Ehepaar gemäß Matrimonium ante Maturam auszuwählen, sich über die geldliche und gegenständliche Ausstattung zu verständigen und im Falle mindestens eines vor Erreichen der Volljährigkeit der Ehepartnerin geborenen Kindes das Sorgerecht gemeinschaftlich auszuüben, auch gegen den Willen der Kindseltern, falls dies von Nöten ist. Sollte die partnerschaftliche Beziehung bereits vorzeitig scheitern, wird die Anerkenntnis widerrufen. In diesem Falle verfallen alle zur Förderung dieser Partnerschaft gezahlten Beträge und werden dem Amt für Familienfürsorge und Gesellschaft übereignet. Bei Erreichen der Volljährigkeit des jüngsten der beiden möglichen Ehepartner erfolgt eine Aushandlung über die Verteilung der einzeln oder gemeinschaftlich erworbenen Güter, ob sie getrennt oder im Zuge einer Zugewinngemeinschaft zu betrachten sind. Sollte bei Scheitern der Beziehung vor der Volljährigkeit des jüngeren Ehepartners ein Kind geboren sein, wird das bis dahin angehäufte Vermögen zur Versorgung dieses Kindes oder diser Kinder aufgewandt. Dann möchte ich Sie nun alle bitten, sich zu erheben." Alle standen auf. Dann blickte Monsieur Laroche einen nach dem anderen lange in die Augen. Julius widerstand dem Reflex, seinen Geist vollkommen zu verschließen. So sah er Bilder von Millie und sich, wie Julius von ihr nach dem Quidditchspiel vor anderthalb Jahren geküßt wurde, wie er von Martine Latierre geträumt hatte, wie Millie ihn im Park küßte, nachdem Goldschweif sie beide zusammengeführt hatte, den vertauschten Liebesakt mit Béatrice Latierre, Bilder aus der Pflegehelfertruppe, die auf seinen Füßen hockende Ursuline Latierre, das Café von Artemis, die Überquerung der gläsernen Brücke und die erste Liebesnacht von Millie und Julius. Doch auch Bilder von Claire huschten durch seinen Kopf. Seltsamerweise sah er dabei nie Ammayamiria. Dann sah er noch das merkwürdige Karussell in Millemerveilles, das im Inneren verborgene geheime Träume und Ängste zeigte und erlebte wie im Vorbeirasen die weiteren Liebesakte mit Mildrid und den gemeinsamen Traum, wo sie beide von Brittany zur Strafe neu ausgetragen werden sollten, weil sie unartig waren. Laroche sagte keinen Ton. Erst als sich Julius' Geist von dieser rasanten Rückschau erholte und wieder für die wirkliche Umgebung empfänglich war sagte der Zeremonienmagier:

"Es gibt durchaus einige Punkte, die mich zweifeln ließen, ob die Zusammenführung dieser beiden jungen Menschen wirklich ein Akt des freien Willens war. Doch die Mehrheit der dafür sprechenden Punkte gestattet mir, zuversichtlich und reinen Gewissens fortzufahren. Denn wahrlich kann wahre Liebe auch bei sehr jungen Seelen wie ein helles, lange leuchtendes Licht erstrahlen, das nicht dem Feuer der Leidenschaft und kurzfristigen Freuden entspringt, sondern vor allem der sich vereinenden Kraft gegenseitiger Zuneigung, die solche Seelen vereint und durch die Wirrnisse des Lebens trägt. Doch unsere Gesetze sind Pfeiler einer sicheren und gedeihlichen Gesellschaft, ohne die selbst eindeutige Verbindungen in einem ewigen Sturm der Versuchungen und Anfeindungen schwanken mögen. Um derlei Schwankungen zu vermeiden wurden unsere Gesetze geschaffen, um das Miteinander zu regeln, die Rechte und Pflichten angetrauter Eheleute zu bestimmen und die Anerkennung gesellschaftlicher Rangstellungen zu ermöglichen. Ich werde nun jedem von Ihnen eine Frage stellen, die sie mir aufrichtig und ohne Arg beantworten möchten. Madame Eleonore Delamontagne, Rätin für gesellschaftliche Angelegenheiten zu Millemerveilles, wird bezeugen, welche Antwort sie jeweils geben und diese in einem amtlichen Protokoll notieren." Madame Delamontagne nickte und tunkte eine Adlerfeder in das Tintenfaß ein und führte die Spitze auf ein Pergament. Julius fragte sich, wozu sie keine Flotte-Schreibe-Feder benutzten. Die wäre völlig neutral. "Madame Martha Andrews, erklären Sie sich einverstanden, daß Ihr Sohn, Julius Andrews, Mademoiselle Mildrid Ursuline Latierre als Ehegatte zuerkannt wird, so antworten Sie bitte laut und deutlich mit Ja oder mit Nein!" Unvermittelt lag eine große Anspannung über allen, eine Anspannung, die sie bis zu diesem Augenblick nicht empfunden hatten. Julius fühlte es auf der Haut kribbeln. Und sein Herzanhänger pulsierte ebenfalls etwas stärker. Er wunderte sich eh, daß man ihm diesen Schmuck nicht abgenommen hatte. Denn Laroche hatte es in Millies und Julius' Erinnerungen gesehen.

"Ja", sagte Martha Andrews nach zwei langen Sekunden laut und deutlich. Monsieur Laroche sah sie kurz an, nickte und deutete auf Madame Delamontagne, welche die Antwort niederschrieb. Dann fragte er Hippolyte Latierre. Diese ließ sich keine Sekunde mit der Antwort zeit. Auch sie sprach ein lautes Ja in die Amtsstube. Jetzt hing es nur noch an Monsieur Latierre, Millie oder ihn selbst, dachte Julius.

"Albericus Latierre, erklären Sie sich einverstanden, daß Ihre Tochter, Mademoiselle Mildrid Ursuline Latierre, dem hier anwesenden Monsieur Julius Andrews als Ehegattin zuerkannt wird, so antworten sie laut und deutlich mit Ja oder mit Nein!"

"Ja", brachte Albericus Latierre nach drei Sekunden laut genug heraus, daß der Zeremonienmagier es als eindeutig hinnehmen konnte. Damit hing es jetzt nur noch an Millie oder Julius.

"Julius Andrews, Sohn von Martha Andrews, du hast gehört, daß deine Mutter dir erlauben will, die hier anwesende Mildrid Ursuline Latierre als deine Ehefrau anzunehmen, sie zu lieben und zu ehren, in guten wie in schlechten Tagen, so antworte bitte laut und deutlich mit Ja!"

Also er wurde zuerst gefragt. Er hatte es jetzt in den Händen, ob Mildrid ihm für eine sehr lange Zeit als Ehefrau zur Seite gestellt wurde. Aber warum hatte der Zeremonienmagier nicht die übliche Floskel von wegen "bis daß der Tod euch scheide" benutzt? War doch jetzt einerlei! Entweder sagte er jetzt Ja und überließ es Millie, ihn dann auch noch anzunehmen oder brachte es fertig, ein ehrliches Nein auszusprechen, um hier und jetzt dieser rasanten Hochzeit die Vollbremse zu verpassen, auch wenn er danach wohl Millie sehr lange nicht mehr näher als Rufweite kommen sollte. Doch das wollte er nicht. Er wollte diese Hexe, die er bereits zur Frau gemacht und dafür seine Knabenzeit beendet hatte. Er atmete tief ein, machte noch eine weitere Sekunde Pause und sagte laut und deutlich: "Ja, ich will." Monsieur Laroche sah ihn durchdringend an, und Julius sah sich neben Mildrid im Bett unter dem heimlichen Zeltdach liegen, einander an der Hand haltend und fast in seligen Schlummer hinübergleitend. Die Spannung, die ihn noch eben gefangen gehalten hatte, löste sich ein wenig. Als Monsieur Laroche Mildrid fragte, ob sie, wo ihre Eltern es vor ihm und der Zeugin erlaubt hatten den anwesenden Monsieur Andrews annehmen und ihn lieben und ehren würde straffte sie sich zu ihrer vollen Größe, sah ihn gerade heraus an und sagte laut und deutlich "Ja, ich will." Laut atmeten alle im Raum auf. Die Spannung löste sich schlagartig von allen Anwesenden. Zwar sah Monsieur Laroche Millie noch einmal ausforschend an, nickte dann aber, worauf Madame Delamontagne auch diese Antwort niederschrieb, wobei sie eine völlig gefühlfreie Miene machte. Dann fragte sie:

"Welchen gemeinsamen Familiennamen Werden Sie beide führen?"

"Latierre", stieß Julius aus, nachdem Milie einige Sekunden lang geschwiegen hatte. Jetzt war es also heraus. Sie nickte und bestätigte es.

"In Ordnung. Ihr gemeinsamer Nachname sei von heute an Latierre", bestätigte Madame Delamontagne, nachdem sie die Eltern der minderjährigen Brautleute um die Bestätigung gebeten hatte.

"Somit verkünde ich kraft meines Amtes, daß ihr beiden von heute an, in der Obhut eurer Eltern, als junges Ehepaar anerkannt seid und von nun an füreinander in allen rechtlichen und gesellschaftlichen Belangen eintreten dürft und im Rahmen der von euren Eltern festzulegenden Bedingungen miteinander Tisch und Bett teilen dürft." Der Zeremonienmagier hob seinen Zauberstab, und goldene Funken rieselten wie Schneeflocken aus dem Stab auf die beiden soeben angetrauten herunter, hüllten sie ein und spannten eine gerade Schnur zwischen Mildrid und Julius, vorbei an seiner Mutter und ihrem Vater. Dreißig Sekunden lang blieb diese magische Verbindung bestehen, bevor sie wieder erlosch. Dabei erwärmte sich Julius' Pflegehelferarmband merklich und pulsierte sacht, bis der goldene Funkenschauer abgeebbt war.

Hippolyte wirkte sehr bedächtig, Albericus blickte von unten her mit einem gewissen Lächeln auf seine Tochter und den jungen Zauberer, mit dem sie sich eingelassen hatte und nun dafür ein neues Leben beginnen sollte. Martha Andrews fühlte sich offenbar nach der überstandenen Frage etwas niedergeschlagen. Sie hatte "ja" gesagt, ihren Sohn damit in ein neues Leben hineingeschickt. Wie weit würde sie als seine Mutter noch wirklich gebraucht werden. Wielange würden sie und ihr Sohn beieinander leben? Was geschah, wenn ihre Zustimmung sich doch als Fehler erweisen sollte? Doch sie rang ihre Trübsal nieder, sah nun erfreut auf die beiden jungen Leute, die Hexe mit den rotblonden Haaren und den jungen Zauberer, dem sie heute vor genau fünfzehn Jahren das Leben geschenkt hatte. Sie schmunzelte, weil sie daran denken mußte, daß er nun keine Probleme haben würde, an seinen Hochzeitstag zu denken, weil der ja auch sein Geburtstag war. Doch sie mußte kurz daran denken, wie Julius diesen Tag verwünschen würde, sollte es sich doch herausstellen, daß er und Millie nicht füreinander geschaffen waren. Denn sie stand dieser Mondburgsache doch noch etwas skeptisch gegenüber.

Mildrid sah lächelnd zu Julius hinüber. Sie hatte ihr Ziel jetzt schon erreicht. Schon damals, als sie diesen blonden Jungen mit den blauen Augen zum ersten Mal gesehen hatte, wie er in den Speisesaal von Beauxbatons hereingekommen und auf den Teppich der Farben getreten war, hatte sie schon so ein angenehmes Gefühl verspürt, daß dieser Junge die Wunde in ihrer Seele, die der Duckmäuser Gérard geschlagen hatte, bestimmt heilen könne. Vor dem Arithmantikraum hatte sie getestet, ob er sich körperlich fit hielt. Als sie dann mitbekommen hatte, daß er offenbar zum reinen Lernen abgerichtet worden war, hatte sie schon alle Hoffnung schwinden gefühlt, daß er was für sie sein mochte. Außerdem war es rundgegangen, daß Claire Dusoleil, mit der sie nie so recht was hatte anfangen können, ihn für sich gesichert haben sollte. Doch dann waren ihre heimlichen Hoffnungen neu erwacht, als sie ihn verärgert und entschlossen vor sich gesehen hatte, nachdem sie vor Céline über ihre dumme Schwester, die sich von so einem Violetten ein Kind hatte andrehen lassen, hergezogen hatte. IN diesem Jungen steckte doch noch ein starker Kämpfer und Beschützer. Sie bedauerte es sehr, daß er sich nicht von dem aufgeladenen Lernzwang freistrampeln wollte. Doch die Vorstellung, von ihm sieben Kinder zu bekommen, gefiel ihr und hatte ihr immer wieder heiße Träume beschert. Auch als sie ihm einen Kuß gestohlen hatte und er sie dafür nicht verärgert oder beleidigt angesehen hatte, war ihre innere Entschlossenheit groß geworden, diesen Jungzauberer da zu ihrem Gefährten zu machen, auch wenn Leute wie Professeur Faucon ihn an ihrer Leine hielten oder unter ihrem Rock verstecken zu müssen meinten. Sie hatte mit Schrecken den Artikel über seine Begegnung mit Hallitti gelesen. War er nun für alle Zeiten geschädigt? Denn wenn sie ihn für sich gewinnen wollte durfte er eine magisch begabte Frau nicht als Todfeindin ansehen oder sich gegen seine eigenen Gelüste wehren. Sie war froh, daß er sich doch schnell von der Sache mit dieser Höllenkreatur erholt, ja wieder Lust an der Nähe zu weiblichen Wesen verspürt hatte. Natürlich wollte sie nicht, daß er mit Martine zusammenkam, die ihn im Schloß ihrer Großeltern nie von der Seite gewichen war, wenn diese Dorfhexe Claire mal nicht da war. Bis heute wußte sie nicht, was er mit ihrer Tante Béatrice genau angestellt hatte. Wollte sie es jetzt immer noch wissen? Würde er es ihr doch einmal sagen? Als Claire dann starb und sie sehen konnte, wie tief ihn das erschütterte, litt sie mit und mied die Nähe zu ihm, um ihn nicht noch mehr zu bedrängen als Claires zu früher Tod. Sie gab sich und ihm Zeit, hätte womöglich noch weiter gewartet, wenn diese eingebildete Belisama nicht angefangen hätte, ihn zu umgurren und zu umschnurren. Da mußte sie doch dazwischengehen und klar anzeigen, daß sie immer noch interessiert war. Sie dachte mit innerer Belustigung an das Jubelfest in Millemerveilles zurück, wo Belisama ihr wegen des Rituals ihrer Großmutter vorgehalten hatte, daß Julius ja jetzt wie ein Onkel für sie anzusehen sei und sie, Mildrid, deshalb nicht mehr von ihm haben dürfe als gute Kameradschaft. Darauf hatte sie ihr ganz locker entgegengehalten, daß das Ritual ihm mehr Lust am Leben und Ausdauer eingeflößt habe, ihn aber nicht zu ihrem leiblichen Onkel gemacht habe, sondern ihm eher helfen würde, seine andressierten Handlungsweisen zu vergessen und zu erkennen, mit welcher er wirklich sehr gut zurechtkommen würde und daß sie, Belisama, für solche aufrichtigen Äußerungen doch zum einen zu verkrampft und zum anderen zu verlogen sei, worauf sie ihr alle die Sachen aufgezählt hatte, von denen sie über Martine und Freundinnen aus dem Weißen Saal mitbekommen hatte. Die honighaarige Prinzessin hatte wohl gedacht, keiner hätte das mitgekriegt. Millie war zwar klar, daß sie sich damit eine kleine Feindin heranzog, aber sah es nicht ein, kampflos auf Julius zu verzichten oder unbeteiligt zuzusehen, wie dieser sich mit Mädels vom Schlage Belisamas einließ und dann zu einer reinen Vorführpuppe verkümmerte. "Gerade weil meine Oma ihm mit ihrer Lebenskraft was von sich und uns überlassen hat wird der bei uns glücklicher als bei dir, Süße", hatte sie Belisama noch an den Kopf geworfen und angefügt, daß sie sich besser zurückhalten solle, wenn sie nicht selbst dumm reinfallen solle. Da war diese eingebildete Gans abgezogen. Dann war dieses Ultimatum von Schwester Florence gekommen. Wollte sie wegen dieser blöden Gans als Bettpfanne enden, womöglich noch im selben Regal mit ihr zusammen herumstehen? Martine hatte ihrer Mutter erzählt, daß die Strafen für undankbare und ungehorsame Pflegehelfer tatsächlich vollstreckt würden. Sie, Millie, hatte selbst einmal das besagte Regal mit einem Originalanzeiger überstrichen und dabei wirklich zehn menschliche Umrisse heraufbeschworen, vier Jungen und sechs Mädchen. Doch die über ihr schwebende Drohung hatte sie nicht davon abgehalten, mit ihrer Schwester um ihn zu konkurrieren. Sie besaß offenbar mehr Gemeinsamkeiten mit ihm. Doch es sah auch so aus, daß ihre Tante Béatrice für ihn empfänglich sein mochte. Doch das hatte sich rasch erledigt. Dann hatte ihre Mutter sie zu dieser Mondburg gebracht. Martine war von Edmond wohl zu sehr enttäuscht gewesen, als daß sie sich mit einem jüngeren Zauberer hätte einlassen wollen. Natürlich hatte sie hinterher behauptet, daß die Brücke ihre Sorgen um Julius und wie eine Verbindung mit ihm auf ihn zurückwirken würde bemessen hatte. Doch sie, Mildrid, hatte ihn ohne Angst vor ihrer gemeinsamen Zukunft hinübergetragen. Ja, und er wollte sie. Er hatte es auf der Brücke erkannt, daß wenn nicht Claire dann sie die Hexe an seiner Seite sein sollte. Er hatte die Hemmungen abgelegt, war mit ihr federleicht über die Brücke geschwebt und hatte sich von ihr in der Schlafkammer unter der Kuppel nehmen lassen, ihre Wärme und Kraft genossen und von seiner Kraft an sie zurückgegeben. Er gehörte ab diesem zeitpunkt ihr. Dies wußte und wollte er auch. Und jetzt hatte ein amtlicher Zeremonienmagier laut und deutlich verkündet, daß die ganze Zaubererwelt das auch zur Kenntnis nahm, daß sie beide zusammengehörten. Zwar würde sie gerne schon von diesem jungen Zauberer ein Kind haben. Doch sie wußte, daß sie diesem Kind und ihrem Gefährten keinen großen Gefallen damit tat, wenn sie dafür in Beauxbatons zurückgestuft würde. Weil ihre Mutter befand, daß ein Junge, der nur von Professeur Faucon und ihrer Tochter behütet in zu viele gefährliche Sachen hineingetrieben würde eine bessere Fürsorge nötig hätte und jemanden, bei dem er sich von seinen Strapatzen erholen konnte, hatte sie es durchgesetzt, daß er nun wirklich mit ihr zusammensein durfte, ja sogar Tisch und Bett teilte. Zwar würde das wohl nicht gerade hier in diesem hochanständigen und auf Beschaulichkeit bedachtem Dorf Millemerveilles gehen. Aber wenn ihre Eltern seine Mutter ohne grob zu werden beknien konnten, daß sie, Mildrid in dieses halbe Muggelhaus einzog, würde sie nach dem Sommerball bei ihm sein. Das mit den sieben Kindern - zumindest von jeder Sorte eins - konnten sie ruhig angehen, wenn die Leute, die ihn bisher in merkwürdige Sachen hineingetrieben hatten, ihn nicht mehr so unangefochten herumschicken durften. Womöglich würde die Faucon, Königin Blanche, nachher einen Heidenlärm machen. Aber den würde sie jetzt auf der linken Hinterbacke absitzen.

Julius fühlte sich wie in einem Traum, von dem er nicht wußte, ob gleich was ganz schönes oder was ganz schreckliches über ihn hereinbrechen würde. Er hatte die berühmten Ritual-Worte gesprochen, die zwei Menschen einander sagten, um vor einer großen oder kleinen Gemeinschaft zu sagen, daß sie zusammengehörten. jetzt hatte er diese riesige Familie Latierre mit sich zusammengebunden. Besser, sie konnten ihn jetzt genauso beraten und fordern wie seine Eltern bisher oder die Eauvives. Das würde auch noch lustig, wenn Antoinette Eauvive und ihr Clan das mitbekamen. Vielleicht setzte es dafür einen Heuler. Doch den würde dann wohl Millies Mutter abkriegen.Alles in allem konnte er mit seiner Entscheidung leben. Jetzt waren klare Tatsachen geschaffen. Die nächsten Jahre waren deutlicher abzusehen. Das einzig Ungewisse war, was in der Welt der Magie vor sich ging und ob er sich dem von nun an wirklich entziehen konnte. Immerhin stand die Suche nach der Stimme Ailanorars an. Und dann mußte er wohl diese Stimme zum klingen bringen. Würde Darxandria, deren in ihm abbgelegtes Untergrundwissen jetzt in einer Latierre-Kuh lagerte, ihm helfen können. Oder war mit dem Experiment mit Artemis die Verbindung so gut wie zerstört. Denn wenn er in Beauxbatons war, konnte er sie nicht anmentiloquieren.

"Dann möchte ich noch einer amtlichen Anfrage Madame Faucons entsprechen, die sie heute morgen um acht Uhr an mich herangetragen hat", sagte Madame Delamontagne völlig im Stil einer Verwaltungshexe und teilte fünf Pergament rollen aus. Julius seufzte leicht, als er die Rolle auseinanderzog und las, daß es eine Liste von Bedingungen war, die er in Beauxbatons einzuhalten hatte, sollte er zaubererweltrechtlich vor erreichen der Volljährigkeit mit einer gleichfalls minderjährigen Hexe zu einem Ehepaar erklärt worden sein. Er las, daß er unter anderem weiterhin in seinem Wohnsaal schlafen würde, das er sich niemals öffentlich mit seiner Ehefrau bei geschlechtlichen Handlungen ertappen lassen durfte und daß sie beide bei Zeugung eines Kindes vor Erreichen seiner und ihrer Volljährigkeit beide je nach Punktestand entweder um ein Schuljahr zurückversetzt oder der Akademie verwiesen würden, ohne Aussicht auf Wiederaufnahme. Ebenso wurde ihm eröffnet, daß sie sich gemäß einer uralten Schulregel aus der Zusammenlegung von Jungen und Mädchen den Disziplinarquotient von Bonus und Strafpunkten teilen müßten, ja im Falle eines gemeinschaftlichen Regelverstoßes die doppelte Anzahl Strafpunkte zu erwarten hatten. Daß sie beide noch mehr auf Höchstleistungen zu achten hatten war dann noch das Tüpfelchen auf dem I. Jetzt war ihm klar, daß Professeur Faucon ihn nicht anraunzen oder regelrecht runtermachen mußte. Die Genugtuung, die beiden jungen Eheleute durch die verschärften Unterbringungsbedingungen spüren zu lassen, daß sie doch viel zu voreilig geweesen waren, noch dazu, wo Julius stellvertretender Saalsprecher geworden war ... Oh, auf der Brosche stand Julius Andrews drauf. Wenn er jetzt dem Wunsch von Millies Familie nachkam würde die Brosche falsch beschriftet sein. Dies sagte er auch Madame Delaamontagne.

"Das macht überhaupt nichts. Wenn Sie die Brosche noch vor der Abreise für eine halbe Minute anstecken und sagen, wie sie hießen und wie sie jetzt heißen, Monsieur Latierre, dann wird sich Ihr Namenszug von selbst ändern", sagte die Dorfrätin. "Sie sind ja nicht der erste Saalsprecher oder Stellvertreter, der während seiner Schulzeit geheiratet hat. Die Aufschrift erfolgt deshalb, um die Brosche dem körperlich dazu asoziierten Träger angepaßt zu sein." Mentiloquistisch fügte sie hinzu: "Eine weitere hohe Anforderung für dich, mein Junge. Als Broschenträger mußt du dich ja an verschärfte Regeln halten." Julius wußte das.

"Nun, dann unterschreiben Sie mir bitte die fünf Pergamente, damit ich Sie Professeur Faucon übergeben kann. Die minderjährigen Eheleute unterschreiben ihre zwei und lassen sie von einem Elternteil abzeichnen. Die restlichen drei bitte ich von jedem Elternteil der beiden jungen Eheleute abzeichnen zu lassen. Ich weiß, viel Pergament. Aber auch viel Sicherheit, auch für Madame Mildrid Ursuline und Monsieur Latierre", sprach Madame Delamontagne und lächelte überlegen.

Um die letzten anstehenden Formalitäten abzustimmen, bat Martha Andrews um eine kurze Besprechungszeit mit Millies Eltern. Diese wurde ihr genehmigt. Millie und Julius verließen die Amtsstube.

"Das ist sehr mutig und nett von dir, meinen Namen annehmen zu wollen, Julius", sagte Millie. "Dann kann deine Saalkönigin so richtig rotieren."

"Das wird eh lustig mit den Zusatzregeln, Millie", seufzte Julius. "Jetzt ist mir klar, daß Madame Faucon uns wohl keine Gardinenpredigt mehr halten wird."

"Neh, die grinst sich eins, weil sie uns jetzt schon dreihundert Strafpunkte auf Abruf aufgestapelt hat. Dann kriegen wir einen gemeinsamen DQ, aber den schaffen wir beide locker über fünf zu halten, Monju. Und was das ganz toll Liebhaben angeht, muß das eben keiner mitkriegen."

"Öhm, guck mal hier, kennst du das?" Fragte Julius rhetorisch und entblößte das Pflegehelferarmband. "Kann mir nicht vorstellen, daß Madame Rossignol da den Mund hält, wenn sie hohe Ausschläge von uns beiden empfängt."

"Wußte schon, daß dieses Ding doch noch was gemeines an sich hat. Aber in den Ferien können wir dann nachholen, was wir in Beaux versäumen, Monju.""

"Öhm, Betten kann man auch zum drin Schlafen benutzen, wußtest du das auch?" Hakte Julius nach.

"Frag deine Schwiegeroma Line, ob die das schon weiß", konterte Millie.

"Besser nicht, die könnte sonst davon anfangen, daß jede Liebe gefälligst auch Früchte zu tragen hätte", erwiderte Julius. Millie lachte und knuddelte ihn sehr innig.

"Genau das würde sie dir antworten, Monju."

Nach ungefähr fünf Minuten durften die beiden gerade aus elterlicher Gnade verheirateten wieder in Madame Delamontagnes Amtsstube eintreten.

"Monsieur Julius Latierre, bitte zeichnen Sie nun die Anerkenntnisurkunde für die Ehe mit Madame Mildrid Ursuline Latierre ab!" Wies Madame Delamontagne die beiden an. Dann durfte Julius noch eine Pergamentrolle mit seinem neuen Nachnamen unterschreiben. Worauf die bereits von ihm mit Julius Andrews unterschriebene Pergamentrolle den Namenszug änderte.

"Das muß ich noch üben, wie der sich schreibt", gestand Julius ein. Doch Madame Delamontagne nickte ihm anerkennend zu.

"Offenbar haben Sie den Namenszug bereits häufiger niedergeschrieben. Dann wird die Übung keine lange Zeit beanspruchen." Sie sammelte die Pergamente ein und bedankte sich bei Monsieur Laroche, der die neu Angetrauten zu ihrer mutigen und vertrauenbekundenden Entscheidung beglückwünschte. Dann wünschte er allen fünfen noch ein langes, erfülltes, und überwiegend glückliches Leben und immer einen unerfüllten Wunsch mehr, um das Leben nicht in Langeweile versinken zu lassen. Danach übergab er wieder das Wort an Madame Delamontagne, die noch einmal bekundete, als amtliche Zeugin dieser Befragung und endgültigen Feststellung dem Amt für Familienfürsorge und Gesellschaft Mitteilung zu machen. Dann entließ sie die fünf aus ihrem Büro, um mit dem Zeremonienmagier noch den Ablaufplan für die sie unmittelbar betreffende Feier am nächsten Tag durchzugehen, wenn er schon einmal da war!

"Und, wie heißt du?" Fragte Martine Julius vor dem Rathaus.

"Julius Latierre", sagte Julius Latierre nach einer Bedenksekunde. Martine schloß ihn in ihre Arme und küßte ihn leidenschaftlich auf jede Wange. Er mußte das erwidern. Camille sah Martha an, die kleine Tränen in den Augen hatte. Dann lächelte sie Julius an, auf dessen Wangen Martines Lippenabdrücke hervortraten.

"Catherine ist auch da. Sie wartet fünfzig Meter weiter hinten", sagte Camille Dusoleil und deutete auf Catherine. Julius sah sie an und mentiloquierte ihr:

"Hat deine Mutter gelacht, als sie die Sonderregeln für Beauxbatons abgegeben hat?"

"Sie war zwar nicht begeistert davon, daß "diese zügellose Person" dich als Schwiegerenkel bekommen würde, hat dann aber befunden, daß sie keine Kompetenz hat, das zu unterbinden." Dann trat Catherine näher und besah Julius. Dann sagte sie: "Hast du Mildrids Nachnamen genommen oder aufgeladen bekommen?"

"Ich habe ihn angenommen", sagte Julius, der jetzt erst begriff, daß Julius Andrews nicht mehr existierte. Er feierte heute im Grunde seinen Geburtstag zweimal, hatte sogar den Hochzeitstag mit dabei. Wenn er es noch anstellen konnte, Mildrid so in andere Umstände zu versetzen, daß eines seiner Kinder mit ihm zusammen Geburtstag feierte ... Aber das lag erstens noch in weiter Ferne und hing zweitens nicht nur von ihm ab.

"Nun, da die rechtliche Person Julius Andrews nicht mehr existiert ist mein Fürsorgeauftrag wohl erloschen. Hat Madame Delamontagne etwas darüber gesagt?"

"Nur soviel, daß mein Mann und ich als ausgebildete Hexe und Zauberer mit seiner Mutter die rein magischen Belange mitregeln, Catherine. Die Frage ist jetzt nur, ob Martha, er und Mildrid bei dir im Haus wohnen bleiben dürfen oder umziehen müssen", sagte Hippolyte.

"Das kommt ja wohl nicht in Frage, daß die beiden, öhm, die drei, schon wieder umziehen. Außerdem habe ich Martha und ihrem Sohn den Schutz unseres Sanctuafugium-Zaubers angeboten, und die beiden sind ja immer noch Mutter und Sohn. Meinem Mann werde ich das irgendwie beibringen müssen, daß Millie jetzt wohl auch bei uns wohnt."

"Ich fürchte, das wird schwerer als der schwerste Zauber", warf Julius ein. "Außerdem könnte deine Mutter finden, daß Millie nicht mit ihren Enkeltöchtern im selben Haus zu schlafen hat."

"Dann zieht ihr drei zu Maman ins Sonnenblumenschloß um. Da ist die Wahrscheinlichkeit auch sehr gering, daß Madame Faucon auch nur mit dem Kopf hereinschaut", wandte Hippolyte ein.

"Die können auch zu meiner Mutter aufs Land. Muggelsachen gehen da, weil die Zwergenmagie nicht gestreut wird, sondern in damit belegten Gegenständen wirkt."

"Na das noch, bei einer berufsmäßigen Hebamme?" Fragte Martha Andrews. "Klär das bitte mit Joe, daß ich mit den Latierres befunden habe, daß Julius alt genug zum Heiraten war und Mildrid wegen der bereits abhanden gekommenen Unschuld schon angetraut wurde. Das könnte er so verstehen."

"Du kennst meinen Mann wohl immer noch sehr gut, Martha", sagte Catherine amüsiert. "Wenn ich ihm das so verkaufe wird er wohl fragen, im wievielten Monat Mildrid ist."

"Wieso, früher wurden voreilige junge Mädchen doch gleich verheiratet, wenn sie vor der Brautnacht die Früchte der Liebe gekostet haben", sagte Martha, die offenbar wieder auftaute. Millie sah Julius herausfordernd an, als wolle sie ihn fragen, ob sie "den Muggel" nicht wirklich hinhalten sollten, daß sie wohl um Neujahr herum was Kleines hätten. Doch Millie sagte nichts dergleichen.

"Also, wenn dein Mann nichts dagegen hat, aber deine Mutter schon, Catherine, dann nehmen wir ihn gleich nach dem Sommerball mit zu meiner Schwiegermutter ins Schloß. Da ist auch mehr Platz", sagte Albericus grinsend. Das trieb Catherine kleine Tränen in die Augen. Julius merkte jetzt erst, daß diese Hexe, die den Studienfreund seiner Mutter geheiratet hatte, ihn wie einen Adoptivsohn liebte. Kein Wunder, daß die Armands am Elternsprechtag geglaubt hatten, seine Mutter und Catherine seien ein lesbisches Paar. Hippolyte hatte offenbar eine Antenne für Gefühlsschwankungen, ähnlich wie Corinne Duisenberg. Sie sagte:

"Also, ich verstehe vollkommen, daß Martha ihre gewohnten Alltagsgegenstände braucht und gerne mit Julius zusammenwohnen möchte. Ich denke auch, daß deine Mutter die Drohung nicht wahrwerden lassen möchte, daß wir den jungen Mann zu uns oder zu Maman herüberholen." Catherine nickte ihr zu, dann ergriff sie Julius' Hand und sagte halblaut:

"Ich finde es mutig von dir, dich jetzt so vielen Leuten mit unterschiedlichen Meinungen auszuliefern und trotzdem aufrecht zu stehen. Wenn du möchtest kläre ich das mit meiner Familie ab."

"Ja, das möchte ich", sagte Julius. Millie trat vor und sagte:

"Mit dir hat meine Familie keinen Zoff, Catherine. Deshalb möchte ich gerne bei Julius und seiner Mutter in deinem und Joes Haus wohnen."

"Wenn deine Eltern das erlauben, werde ich zusehen, ob es geht", erwiderte Catherine. Dann wünschte sie den sieben noch einen guten Mittag und disapparierte.

"Martha, du hast das schon mal erlebt, und meine Tochter wird es nicht weiterpetzen", sagte Hippolyte, ergriff Julius' Mutter und verschwand mit ihr mit lautem Plopp.

"Öhm, Ringe brauchen wir nicht, oder?" Fragte Julius Albericus.

"Florymont hat ein paar Galleonen mehr in seiner Werkstatt. Der macht euch zwei welche, die eure Namen tragen. Verbindungszauber sind ja nicht nötig, wo ihr die Schlüssel da umhabt", bemerkte Camille dazu. Millie nickte. Julius Grinste. Durch die Herzen waren sie ja auch schon gut verbandelt.

"Dann komm mal her, Schwager, damit ich sehe, ob du immer noch so gut beim Mitapparieren bist", sagte Martine. Julius hielt sich bei ihr fest. Sie zählte bis drei. Julius stieß sich ab und wurde fast von ihr weggeschleudert, als sie sich auf dem Punkt drehte. Doch er blieb an ihr dran, auch als sie innerhalb eines Augenblicks vom Rathaus auf die Wiese der Dusoleils wechselte.

"Kannst du das nur mit Hexen oder auch mit Jungs?" Fragte Albericus, der mit einem merkwürdigen Piff-Laut hinter ihnen apparierte.

"Habe ich bisher nicht so richtig ausprobiert", sagte Julius dazu. Dann wurde die frohe Kunde im Dusoleil-Haus verbreitet, in dem Babette bereits mit Denise und Mayette spielte. Babette bekam große Ohren und noch größere Augen, als sie hörte, daß Millie jetzt Madame Mildrid und Julius Monsieur Julius Latierre wären. Dann war es auch schon Zeit zum Mittagessen, damit sie am Nachmittag wieder genug Hunger auf Kuchen bekamen.

__________

"Du setzt dich bitte wieder auf den Begrüßerstuhl!" Gebot Camille Julius wenige Minuten vor halb vier am Nachmittag. Die ersten Gäste sollten zwischen halb und viertel vor vier eintreffen. Zumindest hatte Camille Dusoleil das mit den Gästen per schnelle Eulen abgestimmt. Julius hatte den weinroten Festumhang anbehalten. Camille meinte, daß sich das so gehöre, wenn ein wichtiges Ereignis gefeiert würde. Immerhin sei dies ja jetzt seine erste Geburtstagsfeier als Monsieur Julius Latierre. So nahm er auf dem hochlehnigen Holzstuhl Platz. Er fühlte sich merkwürdig, wie er da auf diesem Stuhl thronte. Er fühlte sich warm und so weich an, als säße er auf einem gutgefütterten Daunenkissen. Auch die hohe Lehne empfand er als angenehm weich. Zwei Jahre war es jetzt her, daß er auf diesem Stuhl auf Gäste gewartet hatte. Damals hatten sie es hingebogen, daß seine Mutter herkommen durfte und sich mit Catherine und ihrer Mutter aussprechen konnte. Damals hatten sich Claire und Pina darum gekäbbelt, ob der Sommerball eine Zusammenbringveranstaltung für unverheiratete Hexen und Zauberer war. Damals war er noch davon ausgegangen, nach den Ferien in Hogwarts weiterzulernen und zu Weihnachten zu seinen beiden Eltern zu fahren. Und jetzt? Claire hatte um ihn zu schützen ihren Körper abgelegt, sein Vater wuchs als irgendein anderer Junge neu auf, er selbst war körperlich vier Jahre älter als damals und jetzt hieß er auch nicht mehr Julius Andrews. Hätte man ihm genau vor zwei Jahren, wo er auf diesem Stuhl gesessen hatte all das vorhergesagt, er hätte entweder gelacht oder zugesehen, bloß nicht nach Hogwarts oder Beauxbatons zurückzukehren, um all das zu verhindern.

"Tritt ein, o Gast, genieß die Rast!" Trällerte eine magische Stimme, als die Haustür aufging und seine Mutter hereinkam. Julius stand auf und begrüßte sie so, als habe er sie seit einer kleinen Ewigkeit nicht mehr gesehen. Sie trug ein kleines Paket unter dem linken Arm. Julius deutete auf das Wohnzimmer. Florymont hatte geheimnisvoll getan und erklärt, daß die Geschenke für ihn anders aufbewahrt würden. Hatte der etwa die Wandelraumtruhe auf ihn abgestimmt? Das hätte er doch mitkriegen müssen!

"Ich setze mich dann zu den volljährigen Gästen hin, Julius. Bis gleich und sei so stark wie bisher auch!" gab seine Mutter ihm einen kleinen aber sicher sehr wertvollen Rat.

"Erneut trällerte die einladende Zauberstimme, die Julius keinem lebenden Dusoleil-Mitglied zuordnen konnte. Hereinkamen die Montferre-Zwillinge, die zwei große Pakete trugen und ihn anstrahlten.

"Guten Tag, Monsieur Latierre. Wie fühlt sich das an, so zu heißen?" Fragte Sabine überaus fröhlich.

"In den Namen muß ich glaube ich irgendwie reinwachsen, Bine. Fünfzehn Jahre sind eine lange Zeit, da geht das nicht so von jetzt auf Nachher. Aber woher wißt ihr -? Ich ziehe meine Frage zurück."

"Mach dich drauf gefaßt, daß die Mädels aus Yankeeland vielleicht nicht gerade begeistert sind. Andererseits hat Brittany, soweit mein Vater das übersetzen konnte, schon mit gerechnet, daß die diese alte Frühverheiratungsnummer bei euch bringen. Nach dem Ding mit Mogeleddie wollten die nicht noch mal eine sitzengelassene Tochter trösten", sagte Sandra darauf. Julius grinste. Die beiden waren wie immer, locker, frei heraus und dabei auch irgendwie liebevoll. Wer eine von denen zur Frau bekam mußte viel Spaß verstehen können, bekam dafür aber auch eine ehrliche, kluge Hexe an die Seite.

"Wo dürfen wir die beiden Mitbringsel abliefern?" Wollte Sabine wissen. Julius zeigte es ihnen. Dann gingen die beiden ins Wohnzimmer und wurden dort wohl von Uranie Dusoleil empfangen, die sie dann in den Garten weiterleitete. Die nächsten Gäste waren Sandrine Dumas und ihr Freund Gérard Laplace. Sandrine sah Julius prüfend an, als er vor ihr stand. Sie schien nicht zu wissen, ob sie ihn umarmen oder treten sollte. Doch dann strahlte sie ihn an und umarmte ihn.

"Alles gute zum ersten Geburtstag, Monsieur Latierre. Madame Rossignol hat es mir vor einer Stunde über das Armband mitgeteilt."

"Moment, Sandrine, was soll denn das. Der ist doch nicht mit Millie ... Das geht doch nicht! Die sind erst fünfzehn", stammelte Gérard. Für ihn war diese Nachricht wie eine explodierende Bombe. Sandrine wandte sich ihrem Freund zu und säuselte:

"Könnten wir auch, wenn wir was finden, daß uns zeigt, daß wir zusammengehören und uns dann zum ersten Mal lieben, Mon Cher." Julius wunderte sich. Sandrine hatte früher doch zu denen gehört, die ihn von den Latierres abhalten wollten. Warum freute sie sich dann für ihn. Oder war das Heuchelei? Nein, so hatte er Sandrine bisher nicht kennengelernt. Auch wenn die Bewohner ihres Saales lieber klein beigaben und nichts böses zu anderen sagen wollten blieben sie doch wohl meistens ehrlich. Und Sandrine hatte laut Millie und anderen Mitschülern auch die Veranlagung für den Roten Saal gezeigt. Aber das hieß in diesem Fall wirklich nichts.

"Moment mal! Moment mal! Was für eine Prüfung und erste Liebe und so?" Stieß Gérard aus. Julius sah ihm an, daß er von der Neuigkeit wohl wirklich sehr erschüttert worden war.

"Madame Rossignol hat mir nur gesagt, daß die beiden sich auf eine der Zaubererwelt bekannte magische Zusammengehörigkeitsprüfung eingelassen hätten und dabei auch gleich ... du weißt schon, Gérard."

Die Tür ging auf, ohne daß die Begrüßungsbotschaft erklang. Das lag daran, daß Julius im Moment noch stand. Herein traten patrice Duisenberg und Sixtus Darodi von der Pflegehelfertruppe. Julius winkte den beiden zu. Camille dusoleil erschien aus der Küche und deutete auf das Wohnzimmer. Julius räusperte sich und vertagte die Diskussion auf später. Sandrine zog ihren Freund mit sich in das Wohnzimmer, während Julius die beiden neuen Gäste begrüßte. Sixtus meinte zu ihm:

"Ist das echt, daß Millie und du von euren Eltern für verheiratet erklärt worden seid?"

"Wenn Madame Rossignol das euch gesagt hat dann stimmt das, Sixtus", antwortete Julius.

"Corinne meinte sowas, daß es irgendwo in den Bergen bei der spanischen Grenze einen Ort gibt, wo Liebende überprüfen können, ob sie für ein Leben lang zusammenbleiben und sich ehrlich gegenseitig lieben und betreuen wollen. Ihre Oma soll sogar wissen, wo das ist. Aber sie hofft, daß sie auch so wen findet, weil diese Prüfung auch was kostet", berichtete Patrice. Julius setzte sich wieder auf den Stuhl, damit die Begrüßungsautomatik wieder lief und sagte: "Wie es aussieht wollen die nur, daß die, die für zusammengehörig erkannt wurden innerhalb von drei Jahren ein Kind auf den Weg bringen, Patrice."

"Dann lasse ich das besser auch sein. Ich wollte erst mit Beaux fertig werden und gucken, daß ich wo reinkomme, womit ich was für's Leben verdienen kann, bevor ich mir wen neues unter den Rock stupsen lasse."

"Stupsen klingt irgendwie niedlich für das, was du dafür mit dir anstellen lassen mußt", grinste Sixtus. Dann meinte er noch: "Ändert sich dadurch was für Millie und dich außer dem Nachnamen?"

"Wir leben in Strafpunkte-Gütergemeinschaft und dürfen uns nicht mal mehr umarmen, wenn ein Saalsprecher oder Lehrer zugucken kann", stellte Julius bedauernd fest.

"Spaßbremser wie immer", knurrte Patrice, tätschelte Julius' linke Wange und fragte nach dem Abladeort für die zwei Geschenkpakete. Dann entschwand sie vorübergehend mit ihrem Pflegehelferkameraden Sixtus.

Brittany kam alleine, grinste Julius an und meinte: "Die Nachricht, daß du jetzt schon fest verkettet bist hat bei Mel und ihrer Verwandtschaft die Mittagssonne verdunkelt. Für mich war das auch erst komisch, als mir das rothaarige Doppelpack nach dem Quidditchtraining serviert hat, deine Mom und Millies alte Herrschaften hätten mal eben befunden, daß ihr jetzt schon Mann und Frau sein dürft. So'n antiquierter Paragraph soll das möglich gemacht haben. Lag's daran, daß du Millies kleine Wohnung schon eröffnet hast, Julius?"

"Das gehörte zu dem dazu, was dazu geführt hat, was heute gelaufen ist, Britt", sagte Julius. Brittany wirkte nicht gekränkt oder traurig. Aber sie wirkte auch nicht gerade erfreut. Sie sah ihn nur sehr durchdringend an und meinte:

"Nach dem, was Glo und ihr beiden von Beauxbatons erzählt habt werden die euch da wohl ziemlich schwere Kugeln an die Beine ketten, damit die andren da nicht finden, das sei supertoll oder sowas."

"Ja, die Kugeln hängen schon dran, Britt", seufzte Julius. Da öffnete sich die Tür erneut, und Gloria trat mit ihrer Verwandtschaft ein. Gloria sah ihn verstört an, Melanie und Myrna wirkten persönlich angegriffen, während Mr. und Mrs. Porter Gesichter wie steinerne Masken aufgesetzt hatten. Sie begrüßten Julius und gratulierten ihm zum fünfzehnten Geburtstag. Dann erkundigten sie sich nach dem Abladeort für die Geschenke und zogen mit Britt in Richtung Wohnzimmer ab. Julius vermeinte, eine eiskalte Brise umwehe diesen Abmarsch. Doch er hatte beschlossen, stark zu bleiben, egal wer jetzt noch was dagegen sagen konnte. Dann trafen Barbara und Gustav mit ihrem Söhnchen Charles ein, die ebenfalls etwas unterkühlt wirkten. Offenbar hatte ihnen jemand auch schon die Nachricht überbracht. Barbara sagte nach dem höflichen Glückwunsch nur:

"Dir ist ja hoffentlich klar, daß die Latierres dich jetzt rumkommandieren können, solange du selbst keine siebzehn bist. Hoffentlich stellen die nichts mit dir an, was dein Leben verpfuscht. Aber wenn Martine auf dich aufpaßt mache ich mir eigentlich keine großen Sorgen."

Julius bedankte sich für den Glückwunsch und erwiderte nur, daß Millie und er schon wüßten, daß sie zusammengehörten und damit alles annehmen würden, was ihnen bevorstand.

Freudestrahlend begrüßten Céline und Robert das Geburtstagskind. Offenbar hatten die beiden die frohe Kunde noch nicht vernommen, dachte Julius. Da würde es wohl heute noch einmal richtig knallen. Dann trafen die Hollingsworths zusammen mit Pina und Olivia Watermelon und einem sichtlich verstört wirkenden Kevin Malone ein. Julius fragte den Schulkameraden aus Hogwarts, was los sei. Kevin sah sich um und sagte nur:

"Es wird immer dunkler bei uns, Julius. Meine Tante Siobhan ist seit Tagen verschwunden, Professor Burbage, die Muggelkunde gegeben hat ist angeblich freiwillig zurückgetreten und mehrere Familien sind von dieser todesserbande einfach so plattgemacht worden. Aber ich will dir heute nicht die Laune verhageln."

"Wie war es in Amerika, Julius?" Fragte Pina. "Hast du wieder Quodpot gespielt oder nur zugesehen?"

"Ich habe es auch gespielt", antwortete Julius und begrüßte Pina und ihre Schwester Olivia. Betty und Jenna Hollingsworth erzählten ihm in kurzen Sätzen, daß sie im nächsten Schuljahr als Treiberinnen von Hufflepuff spielen dürften. Kevin grummelte dazu nur, daß sie hoffen sollten, daß Hogwarts nicht doch von dem Unnennbaren übernommen würde. Dann ließ er sich zeigen, wo die Geschenke hinkamen.

Laurentine Hellesdorf traf zusammen mit Carmen Deleste ein. Die Klassenkameradin und die Pflegehelferkameradin beglückwünschten ihn freundlich, wenngleich Laurentine ein wenig verunsichert wirkte und Carmen Julius immer wieder fragend anblickte, aber sich nicht traute, was auch immer zu fragen.

Als weitere Gäste trafen Hercules und Belisama ein, die Julius jedoch sehr verärgert ansah. Hercules wirkte sehr trotzig, als er ihm die Hand gab. Belisama zischte ihm zwar noch zu, Julius nicht anzufassen, doch der Klassen- und Quidditchkamerad verzog nur das Gesicht und sagte:

"Sammie hat mir das erzählt, daß dieses Pack dich echt verarscht und jetzt unumdrehbar gebunkert hat. War wohl nix mit deiner achso von Königin Blanche und Denk-nicht-dran gelobten Superklugheit, ne?"

"Ob jemand trolldoof oder supergescheit ist kommt nicht nur durch Schulnoten rum, Hercules", erwiderte Julius sehr entschlossen. "Vielleicht kriegt ihr anderen es nur nicht mit, daß Millie und ich was ganz wichtiges und gescheites hingekriegt haben."

"Diese Bande kann nur eins, sich wie die Kanickel vermehren und Idioten ranholen, die ihre Zuchtlinie aufbessern", schnarrte Belisama höchst verärgert.

"Bist eben auch nur einer wie wir alle, der reingelegt und verladen werden kann", erwiderte Hercules darauf noch. "Aber wenn die meinen, du dürftest mit dem Stempel Latierre auf der Stirn oder wo immer Mildrid den sehen will rumlaufen und in Beaux weitermachen, dann sei es eben."

"Herque, du findest das doch auch widerlich, was die mit dem gemacht haben", fauchte Belisama. Er nickte ihr zu, sagte dann aber:

"Ist so, Aber Blödheit ist kein Verbrechen, sondern nur unangenehm."

"Monsieur Moulin und Mademoiselle Lagrange, wenn Sie finden, daß Julius unter Ihrer Würde ist und Sie deshalb besser nicht mit ihm an seiner Geburtstagsfeier teilnehmen sollten, dann kehren Sie freundlichst wieder in ihre Elternhäuser zurück!" schlug Camilles energische Zurechtweisung wie ein Blitz in die ohnehin schon aufgeladene Atmosphäre. Belisama sah Hercules an, deutete auf die Haustür. Hercules sah Julius an und meinte noch:

"Wegen dir vergeigen wir wohl in der nächsten Saison den Pokal. Oder kannst du dieser roten Schnäpfe dieses Doppelachsending verweigern, wenn du das willst."

"Ob wir den Pokal vergeigen kann ich nicht sagen, Hercules. Aber ich denke, wenn wir alle gut zusammenspielen können wir zumindest darum mitspielen. Das hängt dann auch bei dir. Ich möchte weiter mitmachen."

"Hast du dieser roten Sabberhexe dein Flugmanöver beigebracht?" Schnaubte Hercules. Julius überlegte, ob er ihm mit einem trotzigen "Ja, was dagegen?" kommen oder "kein Kommentar" antworten sollte. Er entschied sich für eine Antwort, die Hercules verwirren mochte. "Ich habe Mildrid keines von meinen Flugmanövern beigebracht. Den Doppelachser hat Aurora Dawn in Hogwarts erfunden. Sie hat mir erlaubt, ihn jedem beizubringen, der mit mir gut zurechtkommt." Sein Klassenkamerad sah ihn verdutzt an, schien dann aber doch zu begreifen und funkelte ihn wütend an. Belisama zerrte an Hercules waldgrünem Festumhang. Er sah Julius an und knurrte:

"Dann steck du das Giscard, daß wegen dir die Roten im nächsten Jahr den Pokal schon durch Aufsteigen auf die Besen kriegen werden, Kameradenschwein!"

"Oink oink!" Versetzte Julius trotzig. Camille deutete auf die Haustür. "Wenn du meinst, Quidditchpokale seien das wichtigste überhaupt, Hercules, dann mach dich mit Belisama besser wieder davon! Hier kam gerade einer rein, der eine Scheißangst hat, daß seiner Familie was passiert, während er hier ist, weil Leute, denen dein Leben genauso schnuppe ist wie seins oder meins in Irland und England einfach so Leute totfluchen oder unter den Imperius nehmen und die dann auf andere Leute hetzen können. Wenn du findest, daß nur weil Millie was tolles von mir abgekuckt haben könnte unsere Kameradschaft im Allerwertesten ist, dann frage ich mich nicht, wer von uns beiden dümmer ist. Und jetzt geh mit deiner Herzenshexe oder benimm dich anständig!"

Die Tür ging auf. Weil Julius gerade in Kampfhaltung vor Hercules stand, blieb die Begrüßung aus. Martine und Millie traten ein und sahen die Szene an. Belisama feuerte einen sehr zornigen Blick auf die beiden Latierres ab. Hercules wirbelte herum und wollte auf die Tür zustürmen, als er die neuen Gäste sah, die nicht mit magischer Stimme begrüßt worden waren. Er funkelte Millie an und deutete auf ihren flachen Bauch. "Mache ich dann wen tot, wenn ich dir da reintrete?" Fragte er sehr provozierend. Martine zückte den Zauberstab, während Millie ihn sehr überlegen von leicht erhöhter Warte anblickte und sagte:

"Deine zukünftigen Kinder, Culie. Oder glaubst du, deine Murmeln würden sowas nur eine Sekunde lang überleben?!"

"Freut euch, ihr läufigen Sabberhexen. Aber ich habe meinen Eltern schon gesteckt, daß eure mit Latierre-Kuhmilch gepuschten Cousinen Treiber werden wollen. Er kramt schon eine Regelung nach, die denen das versalzen wird."

"Monsieur, ich denke, Sie sind hier nicht mehr erwünscht", stellte Camille mit einer sehr unmißverständlichen Drohung in Haltung und Gesicht klar. Belisama sprang um die beiden Latierre-Mädchen herum und eilte zur Tür. Hercules folgte ihr voller Trotz und Verbitterung. Die Tür flog auf. Die beiden rannten hindurch. Die Tür krachte fast zu. Nur ein Auffangzauber bremste sie kurz vor dem Rahmen ab, sodaß sie leise genug zufiel.

"Toller Empfang, nicht wahr?" Fand Martine. Millie blickte Julius sehr eindringlich an.

"Schön, daß der Blödian es jetzt schon weiß und nicht erst bei der Reisesphäre. Jetzt kann der sich an Belisamas Dutteln ausheulen."

"Mildrid, benimm dich anständig. Du bist jetzt kein kleines Mädchen mehr", tadelte Martine ihre Schwester. Sie sah Camille abbittend an. Millie nickte ihr und dann Camille zu und entschuldigte sich für ihren Auftritt. Dann umarmte sie Julius und küßte ihn leidenschaftlich auf den Mund. Martine fragte, ob diese magische Begrüßungsstimme kaputt sei, von der Jeanne ihr erzählt habe.

"Nur wenn der, der eingeladen hat nicht auf dem Stuhl da sitzt", sagte Camille, die durch tiefes Ein- und Ausatmen den Ärger von eben aus sich vertrieb. Julius verstand und setzte sich wieder. Die beiden Schwestern verließen noch einmal das Haus und traten ein, wobei sie mit der magischen Stimme begrüßt wurden. Noch einmal umarmte Millie ihren jungen Ehemann und küßte ihn leidenschaftlich. Dann wurde sie von ihrer Schwester sanft zurückgezogen, damit diese ihn nach Landesart, aber mit sehr innigen Wangenküssen begrüßen konnte.

"Millie hat recht. Wenn du wütend wirst siehst du noch anziehender aus", hauchte sie ihm zu. Dann fragte sie nach dem Abladeplatz für mitgebrachte Geschenke, ging noch einmal hinaus und ließ fünf Pakete hereinfliegen, die sie mit Zauberstabbewegungen ins Wohnzimmer transportierte.

"Im Garten feiern wir, Madame Latierre", sagte Camille, wobei die Anrede ihr wohl doch etwas schwer über die Lippen kam. Mildrid bedankte sich höflich und folgte ihrer großen Schwester.

"Hinsetzen, Monsieur Latierre!" Zischte Camille. julius fiel fast auf den Begrüßungsstuhl. Da trällerte auch schon wieder die magische Willkommensbotschaft. Diesmal waren es Jeanne und Bruno mit Viviane, sowie die Brickstons mit Babette und Claudine. Joe sah Julius an wie einen Außerirdischen, während Catherine ihn aufmunternd ansah und Babette etwas verhalten lächelte. Doch Jeannes und Brunos gute Laune steckte sie dann doch an. Sie beglückwünschten Julius noch einmal und sagten, daß sie sich über die Einladung sehr gefreut hatten.

"Na, fühlt sich irgendwie komisch an, einen anderen Nachnamen zu haben, nicht wahr?" Meinte Bruno zu Julius.

"Ich werde gerade erst so richtig damit warm", erwiderte Julius. Bruno sah ihn verschwörerisch an und sagte:

"Klar, wo du schon vor Monaten Hochzeitsnacht hattest ist das richtig warm." Jeanne stupste ihn verärgert in die Seite, grinste dann aber.

"Die beiden werden schon herausfinden, wie sie Spaß haben können und wie viel Ernst sie dafür aushalten müssen." Dann wandte sie sich an ihre Mutter, die nur auf das Wohnzimmer deutete. Julius nahm wieder Platz und ermöglichte damit Aurora Dawn, von der Zauberstimme hereingebeten zu werden.

"Ein bißchen schnell ging das schon, nicht wahr, Julius? Aber ich sagte es dir ja schon in anderen Situationen, daß du in übergroße Kleider noch reinwachsen kannst. Besser als wenn sie schon zu eng sind."

"Ich hoffe, ich habe dich nicht traurig gemacht, Aurora", erwiderte Julius darauf.

"Weil ich noch keinen länger als ein paar Monate halten konnte, Julius? Vielleicht sollte es so sein, daß ich für andre Sachen freibleibe und meine Aufmerksamkeit auf die Leute richte, die mich sehr nötig brauchen. Ich bin weder traurig noch bin ich Millie und dir böse. Du machst deinen Weg mit ihr zusammen, und wenn ihr möchtet, daß ich euch dabei helfe, dann bin ich da."

"Danke, Aurora", antwortete Julius ehrlich ergriffen. Die Heilerin nickte ihm zu und ging durch das Wohnzimmer in den Garten. Dann kamen die restlichen Dusoleils und Virginie mit Aron.

"Mußtest mir doch noch zuvorkommen, wie, Julius. Ich habe das gerade gehört, daß Hercules und seine Freundin höchst verärgert abgehauen sind. Freiwillig oder auf Anweisung?"

"Ich wollte mir von denen nicht den Tag vermiesen lassen, Virginie", knurrte Julius. Er strich sanft über ihr himmelblaues Kleid, das sich seidig und glatt anfühlte. Aron sagte nur zu ihm:

"Tja, die Latierres lassen nie was lange rumstehen, was ihnen was bringt, Julius. Morgen tanzen wir dann den ersten Walzer mit unseren Frauen. Ab da haben es dann alle kapiert."

"Stimmt", grinste Julius. Daran hatte er nicht gedacht. Das hellte seine Stimmung wieder sehr kräftig auf.

Als alle Gäste durch die Tür getreten waren führte ihn die Hausherrin in den Garten und brachte ihn zu einem Tisch, wo alle Gäste unter Siebzehn saßen, auch Babette. Céline und Robert hatten wohl in der Zwischenzeit gehört, was mit Julius und Millie los war. Céline wirkte zwar verbittert, schenkte Julius jedoch ein Nicken, als er links von Millie platznahm. Robert sah die beiden leicht verstört an, schien nicht zu wissen, ob er jetzt nicht doch besser wieder aufstehen und weggehen sollte. Als alle saßen mentiloquierte ihm Camille, er möchte die Gäste begrüßen und ihnen die Kunde übermitteln, daß er ab zwölf Uhr diesen Tages als Monsieur Julius Latierre eingetragen sei. Als er das mit einer Mischung aus Freude und gespannter Erwartung tat, und Millie sehr erfreut in die Runde strahlte, knurrte Céline nur:

"Hast du ihn schon rumgekriegt, dir wie meine Schwester ein Balg andrehen zu lassen, Mildrid?"

"ich werde dann von ihm das erste Kind kriegen, wenn wir beide finden, daß wir dafür von keinem dumm angemacht werden", erwiderte Millie völlig locker und sah die Hexen an, die ihr das wohl neiden konnten wie Céline, Gloria und Myrna. Pina warf Julius sehr verbitterte Blicke zu. Doch sie blieb ansonsten gefaßt. Kevin sah ihn sehr verstört an, blickte dann Millie an, befand wohl, daß sie zumindest toll aussah, und sah Julius fragend an. Offenbar wollte er die ganze Geschichte hören. Ein Tuscheln setzte an den Tischen ein. Die, die jetzt erst die Neuigkeit erfuhren, überschütteten ihn mit Fragen, wie und wo, wann und warum jetzt schon. Dann sprach Martha Andrews:

"Sehr geehrte Damen und Herren, egal welcher Altersgruppe! Ich, die im wesentlichen der Grund bin, warum Sie und ihr heute alle hergekommen seid, habe es am Anfang nicht wahrhaben wollen, mich immer wieder gefragt, ob es nicht zu schnell ging. Aber ich hatte genug Zeit, darüber nachzudenken, daß es meinem Sohn mehr Freude, Halt und Zuversicht bringt, wenn er hier und heute schon weiß, daß sein Leben einen Sinn hat und daß er seinen Weg nicht alleine gehen muß. Ich habe ihm, da er selbst noch nicht das nötige Alter erreicht hat, meinen mütterlichen Segen erteilt und der frühzeitigen Verbindung zwischen Mildrid und ihm zugestimmt. Da hier alle die sitzen, die meinem Sohn gute Freunde und Kameraden geworden sind, bin ich sehr zuversichtlich, daß Sie und ihr ihm weiterhin beistehen und gute Freunde oder Kameraden sein werdet. Willkommen in unserer Familie, Mildrid Ursuline!" Bei den Letzten Worten trat sie zu Millie hin, umarmte sie und küßte sie. Diese Geste verdutzte selbst Julius. Hatte seine Mutter sich das schon vorhin ausgedacht oder ganz spontan entschieden? Millie erwiderte den Kuß behutsam und bedankte sich. Dann ließ sie sich wieder neben julius nieder.

"Ich hoffe, ich habe jetzt keinen Feind im Schlafsaal von Beaux", raunte Julius, nachdem alle anderen wieder in Getuschel verfielen.

"Culie hängt an Sammies Haken, Monju. Der ist sauer, weil sie sauer ist und meint, das wäre wegen dem Pokal. Aber die Abfuhr, die du dem erteilt hast war richtig. Ich habe mich schon mit Pina unterhalten, als Gloria sie mir vorgestellt hat. Die haben alle eine Scheißangst, die aus Großbritannien rübergekommen sind. Und der Junge, der fast so schönes Haar hat wie ich, der schiebt die volle Panik. Wenn da jemand rumbölkt, er könne im nächsten Jahr in einem Quidditchturnier versenkt werden, dann ist das echt sowas von trollhirnig, daß dem nicht zu helfen ist. Eure Saalkönigin und Giscard werden dem schon zeigen, was echt wichtig ist, wie sie uns ja schon geschrieben haben, was wir gefälligst zu beachten haben. Also lass dich bitte nicht von Bernies abgelegtem und von Sammie aufgelesenem Typen runterziehen. Körperlich bist du dem über, mit Magie sowieso und geistig, auch wenn der was anderes rumseiert, auch um mehrere Besenlängen voraus."

"Na ja, aber du mußt nicht in einen Schlafsaal rein und hoffen, daß dein Bett noch geradesteht oder deine Sachen ganz bleiben. Außerdem könnte der uns ein Ei legen, indem er rumerzählt, wir würden es hier oder da treiben."

"Interessant, das könnte er versuchen. Dumm nur, daß Madame Rossignols nette Silberbänder hier das jederzeit widerlegen können. Lass ihn ruhig in seine eigene Falle rennen, Monju! Wenn der meint, uns in das Besenende reinrasseln zu müssen, dann fliegt er runter und nicht wir." Julius nickte ihr zu. Das stimmte. Auch wenn es ihn etwas traurig stimmte, daß er vielleicht einen guten Klassenkameraden verloren hatte. Er hatte den Weg gewählt und sollte nun, wo er als Ehemann geführt wurde, auch wie ein Mann weitergehen, aufrecht und allen kommenden Hindernissen zuversichtlich entgegensehend.

Unter lautem Beifall blies er eine Viertelstunde später die fünfzehn weißen Kerzen auf der von Camille und Jeanne gebackenen Geburtstagstorte aus. Dabei wünschte er sich in Gedanken, daß sie alle, wie sie hier saßen, sowie ihre Freunde und Familienangehörigen, auch im nächsten Jahr noch am Leben waren. Zwar hatte er bisher wenig Glück mit seinen Geburtstagswünschen gehabt, aber das hieß nicht, daß er nicht alles versuchen sollte, um für sich, seine Frau und alle seine und ihre Freunde und Verwandte das Beste zu erreichen.

Millie machte sich einen Jux daraus, Julius mit der leckeren Schokoladentorte zu füttern, worauf er auch ihr eine Gabel nach der anderen in den Mund schob, erst etwas ungeschickt, dann immer besser werdend. Alle Pärchen, Geschwister- und Ehepaare ahmten dieses kindliche Vergnügen nach. Martha Andrews, die neben Aurora Dawn saß nahm es hin, daß die Heilerin sie mit Kuchen fütterte. Sie bewies, daß sie als Mutter in der Kunst des gabelweisen Fütterns doch noch nicht eingerostet war, während Joe versuchte, Catherine davon abzubringen, ihn wie ein Kleinkind zu füttern. Babette fand in Denise eine Fütterpartnerin. Die beiden Mädchen giggelten immer wieder, wenn sie die Kuchenstückchen nicht mundgerecht weitergaben und ihnen Schokoladencreme oder Kuchenkrümel im Gesicht oder auf der Festagskleidung hängenbliebn. Er sah zu Brittany hinüber, die offenbar von Jeanne oder Camille erzählt bekommen hatte, daß der Kuchen nur aus pflanzlichen Zutaten gebacken worden war. Denn sie machte bei der lustigen Aktion mit, indem sie Melanie fütterte und sich von dieser füttern ließ.

"Eh, Myrna ist gut mmmpfetzt", mampfte Gloria, weil ihre Cousine sie immer wieder mit neuen Gabeln voller Kuchen traktierte, wo für Gloria das Spiel langsam zu albern wurde. Kevin hatte erst verhalten grinsend zugeguckt, bis ihm Patrice eine volle Gabel paßgenau zwischen die Zähne bugsierte. Sixtus sah erst etwas betrübt auf seine Pflegehelferkameradin, begriff aber, daß Kevin offenbar mehr Aufmunterung brauchte als er.

Nach der gegenseitigen Fütterungsrunde ging Julius um die beiden großen Tische herum, um sich mit den Gästen zu unterhalten. Natürlich hatte er zunächst zu erzählen, wieso er jetzt schon verheiratet sei. Dann ging es um die Freunde oder Familienangehörigen. Als er bei Kevin war, der sich von Patrice Duisenberg doch etwas hatte aufheitern lassen, ließ er sich schildern, was in den letzten Wochen in Großbritannien so vorgefallen sei. Kevin offenbarte ihm, daß entgegen dem Tagespropheten und anderen Zeitungen nichts unter Kontrolle war. Das Ministerium verhaftete panisch drauf los, immer in der Hoffnung, wirklich gefährliche Zauberer und Hexen zu erwischen. Das sorgte neben den Anschlägen und Drohungen noch mehr für Unordnung.

"Ich weiß echt nicht, wo meine Tante Siobhan ist. Sie könnte tot sein oder von ihm, dessen Name nicht genannt werden darf gefangengehalten werden oder in Askaban sitzen, weil das Ministerium sie für eine Verschwörerin oder sowas gehalten hat, Julius. Du kannst echt froh sein, daß ihr hier in Frankreich wohl Ruhe vor dem Typen und seiner Mörderbande habt." Dann sagte er unter einem Tränenausbruch: "Gestern erst haben meine Eltern das fiese Klagen einer Todesfee gehört, Julius. Du weißt, was das heißt?"

"Wenn es wirklich eine War, Kevin", versuchte Julius abzuwiegeln. "Außerdem könnten die von diesem Drecksack unterjocht worden sein, Familien in Irland und anderswo gezielt zu erschrecken."

"Neh, die lassen sich nicht so rumkriegen, Julius. Die kommen nur dahin, wo bald wer stirbt oder nach dem Tod keine Ruhe gefunden hat", jammerte Kevin. Patrice reichte ihm wortlos ein Taschentuch. Robert, der rechts von Kevin saß, fragte Julius was sei. Julius erwiderte, daß Kevin sich fürchtete, weil seine Eltern Todesfeen oder Banshys gehört zu haben dachten und was diese Wesen, die es eigentlich nur in Irland gab bedeuteten.

"Oha, dann hat er jetzt totale Angst, seine Eltern könnten bald draufgehen?" Fragte Robert. Julius nickte und übersetzte Kevin nur, daß Robert keine Todesfeen kenne, worauf Kevin ihm "Hast du ein Glück" übermitteln ließ. Er merkte es entweder nicht oder empfand es nicht als lästig oder aufdringlich, daß Patrice ihn mit dem rechten Arm zärtlich umfangen hielt, als wolle sie ihr eigenes Kind trösten. Julius dachte einen fiesen Augenblick lang, sie könnte ihn gleich noch auf ihren Schoß heben und ihm ein beruhigendes Lied vorsingen. Aber er hütete sich davor, irgendwas in der Richtung anzudeuten.

"Haben deine Eltern genügend Schutzzauber um ihr Haus gelegt?" Fragte Julius.

"Ein paar, Julius. Aber was bringt das, wenn sie zum Essenholen rausgehen müssen", seufzte Kevin. Julius Latierre erschauerte richtig. Der sonst so freche, draufgängerische Bursche saß da wie ein Häufchen Elend. Womöglich hinderte ihn nur die Angst sich zu blamieren daran, richtig loszuweinen oder zu zittern.

"Kennt ihr Sanctuafugium?" Fragte Julius. Kevin schüttelte den Kopf. Der frisch verheiratete Jungzauberer wiegte dann den Kopf. Er hatte ja gehört, daß das ein ziemlich alter, heute noch selten gebrauchter Wehrzauber war. Wer ihn nicht kannte, konnte ihn ja auch nicht um das Haus legen. So sagte er schnell: "Den können auch nicht viele. Soll ein Grundstück und ein Haus sichern. Patrice wandte sich ihm zu und fragte halblaut auf Französisch:

"Ist einer von seinen Eltern gestorben, Julius?"

"Nein, aber er hat Angst davor", erwiderte Julius und übersetzte es schnell für Kevin. Gloria kam herüber und fragte Robert, ob er sich rechts von seiner Freundin hinsetzen könne, weil sie gerne für Kevin und ihn und die anderen Franzosen neben ihm übersetzen würde. Robert nickte und tauschte mit ihr den Platz. Julius nickte Gloria Dankbar zu. Diese deutete behutsam auf die Reihe links von ihr.

"Ich bleibe erstmal bei ihm, Julius. Da sind noch andere, die mit dir sprechen möchten und von weit her gekommen sind." Kevin nickte beipflichtend. Julius bedankte sich auch bei Robert und Céline, die ihm nicht ganz so feindselig begegnet waren wie Belisama und Hercules. Er ging weiter zu Pina und Olivia. Auch diese erzählten ihm, daß sie von unheimlichen Vorfällen in ihrer Zaubererwelt-Verwandtschaft gehört hatten. Aber im Moment würde vom Ministerium noch die Weisung "Keine Panik" verbreitet. Doch selbst gingen immer wieder Auroren und Unfallumkehrmagier durch die Straßen und würden zusehen, ob sie versteckte Todesser aufstöbern und unschädlich machen könnten. Dann sprachen sie über ihn und Millie. Pina fragte ihn, ob er wegen Claire Angst bekommen habe, was zu versäumen oder warum er und Millie so übereilt zusammengekommen wären. Er erzählte ihr ganz ruhig, wie er Millie kennengelernt hatte, wo er noch mit Claire gegangen sei und warum sie ihm damals so auf die Nerven gegangen wäre. Olivia wandte dazu nur ein, daß das meistens hieß, daß jemand einem nicht ganz egal war. Pina grummelte ihre kleine Schwester an, daß die doch erstmal erleben müsse, was so eine Beziehungskiste denn sei. Doch dann ließ sie sich von Julius in kurzen Sätzen zu Ende erzählen, wie er nach Claires Fortgang - weil er das Wort Tod nicht benutzen wollte - erst ziemlich tief unten gewesen sei und nur gelernt und gelernt habe. Dann so im Frühling seien ihm mehrere Mädchen wieder nachgelaufen, und letztendlich habe Millies Mutter ihm und ihrer Tochter vorgeschlagen, sich einem magischen Gegenstand zu stellen, der prüfte, ob sie beide seelisch zusammenpaßten. Weil das zutraf, hätten sie auf Anweisung derer, die diesen Gegenstand besäßen auch körperlich zusammengefunden. Wie es genau ging verriet er jedoch nicht. Auch ließ er aus, daß Millie und er in den nächsten drei Jahren ein Kind zusammen haben sollten.

"Tja, das würde Onkel Ryan aber wohl ziemlich komisch vorkommen", warf Olivia ein. Julius fragte sie, was Mr. Sterling denn damit zu tun hätte. Pina sah ihre Schwester leicht verdrossen an, nickte ihm dann aber zu und erwähnte, daß Dr. Sterling, der Schulkamerad von Julius' Vater, am ersten August zum Geschäftsführer seiner Firma befördert werde und daher gerne mit alten Freunden und Weggefährten, sowie deren Verwandten feiern würde.

"Ach, und er wollte Mum und mich einladen, obwohl mein Vater nicht mehr hingehen kann?" Fragte Julius hintergründig lächelnd.

"Kann sein, daß die Einladung schon bei euch im Briefkasten oder auf diesem Telefonbeantwortungsgerät drauf ist", wandte Pina ein. Dann sagte sie noch: "Ich weiß aber nicht, wie Onkel Ryan und Tante Claudia das wegpacken, daß du jetzt nicht mehr Andrews heißen sollst."

"Außerdem müßte ich dann Millie fragen, ob sie mitkommen wollte, und nachdem, was ihr gerade so über die Lage in der alten Heimat erzählt habt könnten deren Eltern es ihr bestimmt und mir ziemlich wahrscheinlich verbieten wollen, dahinzugehen. Abgesehen davon wäre das mit dem Flohnetz wohl nicht mehr drin, wenn Scrimgeour und Genossen alle Knotenpunkte zumachen oder doppelt überwachen."

"Ich wüßte jetzt auch echt nicht, wie ich Onkel Ryan das erzählen soll", grummelte Pina. "Er sagte unserer Mum, daß er fast alle zusammenhätte, auch den "geheimnisvollen Mr. U." Olivia durfte sogar die Fieldings und Addy Moonriver einladen."

"Tja, vielleicht hättest du ihm das vorher schreiben sollen, daß er bloß nicht heiratet, damit seine wohl nun mit reinredenden Schwiegereltern ihm das nicht verbieten können", feixte Olivia, die offenbar Gefallen daran fand, daß Pina nicht ganz so begeistert von Julius' Veränderung war.

"Wenn Mum und ich wirklich eine Einladung von eurem Onkel kriegen können wir ja immer noch absagen. Ich denke nämlich, daß Mum diesem "geheimnisvollen Mr. U." nach Möglichkeit sehr weit aus dem Weg bleiben möchte", kam Julius einer Antwort Pinas zuvor. Diese sah ihn fragend an. Doch er sagte nicht mehr dazu.

Nach ungefähr zehn Minuten ging er weiter. Er unterhielt sich auch mit den Hollingsworth-Zwillingen über seine Blitzhochzeit aus elterlichen Gnaden. Er erfuhr, daß Bettys und Jennas Mutter gerade in der Schweiz bei einem Treffen internationaler Zaubereigeschichtler sei und in den Nächsten Tagen nach Marokko weiterreisen würde, um die internationale Heilerkonferenz zu beobachten. Da wollte ja auch seine Schwiegertante Béatrice Latierre hin. Womöglich hatte Aurora Dawn deshalb auch den Zwischenstop in Millemerveilles einlegen können, um von hier aus über das Mittelmeer nach Nordwestafrika zu reisen. Er wünschte beiden, daß sie eine gute Rückkehr nach England hatten und vor allem von den Unruhen dort verschont blieben. Jenna wünschte ihm auch glück und gab ihm die besten Wünsche für das neue Leben mit Mildrid mit auf den Weg. Julius bot an, diese zu fragen, ob sie bei ihnen vorbeischauen mochte. Betty und Jenna nickten. So ging er weiter, bis er bei seiner Frau ankam und sich einige Minuten mit ihr über das, was er gehört und besprochen hatte zu unterhalten. Sie nickte ihm zu und verkündete leise, daß sie dann auch einmal um den Tisch herumgehen und die alten Schulfreunde von Julius kennenlernen möchte.

"Céline hat offenbar Burgfrieden mit dir geschlossen, Millie. Sie hat ja eingesehen, daß du Claire nichts wegnehmen kannst, wenn sie nicht mehr da ist."

"Ist ja nett, Süßer", grummelte Millie. Dann drückte sie ihm noch einen Kuß auf die rechte Wange und schlenderte um den Tisch herum. Julius indes besuchte die erwachsenen Geburtstagsgäste. Vor allem bei den Porters hielt er sich länger auf, weil die natürlich mehr über ihn und Mildrid wissen wollten. Die Montferres richteten seine durch das Gespräch mit Kevin, Pina und den Hollingsworths abgesunkene Feiertagsstimmung wieder auf, indem sie ihm gute Ratschläge mitgaben, was er bei Millie zu beachten hatte und was nicht. Martine bekam das mit und kam herüber.

"Mädels, wenn hier eine weiß, wie meine Schwester richtig zu behandeln ist bin ich das", sagte sie. Dann wandte sie sich an Julius und riet ihm:

"Sag nicht immer ja, wenn sie was von dir will, weil du sie sonst langweilen könntest! Zeig ihr immer, daß du eine eigene Meinung hast und von alleine denken kannst! Aber hör dir immer an, was sie zu einer Sache denkt. Sie ist zwar eine heißblütige Hexe, die noch nicht ganz raus hat, wie sie ihre Kraft richtig einsetzen soll. Aber sie hat Ahnung davon, wie Leute so empfinden können. Ihr hat es schon imponiert, daß du dich gegen die dir aufgepfropften Richtlinien zu dieser Sache mit den Mondtöchtern bereitgefunden hast. Ich weiß, daß meine Schwester sich diesmal den richtigen ausgesucht hat. Das habe ich gespürt, als wir beide über die Brücke gehen wollten und habe es eben gerade gesehen, wie behutsam du mit dem irischen Jungen da umgegangen bist. Patrice scheint ihn aber noch besser im Lot zu halten."

"Kann sie vielleicht auch das, was ihre Nichte kann?" Fragte Julius leise.

"Falls ja hat die das ziemlich gut verheimlicht. Ich denke aber daß ihre Nichte Corinne in dieser besonderen Sache empfänglicher ist."

"Hercules meint, ich hätte die grüne Mannschaft verraten", fiel es Julius wieder ein.

"Dann sieh zu, daß die Maxime dich beim nächsten Schuljahresanfang noch mal über den Teppich laufen läßt! Dann kämst du doch noch in den roten Saal rüber, und hättest keinen verraten. Der spinnt doch der Bubi!" antwortete Sabine.

"Der ist von Bernadette für das restliche Leben geschädigt", stellte Sandra fest. Julius wagte es nicht, zuzustimmen oder dagegenzusprechen. Das würde eh noch was geben, wenn er wieder nach Beauxbatons kam.

Er setzte seine Runde nach einigen Minuten fort und unterhielt sich mit den Dusoleils, die ihm offenbar nicht böse waren, daß er kaum ein Jahr nach Claires Weggang eine andere und diesmal so fest wie es gesellschaftlich ging an seiner Seite hatte.

"Du hättest Claire mehr wehgetan, wenn du dich das ganze Leben lang in dich selbst verkrochen hättest, Julius. Ob es nun Mildrid ist, eine ihrer Verwandten, Belisama oder eine deiner früheren Schulkameradinnen, hauptsache ist, daß du mit deiner Wahl glücklich lebst. Aber das mit Hercules eben hat mich sehr wütend gemacht. Dagegen ist das, was der arme Junge da letztes Jahr angestellt hat noch irgendwie witzig." Camille deutete auf Kevin, der zwischen Gloria und Patrice Duisenberg saß und sich so ruhig er konnte unterhielt. "Ist schon traurig, daß dieser Bengel da so früh wirklich finstere Sachen erleben muß", fügte sie noch hinzu. Dann mentiloquierte sie Julius: "Damit zeigt sich, daß er weniger Stehvermögen aufbringt als du, so schlimm das jetzt auch klingt." Julius schüttelte den Kopf. Wieso hatte er denn besseres Stehvermögen? Als sein Vater nicht mehr zu retten war war er fast zusammengebrochen. Als Claire wegen seiner Neugier ihren Körper und damit ein vielleicht sehr schönes Hexenleben verloren hatte, hätte er sich immer wieder selbst gerne einen Fluch aufgehalst, um aus der Welt zu verschwinden. Und die Last des alten Erbes, die auf ihm ruhte? Würde er die denn wirklich tragen können? Doch er sagte nicht mehr dazu und mentiloquierte es auch nicht. Er unterhielt sich nur noch über die nächsten Tage in Millemerveilles. Dann zog er weiter und besuchte die Brickstons. Offenbar hatten seine Mutter und Catherine Joe ziemlich gründlich beredet. Joe fragte ihn nur, wie sehr es bei ihm und Millie auf das körperliche ankam. er erläuterte ganz ruhig und sich nicht provozieren lassend, daß Millie und er Gefallen am Liebesspiel hätten, aber auch nicht wollten, daß es ihnen langweilig würde und sie wohl beiden zuträgliche Ruhepausen einlegen würden, "wie jedes Ehepaar halt", beendete er seine Ausführung.

"Gut, ich weiß, daß Babette schon sehr viel mitbekommen hat. Aber ich möchte dich und damit auch ... deine Frau ... bitten, wenn ihr meint, ihr müßtet es mal wieder miteinander tun, Rücksicht auf Babette und Claudine zu nehmen. Außerdem könnte deine Mutter sich angewidert oder benachteiligt fühlen."

"Ich habe euch nie gehört, und ihr werdet uns auch nicht hören, Joe", warf Julius nun doch etwas abfällig ein. Joe errötete leicht, während Catherine ihn tadelnd ansah, aber dann lächeln mußte. Dann fragte sie ihn, ob Mildrid sich mit den Bedingungen für Beauxbatons gut anfreunden würde.

"Das werden wir wohl erst da selbst mitkriegen, Catherine", wandte Julius ein. "Kann mir aber vorstellen, daß deine Mutter sich einen nach dem anderen gegrinst hat, als sie uns diesen Verhaltenskatalog zugeschickt hat."

"Gegrinst hat sie nicht. Sie empfindet es wohl eher als eine Genugtuung, daß ihr beiden nicht meint, eine Frühehe sei eine Lizenz zum Unsinntreiben. Außerdem hat Line sie heute morgen zusammen mit Hippolyte, Béatrice und Charles besucht und sich lange mit ihr in ihrem Arbeitszimmer unterhalten. Sie wirkte danach zwar sehr verdrossen, aber nicht rachsüchtig." Mentiloquistisch fügte sie hinzu: "Die wenigen Minuten in Hippolytes Schoß haben sie wohl drastisch davon abgebracht, sich zu sehr einzumischen." Julius mußte grinsen, was von Catherine ein verärgertes: "Wirst du wohl die Regeln einhalten" unter seiner Schädeldecke eintrug. Er wurde schlagartig wieder ernst. Sie sagte dann noch für Ohren vernehmbar: "Sie meinte auch zu mir, daß es offenbar besser so sei, wenn du mit allen Konsequenzen in diese feste Beziehung hineingeführt würdest. Sie verachte zwar immer noch Lines Sippschaft, könne aber wohl außerhalb von Beauxbatons nichts dagegen tun, daß sie dich vereinnahmt hätten. Und innerhalb der Schule sei sie wie ihr beiden an die Schulregeln gebunden."

"Ich träumte heute Nacht, sie hätte Martine und mich in eine Androgyne Lebensform verschmolzen", mentiloquierte er an Catherine.

"Wäre zwar ein probates Mittel gewesen, dich von Mildrid fernzuhalten, aber ein Basilisk, der den Drachen vertreibt, Julius. Außerdem stehen dem so viele Gesetze im Weg, deren Mißachtung ihr beide nicht wert wäret", gedankensprach sie.

Julius ging weiter und unterhielt sich mit den van Helderns, die nach der kalten Begrüßung etwas aufgetaut waren und ihm alle Freuden, aber auch den nötigen Ernst eines echten Ehelebens wünschten. Bei Seraphine hörte er sich an, daß sie wohl im September auch heiraten würde. Als er dann wieder bei seiner Mutter ankam, sah er, daß Millie sich mit den Watermelons unterhielt.

"Haben sie dir alle noch glück und Segen gewünscht oder was, Julius?"

"Joe meinte, ich sollte nachts seine Kinder nicht aufwecken, die Montferres und Martine haben mir ein mündliches Handbuch für Mildrid ins Hirn gepflanzt und Barbara van Heldern meinte, ich solle bei aller Eile, die diese Eheschließung an den Tag gelegt hätte noch Zeit finden, groß und stark zu werden, weil ich das bei Millie wohl bräuchte."

"Die wird es wohl wissen", erwiderte seine Mutter amüsiert. Dann schickte sie ihn wieder zurück an seinen Tisch, wo er sich wieder mit Carmen, Sandrine und Gérard unterhielt. Laurentine saß mittlerweile bei Babette und sprach mit ihr den morgigen Ablauf ab. So verging noch eine gute Viertelstunde, bis Camille um Ruhe bat und dann alle aufrief, Julius ins Wohnzimmer zu folgen, wo seine Geschenke auf ihn warteten. Er führte die Gästeschar ins geräumige Zimmer, wo er eine kleine rote Truhe mit silbernen Beschlägen sah, auf der in goldenen Buchstaben zu lesen stand: JULIUS LATIERRE 07. 20. 1982 Julius bekam ganz große Augen. Das war nicht dieselbe Wandelraumtruhe, die die Dusoleils benutzten. Außerdem stand da sein neuer Familienname drauf. Wann hatte Florymont dieses Ding denn fertiggestellt? Die Frage stellte er laut.

"War ein wenig knapp in der Zeit. Aber ich konnte den neuen Namenszug noch vor drei Uhr einarbeiten. Die Truhe ist unser Geschenk für dich, deine Mutter, Mildrid und alle eure irgendwann mal ankommenden Kinder. Ein warmherziger Engel hat mich im Traum gebeten, eine solche Truhe für euch zu bauen." Julius stutzte. Mit dem lieben Engel konnte nur Ammayamiria gemeint sein. Er ging auf das magische Möbelstück zu und sah, wie sein Deckel aufschwang und ihm eine undurchdringliche Schwärze entgegengähnte. Er fragte, ob seine Mutter da denn auch was herausholen konnte und erfuhr, daß der wahre Träger des auf der Truhe stehenden Namens unangefochten in sie hineingreifen und jede Minute einen darin verborgenen Gegenstand herausziehen konnte. Catherine warf ein, daß magische Möbel eigentlich nicht in Marthas Wohnung gehörten. Florymont grinste dazu nur und verwies darauf, daß das Haus ja auch einen Keller besaß, in dem die Truhe stehen konnte. Dann schwieg er, während Julius die Augen schloß, um nicht sehen zu müssen, wie seine Hände in der schwarzen Undurchdringlichkeit verschwinden würden. Er griff in die Truhe und fühlte etwas kribbeln, als lange er in ein starkes elektrisches Feld hinein. Dann fühlte er etwas zwischen seinen Händen zittern, packte zu und zog etwas ohne weitere Schwierigkeit aus der Truhe heraus. Er öffnete die Augen und erkannte ein kleines Paket mit der Aufschrift "Von Aurora Dawn". Er ging zum freigeräumten Tisch und packte es aus. Zum Vorschein kamen ein silbernes Armband ähnlich dem Pflegehelferschlüssel, allerdings mit daran entlang eingravierten Runenlinien, die er als "Rufen, Gefahr" und "Erkenntnis" entzifferte. Neben diesem Armband lag noch ein Ding wie ein abgebrochener Schlüssel aus scheinbar purem Gold, in dem die Runen für "Wege" und "Öffnen" eingraviert waren. Außerdem war eine neue Flasche Sonnenkrauttinktur dabei und ein Prazap-Unfeuerstein, um Feuer in hundert Metern Umkreis zu löschen oder Brände in diesem Umkreis zu verhindern.

"Huch, damit darf ich aber nicht hierbleiben, wenn Camille und Florymont den Kamin anhaben wollen", sagte er, nachdem er sich bedankt hatte.

"Der Stein muß alle vierundzwanzig Stunden mit dem Zauberstab angestoßen werden, um zu wirken", erklärte Aurora. "Das Armband ist ein Frühwarner, der vibriert, wenn böswillige Wesen in deine Nähe kommen, je mehr und böser desto stärker. Mir hat ein baugleiches Armband schon einigemale das Leben gerettet und einem Schulkameraden von mir aus der Abhängigkeit von einer Sabberhexe geholfen. Ich denke, du kannst es sicher gut gebrauchen."

"Wo gibt's sowas?" Fragte Kevin Malone sehr aufgeregt.

"Bei Prazap."

"Würde ich jetzt keins mehr bestellen, Kevin, weil in der Winkelgasse zu viel Gesocks mit scheinbar wirksamen Schutzartefakten herumstrolcht", sagte Gloria. "Ich lasse uns vom L.I. welche machen. Ich kriege das hin, das deren Bastelonkel Hammersmith mal eben sechs auflegt."

"Bringt ja auch nix, wenn in Hogwarts die Slytherins die Dinger andauernd zum zittern bringen", grummelte Kevin. "Aber meine Eltern könnten sowas wohl gebrauchen." Julius fragte dann noch nach dem kaputtwirkenden Schlüssel.

"Das ist ein Porta-Urgente-Schlüssel. Wenn du aus einem verschlossenen Raum fliehen mußt kannst du ihn gegen eine feste Wand drücken und machst damit für zwei Sekunden eine Passage durch. Geht aber nur, wenn du Angst fühlst. Sonst könnten ja Diebe und Scherzbolde nach Belieben in verschlossene Räume rein. Den hat meine Cousine Arcadia vor einem Jahr patentieren lassen."

"Wieso, es gibt doch Alohomora und Reducto", wandte Julius ein.

"Ja, aber wenn durch die einzige Tür des Raums bereits wer böses reinkommen will und die Wand zu fest ist, um sie mit einem Reducto zu durchstoßen ist das allemal schneller und sicherer. Du kannst den Schlüssel an einem Ring oder einer Kette befestigen", erklärte Aurora Dawn. Julius bedankte sich, obwohl ihm Mulmig wurde, daß sie ihm Sachen zur Flucht aus tödlichen Gefahren geschenkt hatte.

Sein nächster Griff in die Truhe holte das Geschenk von Barbara van Heldern heraus, einen magischen Terminplaner, wo er die Kurse und Wiederholungsstunden für die ZAGs eintragen konnte. Martha meinte, das sei dann wie ein kleiner computer, der als Terminkalender, Wecker und Adressenverzeichnis benutzt werden konnte. Gustav schenkte ihm Ohrenschützer gegen den Schrei von Alraunen, einen Satz dickerer Drachenhauthandschuhe und ein Buch über die fünf belgischen Quidditchmannschaften. von seinen Klassenkameraden aus Beauxbatons bekam er Bücher zu seinen Lieblingsfächern Zaubertränke, Kräuterkunde, Zauberkunst und magische Tierwesen, alle schon für UTZ-Klässler empfohlen. Pina schenkte ihm zusammen mit Olivia ein Teleskopstativ, das auf Zuruf ein Teleskop auf einen bestimmten Stern, ein Sternbild oder einen Planeten ausrichtete.

"Das lassen die dir im Astronomieunterricht aber nicht durchgehen", meinte Gloria dazu. Millie übersetzte es für Céline, Robert und die anderen, die kein Englisch konnten.

"Braucht er eh nicht", warf Laurentine ein. "Der hält doch in Astro die Bestnote. Da bin ich ja noch schlechter bei weggekommen, obwohl mein Vater für die Raumfahrtindustrie arbeitet."

Gloria schenkte ihm neben einem Fläschchen Rasierschaum und Pickelverschwindesalbe noch ein Buch über Atlantis aus Sicht der magischen Welt. Von den Dusoleils bekam er neben der Truhe noch einen Mondkraftgürtel, ähnlich dem, den er Claire letzten Sommer geschenkt hatte, aber eben nicht denselben, wie er an einigen Unterschieden erkannte, zwei neue Kräuterkundebücher von der Hausherrin selbst und ein Herboskop, um damit Pflanzen zu untersuchen. Aurora warf ein, daß sie sowas auch einmal geschenkt bekommen habe und zeigte ihm, wie es benutzt wurde. Als er Kevins Geschenk aus der Truhe gezogen hatte, eilte dieser schnell zu Julius hin und flüsterte auf Englisch, er möge es erst wenn er allein sei auspacken. Julius fragte sich, was an einem weiteren kleinen buch, um das es dem Päckchen nach ging, denn so geheimnisvoll sei, wenn Kevin ihm nichts schwarzmagisches unterjubeln wollte. Er wollte es dennoch wegpacken, als Millie und die anderen ihn aufforderten, es auszupacken. "Sei es, das Ding brauchst du ja wohl eh nicht mehr, es sei denn, du willst Millie wieder loswerden", seufzte Kevin leise. Doch Millie und Tine hörten es doch noch und sahen Julius zu, wie er das kleine Buch auswickelte. Er las den Titel und grinste. Tine schnappte ihm ohne Vorwarnung das Buch aus den Händen und las laut: "Zwölf narrensichere Wege, eine Hexe zu bezaubern." Kevin lief knallrot an, während die Hexen ihn mitleidsvoll oder verstimmt anblickten. Tine gab es Julius zurück und sagte: "Für den Fall, daß deine Kreativität nachläßt und du meinst, Millie verlieren zu können", sagte sie laut. Mildrid grinste breit, und die anderen Hexen lachten auch. Kevin funkelte Martine immer noch tomatenrot an. Doch diese blickte ihn freundlich an und sagte ruhig: "Meine Schwester und ich verstehen eine Menge Spaß. Du hast es ja gut gemeint, nachdem er dir sicher geschrieben hat, daß eine Menge Mädchen um ihn rumlaufen und er vielleicht Probleme hätte, sich die richtige auszusuchen." Kevin konnte unter diesem rebraunen Hundeblick Martines nicht mehr anders als lächeln und nicken.

Die Brickstons schenkten ihm einen Space-Shuttle-Flugsimulator für seinen Computer und einen Band über die schönsten Lieder für junge Hexen und Zauberer von ungeboren bis junge Eltern. "Als ob wir's geahnt hätten", sagte Joe dazu. Doch Julius sagte, nachdem er sich für die Geschenke bedankt hatte "Millie und ich sind jetzt irgendwo dazwischen. Also paßt es genau, Joe."

Dann kamen die Pakete der Latierres. Neben weiteren nicht roten Festumhängen, einer Präzisionswaage für Zaubertrankzutaten und diversen Heiltinkturen bekam er "Ein Haus voller Leben", einen umfangreichen, humorvollen Ratgeber für magische Eltern und Großeltern, von Ursuline Latierre. Dann hielt er das im Maßstab 1 : 70 verkleinerte Modell einer Latierre-Kuh mit feinem Wollüberzug in Händen, das auf einem mit grasgrünem Filz bespannten, kreisrunden Brett stand. Am Hals des Modells hing ein kleines rundes Schild mit der Aufschrift "Ich heiße Artemis vom grünen Rain und gehöre Mildrid und Julius Latierre". Julius nickte. Fast hätte er Professeur Faucons Spruch "Quod erat expectandum" gebraucht. Denn das hatte er nach der letzten Nacht wirklich erwarten müssen. Die Kuh stand nämlich für das lebendige Vorbild. Dabei lag noch ein Buch über Entstehung, Zucht und Pflege von Latierre-Kühen inklusive eines aktuellen Verzeichnisses der fünf großen Zuchtlinien. Einem beigelegten Brief Barbara Latierres entnahm er, daß er mit seiner Frau Mildrid am 29. Juli auf den Hof kommen möge, um das Original offiziell in Empfang nehmen zu können. Als Kevin und Babette das begriffen, sahen sie ihn zwischen Bewunderung und Neid an. Babette hatte zwar schon damit gerechnet, daß Julius das offenbar ihm allein folgende Tier überstellt bekommen würde, aber Kevin war völlig baff.

"'ne Latierre-Kuh. Die Biester sind geniale Transporter und Milchlieferanten. Da hätte ich auch eine von den freien Mädels geheiratet, wenn ich so'n Kalb zum Hochzeitsgeschenk kriegte." Millie deutete auf Martine und grinste ihn an.

"Meine Schwester ist noch zu haben."

"Nur ein wenig zu groß geraten", sagte Kevin.

"Was meinst du denn, wie wir sonst die großen Kühe halten könnten", amüsierte sich Martine, die die derbheit ihrer Schwester offenbar locker weggesteckt hatte. "Aber ich denke, bei Killarney oder Waterford wartet bestimmt schon eine Hexe darauf, dich kennenzulernen", fügte sie hinzu. Kevin schien förmlich im Boden einzusinken. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet. Doch er straffte sich schnell wieder und sagte so sicher er konnte, daß er sich noch Zeit lassen wolle. Alle lachten mit ihm zusammen.

Als Julius alle Geschenke ausgepackt, vorgezeigt und sich bei den anwesenden Spendern bedankt hatte, kehrten sie in den Garten zurück, wo sie noch etwas miteinander plauderten, wobei sie beliebig die Plätze tauschten, bis Camille den ersten Gang Abendessen auftrug. Für Brittany hatte sie extra mit Jeanne zusammen eine rein pflanzliche Speisefolge hinbekommen. So wurde die vegane Lebensweise auch zum Gesprächsthema bei Tisch und welche Schwierigkeiten Brittany deshalb hatte überstehen müssen. Kevin, der durch die Art der Latierres und Brittanys die Angst um seine Eltern etwas vergessen hatte, ließ sich von Mildrid noch einmal etwas mehr über die Latierre-Kühe erzählen. Er bedauerte es schon, am späten Abend mit den Watermelons und Hollingsworths noch abreisen zu müssen. Gloria fragte ihn, ob sie wirklich bei Dunkelheit zurückkehren wollten.

"Neh, wir logieren in einem Gasthaus in Paris, das Pinas und Olivias Eltern klargemacht haben. Das ist ein Muggelladen. Da wir eh nicht zaubern dürfen und Pinas und Olivias Mum wen in der Muggelwelt hat, von dem sie genug lernen konnte, pennen wir da eine Nacht, bevor wir durch den Tunnel zurückfahren. Jetzt wo Shunpike in Askaban brummt ist der fahrende Ritter etwas teurer geworden, weil ständig drei Auroren mit Sesos und ein Sicherheitstroll mitfahren.""

"Sesos?" Fragte Millie, die das Wort nicht kannte.

"Klingt leichter als Seriositätssonden", erwiderte Kevin und beschrieb, wie diese magischen Aufspürgeräte benutzt wurden. Julius empfand bei der Vorstellung, daß ein öffentlicher Reisebus von Kampfzauberspezialisten und einem kaum zu haltenden Troll abgesichert wurde ein großes Unbehagen. Wer würde sich da wirklich sicher fühlen?

"Die Kamine haben sie fast komplett zugemacht. Die Privaten werden von eigenen Sperrzaubern abgeblockt und die öffentlichen werden vom Floregulierungsrat doppelt und dreifach überwacht", wandte Betty Hollingsworth ein. "Im Propheten gab es da einen Artikel zu, daß die vom Ministerium damit nur die Personenüberwachung und den Personenverkehr beschränkten, aber keine Todesser kriegen konnten, weil die eh apparierten, auf Besen flögen und wohl auch diesen unhörbaren Denksprech-Zauber konnten."

"Tja, hauptsache, es sieht so aus, als ob was getan würde", grummelte Julius. "Könnte uns hier auch blühen, wenn sie den Irren nicht doch noch rechtzeitig kriegen."

"Ich hoffe das für euch, daß ihr weiter so frei leben könnt, Julius", sagte Jenna zu ihm. "Wir wissen echt nicht, was schlimmer ist, die Todesser oder die Maßnahmen des Ministeriums gegen sie.

"Wenn du das so in einem Pub wie dem tropfenden Kessel oder den drei Besen rausgelassen hättest hätten die dich schon kassiert", knurrte Betty. "Die machen mehr Angst als sie durch ihre Aktionen abbauen können." Millie erkannte, wie dieses Thema Julius sichtlich mitnahm. Sie legte ihren Arm um ihn und sagte:

"Die werdn den kriegen und seine ganze Verbrecherbande dazu, Monju."

"Die Frage ist nur, wie viele Leben bis dahin ausgelöscht werden", grummelte Julius. Darauf konnte ihm Millie nichts entgegnen. Sie konnte ihn nur sicher halten, während sie durch ihren Herzanhänger fühlte, wie Julius von diesen Sachen in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dabei sollte er sich heute doch freuen. Er hatte Geburtstag und hatte heute auch noch geheiratet, also die schönsten Tage im Leben zusammengelegt. Doch sie fühlte auch, daß sie hier und jetzt nicht dagegen ankämpfen sollte. Julius hing natürlich noch an seiner alten Heimat und an den Freunden von da. Er hatte doch auch ein Recht, traurig zu sein oder Angst zu haben. Sie hoffte nur, daß sie ihm von nun an immer beistehen konnte und diese geheimnisvollen Sondersachen, die sie ihm bisher aufgeladen hatten nicht mehr nötig waren, sobald er dieses Ding gefunden hatte, diese Stimme Ailanorars. Da kam Martine auf eine Idee:

"Kevin, ist es sicher, daß deine Familie in großer Gefahr schwebt? Falls ja, dann fragen wir die Dorfrätin für Gesellschaft, ob sie hier Zuflucht finden können."

"Öhm, die dicke Tante?! O Drachenmist. Wenn ich die sowas frage würde die mir erst die Sache vom letzten Jahr um die Ohren hauen."

"Meinte ja nur, weil sie hier in Millemerveilles wirklich sicher wären", sagte Martine etwas verdrossen.

"Meine Eltern würden Irland nie verlassen, nur weil dieser Engländer die Inseln unsicher macht", entgegnete Kevin. "Da werden wir wohl was anderes finden."

"Das wünsche ich euch", sagte Julius.

Es wurde spät, und auf Vorschlag von Camille wurde noch etwas gesungen und getanzt und das Geburtstagskind und dann das komplette Brautpaar hochleben gelassen, was mit Schwebezaubern ja wirklich keine Kunst war. gegen elf Uhr abends holten Bettys und Jennas Vater und die Watermelons ihre Kinder und Kevin Malone ab. Dieser verabschiedete sich nun doch etwas gelöster von den altersgleichen Mädchen und Jungen, wünschte den Erwachsenen noch eine gute Nacht und gab Millie und Julius noch einmal die Hand.

"Ich denke, die haben euch beide deshalb mit diesem Liebesprüfding zusammengebracht, weil sie dich, Julius, aus irgendeiner Kiste raushalten wollen und das nur geht, wenn du einer Zaubererfamilie zugehörst. Ich wünsche euch hundert Kinder, alle zwei Jahre eins."

"Dir und deiner Familie wünsche ich ein Begräbnis in Särgen aus zweihundertjährigen Eichen, deren Samen heute gepflanzt werden", erwiderte Julius so locker wie Kevin gesprochen hatte. Millie lachte auch. Dann verließen die Besucher von den britischen Inseln das Fest. Brittany, Martine, Barbara und Virginie räumten zusammen mit Camille und Jeanne die Tische ab, fegten durch den Garten und das große Wohn- und Esszimmer und ließen die Lichter und Luftschlangen wieder in ihren Paketen verschwinden. Dann sammelte Virginie Laurentine und Babette ein und sagte: "So, meine lieben Brautjungfern, heute ist meine letzte Mädchennacht. Ich bitte euch, mir dabei gesellschaft zu leisten."

"Oja, 'ne Pyjamafete wie damals mit Jeanne und ... Ups! Wollte ich nicht", würgte Babette ihre herrliche Erinnerung ab. Doch Camille lächete und sagte ganz gelöst:

"Das du mit Jeanne und Claire zusammen die Hochzeit vorbereitet hast gehört ganz sicher zu den schönsten Erlebnissen, die Claire hatte. Du mußt dich nicht dafür schämen, ihr diese schöne Erinnerung mitgegeben zu haben. Du weißt ja von Denise, daß sie ja immer noch bei uns allen ist."

"Stimmt ja. Dann gute Nacht zusammen!" Wünschte Babette und umarmte noch einmal ihre Eltern.

"Benimm dich ja anständig!" Gab ihr Vater ihr noch mit. Seine erstgeborene Tochter verzog nur das Gesicht.

"Wir sind in meinem Elternhaus, Monsieur Brickston. Meine Mutter wird da schon aufpassen", beruhigte ihn Virginie. Babette verzog das Gesicht. doch jetzt hatte sie A gesagt und mußte B sagen. So hatte sie es von ihren Eltern und Julius' Familie gelernt.

"Wo gehst du denn jetzt hin, Mildrid?" Fragte Catherine.

"Soweit meine Eltern und Belle-Maman Martha sich geeinigt haben schlafe ich bis zur Rückkehr nach Paris bei meiner Familie."

"Tja, dann ist das nix mit Hochzeitsnacht", feixte Joe. Seine Frau stupste ihn tadelnd in die Seite. Millie sah ihn nur an und sagte:

"Wir hatten die schon. Heute haben die Eltern nur gesagt, daß wir verheiratet sind, Joe." Darauf konnte er nichts mehr erwidern.

"Komm, Joe, bevor Maman uns hier abholen kommt!" Trieb Catherine ihren Mann an, prüfte das Tragetuch für Claudine noch einmal und verließ dann mit ihr und ihm das Haus. Martine und Millie wünschten Julius und seiner Mutter noch eine gute Nacht. Virginies Hochzeit würde ja am Mittag des nächsten Tages sein.

Vor dem Schlafengehen sprach Julius noch einmal mit seiner Mutter über die mögliche Einladung von Pinas Onkel. Wie er fast schon erwartet hatte empfand sie die Aussicht, im selben Haus mit Rodney Underhill zusammen froh und freundlich sein zu müssen als eine Zumutung. Sie sagte zu Julius:

"Zum einen wäre das für Dr. Sterling wohl ein harter Kulturschock, wenn du jetzt nicht mehr Andrews heißt. Zum anderen frage ich mich allen Ernstes, wieso sie Rod Underhill nicht doch wegen dieser kriminellen Machenschaft gegen mich nicht für mindestens ein Jahr weggeschlossen haben. Der tut nachher noch so, als hätte er mit dem Zerwürfnis mit deinem Vater nichts aber auch gar nichts zu tun."

"Dann ist die Sache klar, Mum. Alleine will und werde ich da nicht hingehen. Millie habe ich davon noch nichts erzählt, weil ich erst die offizielle Einladung lesen oder hören will. Bisher ist das ja nur eine Erwähnung von Pina und Olivia, daß ihr Onkel mit seinen Freunden und Verwandten feiern will. Kann mir auch vorstellen, daß Lady Hidewoods ihm das noch einmal ausredet."

"Ich denke eher, sie würde diese ganzen Schutzzauber, von denen wir ja auch größtenteils behütet werden, auf Ryans Haus anwenden, um ihm ein unbeschwertes Normalleben zu sichern", vermutete Martha Andrews. Julius nickte. "Aber du hast recht, daß wir erst einmal wieder nach Paris müssen, um zu erfahren, ob wir eine Einladung haben. Ob und wie wir sie dann beantworten befinde ich dann."

"Wie du meinst, Mum", erwiderte Marthas Sohn darauf und wünschte seiner Mutter dann eine gute Nacht.

Als Julius kurz nach Mitternacht im Bett lag dachte er an alles, was er an diesem einen Tag von Mitternacht bis Mitternacht, erlebt hatte. Er hatte für einige Sekunden in Artemis' Körper festgesteckt, war von Darxandrias schlummerndem Bewußtsein daraus zurückgetrieben worden, weshalb Temmie nun die Wiederverkörperung der letzten Lichtkönigin von Altaxarroi war. Das konnte noch interessant werden, wenn er doch noch ihre Hilfe brauchte. Bei der Gelegenheit hatte er mal eben erfahren, daß er eigentlich schon seit Ostern verheiratet war. Nun hatten seine Mutter und Millies Eltern das nur noch offiziell bestätigt. Er hieß jetzt Julius Latierre. Mit dem Namen mußte er jetzt sein restliches Leben herumlaufen, falls ihm oder Millie nicht doch was passierte. Und das böse Leute nicht zu weit weg waren hatten ihm Kevin, Pina und die Hollingsworths klargemacht. Er wünschte ihnen in Gedanken einen sicheren Heimweg und eine friedliche Zeit.

"Gute Nacht, Monsieur Latierre", wisperte Millies Gedankenstimme in ihm.

"Gute Nacht, Madame Mildrid Ursuline Latierre", schickte er zurück, bevor er einschlief.

__________

Ich bin nicht die einzige hier, die sich an ein Leben in anderer als der angeborenen Erscheinung gewöhnen muß. Den ganzen Tag habe ich in mich hineingehorcht und die in mir nun verflochtene Natur und Erfahrung von Artemis in meinen Geist aufgenommen. Wir sind jetzt eins. Ich bin jetzt Artemis. Ich habe mit einer Trägerin der Kraft gesprochen, die die Muttermutter jener Hüterin der anderen hier herumlaufenden Wesen ist. Sie heißt auch Barbara, was ich als "die Wilde" oder "Die Fremde" übersetzt bekam. Ich verständige mich mit Hilfe dieses Gedankentöners, den die jüngere Barbara eingehandelt hat. Andererseits könnte ich auch mit der angeborenen Stimme meines neuen Leibes was sagen, es aber wohl nicht so klar betonen. Ich habe von der älteren Barbara gehört, daß sie das Leben eines großen Baumes angenommen habe, um ihrem Dasein eine höhere Bedeutung zu verleihen. Meine Herkunft und frühere Rangstellung hat sie sehr fasziniert. Die jüngere Barbara hat mir diesen mit der Kraft verstärkten Ring abgenommen, der meine rein tierhaften Artgenossen davon abhält, ziellos oder ungestüm von diesem Grund zu entkommen. Wir sind im Grunde niederes Nutzvieh. Andererseits wird nicht nur mir, sondern auch der Mutter meines Leibes sehr viel Respekt entgegengebracht. Barbara, die Königin der Bäume, ist auch die Mutter meiner Daseinsform. Ich habe ihre liebevolle und kraftvolle Aura sofort verspürt, als sie sich mir näherte und mir verhieß, sie sei darum gebeten worden, mich und die anderen zu hüten. Nachdem sie die kurze Zeit, die sie in menschlicher Gestalt sein kann mit mir verbracht hat, folgte ich ihr zu ihrem Wohnplatz, wo ich Zeugin ihrer Wandlung wurde. Ich hörte nun ihre Stimme in mir, wie die von Julius, meinem Erben. Wir sprachen noch eine Weile, wobei ich merkte, daß ich sie mit meinen Gedanken erreichen kann. Sie sagte mir, daß ich fortan ohne diesen Haltering auf diesem Grund leben darf, wenn ich wirklich bereit sei, die Pflichten jeder Latierre-Kuh zu erfüllen. Zumindest werden wir nicht zum Essen gehalten. Barbara teilte mir mit, das ich mich daran gewöhnen müsse, jedes neue Kind zwei Jahre zu tragen und mir bei der Niederkunft niemand helfen könne, weil wir für Menschen zu stark seien. Doch ich bekundete, daß ich da selbst, als ich meine Krone schuf und mein Selbst darin bettete, vier Kindern Leben und Liebe geschenkt habe. Allerdings ist mir etwas unwohl bei dem Gedanken, mich von einem rein triebgesteuerten Männchen dieser Daseinsform befruchten zu lassen. Doch ich habe um meines Erben Freiheit willen dieses letzte Opfer gebracht und werde allem damit verbundenen aufrechten Geistes entgegengehen.

Die anderen fühlen, daß ich nun mehr bin als eine Artgenossin. Demeter, die Mutter meines Leibes, schnaubt mich an, weil sie merkt, daß ich, ihre Tochter, mich verändert habe. Doch ich kenne die Sprache meiner neuen Rasse und kann sie beruhigen, daß ich ihr nicht Rang oder Leben streitig machen will. So läßt sie mich neben sich schlafen. Ich höre zwei Herzen in ihr schlagen. Sie trägt gerade ein Kind, oder Kalb, wie die jüngere Barbara es nennt. Eine große Schwester zu sein ist mir vertraut. Doch als ich das Zweite Mal nach meiner Einkehr in Artemis' Leib schlafe, rüttelt mich etwas wach, etwas böses, zerstörerisches, dessen Kraft ich selbst dann noch schmerzhaft fühle, auch wenn der dunkle Herd dieses Aufruhrs weit fort ist. Dann erkenne ich, daß es die Finsternis aus der ewigen Tiefe der Erde ist, die da entfesselt wird und wie sie sich in hundert einzelne, von Mordlust und bösartigem Geist beseelte Einzelträger aufspaltet, deren Ursprungsort ich jedoch nicht verspüren kann und deren Kraft nun konzentriert wird. Ich weiß sofort, was geschehen ist. Mein erschrockenes Brüllen hat alle anderen aufgeweckt. Meine Mutter brummt mich wütend an, was ich hätte. Doch als sie meine Angst fühlt und ich ihr nur in der einfachen Sprache ihrer Art mitteilen kann, das weit weg böse Wesen erwacht sind, wird sie ruhig. Ich kann mit ihr nicht groß über das sprechen, was ich da wahrgenommen habe. Die Präsenz der dunklen Kraft, die hundert zerstörungswütige Abkömmlinge befreite, ist genau das, was ich seit langem schon befürchtet habe. Skyllians schlafende Krieger wurden erweckt. Der von Dunkelheit erfüllte, jeder Liebe ferngehaltene Meister hat es gewagt, sie zu entfesseln. Doch ich kann es Julius nicht mitteilen. Denn in seinem Schlafleben ist er gerade von großer Glückseligkeit erfüllt. Ich werde ihm wohl die unheilvolle Kunde geben, wenn er leibhaftig bei mir ist. Denn tun kann er im Moment ja doch nichts dagegen. So lasse ich ihm die Tage voller Ruhe und Frieden, die er braucht.

__________

Ein lautes, tiefes Muhen riß Julius und seine Mutter aus dem Schlaf. Sofort war er hellwach und blickte sich um. Wo war denn das jetzt hergekommen? Bellona stand doch weit genug weg auf ihrem grünen Parkplatz. Dann sah er, daß das mit weißer Wolle überzogene Kuhmodell etwas anders dastand als gestern abend noch und gerade das Maul öffnete, um erneut loszumuhen.

"Das hätten die mir aber sagen können", lachte Julius. "Hoffentlich kann man den Wecker verstellen. 'tschuldigung, Mum!""

"Du hast mal was von tageszeitgekoppelten Zaubern erzählt, Julius. Könnte das in dieses Modell da eingewirkt worden sein?"

"Möglich ist das, Mum. Ich hoffe nur, die macht uns keine Fladen dahin."

"Ist noch ein bißchen früh!" Grummelte Martha Andrews, als die Nachbildung von Temmie wieder losmuhte. Es klopfte an die Tür.

"Wir wußten nicht, daß in der Mini-Temmie ein Wecker eingebaut ist!" Rief Julius in Richtung Tür. "Wen es jetzt immer geweckt hat, Entschuldigung dafür!"

"Mich hat's geweckt, und Entschuldigung angenommen", lachte Aurora Dawn von draußen. Die Miniaturkuh muhte wieder los. Julius sprang aus dem Bett und ging zu ihr hin, um ihr das Maul zuzuhalten. Doch sie wich seiner Hand aus und piekste ihm das linke Horn in die Hand. Das wiederholte sich dreimal, während die Kuh noch einmal losmuhte. Julius fühlte die kleinen runden Stichwunden. Er konnte das Maul der lebendig gezauberten Nachbildung nicht packen. Als er kleine Blutrinnsale an seiner Hand entlanglaufen sah, gab er es auf. Dieses Modellbiest war zu schnell. Es brüllte nun eher wütend, weil Julius ihm an den Kopf zu fassen versucht hatte.

"Mist, jetzt hat mir dieser Muhkuh-Wecker fünf Stichwunden verpaßt", knurrte er und wollte schon nach seinem Practicus-Brustbeutel langen, wo er eine Wundheilsalbe drin hatte. Aurora klopfte wieder an die Tür und fragte, ob er statthaft bekleidet sei. Er rief, daß er im Schlafanzug sei. Das reichte Aurora wohl aus. Denn sie bat um Eintritt. Als Julius mit der unverletzten Hand die Tür entriegelt und geöffnet hatte, genügte eine Zauberstabberührung der Heilerin, um alle Wunden zu schließen.Julius bewunderte es, wie gut geübte Heiler Wunden schließen konnten.

"Ich krieg dieses Minimuhmonster nicht zum schweigen", knurrte Julius, als noch Camille, Florymont und Denise vor der offenen Tür auftauchten.

"Was hast du denn versucht?" Fragte Camille. Er erwiderte "Ihr Maul zuzuhalten".

"Ach, und dann hat die dich gebissen?" Fragte Florymont belustigt.

"Neh, mit den kleinen Hörnern in die Hand reingestochen", erwiderte Julius. Martha fischte nach ihrem Morgenmantel und zog ihn sich noch im Bett an. Dann betrachtete sie die Kuh.

"Also wenn ich meinem Gedächtnis noch trauen kann hatte sie gestern ein kleineres Euter. Sieht jetzt so aus, als sei sie prall voll Milch."

"Dann mußt du da wohl dran ziehen, Julius", vermutete Aurora Dawn. "Die großen brüllen ja auch solange, bis sie gemolken werden."

"Wenn da jetzt Milch rauskommt möchte ich nicht wissen, ob die auch Fladen rausfallen läßt", sagte Julius und tastete mit der nun wieder unversehrten Hand nach den Zitzen und zog kräftig an einer. Sie dehnte sich wirklich. Da schlug ihm das linke Hinterbein die Hand weg, und ein schmerzhaftes Aufbrüllen entfuhr der Nachbildung. Julius erkannte wohl, daß er im Maßstabsverhältnis zu kräftig gezogen hatte, berührte nun alle vier Zitzen kurz mit Daumen und Zeigefinger, worauf die Miniaturkuh ihn mit einem erleichterten Ausdruck ansah.

"Tja, so werden Stadtkinder zu Bauersleuten umerzogen", lachte Camille.

"Jippy, eine Wie-werde-ich-Cowboy-Grundausbildung", lachte Julius und ließ ein lauthalses "Jiiiiiiiiiihaaaaah!" durch das Haus schallen. Die NachbildungTemmies sprang in die Luft, flog aufgeregt bis zur Decke hinauf, kreiste über ihrer runden Unterlage und landete dann wieder.

"Gruselig, daß eine Nachbildung lebendig wird", gestand Martha ein.

"Vivocircadius-Zauber, Martha. Mann kann nach einem Belebungszauber für tote Gegenstände noch einen Zauber damit verschmelzen, der dem Lebensrhythmus des nachgebildeten Lebewesens entspricht."

"Ja, aber gestern sah die doch völlig unbelebt aus", warf Martha ein und betrachtete das rosige Euter der Kuh, das nun wie leergemolken schlaff und abgeschwollen zwischen den Hinterbeinen hing. Zumindest war keine Milch oder ähnliches ausgeflossen. Also würde sie auch keine Fladen legen.

"Zeitverzögerung oder Eintrittszeit, Martha. Man kann Zauber auch erst zu einer ganz bestimmten Zeit oder nach einer bestimmten Zeitspanne in Kraft treten lassen", dozierte Florymont in seiner Eigenschaft als Zauberkunstexperte. Julius fügte dem hinzu, daß er den Zauber schon erlebt hatte. Er fragte sich, ob er dieser Minikuh da nicht den Gegenzauber zum Conjurus Animatus aufbrummen sollte, dann sei Ruhe. Aber zunächst reichte es aus, daß er wußte, wie er den gehörnten Wecker wieder abstellen konnte. Umstellen wäre noch interessanter für ihn."

"Oma Line, bist du wach?" Mentiloquierte er, als Camille ihre Familie und Aurora aus dem Zimmer gewunken und die Tür von Außen geschlossen hatte.

"Seit Bellona uns geweckt hat", kam eine Antwort. Julius schickte zurück: "Wußte nicht, das die Mini-Temmie mit Animierzauber belegt ist. Mußte erst rauskriegen, wie ihr Morgenlied beendet werden kann."

"Babs meinte, daß du das alleine rauskriegen würdest. Deshalb hat sie dir keine Anleitung mitgeliefert", kam eine amüsierte Antwort.

"Meine Mutter gruselt sich, weil sie lebendige Gegenstände und Spielzeuge nicht kennt."

"Sag ihr bitte, daß mich dafür gruselt, wie in der Muggelwelt werdende Mütter einfach so ihre ungeborenen Kinder loswerden dürfen, wenn sie sie nicht wollen."

"So einfach geht das da auch nicht", schickte Julius zurück.

"Ja, aber es geht", bekam er die unumstößliche Antwort. Er gab es an seine Mutter weiter.

"Telepatier ihr von mir zu, sie sei eben ein Muttertier!" Erwiderte Martha leicht ungehalten. Er tat es.

"Danke sehr gerne", bekam er die belustigte Antwort, die er an seine Mutter weiterreichte. Dabei beließen sie es dann auch. Die Mini-Temmie sah sie noch einmal zufrieden an und legte sich dann hin.

"Wenn die jetzt weiterschläft könnten wir auch schlafen", gähnte Martha Andrews. Julius nickte ihr zu, sie könne noch etwas schlafen. Er zog sich seine Trainingssachen an und ging hinunter, wo Camille ihn zur Tür hinausließ.

Am Teich im Zentrum Millemerveilles traf er auf die Montferres, die einige Schwermacherübungen machten.

"Die anderen üben auf der Landewiese. Madame Barbara Latierre hat alle grünen Tretfallen von Bellona ordentlich verschwinden lassen."

"Und warum seid ihr beiden dann hier?" Fragte Julius.

"Weil hier nicht so viele Quängelkinder rumplärren", wandte San ein. "Aber wenn du möchtest können wir dich zu deiner Frau und den anderen rüberbringen." Julius wollte. Schreiende Babys machten ihm im Moment nicht soviel aus. Sabine apparierte dann Seit an Seit mit ihm auf die Wiese, wo bereits Hippolyte die Antreiberin gab und die Übungen ansagte, die gemacht wurden. Bine grinste ihn an und sagte: "Auch deshalb wollte San nicht hier mitmachen. Madame Sport-und-Spiel meint, alle wie eine Kompanie rumkommandieren zu müssen. Aber daran mußt du dich ja eh bald gewöhnen, wo sie deine Schwiegermutter ist. Ich bin dann wieder bei San." Sprach's und disapparierte, als Hippolyte sie und Julius ausgemacht hatte.

"Morgen, Julius. Wolltest du zu uns?"

"Wollte mich ein wenig abreagieren, nachdem gestern so ein turbulenter Tag war!" Rief Julius.

"Dann komm zu uns rüber und mach mit!" Forderte ihn Hippolyte Latierre auf. Julius nickte und begab sich zu der Truppe aus halbwüchsigen und erwachsenen Latierres, bei denen auch Brittany und Melanie waren. Hippolyte turnte ihnen Übungen vor und trieb sie dann im Stil eines Rekrutenausbilders an, möglichst schnell oder stark nachzuhüpfen, zu springen oder sich zu verrenken. Callie und Pennie wirkten völlig locker, als sei das ein einfaches Spiel. Sie sprangen höher als die anderen, schlugen Salti oder Schrauben, warfen sich gegenseitig in die Luft oder Stießen sich im Liegestütz mehr als einen Meter vom Boden ab. Manchmal mußte ihre Mutter sie zur Mäßigung anhalten, während Julius mit Brittany, Melanie, Martine und Millie eine Übungsgruppe bildete.

"Und die hat mit dir unten drin noch quidditch gespielt", keuchte Brittany an Martines Adresse, als sie gut durchgeschwitzt und grün besprenkelt eine kurze Pause machten.

"Jetztt glaubst du es wohl, Brittany", amüsierte sich Martine. Julius war gut erschöpft, aber auch irgendwie glücklich.

"Nett, daß du hergekommen bist, Monju", schnurrte Millie, während sie ihre Arme und Beine lockerte und sich behutsam streckte und entspannte.

"Wir wurden ja heute morgen freundlich geweckt", sagte Julius. "Unser gehörntes Hochzeitsgeschenk hat uns alle wachgemuht."

"Hat Tante Babs mir gestern abend noch mit einem gemeinen Grinsen verkündet. Und, hast du Mini-Temmie kurz über die Zitzen gestreichelt?"

"Nachdem ich ihr nicht das Maul zuhalten konnte", knurrte Julius.

"O was hat sie denn da gemacht?" Fragte Tine. Julius zeigte ihr seine rechte Hand und erzählte was passiert war und das seine Mutterund Aurora Dawn ihn auf die richtige Methode gebracht hatten.

"Überleg mal, ob du das bei einer echten gewagt hättest, der das Maul zuzuhalten", lachte Millie. Tine meinte dann:

"Tante Babs möchte halt, daß du wie Millie weißt, was ihr mit der geflügelten Temmie machen könnt oder müßt."

"Und weitergeht's Mesdames, Mesdemoiselles et Messieurs, und Misses!" Rief Hippolyte und sah auch Brittany und Melanie an. Dann führte sie die nächsten Übungen vor.

Eine Dreiviertelstunde später war Julius ziemlich erschöpft. Denn zwischendurch machten sie auch Übungen mit Schwermachern. Doch er hielt durch, bis seine Schwiegermutter in einer Pause befand, er habe jetzt genug.

"Du bist sehr gut im Training, Julius. Das ist sehr schön für meine Tochter Mildrid. Aber wenn der Punkt erreicht ist, wo du bei einer einfachen Bewegung zusammenbrechen kannst solltest du aufhören und das auch ohne Probleme sagen", sprach sie mit leichtem Tadel im Tonfall. Dann beglückwünschte sie Brittany zu ihrer hervorragenden Gewandtheit und Ausdauer.

"Auf jeden Fall habe ich ein paar neue Aufwärmübungen mitgekriegt", sagte Brittany und bedankte sich, daß sie beim Morgentraining mitmachen durfte. Melanie fügte dem hinzu, daß sie jetzt wisse, warum ihre Tante sie auf Diät gesetzt hatte. Doch als sie Ursuline ansah, die so weit sie konnte die Übungen mitgeturnt und gesprungen hatte, wie sie konnte, fragte sie Julius leise, warum diese Hexe da keinen Abspecktrank nötig hatte.

"Die hat immerhin zwölf Kinder zur Welt gebracht", sagte Julius. "Ein bißchen was bleibt da wohl immer auf den Hüften."

"Abgesehen davon wirkt dieser Trank längst nicht bei jedem gleich", wußte Brittany. "Das solltest du als angehende Kosmetikerin doch wissen, daß der bei jedem sechsten Jungen und bei jedem dritten Mädchen nur Magenschmerzen macht."

"Warum auch immer", knurrte Melanie. Julius nickte. Deshalb konnte Corinne Duisenberg ja auch keinen Abspecktrank nehmen, weil sie zu den Hexen gehörte, die von ihren Erbanlagen her schlecht auf den Abspecktrank Nummer zwei ansprachen. Madame Rossignol hatte es Carmen und Belisama erzählt, weil diese Patrice einmal damit gelöchert hatten, warum ihre Nichte so kugelrund herumlief, wo bei anderen schon längst ein Abspecktrank verordnet worden wäre.

"Meine Mutter ist ihr ganzes Leben lang in Übung geblieben und hat ausreichend Latierre-Kuhmilch getrunken", sagte Hippolyte noch. Julius bedankte sich für die straffe Übungseinheit. Das trug ihm die verbindliche Aufforderung ein, bis nach dem Sommerball jeden Morgen herzukommen und teilzunehmen.

"Da muß ich aber mit dem Besen herfliegen oder früh aufstehen, weil die Wiese vom Dusoleil-Haus doch ziemlich weit weg liegt."

"Ich hol dich dann ab", sagte Tine unverzüglich. Damit war Julius verplant. Millie sah ihn etwas verdrossen an. Doch als ihre Mutter sie sehr energisch anblickte wandte sie sich ab. Tine brachte Julius dann wieder auf beinahe zeitlose Weise zum Dusoleil-Anwesen zurück. Camille fragte Martine, ob sie sich mit ihm im Gras gewälzt habe und lachte amüsiert. Dann wies sie Julius an, ihr nach dem ordentlichen Ankleiden seine Sportsachen zu übergeben. Er meinte, daß das Waschen reine Zeit- und Wasserverschwendung wäre, wenn er jetzt jeden Tag auf der Wiese herumturnen sollte.

"Das sieht doch nicht aus, wenn du mit einem grünfleckigen Sportanzug da hingehst. Dann wasche ich den eben jeden Tag", erwiderte Camille. Dann verabschiedete sie Martine, die wieder zu ihrer Familie zurückkehrte.

Beim Frühstück erholte sich Julius vom Latierre-Drill und erfuhr, daß sie alle nach Familien geordnet um halb zehn am Zentralteich auf das Brautpaar warten sollten. Da Martha zur Eauvive-Familie gehörte und Julius nun sowohl zur Eauvive- als auch Latierre-Familie gehörte, und Bruno ja auch mit beiden großen Magierhäusern verwandt und verschwägert war, würden sich dann wohl die Turnkameraden von Julius mit den Dusoleils zusammen ins Haus begeben.

"Da wird Blanche dich wohl schlecht mitten rausholen", sagte Camille belustigt. Julius mußte grinsen, während Florymont ihn seltsam ansah.

"Ich fürchte, um eine Aussprache mit der gestrengen Madame Faucon kommen wir dann doch nicht herum", sagte Martha Andrews. Julius nickte ihr zu. Schließlich wollte Madame Faucon von ihm ja noch die vier Zauber lernen, die er von Darxandrias Cousine Ianshira erlernt hatte. Doch das mußte nicht ausgerechnet heute sein.

Gegen neun Uhr kamen Brittany, die Porters und Redliefs noch einmal vorbei, um sich zu verabschieden. Brittany bedankte sich mit Melanies Hilfe bei Camille, daß diese auf ihre vegane Lebensweise Rücksicht genommen habe.

"Das war eine sehr interessante Herausforderung für mich, Brittany. Ich empfand es als gebührende Wertschätzungdafür, daß du Julius diese abwechslungsreichen Ferientage bei euch ermöglicht hast", erwiderte Camille. Dann sagten sie einander "auf Wiedersehen". Brittany mentiloquierte Julius noch:

"Wird meine Mutter schön verwundern, daß Millie und du ja schon verheiratet wart, als ihr zu uns kamt. Bis irgendwann!"

Julius sah noch eine halbe Minute auf den Punkt, von dem aus sie in richtung Ausgangskreis disappariert waren. Dann ging er wieder ins Haus zurück.

Camille inspizierte Kleidung und Frisur ihrer Familienangehörigen und Hausgäste. Aurora trug den rosiggoldenen Festumhang von letztem Jahr, Martha ein himmelblaues Kleid und ihr Sohn seinen himmelblauen Festumhang mit sonnengelbem Kragen und Säumen. Camille führte natürlich einen erhabenen, blattgrünen Festumhang für Hexen aus, während ihr Mann dunkelblau gekleidet war. Als Camille befunden hatte, daß alle ordentlich bekleidet, Rasiert und frisiert waren zogen sie zu Fuß zum Zentralteich, wo sie schon auf andere Hochzeitsgäste trafen. Julius dachte daran, daß Millie und er die ganze Verwandtschaft um dieses Vergnügen gebracht hatten und wußte nicht, ob er sich deswegen schuldig oder fröhlich fühlen sollte. Als die Latierres anrückten erkannte Julius, das sie alle in hellen Festumhängen gekleidet waren. Line hatte einen wallenden, sonnengelben Umhang mit goldenen Säumen angezogen, während Hippolyte einen apfelgrünen Umhang trug. Ihre beiden auf eigenen Beinen laufenden Töchter trugen himmelblaue Umhänge, wobei der von Mildrid mit weißen und der von Martine mit silbernen Spitzen verziert war. Ohne groß zu überlegen stellte sich Julius links von seiner jungen Frau auf und ließ sie sich bei ihm unterhaken. Er flüsterte ihr zu, daß sie beide wegen ihrer Eltern kein solches Aufgebot und Fest bekommen hatten.

"Wieso nicht. Wenn wir beide volljährig sind können wir vor Monsieur Laroche unsere Treue zueinander geloben. Maman und Papa machen das nächstes Jahr im juni bei ihrem fünfundzwanzigsten Hochzeitstag auch." Julius wunderte sich, daß dieser Festbrauch in der Zaubererwelt auch bekannt war. Denn Silberne oder Goldene Hochzeiten in der Muggelwelt konnten so oder auch ohne Treuegelöbnis gefeiert werden. Er überlegte kurz, ob das wirklich die passende Entschädigung für die ganze um eine ordentliche Hochzeit geprällte Verwandtschaft war. Andererseits müßte er ja dann auch die Verwandten seiner Eltern einladen. Und da wäre der große Knall eindeutig vorprogrammiert. Doch wenn er sich hier so umsah, wäre es die Sache wert, auch so ein Fest zu erleben, bei dem sie die Hauptrolle spielten. Sogesehen waren die magischen Verwandten ja auch jetzt schon dabei.

Als Aron Rochfort in einem schwarzen Festumhang mit Stehkragen und schwarzem Zylinder auf dem Kopf von seinen Eltern flankiert und den restlichen Verwandten gefolgt auf den Versammlungsplatz trat, klatschten alle Beifall. Dann landete eine schneeweiße, mit weißen Sommerblumen und Glöckchen geschmückte Hochzeitskutsche von einem weißen Flügelpferd gezogen vor den wartenden Festgästen. Ihr entstieg Virginie in einem Brautkleid, das weißer als purer Schnee zu sein schien. Julius fragte sich, ob das Kleid aus gewebtem Einhornhaar bestehen mochte. Auf dem Kopf trug sie einen bunten Blütenkranz, und ein Hauch von einem Schleier fiel vor ihr Gesicht und ihren Brustkorb herab, während sechs junge Hexen in goldenen Festkleidchen die Schleppe trugen. Madame Delamontagne trug ein weit wallendes, apfelgrünes Kleid und in ihrem strohblonden Zopf mehrere goldene Broschen von der Form vierblättriger Kleeblätter. Ihr Mann, der Vater der Braut, hatte sich einen waldgrünen Festumhang mit haselnußbraunem Spitzhut als Garderobe ausgesucht.

"O die haben ein Einhornschweif-Hochzeitskleid für Virginie springen lassen", stellte Martine fest, die links von Julius stand aber nicht bei ihm untergehakt war. "Was das ihre Eltern gekostet hat?"

"Das war gestern nicht auf die Schnelle aufzutreiben, denke ich", sagte Julius und sah Millie an.

"Weiß steht für Unberührtheit, Monju. In der Hinsicht war mein Kostüm gestern auch dem Anlaß passend. Oder siehst du das anders?"

"Deine Eltern wollten ja, daß wir das gestern schon klarmachten, Mamille", sagte Julius. "Andererseits ist das auch schön, mit einem neuen Namen ins Bett zu gehen." Millie grinste.

"Auch wenn die dahinten gerade blöd zu uns rüberglotzt steht dir mein Nachname gut genug, daß du damit mehr als hundert Jahre rumlaufen kannst, Monju", sagte Millie und deutete auf Madame Faucon, die etwas verdrossen zu den beiden Früheheleuten herüberblickte. Julius lächelte sie unschuldsvoll an. Sie nickte ihm zu und bekam einen etwas freundlicheren Gesichtsausdruck.

"Deine Konsequenz ehrt dich", empfing er ihre Gedankenstimme. "Erweise dich dieses an sich erhabenen Standes bloß als würdig!"

"Ich werde alles dafür tun, um das hinzubekommen", schickte er zurück.

"Hey, du bist kein freier Mann mehr, Monju. Flirte nicht mit lustigen Witwen rum!" Frotzelte ihn seine Frau. Tine grinste und legte nach:

"Die soll dich nicht so bitterböse anglubschen. Wenn sie dich hätte haben wollen hätte sie mit dir über die Brücke gehen sollen." Julius schluckte. War das die Martine, die sonst auch sehr gestreng auftreten konnte, die frühere Saalsprecherin? Im Moment wohl nicht. Millie feixte:

"Da wäre die Brücke unter ihr und ihm glatt durchgebrochen, Tine." Julius wußte nicht, ob er darüber lachen sollte oder nicht. Martine jedenfalls lachte leise. Offenbar war seine große Schwägerin zum unbekümmerten Mädchen geworden, während die junge Hexe an seinem rechten Arm jetzt schon als Frau zu gelten und zu leben hatte.

Jubelrufe erschollen für das Brautpaar, das den Gästen zuwinkte, um dann von zwei Seiten in die Kutsche zurückstieg, die dann mit den Rädern auf dem Boden bleibend anrollte. Die Glöckchen klingelten und schellten im Takt der trappelnden Pferdehufe. Vom Gemeindehaus her erklang vierfaches Glockenläuten, und eine Musikkapelle begrüßte das Hochzeitsgefolge mit einem munteren Marsch, der sich wieder von denen unterschied, die Julius im letzten Sommer gehört hatte. Bei Gelegenheit würde er mal nachlesen, wie vile Hochzeitslieder es so in der französischsprachigen Zaubererwelt gab.

Der Tross von Brautleuten, deren Familien und allen anderen Hochzeitsgästen rückte im gemütlichen Tempo zum Gemeindehaus vor, wo das Brautpaar mit den unmittelbaren Verwandten aus der Kutsche stieg und auf den Zeremonienmagier zuführte. Madame Lumière, Barbara van Helderns Mutter, stand neben dem wieder in seinem weißen Umhang gewandeten Monsieur Laroche. Sie trug ein goldenes Kleid und lächelte Virginie und Aron freundlich zu. Sie sollte also die Aufgabe übernehmen, die Madame Delamontagne im letzten Jahr bei Jeannes und Barbaras Trauung und gestern erst bei Millies und Julius' Frühtrauung ausgeübt hatte. Virginies Trauzeugin, Barbara van Heldern und Arons Trauzeuge, sein früherer Klassenkamerad Boris Monas, den Julius nur von den Stunden im Violetten Saal her kannte, als er mit Belle Grandchapeau vier Tage zusammenleben mußte, trugen einheitlich dunkelblaue Festgewänder. Unter lautem Läuten der vier in reinen Durobertönen klingenden Glocken zogen Brautleute und Hochzeitsgäste in das mit bunten Blumen, goldenen Girlanden und frei schwebenden Kerzen geschmückten Gemeindesaal ein, in dem in wenigen Tagen auch wieder Schach gespielt werden solte. Offenbar dachte Julius' Schwiegeroma Ursuline das auch in dem Moment. Denn sie mentiloquierte ihm "Da treffen wir beide in ein paar Tagen aufeinander, mein Junge" zu.

Als alle nach Verwandtschaft geordnet saßen fühlte Julius die Blicke auf Millie und sich ruhen. Offenbar ging gerade herum, daß die beiden jungen Leute in Himmelblau bereits vor Virginie und Aron einander angetraut waren. Doch er blieb so ruhig er konnte. Auch als Monsieur Laroches graue Augen seinen Blick einfingen und er sich selbst mit Mildrid unter der Kuppel der Mondburg stehen sah, kurz bevor sie einander zu Mann und Frau gemacht hatten, blieb er gefaßt. Er hätte Laroches Legilimentievorstoß mühelos abschmettern können. Doch hier und jetzt wußte er, wie wichtig das war, wenn der Zeremonienmagier davon überzeugt war, eine aufrichtig erwünschte Eheschließung durchzuführen.

Das übliche Getuschel und Raunen vor dem Beginn der Zeremonie dauerte etwa fünf Minuten. Dann begann Monsieur Laroche über die heilige Verbindung zwischen Mann und Frau zu sprechen und begrüßte Virginie und Aron, die heute den großen Schritt in ein gemeinsames Leben wagen würden. Dann sangen sie alle ein Lied, das Julius mittlerweile mitsingen konnte. Er merkte, daß seine doch nun ausgewachsene Stimme mit der Stimme seiner jungen Ehefrau wunderbar zusammenklang, wenn sie die für ihre Tonlage passende Stimmen sangen. Er überlegte, ob eine Mitgliedschaft im Chor von Beauxbatons ... aber dann müßte er die Holzbläserei drangeben, weil man nur in einer Musikalischen Freizeitgruppe mitmachen konnte. Nach dem Lied bat Madame Lumière Arons Mutter und Virginies Vater, ihre Kinder in den goldenen Kreis zu führen, in dessen Zentrum der Zeremonienmagier stand. Gefolgt von den Brautjungfern schritt Virginie an der Seite ihres Vaters in den Kreis hinein. Julius blickte zu Madame Delamontagne, die links von ihrer Mutter Oleande Champverd saß und sich gerade ein weißes Taschentuch vor die Augen hielt. Monsieur Phoebus Delamontagne saß rechts von dem Platz wo sein Sohn gerade noch gesessen hatte. Von seinem rot-goldenen Umhang her hätte er auch glatt als Zeremonienmagier durchgehen können. Seine Frau, Virginies Großmutter väterlicherseits, hielt sich auch ein Taschentuch vor die Augen. Julius Latierre sah noch einmal in die Ecke, in der kleine Bettchen standen, in denen alle mitgebrachten Babys friedlich schlummerten. Barbara van Heldern paßte zusammen mit ihrem nicht ganz so begeisterten Bruder Jacques auf ihre beiden Schwestern auf, die nicht so recht stillsitzen wollten. Madame Lumière fragte bereits Virginies Vater, ob die Braut seine Tochter sei, die er in Liebe gezeugt und genährt hatte, was er bejahte. Arons Mutter bestätigte dann auch, daß der Bräutigam von ihr in Liebe empfangen, getragen, geboren und aufgezogen worden war. Danach führten wie im Jahr zuvor schon die Brautjungfern einen einstudierten Tanz auf, zu dem sie dem jungen Paar alles Glück der Welt wünschten. Julius mußte grinsen, als Virginies Brautjungfern was davon sangen, daß das Paar viele Kinder und Enkel bekommen sollte. Millie fühlte über den Herzanhänger wie er gestimmt war und empfand wohl ebenso. Als die Brautjungfern ihre Vorführung beendet hatten stellte Monsieur Laroche dem Bräutigam die heute so entscheidende Frage:

"Aron Leonidas Rochfort, willst du die hier anwesende Virginie Oleande Delamontagne zu deiner angetrauten Frau nehmen, sie lieben, ehren und ihr beistehen, in guten wie in schlechten Zeiten, bis daß der Tod euch scheide?"

"Ja", erklang Arons Stimme leicht zitternd aber deutlich vernehmbar. Seine Mutter blickte auf Virginie, die rosig geschminkt und mit glänzendem Haar dastand, während aus dem Kreis goldene Funken nach oben flogen und über der Linie tanzten.

"Virginie Oleande Delamontagne, willst du den hier anwesenden Aron Leonidas Rochfort zu deinem dir angetrauten Mann nehmen, ihn lieben, ehren und ihm beistehen, in guten wie in schlechten Zeiten, bis daß der Tod euch scheide?"

"Ja, ich will", erscholl Virginies Stimme durch den großen Saal. Ihre Mutter schniefte vernehmlich, während die Funken über der goldenen Kreislinie noch höher stiegen. dann fragte Roseanne Lumière, welchen gemeinsamen Namen sie führen wollten. Virginie sagte mit voller Überzeugung, daß sie Rochfort heißen würde. Dies bestätigte auch Aron. Madame Lumière sagte dann:

"Rochfort, dies sei von heute an euer gemeinsamer Name." Dabei hielt sie die Hände des Brautpaares. Dann erklärte Monsieur Laroche die beiden feierlich zu Mann und Frau und erlaubte Aron, seine Braut zu küssen. Beide traten aufeinander zu, umarmten sich und berührten einander mit den Lippen, wobei der Funkenvorhang über der Kreislinie so hoch auffuhr wie alle in dem Kreis stehenden. Blitze und rote Rauchwolken erfüllten den Raum. Mehrere Fotografen bannten dieses Bild in ihren Kameras. Julius erkannte auch den Pressephotographen des Miroir Magique, der ihn beim Schachturnier und nach der Sache mit Hallitti bereits abgelichtet hatte. Ihm schwante, daß Ossa Chermot oder ein anderer Reporter der französischen Zaubererzeitung nicht weit sein konnte und schaute sich behutsam um. Tatsächlich saß die Mitarbeiterin des Miroirs auf einer der hinteren Bänke und diktierte ihrer Flotte-Schreibe-Feder etwas.

"Wetten die Chermot kommt nachher noch vorbei, wenn die von irgendwo herhat, daß wir auch angetraut sind?" Wisperte Julius Mildrid zu.

"Der Miroir kriegt morgen ein Interview mit unseren Eltern. Du weißt ja, wir haben unseren eigenen Reporter bei denen.

"Stimmt, das hattest du ja erzählt. Aber ob die Chermot sich dran hält?"

"Dann sagen wir einfach, daß wir ohne die Erlaubnis unserer Eltern nichts darüber sagen werden, und die haben wir eben nicht", entgegnete Millie. Julius nickte. Das war ja die Lösung.

die frisch angetrauten Madame und Monsieur Rochfort traten aus dem Gemeindesaal hinaus, verließen das geräumige Haus und wurden von den Gästen mit Beifall und Glückwünschen eingedeckt. Julius sah, wie alle Gäste bunte Pergamentschnipsel und Reis hervorholten. Auch er griff in die linke Außentasche seines Festumhangs und holte ein Leinenbeutelchen Reis heraus. Millie feixte schon, wie viele Enkel er denn der gestrengen Madame Delamontagne gönnen würde.

"Genug, um damit Oma Line Konkurrenz zu machen", erwiderte Julius. Er öffnete den Beutel, holte aus und schleuderte den Reis mit großem Schwung nach oben, als er sicher sein konnte, daß Virginie und Aron auch davon getroffen werden würden. Dabei fielen jedoch auch etliche Körner auf Eleonore Delamontagne herab, die nun, wo sie ihren Abschiedsschmerz wohl gründlich aus dem Kopf geweint hatte, strahlend auf das Junge Paar blickte.

"Oha, wenn die jetzt auch noch mal die Kinderbackstube anheizt bist du das Schuld, Monju", spottete Millie.

"Solange das nicht meine Kinder sind kann das mir egal sein." Da fühlte er, wie Millie und er selbst in einen Reisregenschauer hineingeriten und sah sich schnell um. Da standen Sandrine und Gérard, die sich unbemerkt hinter die beiden jung verheirateten Kameraden geschlichen hatten. Gérard sagte dann zu Millie:

"Wenn du schon meinst, mit fünfzehn auf Ehefrau machen zu müssen, dann soll es dir nicht am nötigen Kindersegen fehlen".

"Bist wohl froh, daß du drum rumgekommen bist, wie, Gérard?" Fragte Millie eher scherzhaft als ernstgemeint. Gérard sah sie überlegen an und deutete auf Sandrine.

"Wir lassen uns zeit. Wenn wir in vier Jahren wen neues begrüßen können, dürft ihr euch den gerne ansehen." Sandrine lächelte dabei nur.

"Ich freue mich schon drauf", erwiderte Millie warmherzig lächelnd. Julius bedankte sich dann noch für den Reissegen, klopfte sich die Körner aus dem Umhang und folgte seiner Frau und ihren Blutsverwandten zusammen mit seiner Mutter vom Vorhof des Gemeindehauses weg.

Sie begaben sich zum Musikpark, wo das große Fest weitergehen sollte. Unterwegs fragte er Millie, was Sandrine und Gérard so umgestimmt hatte, wo sie ihnen bei Walpurgis noch weit aus dem Weg bleiben wollten.

"Weil ich denke, daß Sandrine jetzt weiß, daß sie mit uns besser klarkommt, wenn sie uns Glück wünscht anstatt die Pest. Immerhin müssen wir drei ja noch drei Jahre in der Pflegehelfertruppe miteinander klarkommen."

"War wohl gestern auch schon klar, als Sandrine es von Madame Rossignol erfuhr. Wundere mich nur, daß sie uns davon nichts mitgeteilt hat."

"Wahrscheinlich deshalb, weil die anderen Pflegehelfer so früh wie möglich über uns informiert werden sollten. Wundere mich nur, wie die das überhaupt so schnell erfahren hat."

"Als Madame Delamontagne bestätigt hat, daß ich deinen Nachnamen annehme und Monsieur Laroche uns für verheiratet erklärt hat hat mein Armband sich etwas erwärmt und pulsiert, solange dieser goldene Funkenschauer um uns flog", sagte Julius dazu.

"Stimmt, das hat es bei mir auch getan. Kann sein, daß die dabei mitbekommen hat, wie du danach heißen würdest."

"An diesem Armband hängen wir richtig wie an einer langen Leine", knurrte Julius. Doch er hatte es noch im Bewußtsein, daß dieses Armband ihm auch schon sehr geholfen hatte.

Madame Faucon trat zu Mildrid und Julius Latierre heran und sah sie beide an.

"Du fragst dich doch sicher, wieso ich nicht so stark erschüttert reagierte, als ich von dem neusten Streich dieser gebärsüchtigen Hexe da", wobei sie auf Ursuline deutete "erfahren habe, Julius. Ganz einfach, weil ich genau mit dieser voreiligen und alle üblichen Konventionen verachtenden Vorgehensweise gerechnet habe, nachdem ich unfreiwillig erfuhr, auf welche Weise ihr beiden euch gefunden habt. Auch wenn sie es anders sieht ist Madame Ursuline Latierre doch sehr gut zu berechnen." Per gedankensprache fügte sie nur für ihn hinzu: "Tatsächlich hat sie mir in einer heftigen Debatte abgerungen, daß du als ihr Schwiegerenkel besseren Schutz genießt als durch den Sanctuafugium-Zauber alleine. Näheres von ihr selbst, wenn du mit deiner Angetrauten in ihrem friwolen Schloß bist."

"Blanche, ich weiß, Sie haben immer noch Probleme damit, vergangenes als gegeben anzuerkennen. Aber ich wiederhole gerne vor meiner Enkelin und ihrem Mann, daß meine Tochter Hippolyte alles Recht hatte, die Verbindung zwischen den beiden gesetzlich zu bestätigen und ich gute Gründe habe, warum ich das nicht nur sehr schön, sondern auch sehr wichtig finde. Noch eine schöne Feier, Madame Faucon." Sie winkte Julius und Millie hinter sich her. Madame Faucon blieb zurück. Sie schickte auch keine Gedankenbotschaften mehr aus.

Während des feierlichen Mittagessens gingen die frisch vermählten Madame und Monsieur Rochfort mit gefüllten Weingläsern herum und nahmen einzelne Glückwünsche entgegen. Als Virginie bei Julius anlangte strahlte sie ihn an:

"Na, wie fühlt es sich an, mit einem anderen Familiennamen herumzulaufen?"

"Wie ein neuer Anzug. schlackert an einigen Stellen, sieht aber sonst sehr gut aus", erwiderte Julius. Dann küßte er der Braut auf die Wange und hoffte, daß ihre Schminke nicht darunter litt. Er flüsterte dann noch: "Lebe lange, glücklich und in Frieden, Virginie Rochfort!"

"Ich wünsche dir und Mildrid alles Glück, aber auch genug Herausforderungen im Leben. Denn ohne Herausforderungen würde dir langweilig werden und ihr jeder Spaß am Leben vergehen. Ein langes, glückliches und abwechslungsreiches Leben, Monsieur Latierre!"

Julius unterhielt sich mit Bruno Dusoleil, der seine kleine Tochter auf dem Schoß sitzen hatte, weil Jeanne sich gerne mit Barbara und Catherine unterhalten wollte, wie das Leben als Junge Mutter sich bisher angelassen hatte. Sie sprachen über das für und wider lange vorbereiteter und mal eben von heute auf morgen durchgezogener Hochzeiten und besprachen die verstärkten Verhaltensregeln für Beauxbatons. Sie redeten über Julius' andere Verehrerinnen wie Belisama oder Edith Messier, sprachen von Mann zu Mann über den Spaß aber auch den Stress eines jungen Vaters und übten sich darin, Viviane ihre Lieblingswiegenlieder vorzusingen. Bruno gestand Julius ein, daß er sich beim Wickeln immer noch dezent zurückhielt. Julius grinste überlegen und zeigte seinen Pflegehelferschlüssel vor.

"Ich habe das hier nur gekriegt, weil ich Madame Lumières Zwillinge wickeln konnte. Außerdem hatte ich im letzten Schuljahr viel mit Connie Dorniers Kleinen zu tun."

"Ich weiß, an und für sich sollte ein Vater seine Kinder auch wickeln können. Aber mir ist das echt zu eklig. Und Jeanne läßt mich auch damit in Ruhe."

"Weil sie dich nicht überfordern will", wandte Julius ein. Bruno fragte ihn, was denn daran so schwer sei. Millies Mann grinste und warf ein, daß es eben viel Überwindung koste, volle Windeln wegzunehmen, das Kind zu säubern und dann frisch zu wickeln."

"Du mußt das ja machen, weil die Matine das dir eingebläut hat", knurrte Bruno. Julius sagte dann nur, daß er dann, wenn Millie ihm selbst mal so ein Bündel Menschenleben in die Arme legen würde, er dann keine Angst mehr hätte, was verkehrt zu machen.

"Ich hab doch keine Angst davor ... Ach, du willst mich ärgern, Julius. Willst mir jetzt einreden, daß ich zwar ein starker Mann sei aber bei vollgekackten Windeln das Weite suche", knurrte Bruno. Doch dann grinste er. "Stimmt, könnte ja echt der Eindruck entstehen. Dann soll mir Jeanne oder Maman das zeigen. Da ist die Kleine ja auch häufig."

"Ich denke, wenn Jeanne dir das zeigt habt ihr drei mehr davon", fand Julius. Millie nickte ihm zustimmend zu. Sie sagte dann:

"Sonst müßt ihr Väter euch ja ein Leben lang vorhalten lassen, daß ihr mit den Kindern nur ein paar sehr heiße Minuten verbindet und dann nur fröhlich lachen oder streng schimpfen dürft. Ich bin froh, daß der Vater meiner Kinder mir nicht nur helfen kann, sie in mich reinzutun und wenn sie durchgebacken sind rauszuziehen, sondern auch alles andere anfallende."

"Bis auf das säugen", warf Bruno ein. "Ich denke mal, daß ich mich da ganz bestimmt nicht für eigne."

"Ich denke, daß würde Jeanne dir auch nicht erlauben, ihr da was wegzunehmen", sagte Julius grinsend. Millie nickte wieder.

"Ihr habt ja noch Zeit", sagte Bruno abschließend.

Am Nachmittag stellten sich alle Verwandten der heute angetrauten zum großen Foto auf. Ursuline Latierre schlug dann vor, daß Millie und Julius sich dann auch mit ihrer Verwandtschaft photographieren lassen sollten. So geschah es dann auch. Ossa Chermot interviewte Virginie und Aron Rochfort. Sie sah zwar auch zu Mildrid und Julius herüber, wurde jedoch durch ein energisches Kopfschütteln von Hippolyte Latierre zurückgescheucht.

Am Abend wurde zum Tanz aufgespielt. Wie am Tag vorher vereinbart eröffneten beide frischen Ehepaare den Hochzeitswalzer, erst Virginie und Aron und dann Mildrid und Julius. Danach tauschten sie einmal die Partner.

"Millie meinte, das wäre echtes Einhornfell", sagte Julius, als er das Brautkleid vorsichtig durch die Finger gleiten ließ. Der Stoff fühlte sich sehr fließend und glatt an.

"Nur zu dreißig Prozent, Julius. Darin hat Oma Oleande schon geheiratet. Aber es ist wirklich schön geschmeidig und leicht. Ich denke, wenn ich eine Tochter kriege, kann sie das zu ihrer Hochzeit anziehen."

"Damals muß deine Oma Oleande noch sehr schlank gewesen sein", sagte er sehr leise.

"Ja, sie war einmal ein sehr schlankes Hexenmädchen, Julius. Dumm nur, daß meine Mutter bereits als Kind nicht von den süßen Knabbereien lassen konnte. Dann war da nichts mit dem Brautkleid von Oma."

"Kann man das nicht umändern?" Fragte Julius.

"Neh, nicht wenn da Einhornfell drin verwoben ist. Wenn das einmal fertig ist, bleibt das so, aber das dann eine Ewigkeit lang. Wenn ich mir überlege, was das Kleid gekostet hat."

"Auf jeden Fall hattet ihr beiden heute die größere Feier als Millie und ich gestern", machte Julius schönes Wetter.

"Die Chermot hat mich schon gefragt, ob Ursuline Latierre bald den ersten Urenkel begrüßen könne und ich nicht neidisch wäre, weil ihre Enkeltochter angeblich bereits vor mir verheiratet worden sei, obwohl sie erst fünfzehn sei."

"Was hast du ihr gesagt?" Fragte Julius.

"Das ich diese Fragen nicht beantworten könne, da ich zu sehr damit beschäftigt sei, meine eigene Hochzeit zu genießen und heute mein Mann und ich für mich wichtig wären. Nicht mehr und nicht weniger, Monsieur Latierre."

"Das war sehr nett von Ihnen. Danke, Madame Rochfort", bedankte sich Julius sehr aufrichtig.

"Ich bin die Tochter einer wichtigen Hexe, Julius. Ich habe früh lernen können, wie ich mit den Leuten vom Miroir reden muß. Aber soweit ich weiß hast du einen Reporter mitgeheiratet, Gilbert Latierre. Wahrscheinlich hat deine Schwiegergroßmutter bereits einen Termin mit ihm vereinbart."

"Hörte ich auch."

"Wann wirst du dein Hochzeitsgeschenk von Madame Barbara Latierre abholen?"

"Ich nehme es nur in Besitz. Da wo es lebt, ist es besser aufgehoben als sonstwo", antwortete Julius.

"Das stimmt wohl", pflichtete Virginie ihm bei. Dann klang das Lied aus, zu dem sie tanzten.

"Ich werde um elf Uhr mit Aron zu unserem neuen Haus reisen und da das erleben, was ihr beiden schon so früh erlebt habt, Julius. Falls wir uns also heute abend nicht mehr in Sprechweite antreffen, sage ich schon mal auf Wiedersehen."

"Ja, auf Wiedersehen, Virginie. Vielen Dank für die zwei Jahre in Beauxbatons. Ohne Barbara und dich hätte ich wohl doch häufiger die Krise gekriegt."

"Dafür hast du mir und dem ganzen grünen Saal zweimal den Quidditchpokal gewinnen geholfen. Das war es wert", erwiderte Virginie lächelnd. Dann kehrte sie zu ihrem Mann zurück.

"Der ist ja ein Typ", sagte Millie, als sie mit Julius den nächsten Tanz tanzte. "Der fragte mich doch glatt, ob ich mich im Moment eher angenehm oder unwohl fühle. Ich fragte ihn zurück, warum er fände, mir ging es nicht gut. Da meinte er, weil ich ja wohl doch schon für ehetauglich erklärt wurde, damit das Kind, daß ich von dir tragen würde nicht unehelich zur Welt kommt. Ich sagte ihm darauf, daß ich zur Zeit kein Kind im Bauch hätte, aber wir beide schon fleißig üben würden, solange ferien seien und jetzt sogar die Erlaubnis dazu hätten. Da hat der blöd gekuckt. Er ließ dann raus, daß die Chermot ihn und Virginie damit angehauen hätte, ob Oma Line bald den ersten Urenkel betüddeln dürfe. Ich meinte dann nur, daß ich das schon früh genug mitbekäme, wenn ich wen neues im Ofen hätte. Da hat der rote Ohren gekriegt und gemeint, ich würde mich ja echt seltsam ausdrücken."

"Mit seltsam meint er dann wohl unanständig", grinste Julius. Dann erzählte er ihm von dem Gespräch mit der weißen Braut.

"Also, so wie der Typ gelagert ist muß die dem befehlen, ihr ein Kind zu machen, Monju. Aber ich denke, die wird schon wegen ihrer Oma Oleande nicht lange warten."

"Stimmt, wenn die hört, daß wir beide zusammenschlafen dürfen wird die hoffen, daß Ursuline nicht doch schon Uroma wird", wanddte Julius ein. Millie nickte.

Mit besagter Oma Oleande durfte Julius vier Tänze später über das Parkett schweben. Sie sah ihn sehr ruhig an und sagte nur:

"Ich gehe davon aus, daß wenn Madame Faucon keinen massiven Einspruch gegen Ihren Verbleib in Beauxbatons erhoben hat, daß wir uns auf jeden Fall in einer ZAG-Prüfung wiedersehen. An und für sich hätten sie die ordentlichen ZAGs schon dieses Jahr anerkannt bekommen müssen. Aber leider müßten Sie dann alle von Ihnen bisher belegten Fächer amtlich prüfen lassen, und das ist ja doch nicht geschehen."

"Ich hoffe mal, ihre Meinung über mich hat nicht zu sehr gelitten, Madame Champverd."

"Da ich längst nicht alle Gründe kenne, weshalb Madame Hippolyte und Monsieur Albericus Latierre Sie für ihre Tochter bestimmt erklärt haben steht mir keine Wertung zu. Da ich nur Ihre Arbeit und Ihre Disziplin kenne gehe ich davon aus, daß Sie durch die Matrimonium-ante-Maturam-Regel nicht von ihrem hohen Ausbildungsniveau abfallen, Monsieur ... Latierre?" Julius nickte zweimal hintereinander. Er bestätigte, daß Mildrid und er sich was die Schule anging weiter so ranhalten würden wie bisher, jetzt womöglich sogar besser, weil sie ja nicht mehr nach einem Partner suchen müßten und von keinem mehr umworben zu werden bräuchten. Madame Champverd nickte verhalten. Dann wünschte sie Julius noch alles Glück und allen Erfolg, den er sich durch eigene Leistungen verdienen konnte und ging zu Monsieur Phoebus Delamontagne, mit dem sie nun tanzte.

Julius kam vor Lauter Tanzanfragen fast nicht zum essen und trinken. Doch seine Schwiegermutter und seine Schwägerin führten ihn immer früh genug zum Buffet. Bei einem Tanz mit Hippolyte sagte sie ihm, er könne sie zwar Belle-Maman nennen, müsse dies aber nicht, weil sie ihre Schwiegermutter ja auch nur beim Vornamen nennen würde und es in der Zaubererwelt weitestgehend üblich sei, die Schwiegereltern beim Vornamen zu nennen. Er nahm ihr Angebot an, wenngleich es ihm dann schwerfallen würde, zu Mayette, Patricia und Béatrice Tante zu sagen."

"Deshalb ist das viel leichter für dich, wenn du uns alle so anredest wie bisher", sagte Hippolyte. "Aber ich fürchte, meine Mutter wird darauf bestehen, daß du sie mitGrandmaman also Oma ansprichst."

"Ja, stimmt, darauf besteht sie", sagte Julius. "Aber Béatrice hat mir auch das normale Du angeboten, Belle-Tante klingt ihr zu aufgesetzt, dann entweder Tante oder eben nur Béatrice, zumal ich ja mit deinen Schwestern Patricia und demnächst noch Mayette zusammen zur Schule gehen würde."

"Da sagt Millie aber schon mal "Tante Patricia", wenn sie wütend auf sie ist", lachte Hippolyte. Julius nickte. Dann ließ er sich noch ein großes Glas mit Wasser geben und trank es aus, bevor Raphaelle Montferre ihn zum Tanzen aufforderte. Mancher Halbwüchsige machte anzügliche Grimassen und Bemerkungen, weil Julius mit der ihn körperlich überragenden, übermäßig reich an Oberweite gesegneten Rothaarigen immer wieder sehr eng tanzte. Doch wenn er sich schamhaft zurückhalten wollte sagte sie ihm:

"Man könnte meinen, du hättest Angst vor üppigen Frauen, Julius. Da du die Abscheu vor Rothaarigen offenbar nicht mehr hast würde das deiner Manneswürde einen Knick versetzen, wenn du denen da nicht zeigst, daß du es genießen kannst."

"Ich wollte nur nicht, daß aus versehen was rausläuft, wenn ich mit dir zusammenstoße, Raphaelle."

"Da ist genug drin für die beiden Racker. Außerdem haben die vor zwei Stunden genug getrunken, Julius", grinste Raphaelle Montferre. Den restlichen Tanz verbrachten sie schweigend.

Der letzte Tanz des Abends gehörte Julius und seiner Mutter, während Millie mit ihrem Vater tanzte und Jacques sich schnell abgesetzt hatte, als Callie Latierre ihn auffordern wollte. Sie sprachen kurz noch einmal über die beiden nun vergangenen Tage und was sich durch diese geändert hatte. Sie waren sich einig, daß sich an ihrem Verhältnis nie was ändern würde, egal was die Zukunft jetzt bringen mochte.

Als Virginie und Aron um Elf Uhr zu Virginies Elternhaus disapparierten, um ihre Besen zu besteigen und in ihre Hochzeitsnacht zu fliegen, sah Julius Yves und César, die von Madame Matine betreut werden mußten, weil irgendwer den beiden eine gehörige Portion Alkohol verabreicht hatte. Offenbar war deren Scherz vom letzten Jahr noch gut in Erinnerung. Aber da Virginie und Aron eh nicht verraten hatten, wo ihr neues Haus genau stand, würden sie wohl eine friedliche, vielleicht auch nicht zu geruhsame Hochzeitsnacht verbringen.

Gegen Mitternacht verabschiedete sich Julius von Mildrid und wünschte ihr eine gute Nacht. Dann kehrte er mit seiner Mutter und den Dusoleils in deren Haus zurück, während Joe Brickston seine Tochter Babette stolz auf den Schultern zum Haus seiner Schwiegermutter trug. Für Babette war dieser Tag wieder sehr aufregend verlaufen, und sie war rechtschaffend müde. Ihr golden glitzerndes Brautjungfernkostüm glänzte noch einmal im Schein der vielen Lampen im Musikpark. Dann waren die Brickstons nicht mehr zu sehen.

Zurück im Dusoleil-Haus sahen Julius und seine Mutter, daß die Miniatur-Latierre-Kuh sich hingelegt hatte.

"Hat Babs Latierre dir verraten, wie man den Wecker umstellen kann?" Fragte Martha Andrews.

"Sie meinte, echte Kühe könne man auch nicht umstellen wie eine mechanische Uhr, und daß wir damit wohl leben lernen würden."

"Die ist echt lustig, diese Landhexe", knurrte Martha. "Vielleicht kannst du ihr diesen Schweigezauber aufhalsen, von dem ihr mir mal erzählt habt."

"Der geht leider nur bei echten Lebewesen, Mum", belehrte sie Julius verdrossen. Sie warf der völlig harmlos alle Viere von sich streckenden Nachbildung einen verächtlichen Blick zu. Dann legte sie die Festgarderobe ab. Julius tat es ihr gleich. Fünf Minuten später lagen beide in ihren Betten und wurden von dem leisen Rauschen des gemalten Waldes in einen tiefen Schlaf getragen.

ENDE

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