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Eine Fan-Fiction-Story aus der Vergangenheit der Harry-Potter-Serie

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Vorige Story

P R O L O G

Aurora Dawn steht kurz vor dem Abschluß ihrer Hexenausbildung. Sieben Jahre sind so gut wie im Fluge vergangen. Sieben Jahre, in denen sie viel erlebt und auch überlebt hat. Vor allem ihr letztes Jahr hat es noch in sich. Sie bekommt mit, wie ihr Cousin Philipp Vertrauensschüler wird, erschrickt wie die meisten anderen Mitschüler, als ihre jüngere Cousine Agatha von Mitschülerinnen mit einem sehr grausamen Fluch belegt wird. Doch die betreffenden Mitschülerinnen haben nicht aus eigenem Antrieb gehandelt, sondern für jemanden, der es versteht, sich zu verbergen und vor Verrat sicher zu bleiben. Der neue Verteidigungslehrer, Professor Silverbolt, ist sehr erbost über diesen Vorfall.

Nach Weihnachten, wo sich alle wieder einigermaßen sicher fühlen, erwacht in dem bis dahin ehr unterdurchschnittlichen Mitschüler Elroy Portsmouth ein unheimliches Wesen, das als Bodenbereiter für einen übermächtigen, schon jenseits des Menschseins befindlichen schwarzmagischen Herrscher Opfer beschaffen soll, um seinem Meister die Rückkehr in die Welt der Sterblichen zu ermöglichen. Er bemächtigt sich Aurora, Cynthia Flowers und scheinbar auch Bruster Wiffle, ebenfalls einem Vertrauensschüler. Professor Silverbolt enthüllt im Kampf gegen die Elroys Körper benutzende Kreatur, daß er genau diesen Feind gesucht hat, den seine Familie alle paar Jahrhunderte zurückdrängen mußte. Weil die Kreatur aus Elroys Körper getrieben wird und sich einen neuen Wirtskörper suchen muß, versucht das schattenhafte Geschöpf, in Brusters Leib einzufahren, schrickt aber angewidert zurück und verliert alle restliche Zauberkraft, so daß Silverbolt es vertreiben kann, nicht ohne vorher einen sehr mächtigen Fluch abzubekommen, gegen dessen volle Wirkung sein geheimnisvolles, hochpotentes Schmuckstück ihn zwar schützt, die Wirkung jedoch nicht restlos beseitigen kann. Bei dem Kampf, während dem Schulleiter Dumbledore Hogwarts in Belagerungszustand versetzt, kommt heraus, daß Bruster Wiffle zusammen mit der Slytherin-Mitschülerin Loren Tormentus über mehrere Jahre mit Vielsaft-Trank ihre Körper und Rollen vertauscht hat. Da dies gegen mehrere Schulregeln verstößt, stellt Dumbledore die beiden vor die Wahl, freiwillig die Schule abzubrechen oder schmachvoll entlassen zu werden. Loren und Bruster wählen den freiwilligen Abgang, um sich und den Ruf von Hogwarts zu schützen. Somit ist klar, daß es nicht selbstverständlich ist, daß alle Schüler, die mit der Ausbildung begannen, sie auch ordentlich beenden können. Aurora weiß, daß sie sich bald entscheiden muß, ob sie wirklich den angestrebten Heilerinnenberuf ergreifen soll oder nicht, denn nach den Osterferien beginnt der letzte Abschnitt ihrer Schulzeit.

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"Jeff, Du hast nur zehn Sekunden, da reinzugehen, den Patienten zu finden und ihn zu uns zu bringen", sagte die silberblonde Hexe und blickte Jeff Greenstam auffordernd an, bevor sie mit dem Zauberstab auf eine große Holzhütte deutete und "Incendio!" Rief. Mit lautem Wuff schlugen helle Flammen aus Dach und Wänden des Holzhauses, während mit lautem Klick eine Stopuhr ansprang. Greenstam, ein dunkelhaariger junger Zauberer, der leicht aufgeregt war, nun, wo er das tückische Hindernis vor sich sah, stand eine Sekunde lang unschlüssig da. Dann hantierte er schnell mit seinem Zauberstab, erzeugte eine den Kopf umschließende Blase aus Zauberkraft und legte eine flimmernde Aura um seinen Körper. Dann disapparierte er. Die silberblonde Hexe sah auf die Zeiger der großen Stopuhr, die bei Ausruf des Zündzaubers angesprungen war. Von den zehn Sekunden waren jetzt schon viereinhalb vergangen. Die sechste, siebte und achte Sekunde vertickte. Dann erklang ein heller Glockenton, und die Uhr hielt bei acht und sieben Zehnteln an. jeff hatte es geschafft, einen im Schutze eines Feuerfesten Körperschutzes mit einem Trank gegen Hitze präparierten Ausbilderkollegen zu finden und in die Sana-Novodies-Klinik zu bringen. Die Hexe nickte anerkennend und schickte den Brandlöschzauber gegen die von ihr beschworenen Flammen aus. Eine Minute später lagen die verrußten Reste der absichtlich abgebrannten Hütte vor ihr. Sie nahm die Stopuhr und verschwand beinahe geräuschlos.

Als sie in einem Behandlungsraum der Klinik ankam, sah sie Jeff Greenstam gerade, wie er den aus den Flammen geretteten Patienten mit einem Diagnosezauber untersuchte. Als das vorbei war erhob sich der Übungspatient wieder und lächelte den jungen Zauberer an.

"Gut, damit hast du heute die Brandrettungsprüfung bestanden, Jeff. Du hast innerhalb von acht Sekunden und sieben Zehntel ein Gebäude von dreißig Quadratmetern betreten, den Patienten geortet und abtransportiert. Damit ist dieser Punkt nun endgültig abgeschlossen, um für die Endprüfung zur Wintersonnenwende mitte Juni zugelassen zu werden", sagte die Hexe wohlwollend lächelnd. Jeff wußte, daß man sich dieses Lächeln sehr hart erarbeiten mußte und war froh, diese wortwörtliche Feuerprobe bestanden zu haben. Normalerweise wurde eine halbe Sekunde pro abzusuchendem Quadratmeter für die Brandrettungsqualifikation veranschlagt. Doch seine Mentorin Bethesda Herbregis verlangte ihren Prüflingen immer etwas mehr ab als die Standardvorgaben.

"Er hat keine Rauchvergiftungen oder Brandverletzungen davongetragen, Meisterin Herbregis", vermeldete Jeff Greenstam pflichtbewußt.

"Wie auch, wenn Sie so schnell bei mir waren", lachte der Übungspatient, Heiler Salix Gnoll. Bethesda Herbregis sah ihn mißbilligend an und sagte sehr energisch:

"Deshalb habe ich dir nur eine Drittelsekunde pro Quadratmeter zugestanden, Junge. Bei plötzlichem Feuer ist die schnelle Rettung unter Beachtung der Eigensicherungsmaßnahmen innerhalb von wenigen Sekunden durchzuführen. Zwar erfüllen die Standardvorgaben auch ihren Zweck. Aber um wirklich effitient zu arbeiten sind manchmal engere Zeitrahmen nötig. Du hast es geschafft und damit die vorletzte Vorbedingung für deine Abschlußprüfung erfüllt."

"Na ja, wenn ich gewußt hätte, daß Sie heute die Brandrettungsübung mit mir machen wäre ich wohl noch schneller gewesen", sagte Jeff Greenstam. Seine Ausbilderin sah ihn verhalten an und meinte kühl:

"Eben gerade deshalb habe ich dir das nicht gesagt, daß ich diesen Teil der letzten Qualifikationen heute mit dir durchführen will. Es galt zu prüfen, wie schnell du auf eine unvorhergesehene Situation reagierst und dir zu zeigen, wie wichtig es ist, nicht sofort an einen genauen Ort zu apparieren, wenn du nicht weißt, was dich dort erwartet. Ein Gebäude sollte kein Heiler direkt durch Apparieren betreten, sondern erst von außen prüfen, ob es sicher genug ist. Keinem Patienten ist damit geholfen, wenn der ihn aufsuchende Heiler sich ohne Einhaltung der Eigenschutzmaßnahmen in tödliche Gefahr begibt. Wenn ich dich jetzt von hier direkt in das Gebäude geschickt hätte, hättest du dich dem dort lodernden Feuer ungeschützt ausgeliefert, und wir hätten dich selbst herausholen müssen. Darum ging es heute, dich darin zu prüfen, wie schnell du im von mir gesteckten Zeitrahmen Eigenschutz und Rettungsmaßnahme durchführen kannst. Wir sehen uns dann morgen früh zur nächsten Übungseinheit der Verwandlungsumkehr." Jeff nickte ihr zustimmend zu, verbeugte sich respektvoll und sagte:

"Dann bis morgen, Meisterin Herbregis!" Dann verließ er den Behandlungsraum.

"Tja, das ist dann wohl der letzte, den du ins praktische Jahr hinüberführst, Beth", meinte Salix Gnoll, als der junge Heilkunstauszubildende fort war.

"Falls in Redrock wirklich nicht mehr als vier Kandidaten bei uns anfangen wollen, Sal. Du, Brigid, Ceres und Atropus seid ja von Direktor Springs schon eingeteilt worden. So wird mir dann wohl als dienstälteste Heilerin die Stationsoberaufsicht zufallen", antwortete Bethesda Herbregis leicht verdrossen. Zwar bewarb sie sich durch ihre überragenden Leistungen, sowohl in der praktischen Heilkunst als auch in der Ausbildung junger Heilerinnen und Heiler um die Nachfolge von Sana-Novodies-Direktor Vitus Springs, lebte aber eben für die praktische Heilkunst, die Arbeit draußen und im herrlichen Gefühl, jungen Hexen und Zauberern sowohl den Ernst der Ausbildung als auch die Erfüllung des Heilerberufes zu vermitteln. Sie hatte sich bereits einen sehr guten Ruf erworben, und daß sie unerbittlich und streng war wurde von ihren Schülern nach anfänglichem Murren gewürdigt, wenn sie dafür überragende Ergebnisse erzielten und die Heilhexe Herbregis auch als eine wohlwollende Mentorin erlebten, die denen half, die in den einzelnen Disziplinen Schwierigkeiten hatten oder an einem bestimmten Punkt nicht mehr recht wußten, ob sie die Ausbildung zu Ende bringen konnten oder besser etwas anderes machen sollten. Für diejenigen, die dann wirklich ihre Ausbildung abbrachen fand sie sogar neue Ausbildungs- oder Arbeitsplätze. Ihr Motto war, daß Ehrlichkeit sich selbst gegenüber über Pflichterfüllung um jeden Preis ging, solange es noch um die Ausbildung ging. Einen Heiler, der nicht mit Leib und Seele in seinem Beruf arbeitete, wollte sie nicht um sich haben. Wer ihre harte Schule überstand und in das praktische Jahr eintrat, der wußte, daß er sein Leben lang der Heilkunst verbunden war, und der voll aprobierte Heiler, der einen ihrer ehemaligen Schüler zugeteilt bekam konnte auf einen verläßlichen und fähigen Assistenten zählen, dem er viele Arbeiten deligieren konnte, ohne ständig hinterherlaufen zu müssen.

"Direktor Springs will noch zwei Jahre bei uns bleiben", sagte Salix Gnoll. "Womöglich darf ich dann Frau Direktrice zu dir sagen, Beth."

"Wenn er nicht verfügt, daß du sein Nachfolger wirst, Sal", erwiderte Bethesda Herbregis. Doch Salix Gnoll schüttelte den Kopf.

"Ich bin kein Schreibtischwühler, Beth. Da würde ich in einem Jahr austrocknen wie eine ungegossene Blume."

"Sehe ich wie eine Schreibtischwühlerin aus, Sal?" Knurrte Bethesda Herbregis. "Aber wenn Direktor Springs in den wohlverdienten Ruhestand gehen möchte muß jemand hier anfangen. Abgesehen davon das die Zunft da ja noch das letzte Wort hat, wer seine Nachfolge antritt."

"Ja, dann spekulier mal nicht drauf, daß die ausgerechnet mich auf Springs weißen Stuhl setzen, Beth. Nach der Kiste, die ich mir mit Laura Morehead geleistet habe würde die mich glatt ganz aus der Sano rauswerfen."

"Mrs. Morehead sollte privates von dienstlichem trennen", erwiderte Bethesda Herbregis. Doch ihr Kollege schüttelte den Kopf und meinte, daß sie gerade deshalb, weil er Heiler war das private als dienstliches Anliegen hinstellen und ihm sittliche Unreife unterstellen würde.

"Ich trenne da aber, solange es nicht die unmittelbare Arbeit berührt", erwiderte Bethesda Herbregis entschieden. Dann meinte sie noch:

"Wir sollten noch einmal einen Aushang in Redrock anbringen lassen, daß wir Nachwuchsheiler suchen. Womöglich kommen von den UTZ-Schülern ja welche darauf, sich doch noch für diese Laufbahn zu begeistern."

"Bei den Bedingungen, die wir erfüllt haben wollen werden die Leute lieber ins Ministerium oder zu privaten Firmen in der zaubererwelt wechseln als sich durch unsere Mühle drehen zu lassen", knurrte die bewährte Ausbilderin.

"Hmm, dann sollten wir an den Bedingungen ...", setzte Gnoll an, wurde jedoch durch ein so energisches Kopfschütteln seiner Kollegin abgewürgt, daß er befürchtete, Bethesdas Kopf könnte vom Hals gedreht werden.

"Nur das beste ist gut genug, Sal", knurrte sie verärgert. "Wer nicht unsere Einstiegsbedingungen erfüllen kann, weiß sofort, daß er oder sie sich anders orientieren möge."

"Tja, Beth, und dann kriegen wir nur vier neue, wo wir sechs auf einmal nehmen könnten", seufzte Gnoll. "Du weißt genau, daß uns die Zunft schon auf den Füßen Steht, weil niedergelassene Heiler fehlen und ein Heiler den doppelten Aktionsradius betreuen muß."

"Wir konnten das bisher gut genug, Sal, und die Muggel haben seit der Erfindung ihrer Flugmaschinen auch keine Probleme mehr, größere Landstriche mit ihren Knochenflickern und Zahnbohrern zu bedienen. Aber ich gebe dir insoweit recht, daß wir schon aufpassen müssen, genug niedergelassene Heiler im Land zu haben. Längst nicht jeder Fall muß hier behandelt werden. Sonst müßten wir einen zusätzlichen Trakt anbauen, trotz Rauminhaltsvergrößerung und alles", erwiderte Bethesda Herbregis. Es klopfte an die Tür. Die Ausbilderin rief: "Herein!" Die Tür schwang auf, und ein schlachsig wirkender Zauberer mit mausgrauem Haar und verwegen wirkendem, dünnen Schnurrbärtchen betrat den Behandlungsraum.

"Hach, habe ich euch beide erwischt, Beth und Sal", grüßte der Ankömmling, dem die beiden anwesenden Heiler respektvoll entgegenblickten. Er tastete mit dem Blick seiner hinter ovalen Brillengläsern liegenden hellbraunen Augen die Einrichtung ab und sog prüfend Luft in seine Nasenflügel ein. Es roch noch ein wenig nach Rauch und Schwefel.

"Der junge Greenstam hat deine Feuertaufe bestanden, beth?" Fragte der Zauberer noch. Seine Stimme klang leise aber keineswegs schwächlich.

"Ja, er hat meine Feuertaufe bestanden, Vitus", bestätigte Meisterin Herbregis sachlich klingend. Doch ihren Mund umspielte dabei ein leichtes lächeln, an dem der grauhaarige Zauberer einen gewissen Stolz ablesen konnte.

"Nun, ich habe gerade mit Mrs. Morehead kontaktgefeuert, weil sie wollte, daß ich welche aus unserem Kollegium nach Redrock schicken soll, um dort Nachwuchsheiler anzuwerben. Sie meinte, wir sollten alle Ausbildungsplätze besetzen."

"Jemand soll zu den Schülern hin?" Fragte Salix Gnoll. der Zauberer, Vitus Springs, nickte bestätigend.

"Wann soll einer von uns dahin?" Fragte Bethesda Herbregis.

"Gleich nach den Ferien, bevor die Abschlußklässler sich dem Prüfungsvorbereitungsstress richtig ausgesetzt sehen. Laura, also Mrs. Morehead meint, wir sollten durch eigene Präsenz neue Schüler gewinnen", entgegnete Vitus Springs.

"Schade, daß ich nicht gehen kann", sagte Bethesda Herbregis. "Aber Mr. Greenstam hat noch seine fünf letzten Zwischenprüfungen zu bestehen, die ich gerne selbst abnehmen möchte, bevor zur Wintersonnenwende im Juni die amtliche Endprüfung ansteht."

"Ich übernehme das, Sir", erklärte sich Salix Gnoll zur Erfüllung des Auftrags bereit.

"Danke, Sal", sagte Vitus Springs zufrieden. Dann verließ er wieder den Raum.

"Na, dann finde mal wen!" Grummelte Bethesda.

"Ich hoffe nur, daß nicht einer aus dieser Familie bei uns anfangen will."

"Rufe den Drachen nicht beim Namen, Sal. Andererseits wüßte ich im Moment nicht, das die letzte Tochter aus dieser Familie Heilerin werden will, wo unsere Charakterbedingungen Selbstaufopferungsbereitschaft und Einfühlungsvermögen beinhalten."

"Meinte ja nur, daß wir die dann wohl nehmen müßten, wenn sonst niemand sich bereitfindet", grummelte Gnoll.

"Wirst du sehen, wenn dein Auftritt vorbei ist, ob wir dann neue Ausbildungsinteressenten kriegen", sagte Bethesda nicht ganz so zuversichtlich klingend wie sie wollte. Ihr Kollege nickte andeutungsweise, sagte jedoch nichts mehr dazu.

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Hallo, Aurora,

ist schon einige Wochen her, daß ich dir geschrieben habe. Aber hier bei uns im Land unten drunter gibt es immer so viel neues zu erleben, daß ich mich echt schon gut anstrengen muß, niemanden zu vergessen, der oder die mir wichtig ist.

Zwei Tage, bevor ich diesen Brief angefangen habe bekam ich von meinem Großonkel Vitus mit, daß sie in der Sana-Novodies-Klinik Probleme mit Nachwuchsheilern haben, also nicht mit den Heilerschülern an sich, sondern damit, daß die wohl nächstes Jahr nur vier neue kriegen, wenn ich das richtig verstanden habe. In Redrock laufen im Moment so viele künftige Ministerialbeamten und freischaffende Hexen und Zauberer herum ... Ich schweife ab. Ich schreibe dir das mit den nicht nachwachsenden Heilern deshalb, weil du mir ja im letzten Brief geschrieben hast, daß du dir doch jetzt so sicher bist, in die magische Heilkunst einzusteigen. Aber sicher wirst du dann in eurem St.-Mungo-Krankenhaus anfangen, wo die meisten englischen Heileranwärter lernen und das praktische Jahr machen.

Meine Eltern werden über die Osterferien, die bei uns auch die Herbstferien sind einen Abstecher nach Neuseeland machen. Mein Vater will dda die Berichte über die Schamanen der Maori studieren und vielleicht mit einem oder zwei von denen Kontakt aufnehmen, wenngleich die sonst gegenüber hermetischen Zauberern sehr reserviert sind, weil deren Auffassung und Umgang mit Magie sich doch erheblich von unserer Art unterscheidet. Aber mein Vater sagt, daß vieles, was den Urvölkern bekannt war, auch heute noch sehr wichtig für uns sein könnte. Hoffentlich kommt er in einem Stück zurück. Maori sollen angeblich früher von Menschenfleisch gelebt haben. Aber womöglich ist das auch nur eine Schauergeschichte, die unsere Vorfahren erzählt haben, um die Eingeborenen als grausame Wilde zu verteufeln, die man dann ja ohne weiteres unterwerfen und vertreiben konnte.

Was hast du in den letzten Wochen so erlebt? Ist das echt wahr, daß eine bei euch in Hogwarts bald Mutter wird? Du hattest ja geschrieben, daß die Katze einer deiner Schulkameradinnen von einem Kniesel geschwängert wurde. Sind die Jungen schon da oder kommen die noch?

Wäre mal wieder toll, wenn wir Mädels uns direkt treffen könnten. Vielleicht ginge das ja in den Osterferien, falls du nicht in Hogwarts bleibst.

Recht herzliche Grüße
                    Heather

"Mum und Dad, Heather hat mir geschrieben", berichtete Aurora. "Sie würde sich gerne mal wieder mit mir treffen."

"Bei sich oder bei uns?" Fragte ihr Vater amüsiert. Ihre Mutter sah sie sehr aufmerksam an.

"Hat sie nicht geschrieben. Ist aber wohl schwierig, wegen der Überfahrt", meinte Aurora.

"Nicht mehr, wenn du nur Gepäck für drei Tage mitnehmen willst, Aurora. Jetzt haben sie das internationale Flohnetz störungsfrei eingerichtet", meinte Hugo Dawn. "Hat mir schon gut geholfen, als ich nach Algerien rübermußte, um mich da wegen der Wüstenuhus schlauzumachen."

"Na ja, jetzt, wo du kurz vor den UTZs stehst vielleicht nicht gerade viel Zeit für Ablenkungen, Aurora. Ich denke doch, daß Heather nicht nur für ein paar Stunden mit dir zusammentreffen will, egal ob bei denen unten drunter oder im guten alten England." Aurora sah ihre Mutter etwas mißgestimmt an, weil sie glaubte, man wolle ihr das Treffen mit Heather madig machen. Doch Regina Dawn fuhr fort: "Andererseits war ich in meinen letzten Osterferien für mehrere Tage mit meinen Klassenkameraden in Schottland unterwegs, um nach Nessie zu suchen. Dabei konnten wir gut die Elementarzauber und Verwandlungsübungen machen, die die Lehrer von uns verlangt haben. Insofern schon was, wenn du nicht nur an Hausaufgaben denken müßtest."

"Ich war in den letzten Osterferien meiner Hogwarts-Zeit in der Schule geblieben. Mum und Dad meinten, da hätte ich alle Ruhe und Gelegenheit, mich richtig vorzubereiten", grummelte Hugo Dawn. Dann sagte er: "Also klär das mit deiner Brieffreundin ab, wann und wo ihr euch treffen wollt! Wir haben ja noch zwei Gästezimmer. Muß sie denn nicht arbeiten?"

"Sie hat mir nur geschrieben, daß bei denen im Moment so viel neues los sei und daß die in ihrer Heilerschule wohl Nachwuchsprobleme krigen, weil von Redrock nicht so viele Heiler werden wollen."

"Die haben Sorgen. In St. Mungo sind die froh, wenn sie nur zwanzig Schüler haben, die sie intensiv ausbilden können", meinte Regina Dawn. - Aber wenn Heather und du euch wieder treffen wollt ..." Sie nickte ihrer Tochter einverstanden zu. Aurora lächelte dankbar.

Eine Minute Darauf saß Aurora Dawn über einem leeren Pergamentblatt und überlegte, wie sie ihrer australischen Brieffreundin, die einige Jahre älter als sie selbst war, eine entsprechende Antwort schreiben konnte. Dann tunkte sie ihre Falkenfeder in dunkelblaue Tinte und schrieb:

Hallo, Heather,

dein Brief ist gleich zu mir nach Hause gekommen. Offenbar war die Posteule darauf trainiert, ihn mir für die Ferien zu bringen. Deshalb kann ich dir jetzt erst schreiben.

Also, es stimmt, daß eine meiner Klassenkameradinnen, die im letzten Sommer geheiratet hat, bereits ein Baby im Bauch hat. Das soll irgendwann im September zur Welt kommen, also, wenn wir alle unsere UTZs nicht verhunzen, nachdem wir von Hogwarts runter sind. Dafür hat eine andere Mummy bereits ihre Kinder bekommen, Schneeflöckchen. Es sind fünf Stück, drei Mädchen und zwei Jungen.

Was du über die Probleme bei euch in der Sano geschrieben hast scheint hier in England nicht so heftig zu sein. Meine Mutter sagte mir gerade, daß die meistens so um die zwanzig Schüler pro Jahr nehmen. Wie viele können die denn bei euch nehmen?

Meine Eltern meinten, als ich denen sagte, daß du mich gerne mal wieder so richtig sehen wolltest, daß ich ruhig fragen soll, wo und wann du und ich uns treffen können. Mittlerweile soll das Flohnetz ja ohne Störung arbeiten. Dann könnte ich zu dir oder du zu mir rüberkommen, ohne einen ganzen Tag einzuplanen, falls wir nicht mehrere große Koffer mitschleppen wollen. Also schreibe mir bitte, wie es dir am liebsten ist. Zwar treffen wir uns Ostern mit einer Tante mütterlicherseits und deren Familie, aber ich denke, die würden nicht viel sagen, wenn ich da nicht bei bin oder einen Gast habe. Zumindest haben Mum und Dad nicht von mir verlangt, daß keiner um Ostern hier bei uns wohnen soll. Wir haben hier zwei freie Gästezimmer, falls du rüberkommen möchtest. Aber wenn du lieber möchtest, daß ich zu dir nach Australien komme ... Schreib mir also, was dir lieber ist!

Ich werde sehen, daß ich die meisten Schulsachen, die ich aufgekriegt habe vorher schon erledigen kann. Dann haben wir mehr Zeit für uns. Bis dahin hoffe ich, daß es dir gut geht und du glücklich bist und verbleibe

mit herzlichen Grüßen

                      Aurora Dawn

Sie schickte den Brief mit einer Expressgebühr zusammen los, daß er so schnell wie möglich nach Australien ging. Sie war sich jedoch sicher, daß mindestens eine Woche verging, bis der Brief dort ankam. Also würden sie sich wenn überhaupt erst nach Ostern treffen können.

Als dann vier Tage Später schon eine Antwort zurückkam war Aurora sichtlich verwundert. Ihr Vater lächelte wohlwollend.

"Ja, die können die Eulen jetzt auch mit Flohpulver anderswo hinschicken, Aurora. So hat die Posteule den Riesenweg zwischen uns und Aussiland wohl in einem Tag geschafft. Aber was schreibt deine Brieffreundin jetzt, falls es keine reinen Mädchengeheimnisse sind?"

Aurora öffnete den gut verschlossenen Umschlag und zog den kleinen Pergamentbogen heraus. Dann las sie erst leise, was draufstand, um ihren Eltern dann laut vorzulesen, daß Heather fragte, ob sie nach England rüberkommen dürfe und sie hier ein paar Tage verbringen dürfe, falls Auroras Eltern nichts dagegen hätten. Sie könne ja auch in der Winkelgasse wohnen, die sie eh schon lange einmal besuchen wollte. Auroras Mutter meinte, daß das nicht in Frage käme, daß Heather in einem Zimmer im tropfenden Kessel schlafen müsse, wo sie hier doch genug freie Zimmer hätten und ja beide apparieren könnten, um in die Winkelgasse zu kommen. So schrieb Aurora zurück, daß sie sich freue. Ihre Mutter fügte noch hinzu, daß sie und ihr Mann darauf bestehen würden, daß sie in einem der Gästezimmer schliefe und gab dann den Brief an ihren Mann, der ihn dann wieder per Eilexpress nach Australien abschickte, wo er wohl einen Tag, vielleicht sogar schon wenige Stunden nach dem Absenden eintreffen würde.

Tatsächlich traf keine anderthalb Tage später ein Kurierbote auf fliegendem Besen ein, da um das Haus der Dawns immer noch ein gewisser Antiapparierbereich lag. Die kurze Nachricht lautete:

"Ankomme nächsten Freitag um zwölf Uhr Mittags Ortszeit
                    Heather Springs"

Aurora half ihrer Mutter, das in der Nähe ihres eigenen Zimmers gelegene Gästezimmer herzurichten, wobei sie die nützlichen Zauber ausprobieren durfte, die sie im Sommer von ihrer Mutter und ihren beiden Großmüttern gelernt hatte, frische Blumen in zwei Vasen auf Tisch und Fensterbänken zu platzieren und alles blitzblank und ohne Stäubchen zu reinigen.

"So, im Schrank ist noch eine Halterung für einen Besen. Sag ihr aber bitte, daß ihr nicht zu weit von hier wegfliegen dürft, wegen der Muggelnachbarn!" Sprach Regina Dawn zu ihrer Tochter. Diese nickte etwas mißmutig, sagte dann aber, daß sie ihr das schon geschrieben habe, daß sie mehrere Muggel in der Nähe wohnen hätten.

Am Freitag umringten die Dawns ihren ans Netz angeschlossenen Kamin. Tatsächlich fauchte es genau um zwölf Uhr mittags, und in einer smaragdgrünen Flammenwolke, die sich in Funken auflöste erschien eine junge Hexe mit brünettem Haar in kirschrotem Kleid auf dem Kaminrost. Sie fing sich ab, blickte mit ihren braunen Augen aus der Kaminöffnung und lächelte.

"Ich bitte um Erlaubnis, Ihr Haus betreten zu dürfen", sagte die gerade eingetroffene Hexe sehr gefaßt. Hugo Dawn mußte grinsen. Seine Frau schien etwas irritiert zu sein, und Aurora fragte sich, was das jetzt sollte. Dann sagte ihr Vater:

"Erlaubnis erteilt, Ms. Springs!" Die Hexe im Kamin nickte und kletterte vom Rost herunter, fegte mit einer Zauberstabbewegung alle Asche von sich und dem Boden zusammen und ließ diese verschwinden. dann holte sie mehrere Dinge aus ihrem Rucksack, den sie mithatte, zuerst einen Blumenstrauß für die Hausherrin, dann ein eingepacktes Geschenk für den Hausherren und schließlich noch eins für die eigentliche Gastgeberin.

"Du hast nur den Rucksack mit?" Fragte Aurora, nachdem sie ihre Brieffreundin begrüßt und sich höflich für das Geschenk bedankt hatte.

"Das ist der Practicus Weltenbummler, ein Supergepäckstück, in das du alles reintun kannst, was du für einen ganzen Monat brauchst. Wir australier nennen den auch Waltzing Mathilda, nach einem bei uns sehr beliebten Lied", sagte Heather überlegen lächelnd in ihrem unverkennbar australischem Akzent.

"Habe davon gehört", meinte Hugo Dawn. "Ist nur ein wenig teuer, zweihundert Galleonen, wenn ich da nicht irre."

"Ui", staunte Aurora. Heather nickte bestätigend. Dann meinte sie:

"War ein Abschlußgeschenk meiner Eltern, als ich mit Redrock durch war. Sie meinten, damit könnte ich sogar apparieren, wenn ich mir keine Verkehrswegegebühren erlauben wolle. Der schrumpft alles was durch seine Öffnung paßt auf ein Hundertstel ein. Da hätte ich mehrere Kleiderstapel reintun können. Aber im Moment habe ich da nur Sachen für fünf Tage und verschiedene Gelegenheiten drin, meinen Reiseführer Großbritannien und meinen Willy-Willy 3.

"Oh, ein komplettes Lexikon der australischen Vogelwelt", sagte Hugo Dawn. "Danke, Ms. Springs!"

"Zauberpflanzen der südlichen Halbkugel", las Aurora die Beschriftung auf dem dicken grünen Buch, daß sie bekommen hatte. "Könnte ich gut gebrauchen, wenn ich den Kräuterkunde-UTZ mache. Danke, Heather."

"Ich dachte, das würde dir sehr gefallen", sagte Heather wohlwollend lächelnd. Dann zeigten die Dawns ihr das bereitete Gästezimmer und zogen sich zurück, um ihr die nötige Privatsphäre zu geben, ihr Gepäck im geräumigen Kleiderschrank und der Nachtkommode zu verstauen. Dann leistete sie den Dawns Gesellschaft beim Mittagessen.

"Ist das bei dir mit der Zeitumstellung nicht problematisch, wenn du mal eben in zehn Minuten von Australien zu uns rüberkommst?" Wollte Aurora von ihrer Brieffreundin wissen. Diese erwähnte darauf einen Zaubertrank, der den, der ihn trank auf die am Zielort geltende Zeit einstimmte und sie diesen bei der Ankunft in der britischen Grenzstation getrunken habe. Danach sprachen sie über die Ereignisse der letzten Monate und Jahre, daß sie in England endlich wieder ruhig schlafen könnten, nachdem er, dessen Name nicht genannt werden durfte, nicht mehr da sei und daß Aurora darauf hoffte, alle nötigen UTZs für eine Heilerausbildung zu kriegen.

"Ich habe dir ja geschrieben, daß mein Großonkel Vitus, der gerade die Sano leitet, sich mal beklagt hat, daß bei uns nicht so viele Leute Heiler werden wollen. Es geht vor allem um die Ortsheiler und darum, möglichst viele zu haben, die über das ganze Land verteilt sind. Unsere Insel ist ja doch etwas größer als eure." Das letzte sagte Heather mit einem schalkhaften Lächeln. Hugo Dawn warf ein, daß die Muggel in Australien ja seit Jahren mit Hilfe ihrer Flugmaschinen ihre sogenannten Heilkundigen an entlegene Orte bringen konnten.

"Ja, hundertfünfzig Jahre, nachdem die australischen Heilzauberer den Hilfsdienst eingerichtet haben. Großonkel Vitus beklagt sich, daß wir den Muggeln gegenüber an Boden verlieren könnten, wenn deren Flugapparate noch schneller und billiger werden, daß jeder von deren Ärzten so ein Ding benutzen kann."

"Na, das wird wohl so schnell nicht gehen", erwiderte Hugo Dawn beruhigend. "Erstens brauchen diese Dinger viel Öl zum fliegen und sind auch so noch sehr teuer."

"Er hat dabei auch eher gegrinst", erwähnte Heather dann noch.

"Wie viele Heiler können bei euch ausgebildet werden?" Fragte Aurora Dawn.

"Zwischen sechs und acht pro Jahrgangsstufe. Dafür sind insgesamt zweiunddreißig Heiler in der Sano zuständig, jeder hat einen auszubildenden zu betreuen, bis er oder sie mit der Endprüfung durch ist", informierte Heather ihre Gastgeber. Aurora sagte, das von ihrer Jahrgangsstufe wohl nur vier Interesse hätten, sie aus Ravenclaw, Isis aus Gryffindor und zwei Klassenkameraden Cynthias aus Hufflepuff.

Danach sprachen sie weiter über die Zaubererwelt der ehemaligen britischen Kolonien. Heather wußte erstaunlich viel über die Geschichte der australischen Zaubererwelt, die etwas anders verlaufen war als die der australischen Muggelwelt, wo zunächst sehr viele verbannte Sträflinge zur Besiedlung beigetragen hatten, sondern ministerielle Hexen und Zauberer die Geheimhaltung der Zauberei auch auf dem fünften Kontinent sicherstellen sollten und dann mit der Zeit viele muggelstämmige Zauberer dazugekommen waren, sodaß die Redrock-Akademie gegründet wurde. Auch waren viele Zauberer und Hexen freiwillig ausgewandert, um die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt des Inselkontinentes zu erforschen, wo es auch auf natürliche Weise entstandene Tier- und Zauberwesen gab und sich viele hochwirksame Zutaten für Zaubertränke finden ließen.

Den Nachmittag verbrachten die jungen Hexen dann ohne Auroras Eltern im Freien, wo sie mit den Besen im Umland herumflogen. Dann nutzten Aurora und Heather das Flohnetz, um in den Pub zum tropfenden Kessel zu reisen, von wo aus sie den ersten von mehreren geplanten Bummel durch die Winkelgasse begannen.

"Schon imposant", meinte Heather, als sie über die lange und gut besuchte Straße flanierten und sich mal hier und mal da die angebotenen Waren in den Läden ansahen. Natürlich fiel Heather mit ihrem Akzent überall sofort auf. So fragte Madame Malkin, die das von vielen Hogwarts-Schülern gern besuchte Bekleidungsgeschäft führte, ob sie ins Mutterland gekommen sei, um sich hier nach europäischer Mode einzukleiden, was Heather als Frage auffaßte, ob sie hier auch etwas kaufen wollte. Tatsächlich wechselte eine grasgrüne Ballrobe für junge Hexen den Besitzer, und Heather deckte sich in Flourish & Blotts mit Büchern über englische Zaubereigeschichte, Zauberpflanzen und Tierwesen ein.

"Jetzt zeige ich dir noch, wo ich meinen Zauberstab herhabe", sagte Aurora und führte ihre Brieffreundin in Ollivanders Geschäft. Der Zauberstabmacher kannte Heathers Großmutter väterlicherseits. Diese hatte vor sechzig Jahren auf einer längeren Reise durch Europa ihren Zauberstab verloren und sich bei ihm einen neuen Stab besorgt. Heather bekräftigte, daß sie ihn wohl immer noch besitze und sehr damit zufrieden sei. Sie selber benötige jedoch zurzeit keinen neuen Zauberstab. Trotzdem ließ sie sich darauf ein, einen zu ihr passenden Zauberstab zu suchen, weil sie die Auswahlmethoden Ollivanders mit eigenen Sinnen erleben wollte, von denen Aurora ihr erzählt hatte. Nach knapp zehn Minuten und zwanzig getesteten Zauberstäben hätte sie einen Rotbuchenstab mit Einhornschweifhaarkern als den sie annehmenden Zauberstab mitnehmen können. Sie holte ihren eigenen Zauberstab hervor, einen Eukalyptusholzstab mit Drachenherzfaserkern. Ollivander belehrte sie, daß dieser Zauberstab eher für höhere Zauber gut sei und sie wohl in der Schule große Schwierigkeiten gehabt habe, die einfacheren Zauber damit auszuführen. Sie glotzte ihn erstaunt an, nickte dann sehr heftig und erzählte, daß sie in den ersten drei Jahren wirklich sehr arg damit zu tun hatte, die unterrichteten Zauber richtig zu lernen, es aber ab der vierten Klasse immer leichter ging und sie heute sehr spielerisch damit klarkam. Aurora fragte, ob das echt passieren könne, daß ein Zauberstab am Anfang sehr schwerfällig ginge.

"Ich habe damals Ihrer Klassenkameradin Dina Murphy, öhm, Fielding, einen neuen Zauberstab aussuchen dürfen. Der den sie bis dahin hatte war so ein Paradebeispiel von Anfängerträgheitsstab. Abgesehen davon, daß Mrs. Fielding ... Na, ja, gehört jetzt nicht zur Sache. Jedenfalls scheint sie mit ihrem neuen Stab wohl wesentlich erfolgreicher zu sein, oder?"

"Zumindest kann sie damit bei Zauberkunst ungesagt zaubern", bestätigte Aurora. Ollivander lächelte. Seine mondgleichen hellen Augen blickten hocherfreut. Heather meinte, nachdem sie mit dem zu ihr passenden Stab einige Übungszauber gemacht hatte, daß sie es sich noch mal überlegen wolle, diesen Stab als neuen Stab zu nutzen, aber das erst klar entscheiden wolle, wenn sie kurz vor der Abreise stünde und sie wisse, ob ihr Reisegeld dafür noch reiche. Ollivander nickte zustimmend.

"Du kannst auch hier bei Gringotts neues Geld holen", meinte Aurora, als sie wieder durch die Winkelgasse gingen und deutete auf das überragende weiße Gebäude.

"Neh, Aurora, ich plane für Reisen immer eine bestimmte Geldmenge ein, die ich ausgeben möchte. Das hilft mir, nicht drauf los einzukaufen. Die Ballrobe und die Bücher wollte ich auf jeden Fall. Den Zauberstab kann ich mir noch vorstellen, weil der wirklich leichter geht als der, den ich jetzt habe. Aber so richtig nötig habe ich den nicht. Deshalb werde ich mich da erst festlegen, wenn ich weiß, wie viel noch übrig ist. Wir wollen ja noch nach Hogsmeade." Aurora nickte.

Nach dem ersten Bummel durch die Winkelgasse sprachen die beiden Hexen über ihre ganz privaten Erlebnisse der letzten Jahre. Heather fand es schade, daß das mit Bernhard Hawkins nicht weitergelaufen war. Aber da sie in dieser Zeit auch zwei gescheiterte Beziehungen vorzuweisen hatte, konnte sie Aurora nachempfinden, daß sie im Moment wohl eher auf den guten Schulabschluß ausging.

"Vielleicht finde ich nach Hogwarts den richtigen Typen, Heather. Im Moment geht's mir echt nur um die UTZs und die weitere Ausbildung."

"Wenn du bei euch hier im St. Mungo anfängst, kriegst du wohl genug intelligente und interessierte Zauberer zu sehen. Ich hörte, daß die hier nur einen Mentor für alle Jungheiler haben sollen und manchmal bis zu dreißig Leute aus verschiedenen Lehrjahren in einem Hörsaal zusammenhocken." Aurora nickte bestätigend. Das Mentorenprinzip, daß jedem Schüler ein persönlicher Ausbilder zugeteilt wurde, empfand sie schon als sehr praktisch, wenngleich sich der Schüler dann nicht einfach zurückhalten konnte, wenn er oder sie nicht so recht in der Stimmung zum Lernen oder arbeiten war.

"Also, als damals Sana Novodies das Haus der heilung gründete, wo magische Heilkundige arbeiteten und forschten, hat sie das Prinzip der Mentoren eingeführt, weil das in älteren Zeiten so erfolgreich war, wo nach der Zaubereigrundausbildung spezielle Künste einstudiert werden sollten. Seitdem haben sie das in der Sano beibehalten, obwohl es anderswo richtige Studienhäuser gibt, wo andere Zauberfähigkeiten vertieft werden", erwiderte Heather. Aurora nickte.

Abends saßen die Dawns und ihr Gast aus Übersee noch im Salon und plauderten über die verschiedenen Hobbies der Dawns und Heathers. Um Mitternacht waren dann alle müde genug, um den Tag zu beenden.

Den nächsten Tag verbrachten Aurora und Heather in Hogsmeade. Dort trafen sie auch die Fieldings, die sich bereits für ihre Zeit nach Hogwarts nach einem Platz zum bleiben umsahen. Da Roy mit seiner Schwester Erica eine Zeit lang in Australien zugebracht hatte fragte er Heather, als Aurora sie vorgestellt hatte, ob sie auch schon mal das Sydney der Muggel besucht habe.

"Oja, natürlich", sagte Heather. "Schon eine sehr bunte Stadt mit einer vielfältigen Bevölkerung. Auch haben die Muggel mit der Hafenbrücke ein imposantes Bauwerk errichtet, wenn es vielleicht auch nicht gerade einen hohen ästhetischen Anspruch erhebt. Aber praktisch ist sie schon, erfuhr ich." Sie sprach dann mit den Fieldings noch über deren Zukunftspläne. Dina hatte sich bereits an die magische Gesellschaft für astronomische Forschungen gewandt, während Roy sich eventuell in der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe anstellen lassen wollte.

"Vielleicht hat Aurora es Ihnen mal erzählt, daß meine Eltern von diesem Lord Unnennbar umgebracht wurden. Seitdem bin ich für meine Muggelverwandten ja tot. Das heißt, ich muß irgendwo in der zaubererwelt wohnen und arbeiten. Aber ich könnte mir auch vorstellen, auszuwandern."

"Du schon, aber wir nicht", knurrte Dina und fuhr sich flüchtig über ihren Unterleib, der jetzt noch nicht viel von einer Schwangerschaft verriet. "Abgesehen davon, daß Länder wie Südafrika oder Australien doch etwas weit weg sind möchte ich schon gerne in der Nähe meiner Verwandten bleiben."

"Hast recht, Dina. Ich habe das nur gemeint, falls ich hier nicht gut weiterarbeiten kann. Aber natürlich werde ich dich nicht dazu beknien, mit mir irgendwo ganz weit weg hinzuziehen."

"Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall viel Erfolg in der Zaubererwelt", sagte Heather. Roy zog Aurora kurz bei Seite und flüsterte ihr die Frage ins Ohr, ob sie Heather das mit den Sabberhexen erzählt hatte. Aurora schüttelte den Kopf. Roy flüsterte, daß sie das bitte auch nicht erwähnen möge, weil er nicht wolle, daß sie ihn bemitleide oder wie einen armen Burschen behandelte. Er sagte dann laut, um das Flüstern zu erklären: "Ich habe Aurora gefragt, ob ihr beide schon Madam Rosmerta besucht habt."

"Die drei Besen? Waren wir noch nicht", sagte Heather. Doch da wollten sie auf jeden Fall hin, nachdem sie die wichtigsten Läden hier besucht und, falls die Zwerge sie ließen, auch Forins Schmiede besichtigt hatten. Sie verabschiedeten sich von den Fieldings und zogen weiter durch das Dorf, besuchten Dervish & Banges, den Honigtopf, wo Heather sich mit magischem Süßkram eindeckte, und auch Zonkos Scherzartikelladen, wo gerade Hasenzahncreme der neuste Schrei war, die wie gewöhnliche Zahncreme aussah, aber beim Zähneputzen lange Schneidezähne wachsen ließ.

"Aus dem Alter bin ich doch echt raus", meinte Heather amüsiert, als sie noch Quietschkaugummis bestaunte, die beim Kauen ein ohrenbetäubendes Gequieke von sich gaben. Aber einen essbaren Teller, der wie Porzellan aussah, nahm sie mit.

"Damit kann ich meine Mutter mal erschrecken. Die hat mir früher immer gesagt, ich solle nicht eher aufstehen, bis ich meinen Teller aufgegessen habe. Genau dafür ist das Ding wohl auch erfunden worden." Aurora grinste mädchenhaft und überlegte sich schon, ob sie diese Kuriosität auch anschaffen sollte. Doch dann verzichtete sie darauf, Geld bei Zonko zu lassen. Nachher sprach sich das noch rum, und ihr Bild einer vorbildlichen Vertrauensschülerin war dahin.

In einem Laden für Zauberschmuck kaufte Heather ein Paar Ohrringe, deren Glitzeranhänger sich der Farbe des Haars oder Festkleids anpassen konnten, aber dafür auch so viel kosteten wie vier unbezauberte Paare.

Leider war Forins Schmiede nicht zu besichtigen. Offenbar feierten die Zwerge etwas. Denn von Unten her hörten sie wilden Gesang und auf der Luke zu den unterirdischen Werkstätten prangte ein Schild, auf dem "Heute kein Verkauf wegen Feiertag" stand.

"Ach, dann feiern die Ferenlargi, das Fest der langen Bärte", sagte Heather darauf. "Das ist eine ziemlich ruppige angelegenheit für nicht verheiratete Zwerginnen, die dann wie Zuchtvieh durch die Reihen der Zwerge gereicht werden. Wenn eine Zwergin dabei geschwängert wird geht sie in den Privatbesitz des Zwerges ein, der ihr das Kind in den Schoß getrieben hat. Da das aber bei so'ner Feier nicht gleich klar ist, gibt's dann meistens noch eine wilde Auseinandersetzung der möglichen Kindsväter, wenn raus ist, ob oder ob nicht."

"Du kennst dich mit den Zwergen aus?" Fragte Aurora erstaunt. Heather nickte leicht und zog ihre Freundin von der Luke fort, durch die gerade der erschrekt klingende Aufschrei einer Frauenstimme klang.

"Das ist ja barbarisch", knurrte Aurora, als Heather ihr dann noch erzählte, wie Zwerge so lebten und daß sie in Redrock ein Wahlfach Zauberwesenkunde hätten, daß ab der dritten Klasse angeboten wurde.

"Ja, aber leider nicht so einfach zu ändern, wenn der Frieden zwischen Zauberern und Zwergen nicht noch mehr gestört werden soll, als die Beziehung zu den Kobolden es schon tut", erwiderte Heather.

Um sich von den höchst gewöhnungsbedürftigen Sitten der Zwerge abzulenken suchten sie die drei Besen auf.

Am Nachmittag führte Aurora Heather bis in die Nähe von Hogwarts. Heather staunte über das erhabene Schloß über dem großen See. Dann ging es zurück nach Hogsmeade und einige Stunden Später zurück ins Landhaus der Dawns.

Ostersonntag kamen Auroras Verwandten, die Priestleys zum alljährlichen Ostertreffen herüber. Aurora stellte ihre Brieffreundin den Cousins und Cousinen vor. Heather plauderte mit Onkel Tony über den magischen Personenverkehr in Australien, wo durch die Weite des Landes das Apparieren noch wichtiger war als hier in England. Mit Auroras Tante June sprach sie über Zaubertrankzutaten wie Känguruhschwänze, Billywichpaste und anderes eher unangenehme Zeug, aber auch über die Forschungen in der Muggelwelt, für die sich Heathers Mutter sehr begeisterte. Sie streute gekonnt ein, daß ihre Mutter mehrere Bücher June Priestleys besitze und sie, Heather, bestimmt beneide, die Gelegenheit zu haben, mit Mrs. Priestley sprechen zu können.

"Natürlich habe ich von Ihrer Mutter schon gehört, Ms. Springs", erwiderte Tante June darauf noch. "Sie ist ja bei Ihnen in Australien ähnlich engagiert wie ich hier. Falls sie möchte, können wir gerne einige Erfahrungen austauschen. Teilen Sie ihr das bitte mit!"

"Sehr gerne, Dr. priestley", erwiderte Heather. Philipp und Agatha fragten Heather noch über Redrock aus, wo es ja acht Schulhäuser gab und wie im Land unten drunter Quidditch gespielt würde. So verging der Sonntagnachmittag wie im Fluge.

Am Dienstag besuchte Heather kurz vor ihrer Rückreise nach Australien noch einmal Ollivanders Laden und erwarb dort den für sie so gut passenden Zauberstab. Sie stellte fest, daß sie damit wirklich noch leichter zaubern konnte, sogar die Simultanzaubereien ungesagt hinbekam.

"Das kriegt ihr wohl nach den Ferien. Das ist nämlich die hohe Hürde der Zauberkunst, Sachen gleichzeitig ablaufen zu lassen, ohne die Zauberformeln laut auszusprechen", sagte Heather, als sie zur selben Zeit ihre Sachen aus dem Schrank fliegen, ihre Schuhe putzen und das bett abziehen ließ. Mit einer kinderleicht anmutenden Abfolge von Zauberstabbewegungen ließ sie alle Wände und den Boden von unsichtbaren Händen blankputzen.

"Das war doch nicht nötig, Heather", meinte Regina Dawn, die den magischen Putzdrang Heathers mit Schmunzeln und Irritation beobachtete.

"meine Eltern haben mir beigebracht, daß ich vor meiner Abreise alles so hinterlassen soll, wie ich es vorfand, und mit dem genialen Zauberstab hier ist das kein Akt mehr", sagte Heather, als sie alle Wäschestapel ohne sie anzufassen im unerschöpflich scheinenden Schlund ihres offenen Rucksacks verschwinden ließ. Dann bedankte sie sich noch einmal herzlich bei den Dawns für die Gastfreundschaft und umarmte Aurora zum Schluß.

"Falls du in eurem Sommer noch nicht klar hast, ob das mit deiner Heilerausbildung geht, kannst du ja mal für ein paar Tage zu uns rüberkommen, wenn du möchtest", sagte sie noch. Dann zündete sie ein Feuer im Kamin an und benutzte das Flohpulver, um sich zur britischenGrenze abzusetzen. Als sie im smaragdgrünen Flammenwirbel verschwunden war meinte Regina Dawn zu ihrer Tochter:

"Könnte man meinen, daß sie gerade noch in Redrock lernt, Aurora. War auf jeden Fall mal eine Abwechslung."

"Diesen Simultanzauber kriege ich wohl nicht hin", meinte Aurora etwas betrübt.

"Natürlich kriegst du den hin", sagte ihre Mutter. "Du hast mein Blut in den Adern, hast an meiner Brust gelegen und mir viel abgucken können. Das kriegst du hin."

"Aber wohl nicht ungesagt", schränkte Aurora ein.

"Heather hat den auch nicht am ersten Tag so gebracht wie sie ihn uns vorgeführt hat, Kind. Die hat da bestimmt lange dran geknabbert, den einigermaßen hinzubringen, als die UTZs anstanden. Nachdem was ihr beide erzählt habt ist der Stab von Ollivander ja besser auf sie abgestimmt als der, den sie mitgebracht hat. Lass dich jetzt bloß nicht verunsichern!"

"Ich werde mich bemühen, Mum", sagte Aurora.

__________

Der Besuch Heathers hatte Aurora wahrlich beflügelt, alle Zauberkunstsachen ungesagt zu üben und auch die aufgegebenen Verwandlungszauber ungesagt zu bringen. Hugo Dawn mußte für einige Tage nach Sussex, um dort mit wilden Waldvögeln zu arbeiten. Er hatte mittlerweile eine Methode entwickelt, aus dem Gesang der Vögel eine detaillierte Umweltbeschreibung zu entnehmen, was für magische Kundschafter sehr vorteilhaft sein würde. Petula kam auch einmal herüber, um mit Aurora einige Hausaufgaben zu machen und sich und sie vom reinen Übungstrott abzulenken. Natürlich war das auch schon bei ihr angekommen, daß ihre Australische Brieffreundin dagewesen war. Etwas ungehalten wies sie Aurora darauf hin, daß sie mit Heather ruhig auch mal zu ihr hätte kommen können.

"Hatte ich auch vor. Aber ich wollte heather nicht wie eine Trophäe rumzeigen, Petula. Tut mir leid."

"Außerdem wollte die ja wohl halb Hogsmeade leerkaufen, hat Miriam mir geschrieben", grinste Petula. Dann unterhielten sich die beiden jungen Hexen noch über Heathers Besuch und was diese so über Australien berichtet hatte.

"Priscilla fährt da demnächst hin. Die ist ja jetzt in der Redaktion von Verwandlung heute und will für einen Artikel über die Entwicklung der Verwandlungszauber berühmte Hexen und Zauberer des ehemaligen britischen Weltreiches interviewen. Erst geht's nach Afrika, dann nach Indien und dann über Singapur und Hongkong nach Melbourne."

"Dann müßte die ja eigentlich auch nach Amerika", meinte Aurora.

"Ja, nur daß die Amis es dann übelnehmen könnten, wenn sie diese noch zum ehemaligen britischen Weltreich zählt. Allerdings hat sie auch schon ein Interview mit Maya Unittamo sicher, die im Sommer zu uns rüberkommt."

"Oh, das würde Eunice bestimmt gefallen, die hier zu treffen, wo die ein Fan von der ist", meinte Aurora.

"Kannst du ihr ruhig erzählen. Priscilla hat nicht verboten, daß zu erwähnen, daß Madame Unittamo mal vorbeikommt."

"Ich habe immer gedacht, daß deine Schwester doch im Ministerium landet", erwähnte Aurora eine Vermutung von früher.

"Hat sie erst auch vorgehabt. Aber dann wollte sie doch lieber was unbürokratisches machen. Jetzt lernt sie noch französisch, um demnächst dem französischen Verwandlungsgroßmeister Alexandre Énas zu interviewen."

"Oh, dann kann ich der ja mal Briefe auf Französisch schicken oder der einen Kontakt mit Madame Dusoleil vermitteln."

"Hat sie mich schon gefragt, ob du mit den Leuten von da noch in Verbindung stehst", meinte Petula erfreut. "Wenn du das möchtest, kannst du ihr ja helfen."

"Ich kann ja morgen zu euch rüberkommen, Petula", bot Aurora an. Ihre Schulfreundin nickte sehr eifrig.

Tatsächlich apparierte Aurora Dawn am nächsten Tag bei den Woodlanes und unterhielt sich mit Petulas großer Schwester über Heathers Besuch, ihre eigenen Erlebnisse in Hidden Grove und ihre Reise nach Millemerveilles.

"mein neuer Boss sagt, ich könnte ja mal gucken, ob ich ein Interview mit Professeur Faucon kriege, die in Beauxbatons nach den Unittamo-Techniken unterrichtet. Aber ich werde sehen, erst mit ihrem Vorgänger und Mentor Énas zu sprechen, weil der nach Beauxbatons noch intensiver mit zeitgenössischen Verwandlungstricks herumexperimentiert hat, von denen einige wohl im nächsten Jahr zu den UTZ-Unterrichtseinheiten dazukommen."

"Dann bin ich ja froh, wenn ich dieses Jahr schon fertig werde", erwiderte Aurora sichtlich erleichtert. Dann sprachen sie noch über ihre Erfahrungen als Vertrauensschülerinnen. Priscilla sagte ihr auf den Kopf zu, daß sie das gleichzeitige Verschwinden von Loren und Bruster nicht als Zufall ansah.

"Ich hatte schon früher, also als ich in der sechsten War, den Eindruck, daß Bruster und die Tormentus sich schon besser kannten. Aber falls das stimmte, war es etwas, was ich nicht unbedingt an die große Glocke hängen sollte. Jetzt wo die beiden vorzeitig weg sind - und ich glaube fest, daß Bruster nicht tot ist - bin ich überzeugt, daß die beiden was zusammen angestellt haben und sich mit Dumbledore darauf verständigt hatten, lieber zu verschwinden als sich und Hogwarts in Schande zu stürzen. Mehr will ich dazu nicht sagen. Was macht Dina? Sie wird Mutter, sagte Petula."

"Ja, im September", bestätigte Aurora und sprach über Dinas Fortschritten bei ungesagten Zaubereien, den Halbknieseln, die jetzt bei den Woodlanes in einem übergroßen Korb wohnten und wie Aurora Krummbein auf die Welt geholt hatte.

"Du würdest den gerne behalten, wie?" Fragte Priscilla. Aurora nickte. Dann sagte sie bedauernd, daß sie jedoch kein Haustier halten durfte, wenn sie als Heilerin anfangen wollte. priscilla nickte.

Abends kehrte Aurora mit Flohpulver in ihr Elternhaus zurück.

__________

Wieder im Hogwarts-Express sprach Aurora mit Eunice Armstrong über das, was sie in den Ferien so erlebt hatte. Die Schulsprecherin zeigte sich sehr angetan von der Vorstellung, mit Maya Unittamo zusammenzutreffen.

Auf dem üblichen Rundgang durch den Zug blieb Aurora eine Weile bei den beiden Jungzauberern aus ihrer Klasse. Mortimer sagte einmal, daß seine Tante Norma dafür, daß Bruster vielleicht tot war, sehr fröhlich sei. Roy bemerkte dazu nur, daß sie ja noch ein paar Kinder habe, über die sie sich freuen könne. Das empfand Aurora nicht gerade angebracht und sagte es auch so. Zwar konnte sie Roy nicht auf die Nase binden, was wirklich mit Bruster passiert war, sah es jedoch als ihre Pflicht, ihn auf etwas mehr Respekt anderen Leuten gegenüber hinzuweisen, besonders wenn er demnächst in Hogsmeade wohnen wolle.

"Ja, in dem Haus auf der Wasserader", meinte Mortimer leicht verächtlich. "Damit die grünen Weiber ihn nicht noch mal zwischenklemmen."

"Jetzt pass bloß auf, was du sagst, Mortimer!" Knurrte Roy gereizt. Doch dann nickte er bestätigend.

"Ich hoffe, ihr könnt euch vor denen gut absichern. Ist schon ein mutiger Schritt, sich genau da anzusiedeln, wo einem was schlimmes passiert ist", sagte Aurora.

"Dinas Mutter meint, daß es egal sei, wo wir wohnen, weil dieses grüne Monster ja überall hinkommen könnte. Also könnten wir auch da wohnen, wo wir Abwehrzauber machen können", sagte Roy.

Aurora wollte Roy nicht sagen, daß sie vermutete, daß er nicht jetzt erst Vater würde. Denn wenn sie Morpuora richtig verstanden hatte, war ihre Tochter, die damals Roy überfallen und verschleppt hatte ebenfalls Mutter geworden, von Roy Fielding. sicher mochte Roy sich das denken. Aber er würde das niemals laut aussprechen.

"Und ich sag's noch mal, daß deine Mutter eine fette, blöde Kuh ist, Weasley", hörte sie aus einiger Entfernung das hämische Gerede eines stimmbrüchigen Jungen.

"Oha, die schon wieder", knurrte Roy. "Die haben's wieder mit dem Weasley-Jungen."

"Eunice ist in der Nähe. Dann soll die das regeln, ist ja auch einer aus ihrem Haus", erwiderte Aurora und nickte, als sie Eunices Stimme sehr streng dazwischenfahren hörte.

Nach der Ankunft im Schloß begrüßten sich die Ferienheimkehrer und die, die während der Ferien in der Schule geblieben waren und versammelten sich in der großen Halle. Als die Lehrer sich setzten, fiel Aurora auf, daß das vormals silberblonde Haar von Professor Silverbolt etwas goldener schimmerte, als verschwinde der silberne Ton daraus. Auch hatte sie den Eindruck, daß der Lehrer noch kraftstrotzender wirkte. Sie vermutete, daß es nun doch gelungen sei, den Fluch des unheimlichen Wesens auszutreiben, den sich Silverbolt eingehandelt hatte.

Am nächsten Tag ging es in Zauberkunst bereits um das, was Aurora in den Ferien vorgeführt bekommen hatte: Die ungesagte Simultanzauberei.

"Simultane Zauber ungesagt zu wirken gehört wahrlich zu den besten Leistungen junger Hexen und Zauberer", quiekte Professor Flitwick und führte für alle mit schnellen zauberstabbewegungen fünf magische Bewegungseffekte und ein aus einem Steintopf herausschlagendes Feuer vor. "Sogesehen müssen Sie nicht nur jeden einzelnen Zauber an sich beherrschen, sondern alle von Ihnen gleichzeitig erwünschten Effekte vorbereiten und das innerhalb weniger Sekunden. Hierzu ist nicht nur die Kopplung von Zauberformeln genauso zu beachten, wie wir sie im letzten Jahr erlernt haben, sondern auch die zauber für Bereitschaft und Auslösung. Um Ihnen zu veranschaulichen, wie es später nur in Ihren Gedanken abzulaufen hat, werde ich nun die gerade simultan gewirkten Zauber verbal ausführen." Er hob mit "Finite Incantatem" alle gerade wirkenden Bewegungszauber auf, löschte mit "Designitus" das magische Feuer und sprach dann eine aus mehreren zusammengereihten Silben bestehende Formel aus, an deren Anfang "Initio pluris" zu hören war und am Ende die Worte "nunc Laborate!" standen.

"Oha", stöhnte Roy. Dina wirkte so, als bräche gleich die Decke über ihr zusammen oder würde sie der feste Erdboden verschlingen. Tonya glubschte schadenfroh zu ihr herüber, bekam jedoch von Eunice einen sehr energischen Blick zur Antwort, der wohl sagte, sie solle es erst einmal besser machen, bevor sie andere dumm angrinste.

Aurora, die genau diese Sachen mit ihrer Mutter geübt hatte, bekam in dieser Stunde zumindest drei gleichzeitig ablaufende Zauber zu Stande, ohne ein Wort zu sagen. Eunice schaffte alle fünf, die Flitwick als Maximalleistung angesetzt hatte, während Dina zwei Zauber nacheinander wirken ließ.

"In "Magie und Materie" erwähnt Pinkenbach den zeitlichen Widerstand, der vergleichend zum räumlichen Widerstand Zeitpunkt und Dauer eines gewünschten Zaubers beeinflußt. Er schreibt im Kapitel über die Wechselwirkung von Magie und Zeit, daß bei gleichzeitig wirkenden Zaubern dieser Widerstand abgesenkt werden muß, um die Gleichzeitigkeit der gewünschten Zauber sicherzustellen, wobei die Stärke der gemeinsamen Zauber mit hineinspielt. Die Ausgangsstärke für den Simultanzauber muß daher höher sein als die Summe der Stärke aller einbezogenen Zauber. Es ist daher kein Grund zur vorzeitigen Resignation, wenn jemand von Ihnen noch keinen Erfolg erzielen konnte. Aber deshalb werden wir den Zeitraum bis zu den prüfungen gezielt auf simultane und sich gegenseitig beeinflussende Zauber eingehen. Ich bin zuversichtlich, daß Sie alle, wie Sie hier vor mir sitzen, ihr in den letzten Jahren erworbenes Potential durch ausgiebige Übungen auszurichten lernen werden, um zumindest zwei gleichzeitig wirkende Zauber in einem Durchgang aufzurufen", sagte Flitwick sehr zuversichtlich klingend.

"Zeitlicher Widerstand", knurrte Dina leicht frustriert. "Schlimmer als der materielle Widerstand."

"Das kriegen wir", wisperte Roy seiner Frau zu.

In Kräuterkunde besprachen sie den Lauerbusch Herba Praedatrix, der wie ein gewöhnlicher Strauch aussah, bei Annäherung von größeren Tieren jedoch ein gefährliches Eigenleben entwickelte und dieses Tier dann mit den Ranken einfing oder ihm sogar nachlief, wenn es dem ersten Fangversuch entkam und erst auf festem Gestein angekommen die Jagd abbrach.

"Lauerbüsche können einzeln oder im Verbund von zwei bis vier Exemplaren angreifen. Wenn Sie solche Blätter sehen", wobei Professor Sprout einen kleineren Lauerbusch mit einem langen Fangeisen festhielt und die biegsamen Zweige mit den jeweils fünf fingerartigen Blättern zeigte, "haben Sie nur drei Möglichkeiten, sich dem Angriff zu entziehen, wenn Sie nicht auf festes Gestein ausweichen können: Blaues Feuer, den Herbaruptus-Zauber oder den Durosolus-Zauber, der die Wurzeln im Boden festhält. Da Lauerbüsche an Orten vorkommen, die in den letzten zwanzig Jahre insgesamt einen Monat lang von Magie durchdrungen wurden, sind sie für die Muggelwelt keine nennenswerte Gefahr. Da sie jedoch langlebige Samenkapseln ausbringen, die im Boden verborgen darauf warten, daß sie die ausreichende Menge Magie aufnehmen, können sie durchaus als Unkraut in Zauberergärten oder -wäldern entstehen. Daher zeige ich Ihnen jetzt alle Stadien eines sich entwickelnden Lauerbusches." Professor Sprout führte nun die stecknadelkopf großen, hülsenartigen Samen vor, zeigte eine im Erdreich steckende grüne Stelle, die aussah wie ineinander verknotetes Gras, eine Jungpflanze, die wie eine am Boden verankerte Halbkugel aus dünnen Zweigen aussah bishin zu einem ungeduldig in seinem Topf herumstaksendem Gewächs, das bereits wie die Endform aussah.

"Allerspätestens dann, wenn Sie solche Jungpflanzen entdecken, sollten Sie sie entweder einfangen und umsiedeln oder besser gleich vernichten. Lauerbüsche enthalten ausgewachsen eine wirksame Substanz gegen Nervenschädigungen oder für Muskelerneuerungsmixturen. Ansonsten sind sie zu gefährlich, um sie einfach so aufwachsen zu lassen. Herbarupto!" Sie deutete auf das herumstaksende Pflänzchen, das daraufhin zusammenzuckte und dann von einer Sekunde zur anderen auseinanderfiel.

Die UTZ-Schülerinnen schrieben sich alle Angaben über Vorkommen und Wachstumszeiten, Fortpflanzung und Beutetiere auf.

"Nettes Pflänzchen", meinte Roy beim Mittagessen, als Dina ihm das erzählte. "Gut, daß du das lernst, wie so'n Monsterkraut aussieht. Kaputt mach ich das dann."

"Den Herbarupto und das blaue Feuer kann ich auch", knurrte Dina mißgestimmt. "Denk nicht, ich wäre so schwach."

"Wollte ich nicht so rüberkommen lassen", meinte Roy abbittend. Mortimer meinte dazu nur:

"Dein Zerstörungstrieb, was Roy. Nieder mit allen grünen Monstern!"

"Jetzt ist aber mal bald Schluß, Mann", schnaubte Roy sichtlich erzürnt. Das brachte Aurora am Nachmittag dazu, Mortimer bei Seite zu nehmen und zu fragen, was diese Anspielungen jetzt sollten. Immerhin hatte Roy es schon schwer genug, ohne Eltern und andere Verwandte mit dem UTZ-Kram zurechtzukommen.

"Seitdem Bruster nicht mehr da ist labert der Typ nur noch davon, wie toll es in der Muggelwelt war, bevor Du-weißt-schon-wer seine Eltern umgebracht hat. Er sagt immer, wie blöd es ist, daß er da nicht mehr hingehen kann, daß er gerne wieder ein Fußballspiel sehen würde und der Muggelsportkurier ihm auch nicht drüber weghilft und er gerne wieder irgendwelche Schallplatten oder Musikbänder hören will und sich total hinterm Mond fühlt, weil seine Schwester nicht mehr mit ihm in der Muggelwelt lebt und so weiter. Irgendwie mußte ich ihm da mal was sagen, was ihn so nervt wie mich."

"Ja, und dann ausgerechnet Anspielungen auf die Sabberhexen, Mortimer. Findest du nicht, daß das ziemlich feige rüberkommt, jemandem immer dahinzuhauen, wo es ihm sowieso schon wehtut?"

"Ich weiß, du mußt das jetzt sagen, weil du dieses Abzeichen am Umhang hast", knurrte Mortimer und deutete auf Auroras Vertrauensschülerinnenabzeichen. "Aber was soll ich denn sonst machen? Soll ich den jetzt bemitleiden, weil der so'n armer Wicht ist oder was? Ich dachte, wo der jetzt mit Dina verheiratet ist wäre der glücklich."

"Ist er wohl auch, sonst wäre er schon längst nicht mehr hier", konterte Aurora. "Oder denkst du, wenn er solches Heimweh nach seiner früheren Welt hat würde er hier weiterlernen oder gar in Hogsmeade ein Haus zum wohnen suchen. Dina und das gemeinsame Baby halten ihn aufrecht, und damit das so bleibt solltest du Kamerad sein und ihn nicht andauernd dumm anmachen. Was die Muggelwelt angeht, weerde ich seiner Schwester schreiben, ob die wirklich so strickt davon losgelöst leben müssen. Immerhin liegt mir auch was an Dina und Roy, und ich kam bisher gut mit Erica klar."

"Sagst du ihm das?" Fragte Mortimer.

"Erst, wenn ich eine Antwort von ihr habe, mit der ich was anfangen kann, Mortimer. Also halte dich bitte bis dahin mit diesen Anspielungen zurück!"

"Wenn der aufhört, mir einen vorzuheulen. Dann soll er mit seiner Frau zusammenziehen und sich von der vollnölen lassen, wo die jetzt langsam merkt, daß sie wen unterm Umhang trägt."

"Das ist ja wohl dein allerletztes Problem, Mortimer", schnaubte Aurora nun verärgert. "Bisher kommt Dina mit ihrer Schwangerschaft gut zurecht, besser als ich es von manchen anderen Hexen erfahren habe. Außerdem wäre das dann die Sache von uns Mädels, wie wir ihr dabei helfen, nicht nur zu jammern."

"Krieg ihn dazu, daß der mir nicht andauernd von diesem für mich unwichtigen Krempel vorjammert, Aurora! Immerhin wollen wir in zwei Wochen gegen die Gryffindors gewinnen. Da brauche ich ruhige Nerven."

"Wo du es ansprichst, Mortimer. Wenn ich mitkriege, daß du dich Roy gegenüber nicht zurückhältst, findet das Spiel ohne mich statt", schwang Aurora einen schweren Hammer.

"Wie? Das kannst du nicht bringen, Aurora. Wir brauchen dich und deine Doppelachsentricks", erschrak Mortimer sichtlich. "Oder willst du, daß die Gryffindoofs den Pokal kriegen?"

"Vor allem will ich zwei Sachen, daß wir alle uns nicht gegenseitig runtermachen und zum anderen als gute Klassenkameraden durch die Prüfungen kommen. Die sind schon stressig genug, Mortimer. Also, du entschuldigst dich bei Roy wegen deiner Sticheleien und unterläßt diese, oder du kannst dir für das Spiel in zwei Wochen einen anderen Jäger suchen."

"Das ist Erpressung", protestierte Mortimer. "Damit könnte ich glatt zu Flitwick oder Dumbledore gehen."

"Das ist keine Erpressung, sondern nur die Auswahl der dir gebotenen Möglichkeiten, Mortimer", berichtigte Aurora ihn zuckersüß lächelnd. Dann wandte sie sich einfach um und setzte sich in bewegung.

"Moment, Aurora! Ist gut. Ich werde mich bei Roy entschuldigen", sagte Mortimer noch. Sie drehte sich um und sah ihn wohlwollend an.

"Ich kriege das mit seiner Schwester hin, daß er auch seine frühere Welt wiedersehen darf. Sage ihm das aber bitte noch nicht!"

"Ja, aber du spielst doch dann auch, oder?"

"Ja, wenn ich keinen Grund habe, dir böse zu sein", sagte Aurora. Mortimer beteuerte, daß sie keinen Grund haben würde.

Am Abend schrieb Aurora einen Brief an Erica Fielding, in dem sie sie darum bat, es irgendwie einzurichten, daß ihr Bruder den Kontakt zu seiner früheren Lebenswelt nicht verlor.

__________

Professor Silverbolt wirkte frischer und kraftstrotzender als früher schon. Dennoch konnte Aurora sich nicht eines gewissen Unbehagens erwehren. Denn der Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste wirkte auf sie etwas angespannt, als horche er andauernd in sich hinein, ob da etwas unheimliches rumorte. Sie ließ es sich aber nicht anmerken und verfolgte den Unterricht, indem es nach den sogenannten schlafenden Flüchen um deren Steigerung, die nicht an feste Körper gebundenen Situationsflüche ging.

"Die heimtückischsten Flüche, Ladies and Gentlemen, sind die, die erst wirken, wenn etwas ganz bestimmtes passiert oder jemand ganz bestimmtes einen ganz bestimmten Ort betritt. Vorher ruhen sie wie Samenkörner im Wüstensand. Sie können dann aber, wenn sie schlußendlich in Kraft treten, von einem Ort an einen anderen wandern, mit dem, der die sie auslösende Situation herbeigeführt hat. Unter Umständen kann ein schwarzer Magier solch einen Fluch Jahrzehnte vor seiner Aktivierung aussprechen, beispielsweise festlegen, daß der zweite Sohn oder die erste Enkeltochter des zu schädigenden den Ort des Fluches betritt oder jemand bis zu einem bestimmten Alter noch nicht verheiratet ist oder ähnliches. In der Muggelwelt gibt es Zerstörungsvorrichtungen, die durch angebrachte Mechanismen zu einer Bestimmten Zeit oder durch Annäherung von anderen Leuten in die Luft gehen. Solcherart sind die Situationsflüche. Sie sind wie diese Sprengvorrichtungen, die als Zeitbomben oder Minen bezeichnet werden. Wer sie ausspricht muß entweder den Ort betreten, an dem der Fluch wirken soll, ihn zu seinen Lebzeiten häufiger betreten haben oder die Person oder Personengruppe kennen, auf die der Fluch losgelassen werden soll. Es bedarf das Opfer von körperlich-seelischer Ausdauer, um den Fluch einzulagern. Am wirksamsten sind solche Situationsflüche, die gewirkt werden, wenn der sie aussprechende Magier im Sterben liegt. Durch seinen Tod wird die Wirkung um so nachhaltiger. Die Wirkung des Fluches selbst kann jede Art umfassen, die ihr hier bisher gelernt habt, von einfachem Hautausschlag bishin zum qualvollen Tod mindestens einer Person. Wie bei diesen Muggelminen und -bomben auch ist die wirksamste Art der Schadensbekämpfung die Ortung des unliebsamen Etwas. Ja, und da wird es schon kitzelig. Denn zum einen bestehen diese Flüche nicht aus großflächig aufspürbaren Zaubern, sondern aus auf kleinstem Raum verdichteter Magie. Zum zweiten kann jeder Versuch, den Fluch vorzeitig auszulöschen dazu führen, daß er schlagartig in Kraft tritt und dann großflächigen Schaden anrichtet, beispielsweise alle Lebewesen im Umkreis einer halben Meile tötet oder ein stabiles Bauwerk zu Staub zerbläst. Daher gelten drei lebenswichtige Regeln. - Was gibt's da zu grinsen, Tonya Rattler?"

"Öhm, mußte nur an unsere Apparierstunden denken, Sir. Der Lehrer hatte es da auch immer von ...", setzte Tonya an. Silverbolt unterbrach sie jedoch mit einer wütenden Handbewegung.

"Wir sind aber nicht beim Apparieren, Ms. Rattler und haben deshalb nur an das zu denken, was jetzt dran ist. Fünf Punkte abzug für Slytherin!" Bellte Silverbolt, seinem Spitznamen Dobermann Ehre machend. "Wo war ich? Ach ja, drei überlebenswichtige Regeln: Regel eins: Nur wer Situationsflüche sucht, kann sie auch finden. Regel zwei: Der Fluch konzentriert sich immer auf den magischen Mittelpunkt eines Ortes. Regel drei: Wer einen eingelagerten Situationsfluch aufspürt darf ihn niemals mit X-beliebigen Gegenflüchen zu brechen versuchen, sondern muß ihn mit einem Einhüllzauber umschließen, der auf die Größe des Fluchkorns zusammengeballt wird. Dann bleibt dieser Fluch inaktiv, weil nämlich dann, wenn sein Auslöser auftritt, die freiwerdende Magie im Umhüllungszauber zurückgeworfen wird, bis alle Magie von Fluch und Umhüllungszauber sich gegenseitig durchmengt haben und für gewöhnliche Wahrnehmungen unbemerkbar zerstreut werden. Klingt einfach, ist aber im wahrsten Sinne verflucht schwierig. Oder kann jemand von euch einen Zauber, der sich auf einen ganz bestimmten, kleinen Abschnitt des Raumes bündeln läßt, ohne dabei anderweitig zu wirken oder sich wieder auszudehnen?"

"Öhm, was ist der magische Mittelpunkt eines Ortes?" Fragte Roy, nachdem er ums Wort gebeten hatte.

"Schön das das jemand von euch fragt. Sonst hätte ich das fragen müssen", knurrte Silverbolt. Dann blickte er sich um. "Kann das jemand eurem Kameraden beantworten?"

"Der magische Mittelpunkt eines Ortes ist die Stelle, an der die ruhenden Kräfte der sechs magischen Elemente zusammentreffen, also das Feuer, Wasser, Luft, Erde, Metall und Geisteskraft", antwortete Eunice Armstrong. "Das muß also nicht unmittelbar der räumliche Mittelpunkt sein, besonders wenn der verfluchte Ort unter freiem Himmel liegt."

"Stimmt! Fünf Punkte für Gryffindor!" Blaffte Silverbolt. "Dann kommt schon die nächste Frage: Wie kriege ich den magischen Mittelpunkt eines Ortes raus, wenn mir das keiner verraten kann?"

Tonya hob die Hand. Sie sollte antworten.

"Mit fünf Spürzaubern, die die ruhenden Elementarkräfte anzeigen. Ich vermute, da wo diese Kräfte am stärksten wirken müssen gedachte Linien zusammengeführt werden, um den magischen Mittelpunkt zu finden."

"Gut, daß du da richtig vermutet hast, Tonya. Weil sonst wäre es unter Umständen sehr gefährlich, dann einen Umhüllungszauber zu wirken", knurrte Silverbolt. "Kommen wir also dazu, wie man einen Situationsfluch findet, wie es in der ersten von mir erwähnten Regel gilt, daß nur der ihn findet, der danach sucht. Ihr müßt euch komplett auf ein im dunkeln lauerndes Wesen konzentrieren, am besten mit geschlossenen Augen. Dann richtet ihr den Zauberstab auf den von Tonya so richtig beschriebenen magischen Mittelpunkt aus und denkt "Periculum dormendum in Obscuritatem sentio!" Bekommt ihr das hin, so konzentriert diese Worte zu denken und alle euch umgebenden Eindrücke aus eurem Geist auszuschließen, werdet ihr fühlen können, ob da etwas ist, das Widerstand leistet, etwas wie ein nerviges Sirren oder Pieken oder Flirren. Wenn ihr es beinahe körperlich fühlen könnt, daß genau da dieser Widerstand gegen euren Zauber wirkt, kommt die eigentliche Versieglungszauberei dran. Ja, Roy?"

"Entschuldigung, Professor Silverbolt, geht dieser Findezauber nicht auch laut ausgesprochen?"

"Nein!" Blaffte Silverbolt kategorisch. "Was meint ihr, warum ich euch jetzt erst damit kommen kann, wo ich weiß, daß alle von euch ungesagt zaubern können. Diese ganze Such- und Versiegelungsmagie gelingt nur durch rein geistige Handlungen. Die einzig körperliche Regung dabei ist die Ausrichtung des Zauberstabes auf den ermittelten Punkt, um die nonverbale Zauberei zu fokussieren. Es gilt: Du gegen den eingelagerten Situationsfluch. Du mußt dich komplett von allen äußeren Einflüssen abschotten und darfst deinerseits nichts mit üblichen Sinnen wahrnehmbares nach außen dringen lassen, weil nämlich dann die Versiegelung des Fluches nicht nur mißlingt, sondern der Fluch vorzeitig ausgelöst wird, nach dem Motto: "Da will mir jemand den Spaß verderben. Jetzt oder nie!" Deshalb, weil das eine rein geistige Angelegenheit ist, könnt ihr die Zauber, die nach der Mittelpunktbestimmung kommen nur ungesagt wirken."

"Sie wollen uns doch nicht etwa mit einem Situationsfluch konfrontieren", wandte Eunice Armstrong ein.

"Abgesehen davon, daß Professor Dumbledore mir den Kopf von den Schultern reißen würde, wenn ich hier einfach so einen solchen Fluch einlagern würde ist mir klar, daß keiner von euch den im ersten Ansatz neutralisieren könnte und das dann schlimme Folgen hätte. Nein, ich bringe euch nur bei, wie der magische Mittelpunkt eines geschlossenen Raumes und eines Ortes unter freiem Himmel zu bestimmen ist und lasse euch auf diesen Punkt den Versiegelungszauber wirken. Das wird so oft wiederholt, bis das bei euch sitzt. Da hier in dieser Klasse welche sitzen, die meinen Unterricht nur deshalb aushalten, weil sie nach Hogwarts die dabei gewonnenen Kenntnisse brauchen, ist es meine Pflicht, euch mit den Gegenmaßnahmen vertraut zu machen, damit ihr die nötige Grunderfahrung habt, um später mit wirklichen Situationsflüchen fertig werden zu können."

"Ich will doch kein Auror werden", knurrte Roy ungefragt. "Mir geht's nur drum, böse Zauberer abzuwehren."

"Was meinst du denn, was das ist?!" Blaffte Silverbolt. "Die wirklich übelsten Zauber wirken erst, wenn der Übeltäter schon weit weg ist. Nicht jeder kämpft offen. Wir wissen, daß Voldemort einige Situationsflüche gewirkt haben muß, weil einige Familien dabei gestorben sind. Andererseits gibt es Schutzmaßnahmen, wie Sanctuafugium und Friedensraum-Zauber, wo Flüche keinen Halt finden können. Aber wenn du mal an einem Ort bist, wo ein solcher Fluch eingelagert sein könnte, und du kannst zumindest bestimmen, wo er ist, ist das besser als zu hoffen, daß ihn keiner auslöst, während du an diesem Ort bist. Auch sehe ich hier eine, die wahrscheinlich zu den Heilern geht. Die müssen das können, flüche aller Art aufzuspüren und die meisten davon zu neutralisieren. Wie erwähnt bin ich mir sicher, daß jeder, der meinen Unterricht durchhält das deshalb schafft, weil ihm oder ihr danach von Berufswegen noch mehr Verteidigung gegen die dunklen Künste blühen mag. Ich kann euch ja leider nur die grundsätzlichen Sachen beibringen."

"Kriegen wir so einen Fluch dann vielleicht in diesem Abschlußparcours, den Sie für uns anlegen wollen?" Fragte Tonya.

"Ich habe langsam den Eindruck, daß ihr alle schwerhörig werdet", schnarrte Silverbolt. "Ich werde hier in Hogwarts keinen Situationsfluch aussprechen! Verdammt noch mal! Was meine Ankündigung angeht - viele von euch fassen die ja auch als Drohung auf -, so wird mein Parcours schon schlimm genug über euch hereinbrechen, ohne einen Situationsfluch einzubeziehen. Wer das dann überstanden hat, der wird hier nicht unter "Erwartungen übertroffen" seinen UTZ machen, wenn er oder sie nicht meint, dem alten Silverbolt eins auswischen zu müssen und sich damit selbst ein Bein stellt."

Die nächsten Minuten schrieben sich alle die Zauber zur Bestimmung des magischen Mittelpunktes und die nur zu denkenden Zauberformeln zur Fluchermittlung und -versiegelung auf. Danach führten alle nacheinander vor, ob sie den magischen Mittelpunkt des Klassenraumes bestimmen konnten. Das vertrackte dabei war, daß sobald ein Fenster oder die Tür geöffnet war, der magische Mittelpunkt sich verschieben konnte, was ihnen Silverbolt vorher nicht erzählt hatte, wohl weil er die Schüler davon ausgehen lassen wollte, daß Tonya schon richtig geantwortet habe.

"Na, so eindeutig ist das nicht", feixte er. Aurora erinnerte sich an Worte, die Silverbolt bei Dumbledore gesprochen hatte, nachdem sie den unheimlichen Bodenbereiter des Schattenfürsten überstanden hatten. Er hatte erwähnt, daß Er, der nicht beim Namen genannt werden durfte, das Schulfach Verteidigung gegen die dunklen Künste verflucht haben sollte, daß ein Lehrer nur ein Jahr lang unterrichten konnte. Aber Professor Bitterling hatte mehr als drei Jahre hintereinander unterrichtet. Doch mochte es sein, daß der Unnennbare Hogwarts mit einem Situationsfluch belegt hatte? Sie überlegte sich, ob sie Silverbolt vor allen anderen darauf ansprechen sollte. Doch dann fiel ihr ein, daß sie über das Gespräch nach der Sache mit Elroy Portsmouth keinem andrem was sagen sollte. So hielt sie sich erst einmal zurück.

Am Ende der Stunde, als alle anderen schon aus dem Raum hasteten, winkte sie Silverbolt und sah ihn fragend an.

"Ja, was ist noch?" Fragte er harsch.

"Ich wollte nur wissen, ob es stimmt, daß Sie-wissen-schon-Wer alle Lehrer für Verteidigung gegen dunkle Künste verflucht hat und ob das ein Situationsfluch war", raunte Aurora. Mit einer Zauberstabbewegung ließ Silverbolt die Tür zufallen und sich verriegeln. Dann legte er die Finger auf seine Lippen und murmelte "Sonincarcero!" Als er alle Wände, Fenster und die Tür, sowie Boden und Decke mit dem ockergelben Klangkerkerschimmer überzogen hatte, sagte er:

"Du spielst auf das an, was in Dumbledores Turmzimmer gesagt wurde, Aurora. Ja, Dumbledore vermutete es, daß Voldemort bei seinem letzten offiziellen Besuch in Hogwarts beschlossen haben könnte, einen Situationsfluch zu wirken, der dann aktiv wurde, wenn im nächsten Schuljahr jemand andres als er selbst den Unterricht übernehmen würde. Normalerweise ist Hogwarts gegen viele Fernflüche geschützt. Aber dieser Mörder kannte damals schon Zauber, die kleine aber feine Breschen schlagen konnten, die zwar nicht lange hielten, aber lange genug, um einen Situationsfluch einlagern zu können. So perfide wie Voldemort veranlagt war, hat er ihn gewiß an einem für uns alle unzugänglichen Ort platziert, weil er sonst ja gefunden worden wäre. Dumbledore bekam es auch erst heraus, daß das Fach verflucht wurde, als der erste Lehrer ein Jahr danach vom fliegenden Besen stürzte und nicht mehr wiederkommen konnte. Ich vermute, der Fluch betraf nur reinrassige Hexen und Zauberer, weil mein Vorgänger länger durchgehalten hat."

"Ja, aber Professor Bitterling hat doch schon drei Jahre durchgehalten", sagte Aurora.

"Es gibt Flüche, die wehren andere Flüche ab, Aurora. Ich habe bei Semiramis Bitterling einen ganz bestimmten Verdacht, wie die sich gegen diesen Fluch wehren konnte und empfehle das niemandem, es ihr nachzumachen, weil die Abwehr genauso verwerflich ist wie der Fluch an sich, ja ebenso ein Fluch an sich ist. Das hast du vielleicht schon mal gehört, daß es Flüche gibt, die nur die Treffen, die noch nicht verflucht sind. Was mich angeht, so glaubte ich ja, daß mein kleines Schmuckstück hier mich gegen stationäre Flüche schützt, und zum Großen Teil hat es das ja auch. Aber da wußte ich auch schon, daß ich Iaxathans Bodenbereiter in Hogwarts zu erwarten hatte, dem ich mich um jeden Preis stellen mußte. Sein Vergeltungsfluch hat den von Voldemort doch noch erfüllt."

"Dann sind Sie diesen Fluch immer noch nicht losgeworden?" Fragte Aurora sichtlich eingeschüchtert. Silverbolt holte den silbernen Fünfzackstern unter seinem mitternachtsblauen Umhang hervor, der immer noch wie ein schwach leuchtendes Blinklicht aufleuchtete und dann wieder erlosch.

"Dieser vertückte Zauber wirkt immer noch, Aurora, nur nicht so, wie der Absender es eigentlich beabsichtigt hatte."

"Sie sehen doch ganz gesund aus und haben sich doch auch geistig nicht verändert", sagte Aurora voreilig. Silverbolt mußte darüber lachen.

"Tja, es gibt auch Flüche, die wirken so, daß jemand zunächst ganz passabel aussieht. Die kannst du ja in den von mir empfohlenen Büchern nachschlagen. Nur so viel, eigentlich sollte mich der Vergeltungsfluch in wenigen Sekunden bis zum Tode altern lassen. Mein Talisman hat das verhindert, aber die Wirkung des Fluches nicht von mir abgelenkt, sondern umgekehrt. Wenn das so weitergeht, werde ich in drei wochen kein graues Haar mehr haben, in einem Monat keine Brille mehr brauchen, in zwei Monaten der Schwarm von euch Mädchen sein und in drei Monaten in den Windeln liegen, um dann quasi darin einzusickern, weil ich dann innerhalb eines Tages vom Neugeborenen zur Keimzelle zurückschrumpfe." Aurora starrte ihn teils betroffen, teils ungläubig an. Er nickte zur Bestätigung seiner Worte. Er deutete auf seinen Kopf. Tatsächlich wirkte sein Haar ja etwas goldener.

"Ich habe mich von eurer Krankenschwester prüfen lassen. Sie wird dir vielleicht mal erzählt haben, daß es Zauber gibt, die das gegenwärtige körperliche Alter bestimmen können. Sie hat rausgekriegt, daß ich pro Tag um drei Lebensjahre jünger werde, eine Art schleichender Infanticorpore-Fluch, nur das der nicht beim Neugeborenenzustand stoppt und ich nicht weiß, ob mein Gedächtnis und meine geistigen Fähigkeiten sich nicht mit zurückverjüngen. Da ich noch alles weiß und kann, was ich vor dem Kampf gegen den Bodenbereiter wußte und konnte, ist zu vermuten, daß ich nur körperlich jünger werde, und das ist wahrlich ein Fluch."

"Ui, das konnte ich nicht ahnen", beteuerte Aurora Dawn.

"Ich sage es auch nur dir, weil du so diskret warst zu warten, bis alle raus waren und das mitbekommen hast, was ich getan habe und mir deshalb passiert ist."

"Und was ist, wenn Sie Ihren Stern ablegen?" Fragte Aurora.

"Dann wird der Fluch sich langsam wieder umkehren und dann immer mehr beschleunigen. Ich gehe davon aus, daß ich dann keine sechzig Stunden überleben würde."

"Sechzig Stunden?" Fragte Aurora verblüfft. "Warum ausgerechnet so viele?"

"Du meinst wohl eher so wenig, Mädchen", lachte Silverbolt verbittert. "Weil ich es in den Ferien ausprobiert habe, was passiert, wenn ich den Stern eine Stunde lang ablege. Eure Madame Pomfrey hat mich danach mit dem Altersbestimmungszauber geprüft. Ich war da wieder zwei Jahre älter als vor dem Ablegen. Dann, nach einer weiteren Stunde, waren es schon Drei mehr. Dann haben wir die Rate ausgerechnet und im Bezug auf mein eigentliches Lebensalter und die noch zu erwartenden Jahre eine Maximalzeit von sechzig Stunden errechnet. Als ich den Stern wieder anlegte hat er mich mit der nun bekannten Rate weiterverjüngt und tut das immer noch."

"Ja, und was werden Sie nun tun?" Fragte Aurora nun mitfühlend.

"Das hängt davon ab, ob Dumbledore und ich einen Weg finden, den Fluch doch noch zu neutralisieren. Falls nicht werde ich noch vor dem Verlust meiner körperlich-motorischen Fähigkeiten den Stern ablegen und mich von allen die mir lieb und teuer waren in Würde verabschieden, vielleicht noch eine große Party feiern und mich dann dezent zurückziehen und meinen Tod erwarten. Auf jeden Fall werde ich nicht warten, bis ich zum Hosenscheißer zurückgeschrumpft bin."

"Das ist sehr bedauerlich, Sir", sagte Aurora Dawn mitleidsvoll.

"Eigentlich solltest du das gar nicht wissen, Mädchen. Aber ich gehe davon aus, daß du das keinem weitererzählst."

"Natürlich nicht, Sir", beteuerte Aurora Dawn immer noch betroffen. "Ihr habt durch den Unterricht schon genug, was euch Kopfschmerzen macht. Und glaube es mir, meine Stunden werden deshalb nicht leichter für dich und die andren werden", knurrte Silverbolt. "Abgesehen davon wußte ich, daß der Kampf gegen den Knecht des Schattenfürsten mich das Leben kosten kann. Ich war und bin bereit, den Preis dafür zu zahlen, wenn Iaxathan dafür nicht mehr wiederkommen kann. Dann bin ich eben sein letztes Opfer, auch eine gewisse Ehre."

"Wenn Sie das so sehen, Sir, möchte ich mich für mein Mitleid entschuldigen", erwiderte Aurora.

"Angenommen!" Schnarrte Silverbolt. Dann deutete er auf die Tür, entriegelte sie mit einer zauberstabbewegung und bellte nur noch: "Und jetzt Raus!"

Aurora Dawn dachte die ganze Pause über das Schicksal des Lehrers nach, den sie wegen seiner ruppigen Art Professor Dobermann nannten. Da hatte sich ein zauberer bei vollem Bewußtsein einer tödlichen Gefahr ausgeliefert und mußte jetzt miterleben, wie er auf die eine oder andre Weise entweder nur noch sechzig Stunden oder gerade noch drei Monate zu leben hatte. Offenbar hatte er sich dafür entschieden, zumindest seinen Lehrauftrag zu Ende zu bringen und die Schüler hier zu den Prüfungen hinzuführen. Was danach mit ihm passierte war für die Leute hier dann nicht mehr wichtig. Dann dachte sie noch an Professor Bitterling. Silverbolt hatte anklingen lassen, daß sie sich selbst einem Fluch ausgesetzt hatte, um gegen den Fluch des Unnennbaren immun zu sein. Was für ein Fluch sollte das sein? Doch war es jetzt nicht egal, wo Professor Bitterling nicht mehr in Hogwarts unterrichtete? Doch wenn es stimmte, daß sie als angehende Heilerin alles über dunkle Künste wissen mußte, um davon heimgesuchte Menschen zu retten, dann sollte sie sich schon dafür interessieren, wie jemand einem anderen Fluch entgehen konnte, mit oder ohne die Hilfe der dunklen Künste, die dann sicherlich einen hohen Preis forderten. Als Nelly Flowers sie sah rief sie sie in die Gegenwart zurück.

"Hallo, Nelly, was ist los?" Fragte sie, nun ganz fürsorglich wirkend.

"Gleich haben wir bei Sprout die Schlängelwurzler. Was mochten die nicht, Eisen oder Ton?"

"Die können kein Eisen ab, Nelly. Wenn du einen Nagel in den Boden rammst, wo die gerade herumwühlen, ekelt die das an, so daß sie sich zurückziehen. Sind ja an sich harmlos, weil oberirdisch nichts passiert, wenn sie nicht die Wurzeln andrer Pllanzen abwürgen würden."

"Also Eisen", frohlockte Nelly. "Dann habe ich das doch richtig aufgeschrieben. Danke!" Sie lief davon, um es Vivian Acer zu sagen, die mit ihr zusammen in einer Parallelklasse der Hufflepuffs mitlernte.

"Soll sie uns mal zehn sichere Punkte holen", dachte Aurora. Doch Nellys so schön einfache Frage hatte sie von den beschwerlichen Gedanken abgelenkt, die sie eben noch gehabt hatte. So lächelte sie sehr erleichtert und ging zu ihren Kameradinnen Petula, Miriam und Dina. Seitdem Dina schwanger war und im von ihr besuchten Unterricht nicht mehr der Tolpatsch vom Dienst war hatte sie sich sehr schön in die übrige Gemeinschaft eingefunden. Auch daß viele bei ihrer Hochzeit mit Roy dabei waren hatte ihr noch mehr Anerkennung eingebracht.

"Was wolltest du noch von Silverbolt?" Fragte Miriam.

"Gab da noch was zu klären, was nur ihn, Dumbledore und mich betrifft, Miriam. Mehr möchte ich nicht dazu sagen."

"Krämer du mal deine Geheimnisse", knurrte Miriam nur. Dann sprachen sie weiter über den anstehenden Unterricht.

__________

Die nächsten Tage vergingen ohne nennenswerte Ereignisse. Die Spannung wegen des bevorstehenden Quidditchspiels stieg an. Aurora hatte in der Zwischenzeit einen Brief von Erica Fielding erhalten, das sie dabei sei, sich im Krötensteig in Cambbridge einzurichten, von wo aus es auch in die Muggelwelt ging. In Cambridge kannte sie niemand, und so würden sie dort wohl nicht weiter auffallen. Aurora wußte, daß die Priestleys dort wohnten und nickte. Dann würde Erica ihrem Bruder einen gewissen Kontakt zur nichtmagischen Welt erhalten. Das teilte sie ihm im Beisein von Mortimer Swift mit. Dieser schien jedoch nicht richtig glücklich mit der Nachricht.

"Ist ja schön!" meinte er nur. Aurora fragte ihn, was denn sei.

"Wir werden wohl nächste Woche nicht spielen", sagte er. Aurora fragte ihn, wie er darauf komme.

"Hat euch Eunice das noch nicht erzählt? Die Mannschaft von denen hat sich mit der von Slytherin auf eine Prügelei eingelassen, bei der zwei Slytherins und drei von den Gryffindors mit mehreren Flüchen belegt worden sind. McGonagall ist gerade bei Dumbledore um zu klären, ob das Spiel verschoben wird oder das Turnier für beendet erklärt wird. Wenn letztes passiert, haben die Gryffindors den Pokal sicher."

"Wie was?" Fragte Aurora. "Die Idioten haben sich auf eine Zauberschlacht mit den Slytherins eingelassen. Sind die denn vollkommen irre?" Entrüstete sich Aurora. Dann meinte sie: "Sogesehen könnten wir den Pokal ja dann auch zugesprochen kriegen, wenn die Mannschaft nicht antritt."

"Wer kennt denn hier die Quidditchregeln besser, Aurora. Ein kampfloser Sieg ist nur dann errungen, wenn beide Mannschaften vor dem Spiel vor den Schiedsrichter treten und eine der Mannschaften vor dem Anpfiff oder während des Spiels unersetzbar ausfällt. Da Madame Hooch uns noch nicht auf dem Platz begrüßt hat, könnte das letzte Spiel auch einfach abgesagt werden. Dann hätten die Gryffindors ein paar Punkte mehr als wir und fertig."

"Schummelheinis", knurrte Roy. "Die werden doch nicht in diese Mistprügelei reingegangen sein, um sich kampflos den Pokal zu sichern."

"Abgesehen davon, daß McGonagall den dann bestimmt nicht bei sich im Büro stehen haben will nicht ganz kampflos", feixte Roy Fielding. Aurora beschloß, sich mit Eunice zu unterhalten. Doch als kurze Zeit später die gemalte Rowena Ravenclaw verkündete, daß alle Vertrauensschüler zu einer Eilkonferenz ins Turmzimmer des Schulleiters gehen sollten, erübrigte es sich für Aurora.

"Dann wollen wir mal hören, was da für eine Sauerei gelaufen ist", meinte Philipp.

In Dumbledores Büro berichtete Professor McGonagall, daß Schüler ihres Hauses aus ihr absolut unverständlichen Gründen eine teils körperliche, teils magische Auseinandersetzung mit Schülern aus Slytherin hatten, fragte Philipp, ob das Spiel jetzt ausfallen würde.

"Wir haben uns vor Ihrem Eintreffen schon darüber unterhalten", knurrte Professor McGonagall. "Eigentlich müßten wir das Spiel komplett absagen. Aber da sich daraus ein meiner Meinung nach völlig unverdienter Vorteil für die Missetäter ergäbe, pflichte ich Professor Flitwick bei, das Spiel mit einer komplett andren Mannschaftsaufstellung zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden zu lassen."

"Warum eine andere Mannschaftsaufstellung?" Fragte Eunice Armstrong.

"Weil ich persönlich jede Unterstützung für derartig undisziplinierte Schüler, ja auch aus meinem Haus, ablehne und es strickt ablehne, daß solche ungeratenen Leute den Pokal erspielen. Ich möchte zwar den Pokal noch einmal in meinem Büro stehen sehen, aber nicht um jeden Preis."

"Ihre Leute haben den Streit angefangen, Minerva", schnarrte Snape verächtlich. "Genau deshalb sind Sie doch überhaupt so entrüstet."

"Das ist schon längst geklärt, Severus", fauchte Professor McGonagall.

"Ja, aber wenn Gryffindor eine ganz neue Mannschaft aufstellen muß, muß die erst einmal mehrere Wochen trainieren, um eine faire Chance zu haben", wandte Eunice ein. Aurora nickte ihr zu. Sie wollte auch keinen geschenkten Pokal, weil die Gegner zu schwach waren.

"Nun, daher werden wir das letzte Quidditchspiel der Saison nicht nächste Woche austragen, sondern nach den anstehenden Prüfungen", sagte Professor Dumbledore. "Das eröffnet Gryffindor, eine neue Mannschaft aufzustellen und so gut es geht zu trainieren. Natürlich erhält Ravenclaw dadurch ebenfalls mehr Trainingszeit. Aber diese Lösung erscheint mir als die passable von allen Möglichkeiten."

"Nach den Prüfungen?" Fragte Herman Archstone. Die sind erst im Juni.

"Jeder frühere Termin würde die Prüfungsvorbereitungen stören", wandte Dumbledore ein. "Gerade Schüler der fünften oder siebten Klasse könnten dadurch von ihren Arbeiten abgelenkt werden. Nein, die Partie soll nach den Prüfungen stattfinden, als krönender Abschluß des Schuljahres gewissermaßen."

"Was passiert mit denen, die sich geprügelt haben?" Fragte Philipp Priestley.

"Strafarbeit!" Spie Professor McGonagall aus. "Und Fünfzig Punkte Abzug für Gryffindor und vierzig Punkte Abzug für Slytherin."

"Meine Schüler haben den Streit nicht angefangen, Minerva", bestand Snape darauf, daß die ihm unterstehenden Schüler diesmal nicht die Verursacher waren.

"Sie haben ihn aber angenommen und in Gang gehalten", warf Professor McGonagall ein. "sie hätten sich der Konfrontation ja entziehen können."

"Sie mußten sich wehren, Minerva", protestierte Snape. "Dafür vierzig Punkte von Slytherin abzuziehen ist ungerecht."

"Als wenn du Hakennase jemals gerecht Punkte verteilt hättest", dachte Aurora bei sich. Flitwick sagte rasch:

"Nun, die Situation ist beschämend und für die Mannschaft von Ravenclaw sicher eine gewisse Enttäuschung. Aber ich gehe davon aus, daß wir nach den Prüfungen ein ausgeglichenes Spiel zur Entschädigung kriegen werden."

"Genau das hoffen wir alle, Filius", wandte Professor Sprout ein.

"Und ich sage noch einmal, daß vierzig Punkte zu viel sind", beharrte Snape darauf, daß sein Haus nicht so heftig bestraft werden durfte. Dumbledore wandte sich den Vertrauensschülern und dem Schulsprecherpaar zu und sagte:

"Nun, damit seid ihr jetzt alle unterrichtet, was wir beschlossen haben. Ihr könnt das euren Mitschülern nun ausrichten." Die Vertrauensschüler verließen unverzüglich das Turmzimmer. Draußen zischte Eunice Tonya Rattler zu, daß ihre Saubande den Streit angefangen haben mußte, weil ihre Mannschaft sicher nicht so blöd sei, einen Krach anzufangen, wenn ein so wichtiges Spiel anstand. Tonya meinte dazu eiskalt:

"Sehen Sie es mal ein, daß die Gryffindors keine Sauberleute sind, die nichts unrechtes tun können, Ms. Armstrong. Schönen Sonntag noch. Sprach's und verschwand durch die von den Wasserspeiern bewachte Tür zurück ins Schloß.

"Wie blöd muß wer sein, um sich vor so'nem Spiel noch derartig reinzureiten?!" Polterte Philipp, als sie wieder im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws waren. Aurora wußte darauf keine Antwort. Sie überlegte sich schon, wie sie nun ihre Zeit einteilen konnte, um die nötigen Prüfungsvorbereitungen einzurrichten.

__________

Daß mit Professor Silverbolt etwas merkwürdiges passierte konnte bald jeder und jede sehen. Denn beinahe täglich sah der Lehrer immer frischer aus. Den Mädchen fiel auf, daß Silverbolt offenbar keine Brille mehr brauchte und in seinem bartlos gehaltenen Gesicht immer weniger Falten zu sehen waren. Petula fragte ihre Klassenkameradin Aurora einmal, ob Silverbolt irgendwas einnahm, was ihn jünger machte. Aurora antwortete wahrheitsgemäß, daß sie nichts davon wisse, daß Silverbolt einen Verjüngungstrank einnahm. Sie hätte sofort sagen können, daß die meisten ihr bekannten Verjüngungstränke nicht nur auf den Körper, sondern auch auf den Geist einwirkten. Doch weil Silverbolt sich benahm wie seit Schuljahresbeginn, hätte sie damit wohl neue Fragen aufgeworfen. Sie bekam einmal mit, wie die Swift-Drillinge leise tuschelten, als sie einmal die Mädchentoilette im dritten Stock aufsuchte.

"Ich weiß nicht, wie der das macht, aber sieht jetztt richtig süß aus der Dobermann", hörte sie Rita Swift zu ihrer Schwester Roxanne sagen.

"Ob der irgendwelche dunklen Zauber benutzt, um immer jünger auszusehen. Dann muß er aber bald aufpassen, daß er nicht zu jung aussieht, sonst nimmt den keiner mehr für voll", sagte Roxanne. Dann entdeckte sie Aurora Dawn und errötete an den Ohren.

"Ihr habt's von Professor Silverbolt?" Fragte Aurora überflüssigerweise. "Habe ich auch mitbekommen, daß mit dem irgendwas merkwürdiges abläuft."

"Gibt's Tränke oder Zauber, mit denen sich wer ständig verjüngen kann?" Fragte Ramona Swift.

"Bei Zaubern kenne ich nur einen Fluch, der jemanden zum Neugeborenen zurückverwandeln kann, und bei Tränken kenne ich einige, aber nicht unbedingt gern gesehene Tränke, die verjüngen können, aber dann alles, nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Wie bei allen Tränken macht die Dosis da auch das Gift", bestätigte Aurora, ohne genau zu sagen, was mit Silverbolt vorging.

"Ein Fluch, der dich zum Baby macht? Putzig", bemerkte Roxanne.

"Ja, aber nur den Körper. Verstand und Gedächtnis bleiben dabei soweit entwickelt und voll wie vor dem Fluch", erwiderte Aurora Dawn.

"Oh, dann kann jemand ja dann noch sprechen und laufen", meinte Rita. Ramona schüttelte zeitgleich mit Aurora den Kopf.

"Wenn der körper verändert wird sind die Arme und Beine ja nicht fertig entwickelt und wegen der fehlenden Zähne kann dann jemand auch nicht richtig sprechen. Oh, Mist, stelle ich mir ziemlich übel vor, alles mitzukriegen, ohne sich selbst bewegen oder was sagen zu können."

"Deshalb ist es ja auch ein Fluch", belehrte Aurora die drei Mädchen. Roxanne murrte:

"Kapier ich jetzt, Aurora. Aber was mit dem Dobermann los ist will ich doch noch wissen. Daddy D. muß das doch auch mitkriegen, was da läuft."

"Natürlich", erwiderte Aurora knochentrocken. "Der weiß das bestimmt auch, was mit Professor Silverbolt passiert. Aber wenn der es keinem erzählen will, kriegen wir das auch nicht mit."

"Hmm, könnte sein, daß Silverbolt sich bei der Sache damals was eingehandelt hat, als wir alle in der Schule bleiben mußten, weil jemand uns angegriffen hat", vermutete Rita. Aurora fand, daß das nur logisch war und nickte.

"Oh, Mist, dann könnte der jetzt jeden Tag jünger werden, bis der wieder ein Baby ist?" Fragte Ramona.

"Noch kleiner", bemerkte Rita. "Der könnte zum Ungeborenen zurückschrumpfen und deshalb sterben, weil Ungeborene nicht atmen oder trinken können. Ziemlich fiese Sache das."

"Deshalb sollten wir uns besser nicht noch die Mäuler drüber zerreißen", ließ Aurora die Vertrauensschülerin heraushängen. Die Drillinge nickten wie mit bleiernen Köpfen.

Dadurch daß die letzte Quidditchpartie auf die Zeit nach den Jahresendprüfungen verschoben war nutzten Aurora und ihre Klassenkameraden den eigentlich geplanten Spieltag, um im Freien für die praktischen Endprüfungen zu üben. In Zauberkunst waren sie nun alle mit mindestens drei zeitgleich ablaufenden Zaubern befaßt, wobei Eunice auch schon fünf einfache Bewegungszauber zugleich aufrufen konnte. Sie übten die multiple Materialisation kleiner Objekte oder veränderten ihr Äußeres. Einmal zauberte sich Petula das schwarze Haar Auroras, während Aurora ihre Augenfarbe änderte, daß sie die braunen Augen Petulas im Gesicht hatte.

"Ich würde ja gerne die Mensch-zu-Objekt-Selbst-Verwandlung testen. Aber ich weiß nicht, ob ich die ausreichende Rückverwandlungsmagie vorlegen kann", sagte Petula. Aurora versprach ihr, ihr bei der Rückverwandlung zu helfen, falls sie es nicht alleine hinbekam. Dann verschaffte sie sich ihre graugrünen Augen wieder, während Petula erst ihre blonde Haartracht zurückzauberte und dann nach einigen Sekunden voller Konzentration und Zauberstabbewegungen zu einem vierbeinigen Couchtisch wurde. Gegen ihre Befürchtungen konnte sie sich nach zwanzig Sekunden jedoch eigenständig zurückverwandeln. Eunice wurde zwischenzeitlich zu einem Wellensittich, einer schneeweißen Stute und einem Kolkraben. Dann vollführte sie auch Mensch-zu-Objekt-Selbstverwandlungen verschiedener Arten.

Ui, ich krieg's hin!" Hörte Aurora Dina jubeln, die abseits der Verwandlungsgruppe Zauberkunst übte. Offenbar hatte sie sich aufgegeben, zeitgleich eine Kerze zu entzünden, eine Untertasse schweben und einen Schemel tanzen zu lassen.

"Na bitte, geht doch!" Lobte Aurora die Klassenkameradin. Petula sagte nicht ganz so böse gemeint:

"Vielleicht hilft dein Kind dir dabei, Dina. Ich hörte mal, daß ungeborene Hexen und Zauberer ihren Müttern bei Zauberkunststücken Kraft einflößen können."

"Hmm, echt, Petula?" Fragte Dina. Eunice meinte dazu:

"Ja, schon. Aber die Mütter können nach der Geburt dann trotzdem so gut zaubern als vor der Geburt des Kindes. Ich habe zwei Tanten, die oft genug Kinder gekriegt haben. Was die dabei neues gelernt haben konnten die nach den Geburten immer noch. Also lass dich nicht ärgern!"

"Schön wär's doch, wenn die Zaubersachen dadurch jetzt besser laufen", meinte Dina dazu. Aurora wandte ein, daß eine Hexe sich durch eine Schwangerschaft ja doch veränderte und Sachen schon anders laufen konnten als zur Mädchenzeit und daß das bei Dina dann eben die Verbesserung der Zauberkräfte sein mochte. Das nahm Dina wohlwollend zur Kenntnis.

Am gleichen Tag fand noch eine Vertrauensschülerkonferenz statt. Tonya brachte es zur Sprache, daß Mädchen aus ihrem Haus offen diskutierten, daß Professor Silverbolt entweder einem progressiven Verjüngungsfluch zum Opfer gefallen sei oder sich unverschämterweise mit Verjüngungszaubern belegte. Professor Dumbledore hörte sich die Vermutungen ruhig an. Dann sagte er:

"Nun, offenbar ist etwas in ein Stadium eingetreten, wo es keiner mehr übersehen kann, daß mein Kollege Silverbolt von etwas betroffen ist. Ich kann euch allen verbindlich versichern, daß Professor Silverbolt nicht freiwillig auf eine fortschreitende Wiederverjüngung hinarbeitet, sondern seit dem letzten Angriff auf Hogwarts von einem Fluch betroffen ist, der seinen Körper ständig verjüngt. Wir haben alles probiert, den Prozeß zu beenden oder zumindest so weit wie möglich zu verlangsamen. Aber da nun wirklich alle es bemerkt haben ist wohl der Zeitpunkt gekommen, euch und Ihnen allen zu verkünden, daß Professor Silverbolt wohl noch vor Ende dieses Schuljahres nicht mehr bei uns sein wird. Die Verjüngungsrate ist so groß, daß ihm wohl noch anderthalb Monate bleiben, bis sein Körper sich zum Stadium eines Neugeborenen zurückentwickelt hat. Da wir im Moment davon ausgehen müssen, daß der Prozeß dann immer noch nicht endet, wird er wohl, so bedauerlich es ist, einen inversen Tod sterben, also sich unter das Niveau des neugeborenen zurückentwickeln, was gleichbedeutend mit Lebensunfähigkeit ist."

"Was ist denn das für ein Fluch?" Forschte Eunice Armstrong nach.

"Professor Silverbolt bat mich und die übrigen Lehrer darum, keine Auskunft über Art und Ursache dieses Fluches zu erteilen. Daß ich Sie und euch zumindest darüber informiere, daß es ein Fluch ist, könnte ihm selbst schon zu viel Auskunft sein. Jedenfalls möchte er noch bis zu den Prüfungen durchhalten und dann, falls kein Heilmittel gefunden wird, alles regeln, was nach dem dann unausweichlichen geschehen soll. Mehr möchte ich nicht dazu erwähnen."

"Vielleicht kann er sich dem Iterapartio-Zauber unterziehen. Der kann doch die meisten Körperverunstaltungsflüche aufheben", sagte Eunice. Tonya grinste verächtlich. Professor McGonagall sah sie warnend an. Doch Tonya sah sie und Professor Sprout herausfordernd an und sagte:

"Abgesehen davon, daß dieser Zauber ziemlich selten benutzt wird müßte sich ja eine Hexe finden, die ihn mit ihm ausführt, am besten eine Verwandte von ihm oder eine, die ihm genug Zuneigung entgegenbringt, um die ganze Sache durchzustehen."

"Wie erwähnt möchte ich nicht näher auf die Angelegenheit eingehen oder sie zur allgemeinen Diskussion stellen", beharrte Dumbledore auf dem, was er gerade eben gesagt hatte. Seine Kollegen nickten. Snape meinte jedoch:

"Ihr braucht nur zu wissen, daß Leute, die sich mit heftigen Flüchen anlegen, auch heftig darunter leiden können. Mehr ist hier nicht wichtig."

"So ist es, Severus", bestätigte Dumbledore ruhig. Dann sprachen sie über die Fälle von Prüfungsvorbereitungsstress, die in den vergangenen Tagen aufgekommen waren und auch über die Versuche, Gedächtnis- oder Konzentrationsfördernde Mittelchen zu verkaufen.

"Es ist sehr schön, daß die sogenannte Dawn-Doktrin noch mächtig genug ist", sagte Dumbledore und lächelte Aurora an. Diese hatte vor zwei Jahren mal angedroht, daß jeder, der die Angst der Mitschüler vor Schlechten Prüfungen ausnutze, um diesen fragwürdige Tränke anzudrehen diese selber einnehmen müsse. Dann ging es noch um Bill Weasley, der sich mit seinem Intimfeind Anteros Sikes wieder in die Wolle gekriegt hatte. Die Vertrauensschüler der Slytherins wiesen jede Alleinschuld der Slytherins von sich. Die Gryffindors argumentierten dagegen und forderten rigorose Strafen für Sikes und seine Anhänger. Professor McGonagall räusperte sich und sagte:

"Nun, daß Mr. Weasley kein Unschuldsengel ist muß ich wohl zur Kenntnis nehmen. Dennoch habe ich nicht mitbekommen, daß er die Auseinandersetzungen mit Mr. Sikes und dessen Kameraden provoziert hat. Ist Ihnen da anderes bekannt, Severus?"

"Der Junge kommt nicht damit zurecht, daß seine Familie nicht gerade zu den wohlhabenderen Familien gehört, Minerva. Deshalb läßt er sich immer wieder auf Streitigkeiten ein. Wir sollten ihm endlich zeigen, daß seine Familienangelegenheiten hier nichts bedeuten und er sich zusammennehmen soll, wenn wir ihn nicht hinauswerfen sollen."

"Oh, dann haben Sie in der Tat einen anderen Eindruck gewonnen", wandte Professor McGonagall leicht verdrossen ein. Doch ihre Kollegin Sprout schüttelte den Kopf.

"Der Junge ist kein verbitterter Bursche, der mit einer unangenehmen Situation hadert, Minerva und Severus. Er ist nach meiner Beobachtung sehr kameradschaftlich und humorvoll, hilfsbereit und fleißig, nicht frustriert oder verdrossen. Insofern finden die unrühmlichen Auseinandersetzungen wohl wegen irgendwelcher Feindseligkeiten zwischen ihm und Mr. Sikes statt und nicht wegen seiner Familie oder der von Mr. Sikes. Ich würde Mr. Weasley deshalb nicht zusätzliche Anforderungen auferlegen, die über die ohnehin schon bestehenden Schulregeln hinausgehen."

"Der Meinung schließe ich mich an", pflichtete Professor Flitwick der Kollegin bei. Dann fragte Dumbledore die verschiedenen Vertrauensschüler nach ihren Erfahrungen mit Bill Weasley. Die meisten bestätigten, daß der rothaarige Zweitklässler keine Probleme mache und sich mit allen Mitschülern außer denen aus Slytherin gut bis sehr gut vertrage. Somit wurde beschlossen, keine Sondermaßnahmen gegen Weasley zu verhängen, sondern ihn im Rahmen der Schulregeln zu behandeln, wie auch Anteros Sikes, der zwar überaus strebsam war, jedoch dabei ziemlich überheblich auftrat. Diese Einschätzung diente den Slytherin- Vertrauensschülern und Professor Snape als Warnung, nicht noch weiter auf dieser Angelegenheit herumzureiten, wenn sie nicht wollten, daß Anteros Sikes mit Zusatzstrafen rechnen mußte.

Als Aurora und die übrigen Vertrauensschüler der Ravenclaws wieder in ihrem Gemeinschaftsraum waren meinte Philipp zu seiner Cousine:

"Das mit dem Dobermann wußtest du vorher schon, stimmt's?"

"Sagen wir's so, ich habe es sehr stark vermutet. Immerhin beschäftige ich mich ja mit allen körperverändernden Flüchen, um dagegen was machen zu können, wenn ich als Heilerin anfangen will. Ich hörte, daß die Einsteigerprüfungen für St. Mungo ziemlich heftig sein sollen."

"Was meinten die mit dem Iterapartio-Zauber?" Flüsterte Philipp und sicherte in alle Richtungen ab, daß keiner zu nahe bei ihnen stand.

"Es gibt einen Zauber, der einen sozusagen von ganz von vorne leben läßt, wenn sich eine vollwertige Hexe im gebärfähigen Alter findet, die sich und denjenigen mit diesem Zauber belegen kann. Sie muß die Hexe oder den Zauberer dann wie ein eigenes Kind neu empfangen und zur Welt bringen. Die meisten progressiven Körper- oder Geistesflüche können dabei aufgehoben werden, sofern sie nicht durch längeren Kontakt mit anderen Personen auf diese übertragen werden. Aber die ausführende Hexe, die dann die zweite Mutter wird, muß ohne Abscheu gegen den damit zu heilenden vorgehen, sonst klappt der Zauber nicht. Deshalb wurde in den zehn Fällen, von denen ich lesen konnte leibliche Verwandte oder sehr gute Freundinnen, bei Zauberern auch Ehefrauen, einbezogen. Wie erwähnt ist das aber so anstrengend und von so vielen körperlich-seelischen Sachen abhängig, daß es höchst selten angewandt wurde und durch die Familienstandsgesetze zudem noch mit so vielen Einschränkungen und Berechtigungsbedingungen erschwert wird, daß es in den letzten zweihundert Jahren eben nur zehn dokumentierte Fälle gab, der letzte vor fünfzig Jahren, wo eine Hexe in Wales ihren eigenen Bruder, der an fortschreitender Teratomorphose litt, die nicht ansteckend war, neu zur Welt brachte. Ihr Bruder verlor dabei aber alle im Leben errungenen Besitztümer und Auszeichnungen, mußte sogar unter neuem Namen aufwachsen, so das Familienstandsgesetz."

"Ist das mit diesen Neugeborenen so wie mit Infanticorpore, daß die alles im Gedächtnis behalten und bei vollem Bewußtsein mitkriegen?" Fragte Philipp.

"Soweit ich nachlesen konnte ja, Philipp, wenngleich die betroffenen die Zeit vor der Wiedergeburt wohl in einer Art Dämmerzustand verbringen."

"Wer hat diesen Zauber denn erfunden?" Fragte Philipp beeindruckt.

"Hmm, habe ich keinen Hinweis zu finden können. Es stand nur mal erwähnt, daß der Iterapartio-Zauber schon vor vierhundert Jahren einmal angewendet wurde. Kann sein, daß den irgendwelche Hexen im Mittelalter schon erfunden haben, weil ich mir keinen zauberer vorstellen kann, der das alleine hinbekommt", erwiderte Aurora.

"Würdest du sowas mit einem machen?" Fragte Philipp nun sehr direkt.

"Hmm, bei einem wildfremden bestimmt nicht und bei jemandem wie dir oder Agatha ... kann ich jetzt so nicht sagen. Ich würde immer erst alles andere ausprobieren, notfalls jemanden in langen Zauberschlaf versenken, denn wenn der oder diejenige alle Besitztümer und gesellschaftlichen Errungenschaften verliert ... wäre heftiger als nur mit einem Rucksack auf dem Rücken in ein fernes Land auszuwandern."

"Abgesehen davon, daß Mum dir das sehr übel nehmen würde, wenn du ... öhm, meine zweite Mutter würdest", meinte Philipp. "Ich lese mir mal alle Berichte dazu durch. Will ja schließlich wissen, was so alles geht."

"Wie gesagt, die gesetzlichen Vorschriften und Einschränkungen sind genauso gravierend wie die zauberei selbst. Du dürftest dann noch nicht mal deinen Namen behalten. Wenn ein Ehepartner der Hexe existiert, müßte er sich auch einverstanden erklären und sich als Adoptivvater registrieren lassen, was wiederum hieße, seinen Charakter und sein Umfeld genauestens überprüfen zu lassen", entgegnete Aurora.

"Ups, das hört sich schon mal fies an", meinte Philipp. Dann sah er, daß seine Schwester was von ihm wollte und entschuldigte sich bei Aurora.

"Ja, heftiger als mit einem Rucksack und den Kleidern auf dem Leib irgendwohin auszuwandern", dachte Aurora über das nach, was sie gerade gesagt hatte. Irgendwie mußte sie an Heather Springs denken, die ihr erzählt hatte, daß sie in Australien keine Nachwuchsheiler mehr fänden, zumindest nicht in der jetzigen Abschlußklasse von Redrock. Hier in Hogwarts, so wußte sie, gab es außer ihr noch einige aus der sechsten Klasse und Eunice Armstrong, die sich ernsthaft mit der Aussicht trugen, Heiler zu werden. Außerdem, so hatte sie von Madame Pomfrey erfahren, konnten Hexen und zauberer auch weit nach Hogwarts, wenn sie keinen anderen Beruf finden konnten, aber die Qualifikation zum Heiler besaßen, im St. Mungo anfangen. So waren viele ehemalige Quidditchspieler nach mehr als zehn Jahren Profi-Karriere in die Heilerzunft eingetreten oder Hexen, die erst als Hausfrau und Mutter ihr Leben geführt hatten zu Heilerinnen ausgebildet worden, nachdem die Kinder groß genug waren und keine weiteren Kinder geplant waren. Dillys Dervent, so hatte sich Aurora schlaugelesen, war erst mit dreißig Jahren zur Heilerschülerin geworden und hatte dann eine beachtliche Karriere hingelegt, bishin zur Schulleiterin von Hogwarts. Insofern konnte sie, Aurora, sich mit der Ausbildung zur Heilerin auch Zeit nehmen, vielleicht vorher in die Zauberkräuterforschung gehen und da ihren Weg machen. Doch seit der Sache mit Agatha und dem erhebenden Gefühl, daß sie bei der Geburt von Schneeflöckchens Jungen hatte, wollte sie so jung es ging Heilerin werden. Immerhin könnte sie sich auch als Quidditchspielerin empfehlen und zehn bis zwanzig Jahre in der Liga spielen. doch dann, so wußte sie, würde ihr Quidditch wohl nicht mehr diesen Spaß bereiten, den es ihr im Moment machte. Also lieber spielen um des Spiels willen und dafür etwas angesehenes wie anstrengendes als Beruf nehmen, daß an und in sich auch eine große Erfüllung bot, aber eben nicht nur über den Spaß an der Sache an sich bewertet wurde. Sie beschloß, mit diesen neuen Gedanken nicht für sich zu bleiben und verließ den Gemeinschaftsraum, nachdem sie beruhigt gesehen hatte, daß keiner ihre Hilfe benötigte. Sie begab sich in den Krankenflügel, aus dem gerade ein Slytherin-Zweitklässler entlassen wurde, einer der schlachsigen Blondschöpfe, die mit Sikes zusammenhingen.

"So, das war der letzte der Rasselbande", knurrte die Schulkrankenschwester. "Dauerdurchfallfluch. Wer hat dem Bengel sowas beigebracht?"

"Wem?" Fragte Aurora.

"Bill Weasley", knurrte Madame Pomfrey. Dann lächelte sie jedoch wohlwollend. "Möchtest du dich wieder mit mir unterhalten, oder haben du oder einer aus deinem Haus was, wo meine Hilfe benötigt wird?"

"Ich denke mal wieder darüber nach, ob ich das mit der Heilerin jetzt gleich nach Hogwarts machen oder später mal angehen soll", sagte Aurora wahrheitsgemäß. "außerdem habe ich mich mit meinem Cousin über diesen Iterapartio-Zauber unterhalten, weil wir in der V-Konferenz über Professor Silverbolt gesprochen haben, der ja irgendwie immer jünger wird."

"Hast du deinem Vetter erzählt, was an Gesetzen und bürokratischen Bleikugeln an diesem Zauber dranhängt?"

"Das will er selber nachlesen", erwiderte Aurora kühl.

"Ich fürchte, nach dem, was ich über Professor Silverbolts Zustand weiß, wäre Iterapartio der einzige Zauber, der ihm noch helfen könnte. Allerdings hat er es sich in seinem Leben mit so vielen Hexen verdorben, daß es sehr sehr schwer sein könnte, eine zu finden, die den Zauber mit ihm durchführen könnte. Lebende weibliche Verwandte hat er auch keine mehr, zumal ja Verwandtschaft alleine keine Garantie für das Gelingen ist.""

"Tonya hat Professor McGonagall und Professor Sprout so angeglotzt, als stelle die sich vor, eine von den beiden könnte das machen", erwähnte Aurora.

"Sieht ihr ähnlich. Aber ich weiß zuverlässig, daß weder die eine noch die Andere aus reiner Kollegialität einen derartig massiven Eingriff in das eigene Leben auf sich nehmen würde, was zu einer unbewußten Ablehnung des Zaubers und damit zu einem Fehlschlag führt. Nicht mal ich würde mir das antun", sagte die Schulkrankenschwester. "Der Zauber heißt ja auch Iterapartio, nicht Iteranatus, betont also das Gebären und nicht das Geborenwerden. Falls wir also nicht rausbekommen, ob der Prozeß, dem Professor Silverbolt unterworfen ist von sich aus endet oder einen Gegenzauber finden können, wird er uns wohl nach Juni verlassen und dabei vielleicht nicht einmal eine Zelle seines Körpers zurücklassen. Denn bei der Verjüngungsrate könnte der Prozeß schneller als der Eintritt des Todes wegen Unterentwicklung der Atmungsorgane verlaufen."

"Er sagte was, daß er ohne seinen Silberstern nur noch sechzig Stunden leben würde, weil der ihn belastende Fluch sich dann wieder umkehre und ihn sehr schnell älter werden ließe", meinte Aurora.

"Ja, das stimmt", bestätigte die Heilerin von Hogwarts nickend.

"Hmm, ich dachte mal, daß man ja dann auch den Infanticorpore-Fluch benutzen könnte, um ihn total zu verjüngen", warf Aurora ein. Madame Pomfrey runzelte die Stirn. "Doch ich habe ja gelernt, daß ein Fluch keinen anderen Fluch aufheben kann, ja ein mächtiger Fluch gegen niedere Flüche immun mache."

"Will sagen, wer schon verflucht ist, kann nicht nachträglich noch einmal verflucht werden, zumindest nicht, wenn es sich um einen progressiven und nicht in einem Augenblick wirkenden Fluch handelt. Da gibt es eine Sättigungsberechhnung, die Dr. Silvester Cocktoe anhand verschiedener Berichte über Fluchopfer angestellt hat. Er weißt aber immer darauf hin, daß das alles mit einem hohen Ungenauigkeitsfaktor verbunden ist, da er nur von spontanen Ereignissen ausgehen konnte, weil er gemäß den Heilergesetzen keine Versuchspersonen verfluchen durfte. Dieser Berechnung nach ist es zumindest wahrscheinlich, daß bei einer durch mehrere Momentanflüche verursachten Verunstaltung des Körpers oder des Geistes ab einem gewissen Verunstaltungsgrad keine weitere Verfluchung mehr möglich ist. Bereits wirkende Zauberflüche würden dann ihresgleichen abprällen, andere Flüche würden zerstreut. Zumindest können Heiler auf dieser Berechnung weitere Vorhersagen aufbauen, je mehr dokumentierte Verfluchungen zur Verfügung stehen. Irgendwann wird es dann wohl eine Vorhersage mit sehr hoher Eintrittswahrscheinlichkeit geben. Aber diesen Tag werden wir beide wohl nicht miterleben. Selbst die Verheerungen dessen, der nicht beim Namen genannt werden darf konnten nicht dazu beitragen, das zuverlässig zu ermitteln. Aber du wolltest eigentlich mit mir über deine persönliche Zukunft reden. Hast du dich denn jetzt wirklich dafür entschieden, die magische Heilkunst zu studieren und anzuwenden?" Fragte Madame Pomfrey noch. Aurora bejahte das.

"Hmm, gleich nach Hogwarts?" Forschte die Schulkrankenschwester nach.

"Ich habe überlegt, ob ja, weil ich ja auch was über Zauberkräuter lernen kann oder Quidditch spielen könnte. Aber Sie haben mir ja erzählt, daß die magische Kräuterkunde auch während der Heilerausbildung vertieft würde, und Quidditch möchte ich nur zum Spaß spielen und lieber mit was anderem Geld verdienen."

"Ich kriege das ja mit, wie es gerade in der Ausbildung aussieht, weil die Leitung von St. Mungo ja auch bei mir anfragt, ob ich von jemandem wüßte, der oder die bei Ihnen anfangen möchte. Im Moment haben sich zwanzig Kandidaten für den Ausbildungsbeginn im September angemeldet, die meisten davon Hexen, die mehr als nur Hausfrau und Mutter sein wollen, aber auch einige aus der Quidditchliga, die sich den Medimagiern verpflichtet fühlen, die sie wohl häufig zusammengeflickt haben. Professor Beechwood, der Direktor von St. Mungo, wartet noch bis Juli, ob sich weitere zur Ausbildung anmelden. Drei könnten noch genommen werden, sagte er."

"Hmm, dann müßte ich mich ja jetzt schon anmelden", sagte Aurora.

"Das geht leider noch nicht, weil die Anmeldungen erst gültig sind, wenn die UTZs feststehen und diese die geforderten Noten einbringen. Das heißt, du könntest dich frühestens Mitte Juli bewerben, wie auch Eunice Armstrong. Die hat mich nämlich auch schon gefragt."

"Und?" Wollte Aurora wissen. Madame Pomfrey blickte sie bedauernd an.

"Ich konnte ihr auch nur diese Antwort geben. Allerdings hat sie auch schon zwei Alternativen eingeplant, falls sie nicht sofort nach Hogwarts mit der Heilerinnenausbildung anfangen kann."

"Dann geht sie wohl ins Ministerium", sagte Aurora. "Für mich wäre das nichts. Dann doch lieber Profi-Quidditch."

"Was die Kräuterkunde angeht, hast du da noch Kontakt zu Madame Dusoleil in Frankreich?"

"Ja, habe ich. Allerdings wollte ich nicht unbedingt nach Frankreich oder sonstwohin auswandern, wo ich die Sprache noch nicht gut genug verstehen kann. Die schreiben ja noch heftiger anders als sie sprechen als wir in England."

"Das glaubst du aber. Ich bin auch froh, wenn ich mit meiner Amtskollegin Rossignol in Beauxbatons auch nur Briefe austauschen muß, obwohl sie sehr gut Englisch kann, wie ich um drei Ecken erfuhr. Aber die sind da eigen. Was nach und in Frankreich geschrieben wird hat gefälligst Französisch zu sein. Na ja, so häufig korrespondiere ich ja auch nicht mit Madame Rossignol. - Ich schweife ab. Gesetzt den Fall, das klappt nicht mit St. Mungo, was würdest du dann machen? Ich hörte von einigen, die dann erst einmal ein Jahr bei den Eltern geblieben sind oder wohlhabend geheiratet haben."

"Ich komme mit meinen Eltern gut klar. Aber nur noch zu Hause rumhängen wollte ich dann doch nicht. Was das Heiraten angeht .... wüßte ich keinen, der dafür in Frage kommt", erwiderte Aurora kühl. "Denke also, daß ich dann wohl doch bei einer Mannschaft anheure. Mein Vater kennt wen von den Wasps. Da würde ich dann ein oder zwei Jahre spielen, falls ich nicht in die Zauberpflanzenabteilung des Ministeriums wechsel, möglichst ohne nur am Schreibtisch zu sitzen."

"Immerhin stehen dir mit deinen UTZ-Fächern ja wirklich viele Sachen offen", sagte Madame Pomfrey wohlwollend.

"Das hat meine Mutter auch schon zu mir gesagt", erwiderte Aurora lächelnd. Dann erzählte sie Madame Pomfrey, daß die Heiler Australiens eher Nachwuchssorgen hätten, weil dort offenbar niemand so recht diesen Beruf ausüben wollte.

"Deren Ausbildung läuft auch über Intensivbetreuung, soviel ich weiß. Kann schon eine gewisse Abschreckung haben, wenn jemand darüber nachdenken muß, ob er sich einem Einzellehrer ausliefern soll oder nicht. vor Hogwarts war es ja üblich, daß Zauberer ihre Schüler aus der eigenen Verwandtschaft erwählt haben oder sich jemand mit magischen Kräften bei einem geschlechtsgleichen Magier als Lehrling verdingen konnte. Aber die Zeiten waren sehr hart. Im Grunde können wir alle uns glücklich schätzen, daß wir Hogwarts haben, wo Schüler nur lernen und nicht fronarbeiten müssen."

"Andererseits ist das doch auch sehr gut, wenn ich einen Lehrer habe, der mir allein zur Verfügung steht", erwiderte Aurora darauf. "Also ich könnte mir das irgendwie vorstellen. Aber Heather sagte, ihr Großonkel, der das dortige magische Heilzentrum leitet, würde wohl noch nach neuen Schülern suchen."

"Tja, Australien ist doch ein kleinwenig größer als Großbritannien. Da leben wohl noch ein paar Hexen und Zauberer mehr", bemerkte Madame Pomfrey. Aurora nickte.

Die Tür ging auf, und Professor Silverbolt trat ein. Er sah Aurora lauernd an, entspannte sich dann aber.

"Hallo, Aurora. Was sagen die Mädels über mich?" Fragte der Verteidigungslehrer. Aurora berichtete wahrheitsgemäß, was ihre Schulkameradinnen meinten und was während der Vertrauensschülerkonferenz besprochen wurde.

"Geht es Ihnen schlechter, Adamas?" Fragte die Schulkrankenschwester aufmerksam.

"Besser als vor zwei Monaten noch, Poppy", knurrte Silverbolt. "Ich kann mich noch an alles erinnern, was ich erlebt oder getan habe. Manche Sachen, die ich schon vergessen zu haben glaubte, fielen mir auch noch ein. Ist schon unheimlich, als wenn mir jemand einen ein Prozent starken Infanticorpore-Fluch aufgehalst habe. Haben Sie Ihre Kontakte bemüht, um dazu mehr rauszufinden?"

"Ich fürchte, Ihr Fall ist einmalig, Adamas. Ich habe zwar Kontakt mit einigen Leuten bekommen, die etwas über Ihr hochpotentes Schmuckstück wissen, aber keine Antwort darauf erhalten, was bei einem davon umgewandelten Fluch zu tun ist."

"Schön wär's gewesen. Ich dachte, daß zumindest Jane Porters Clique was drüber weiß oder Aurélie Odin." Aurora horchte auf. Da war ein Name gefallen, den sie kannte.

"Ich habe alle Angeschrieben, deren Sprache ich kann und die Sie mir empfohlen haben. Auch der Direktor hat ja seine Beziehungen spielen lassen, wie Sie wissen. Bis jetzt ist niemandem eingefallen, wie Ihr Los abzuwenden ist, Adamas."

"Vielleicht wäre es gegangen, wenn mehr als ein Träger dieses Sterns hier zusammenkommen", knurrte Silverbolt und deutete auf seine Brust, wo der silberne Fünfzackstern unter dem Umhang verborgen war.

"Madame Odin hat mir auf diese Frage die Antwort zukommen lassen, daß durch eine Zusammenkunft aller auffindbaren Träger lediglich die Rate verringert würde, bis Sie quasi jedes Jahr drei Jahre Jünger würden, aber dafür immer in der Obhut aller zusammengerufenen Träger leben müßten, was schwierig sei, da sie selbst außer Ihnen nur noch zwei Träger des Amulettes kennen würde und es mindestens sechs der sieben sein müßten, um diese Verzögerungsrate hinzubekommen."

"Nichts für ungut, Aurora, aber ich denke, das weitere möchte ich gerne mit Madame Pomfrey allein besprechen", knurrte Silverbolt. Aurora nickte und verließ den Krankenflügel.

Sie dachte den restlichen Nachmittag daran, wer noch alles diesen silbernen Stern tragen mochte, beziehungsweise ein Amulett, das so bezaubert war wie das von Silverbolt. Sie dachte auch darüber nach, was Silverbolt ihr über die Wirkung mit und ohne Amulett erzählt hatte. Der Fluch würde sich innerhalb von sechzig Stunden umkehren und dann um so stärker wirken. Umkehrung hieß doch, daß der böse Zauber erst einmal an Kraft verlor und dann, an einem bestimmten Punkt, umsprang und dann wieder Kraft gewann, diesmal dann wegen der eigentlichen Wirkung um so schneller als in der abgeschwächten, verdrehten Weise. Irgendwie kam es ihr so vor, als läge darin der Schlüssel zur Lösung des Problems.

"Hi, Aurora. Mit wichtigen Sachen beschäftigt?" Fragte Roy Fielding.

"Ach, wir hatten es heute von Silverbolt. Das hast du ja mitgekriegt, das was mit ihm vorgeht, was nicht normal ist."

"Mortimer hat das schon erwähnt. Irgendwas macht den jeden Tag jünger. Ich habe mal in der Bibliothek nachgeschlagen, wie alt er eigentlich ist. Wußtest du, daß der 1872 hier seinen Abschluß gemacht hat? Dina, die mehr Geduld für alte Bücher hat, hat einen alten Wälzer gefunden, in dem berühmte Hogwarts-Schüler aufgeführt sind. demnach könnte Silverbolt heute einhundertdreißig Jahre alt sein. Dafür hat der sich supergut gehalten."

"So alt?" Fragte Aurora. Dann überlegte sie. Silverbolt hatte ja erzählt, er würde innerhalb von drei Monaten entweder weniger als ein Baby sein oder den Silberstern ablegen und die letzten sechzig Stunden seines Lebens hinter sich bringen. Also mochte er pro Monat vierzig Jahre jünger werden, ungefähr ein Jahr pro Tag.

"Du weißt doch mehr über diesen Fluch, Aurora", meinte Roy. Sie nickte sacht und meinte, daß es eben Silverbolts Sache sei, wer wie viel darüber erführe. Doch dann fragte sie Roy:

"Könntest du dir vorstellen, wie man was anhalten kann, was entweder schnell in die eine oder die andre Richtung läuft?"

"Wenn du diesen Fluch meinst, Aurora, müßte Silverbolt doch nur Alterungstränke schlucken, um den abzublocken."

"Das würde in diesem Fall nicht so gut sein, weil das eigentlich ein Alterungsfluch ist, der durch etwas, was ich hier nicht erwähnen darf, abgeschwächt und umgedreht wurde."

"Umpolung? Also wenn er etwas nimmt, was die eigentliche Wirkung herbeiführt würde dieser Fluch ihn in einer Sekunde uralt machen?" Fragte Roy. Aurora nickte. "Und umgekehrt, wenn du die Wirkung noch beschleunigst, durch Verjüngungstränke oder den Infanticorpore-Fluch?"

"Der Infanticorpore würde wohl nicht wirken, weil ein anderer Fluch schon wirkt", sagte Aurora. "Was andres per Zauberkraft geht auch nicht. Verjüngungstränke würden wohl nur das Ende beschleunigen."

"Achso, daß er dann vielleicht als Embryo oder befruchtete Eizelle endet?" Flüsterte Roy, in dessen Kopf es gerade heftig arbeitete, wie Aurora ihm ansah. Offenbar dachte der Mann Dinas nun sehr intensiv über das Problem nach, ohne alle Einzelheiten zu kennen. "Hmm, aber vielleicht könnte in dem Moment, wo der Fluch wieder auf Alterung gepolt ist, mit dem Infanticorpore-Fluch gegengehalten werden. Dann müßten sich die beiden Zauber gegenseitig auslöschen wie zwei gleichhohe Wellen, deren Täler und Berge jedoch zeitversetzt verlaufen. Wenn dann ein Wellenberg in ein gleichtiefes Wellental gerät, gibt es die beiden Wellen nicht mehr. Interferenz sagen die Physiker dazu."

"Nur mit dem unterschied, daß Magie die Gesetze der Physik aushebelt."

"Schöner Widerspruch, die Gesetze der Physik aushebeln, wo die Hebelgesetze ja auch physikalische Gesetze sind", schmunzelte Roy. Aurora wußte erst nicht, ob sie jetzt verärgert sein sollte oder nicht. Roy sprach weiter: "Hmm, würde der Fluch sofort umspringen, wenn was auch immer den umgepolt hat rückgängig gemacht würde?"

"Nicht sofort, soweit ich weiß. Der würde sich abschwächen und dann mit einem Schlag umspringen. Könnte also sein, daß für einen winzigen Moment Ausgleich besteht."

"Wie bei einem Pendel, wenn es so hoch ausgeschwungen ist, daß Schwung und Schwerkraft sich ausgleichen", vermutete Roy. Aurora nickte verhalten. "Dann wäre der Trick entweder, das Pendel nicht bis ganz unten schwingen zu lassen, damit es nicht zur anderen Seite nach oben schwingt, es ganz unten festzuklammern oder etwas unterzuschieben, was verhindert, daß es nach unten schwingt. Ich würde die Methode Abfangen beim Tiefsten Punkt nehmen. Aber wie du sagtest ist Magie ja nicht wie ein Mechanismus."

"Du hast da gerade was von aushebeln gesagt. Im gewissen Sinne geht das in der Magie, wenn du einen zauber hast, der einen andren überlagern kann. Aber dann müßte der zu überlagernde Zauber entsprechend schwach sein."

"Oder zu einem bestimmten Zeitpunkt die Wirkungsart so geschwächt sein, daß ein anderer zauber stärker ist, egal welcher, sofern er dem ersten Zauber genau entgegenwirkt. Du sagtest ja, daß Verstärkungen wie Verjüngungstränke oder Alterungstränke die Fluchwirkung eben nur verstärken, aber nicht überlagern und damit aushebeln oder zumindest ausgleichen. tut mir leid, daß ich jetzt wie ein Ingenieur argumentiere und nicht wie ein Zauberer, aber alles mechanische sucht sich den Weg des geringsten Widerstandes. Jetzt ist die Frage, was bei silverbolts Fluch den geringeren Widerstand hätte, um den Fluch zu beenden?"

"Das ist es", entfuhr es Aurora. "Der Gegenzauber darf zur Wirkung keinen zeitlichen oder materiellen Widerstand mehr überwinden, aber auch keinen gleichwertigen magischen Widerstand treffen. Danke dir, Roy!"

"Häh, Moment, wofür?" Erwiderte Roy perplex. Dann schien etwas in seinem Kopf eingerastet zu sein. "Moment mal, zeitlicher Widerstand, also zu überwindende Zeit beziehungsweise Gleichzeitigkeit im Bezug zu zeitgleich ablaufenden Zaubern anderer Wirkungsweise oder Ausrichtung. Materieller beziehungsweise räumlicher Widerstand im Bezug auf Größe und Masse eines zu bezaubernden Körpers, egal ob lebendig oder tot, wobei bei lebendigen Körpern, die für Magie empfänglich sind, noch ein Widerstand gegen Körperveränderungen mit hineinspielt. Will sagen, du kannst ein Kind eher in ein Baby verwandeln als einen alten Mann. Darauf wolltest du hinaus, Aurora."

"Darauf wolltest du hinaus", erwiderte Aurora Dawn, die nun kerzengerade auf ihrem Stuhl saß. "Der Weg des geringsten Widerstandes. - Ich muß noch einmal weg. Erzähl das bitte keinem, was wir gerade besprochen haben!"

"Wenn das was hilft", meinte Roy. "Immerhin vermute ich mal, daß unsere Unterhaltung, die du ja eigentlich nicht haben wolltest, was gebracht hat."

"Ich hoffe das", entgegnete Aurora aufgeregt und eilte aus dem Gemeinschaftsraum.

Zurück im Krankenflügel traf sie Madame Pomfrey zusammen mit Professor Dumbledore an. Sie strahlte beide sehr freudig an und brachte heraus:

"Ich habe da eine Idee. Vielleicht geht das ja."

"Bitte wofür welche Idee, Aurora?" Fragte Professor Dumbledore.

"Um den Fluch auszuhebeln, dem Professor Silverbolt unterworfen ist, Sir", sagte Aurora. Der Schulleiter und die Schulkrankenschwester blickten sie leicht verdutzt an.

""Ist es richtig, daß auch in der Magie der Weg des kleinsten Widerstands gilt?" Fragte Aurora.

"Im Bezug auf Zauberkunst, Verwandlung oder die Abwehr von Flüchen?" Fragte Dumbledore. Aurora nannte letzteres. "Du meinst, ob man einen Fluch durch einen anderen ersetzen kann, dessen Aufruf weniger Zauberkraft kostet. Das geht leider nicht, weil der stärkere Fluch dann immer noch überwiegt."

"Okay, frage ich eben sorum: Was wäre, wenn Sie oder jemand, der ihn beherrscht, den Infanticorpore-Fluch auf Professor Silverbolt legt, wenn dieser fast schon zum Neugeborenen zurückverjüngt wurde?"

"Der Fluch würde von dem bereits vorhandenen Fluch zerstreut", sagte Dumbledore. Doch dann schien es ihm einzuleuchten, worauf Aurora hinauswollte. "Abgesehen davon, daß Professor Silverbolt seinen Stern ablegen muß, damit Infanticorpore wirkt wie er sonst wirken soll. - Aber dadurch würde sich der alte Fluch ja erst einmal wieder abschwächen, bevor er in eigentlicher Stärke und Wirkungsweise neu aufflammt. Es würde also für einen winzigen Moment ein sehr schwacher Zauberwiderstand bestehen, wenn der Fluch ganz kurz vor dem Umspringen steht. Wenn Professor Silverbolt zu diesem Zeitpunkt näher am Zustand des Neugeborenen ist würde Infanticorpore überhaupt keinen körperlich-zeitlichen Widerstand mehr finden und als vielfach stärkerer Zauber in Kraft treten. Derartig überlagert könnte der Alterungsfluch dann entweder gänzlich aufgehoben werden oder derartig geschwächt sein, daß Professor Silverbolts Schmuckstück ihn für ihn unschädlich auslöschen kann. Derzeit überlagert der Fluch die Wirkung des Sterns um eine gewisse Stärke, obwohl der Stern den progressiven Tod in progressives Leben umwandelt. Warum ist mir das nicht schon längst eingefallen?" Er lächelte Madame Pomfrey an, dann sehr wohlwollend Aurora. "Du hast dich mit Tim oder Roy über das Thema unterhalten, nicht wahr?" Fragte er plötzlich, aber nicht ungehalten, sondern amüsiert klingend. Aurora errötete, was für Professor Dumbledore und Madame Pomfrey wie ein lautstarkes Ja ausfiel. "Ich sage es immer wieder, wenn mich jemand fragt, warum es der Zaubererwelt nur nützt, wenn wir magisch begabte Kinder aus der Muggelwelt bei uns aufnehmen. Die lernen in anderen Kategorien zu denken als wir. Ich habe nur Magie gegen Magie aufgewogen und dabei Faktoren wie gegenwärtige oder zukünftige Zustände außer Acht gelassen, für jemanden wie mich eigentlich unverzeihlich. Das ist aber auch das schöne am Leben, daß es jeden Tag noch neues bringen kann, und sei es neue Einsicht", sagte Dumbledore.

"Du solltest doch mit niemandem außer den Vertrauensschülern über Professor Silverbolt sprechen", tadelte Madame Pomfrey die Siebtklässlerin.

"Falls das klappt, was dabei herumkam sollten wir ihr dankbar sein, daß sie sich noch eine andere meinung angehört hat, Poppy. Der Weg des geringsten Widerstandes, die Archimedischen Hebelgesetze, der Auftrieb und ähnliche Prinzipien, die in der magielosen Natur gelten, erscheinen uns, die wir seit Jahrzehnten mit Magie leben und arbeiten unwichtig. Anderswo sind sie die Grundlage für das alltägliche Leben, Schiffe, die schwimmen, Flugmaschinen, Baugerätschaften, Dampfmaschinen und elektrische Vorrichtungen. Sowohl Mr. Fielding als auch Mr. Preston kennen es von ihren Vätern her, wie solche Prinzipien angewendet werden. Aber in einigen Fällen lassen sich diese Prinzipien auch in der Magie verwenden, wie in der Verwandlung, wo ein Tier-zu-Tier-Wandel vom Unterschied der Tierart oder -gattung abhängig ist, ebenso wie von der Ausgangs- und Endgröße. Natürlich geht das auch in Verteidigung gegen die dunklen Künste, nur halt unter anderen Voraussetzungen, nämlich der, daß ein momentaner Fluch leichter wirkt, wenn zwischen Ausgangs- und Endzustand so gut wie kein Unterschied besteht und ein bereits vorhandener Zauber im Verhältnis zum momentanen Fluch schwächer ist", sagte Dumbledore. "Ich ging bisher ja nur davon aus, daß der Alterungsfluch stärker ist, weil er progressiv wirkt. Aber dem ist ja gar nicht so. Er wirkt nur progressiv, weil er stark gehemmt und dabei sogar noch ins Gegenteil verkehrt wurde. An und für sich ist er nur teilprogressiv, weil er innerhalb von Sekunden bis einer Minute seine Endwirkung nämlich die zum Tode führende Alterung erreicht. Infanticorpore würde von diesem Fluch jedoch abgewehrt, wenn das Ausgangsalter des zu Bezaubernden näher an der natürlichen Sterbegrenze liegt als am Zustand des Neugeborenen. Zudem würde der Alterungsfluch deshalb den Infanticorpore-Fluch abwehren, weil seine Wirkung dem natürlichen Zeitlauf entspricht, also jemanden älter macht statt jünger. Wenn aber Infanticorpore auf einen sowieso schon nahe am Säuglingskörper befindlichen Menschen gelegt wird, ist die Zeitbarriere zwischen Ausgangsalter und Endeffekt so gut wie nicht vorhanden. Immerhin hätte Iterapartio ja auch gewirkt, auch wenn hier der Körper gänzlich aufgelöst und nicht einfach nur verjüngt wird." Madame Pomfrey nickte. "Außerdem käme dann noch hinzu, daß der Alterungsfluch für einen winzigen Moment nicht wirkt, weil seine Umkehrung ja erst aufgehoben werden muß. Dadurch könnte er so sehr geschwächt werden, daß er nicht mehr wirkt oder durch Ashtarias Amulett endgültig ausgelöscht werden kann, wenn dieses seinem Träger wieder umgehängt wird. Dann könnten wir sogar überlegen, den Infanticorpore-Fluch wieder aufzuheben, wie es sich ja schon bewährt hat."

"Das müssen Sie aber dann Professor Silverbolt beibringen", erwiderte Madame Pomfrey nicht ganz so überzeugt, daß das auch so funktionieren würde.

"Keine Sorge, das werde ich. Ich frage ihn, ob er dieser Theorie zustimmt. Falls er anderer Meinung ist und die besseren Argumente vorbringt, war es eben nur eine vage Hoffnung, ein Strohhalm", erwiderte Dumbledore. Dann sah er Aurora Dawn an. "Soll ich ihm sagen, daß du mich auf diese Idee gebracht hast?"

"Vielleicht nicht so günstig, wenn es nicht klappt, Professor. Nachher kriege ich noch Ärger mit ihm, weil ich mir zu sehr seinen Kopf zerbrochen habe", sagte Aurora. "Außerdem müßten Sie ihm ja dann noch erklären, woher ich die Idee habe, und das würde ihm absolut nicht passen, und er würde sie wohl sofort ablehnen. Ihnen vertraut er wohl mehr als mir."

"Wie gesagt werde ich nicht gegen seinen Willen handeln, sondern nur, wenn er zustimmt und sich darauf einlassen will", sagte Professor Dumbledore. "Wie er sich auch entscheidet, ich muß es akzeptieren", dabei wirkte er sichtlich betrübt, als müsse er einen guten Freund zu Grabe tragen. Aurora nickte ihm zu. Madame Pomfrey sagte nur noch:

"Die Bereitschaft, in anderen Bahnen zu denken gehört auch zu einem guten Heiler, weil jeden Tag etwas neuartiges auftreten kann, für das ein wirksames Gegenmittel gesucht werden muß." Aurora lächelte dazu nur. Dann verabschiedete sie sich von Professor Dumbledore und Madame Pomfrey. Wieder zurück in Ravenclaw sagte sie Roy nur, daß Dumbledore darüber nachdenke, ob das ginge oder nicht.

"Wir werden es ja mitkriegen, ob Silverbolt sich drauf einläßt oder nicht", sagte Roy nur. Dann ging er zu seiner Frau, die mal wieder von jüngeren Mitschülerinnen umringt war, die mit ihr über das im September ankommende Baby sprachen.

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Der Mai war bereits zur Hälfte um. Immer noch wurde Silverbolt ständig Jünger. Nur jetzt, wo es heraus war, daß ihn ein Fluch ereilt hatte, blühten überall die wildesten Vermutungen wie Gänseblümchen auf einer Frühlingswiese. Irgendwann wurde es Professor Dobermann wohl zu viel. Als wieder eine Stunde für die Siebtklässler anstand, baute er sich vor allen auf und raunzte:

"Über meinen körperlichen Zustand ist in den letzten Wochen mehr geredet worden als über Quidditch oder eure Schularbeiten. Ich weiß, das interessiert euch, was mir da passiert ist. Aber wie und warum das passiert ist hat euch nicht zu kümmern, und ob ich das loswerden kann oder nicht auch nicht. Ihr habt euch gefälligst auf die Prüfungen zu konzentrieren, auf die ich euch immer noch mit allem nötigen Ernst vorbereiten will. Nächste Woche ist der Parcours, Ladies and Gentlemen. Wer den nicht übersteht braucht sich keine Gedanken um mich zu machen, sondern nur darum, ob die zwei Jahre UTZ-Unterricht verschwendete Zeit war. Außerdem kriegt jeder mit mir Ärger, der oder die den Eindruck macht, ich hätte meine Zeit und Mühe vergeudet. Also besinnt euch gefälligst auf das, warum ihr hier seid und kümmert euch nicht darum, warum ich bald nicht mehr hier sein werde! Nur noch das eine: An mir habt ihr sehen dürfen, daß die dunklen Künste alles andere als eine dumpfe Drohung oder ein prickelnder Nervenkitzel sind, sondern verdammt ernst und lebensgefährlich. Ihr habt es euch ausgesucht, einen UTZ in diesem Fach zu machen. Den habt ihr nur verdient, wenn ihr kapiert habt, daß schwarze Magie keine amüsante Sache ist und immer zum Schaden für jemanden wirkt. So, und jetzt wird mir Mr. Fielding noch einmal vorführen, wie der Situationsfluch-Versiegelungszauber geht. Beim letzten Mal warst du wohl nicht ganz bei der Sache, Bürschchen. Also los jetzt!"

Nach Roy sollte Aurora den Einschnürungs- und Versiegelungszauber vorführen. Nach den ganzen Fehlschlägen der Vergangenen Stunden gelang es ihr. Als jeder den Zauber erfolgreich vorgeführt hatte, gab es eine Runde Duelltraining mit ungesagten Angriffs- und Abwehrzaubern. Silverbolt erwies sich auch ohne Schildzauber als absolut unangreifbar, sei es, weil er diesen Stern unter seinem Umhang trug oder von dem ihn verändernden Fluch schon derartig stark durchdrungen war, daß kein niederer Fluch ihn mehr berühren konnte.

Im Verwandlungsunterricht hatten es nun alle heraus, ihr äußeres vollkommen zu verändern oder sich in Tiere, Pflanzen oder Gegenstände mit gewissem Eigenleben zu verwandeln. Tonya fragte einmal, ob sie sich auch in andere Menschen verwandeln könnten. Aurora zitierte darauf hin auf Nachfrage der Lehrerin die gesetzlichen Bestimmungen, die eine Verwandlung in einen anderen Menschen strickt untersagten, zumal Gefühlsschwankungen die Verwandlung sofort außer Kontrolle geraten lassen konnten. professor McGonagall meinte dann noch zu Eunice:

"An Ihrer Stelle würde ich die Verwandlung in einen Adler umgehend beim Ministerium registrieren lassen, Ms. Armstrong. Mir ist nicht entgangen, daß Sie diese Verwandlung auch schon ohne Zauberstab ausführen können. Sie wissen, daß Animagi registriert werden müssen."

"Das entsprechende Formular wurde mir gestern bereits zugeschickt, Professor McGonagall. Ich werde es nach den Prüfungen ausfüllen und zurückschicken", sagte Eunice. Aurora, die sich auch überlegt hatte, ob sie eine Animaga werden wollte, hatte jedoch kein Tier gefunden, in das sie sich so geschmeidig verwandeln konnte wie Eunice es mit ihrer Gestalt eines Steinadlers mit schwarzem Gefieder vollführen konnte.

"Professor Silverbolt erwähnte, daß er uns vor den Prüfungen einem Test unterziehen wolle", wandte Petula Woodlane schüchtern ein, als Professor McGonagall bemerkte, daß sie alle von ihr für prüfungstauglich befunden wurden.

Professor McGonagall starrte Petula durch ihre quadratischen Brillengläser sehr verärgert an. Dann fauchte sie: "Abgesehen davon, daß ich nicht Professor Silverbolt bin und daher nicht wie er handeln muß habe ich Sie alle eben für Prüfungstauglich befunden, was heißt, daß ich keine weitere Erprobung an und mit Ihnen mehr durchführen muß. Billigen Sie mir gefälligst die Kompetenz zu, Stärken und Schwächen im Vorfeld einer wichtigen Prüfung erkennen zu können, Ms. Woodlane! Ich verzichte auf einen Punktabzug, weil ich durchaus nachempfinden kann, welche Nervosität Sie alle gerade umtreiben mag. In zwei Wochen finden schließlich ihre UTZ-Prüfungen statt. Jetzt noch irgendwelche Sondervorprüfungen anzusetzen erachte ich persönlich als unklug, da sie dabei nicht unbedingt so abschneiden mögen wie in der prüfung selbst. Vom Können her sind Sie alle fähig, einen passablen UTZ zu erringen. Mehr muß ich nicht wissen, und mehr sollten Sie von mir und von sich vor den Prüfungen selbst nicht verlangen."

"Ey, war das jetzt echt nötig, die Alte mit dem Dobermann zu kommen?" Zischte Mortimer an Petulas Adresse, als sie nach der Verwandlungsstunde in die Pause gingen.

"Ich wollte nur sicherstellen, daß wir jetzt alle in dem Fach so gut es geht vorbereitet sind", zischte Petula zurück. "Kann ich was dafür, daß die auf Silverbolt so allergisch reagiert wie die Katze auf den Hund?"

"Das ist doch nur, weil Silverbolt gerade das Thema Nummer eins in Hogwarts ist", meinte Miriam. "Er hat zwar geknurrt, wir sollten seine Angelegenheiten nicht weiter bequatschen, aber das hält doch keinen davon ab, über ihn zu reden, wenn er nicht zuhört."

"Ja, aber Silverbolt ist erst ein Jahr hier und wird wohl nie wieder unterrichten, wenn das mit ihm so weitergeht. Der hat da keine Erfahrung, wer wie gut drauf ist", wandte Mortimer ein. "Du hast der McGonagall gerade unterstellt, zu blöd zu sein, zu sehen, wer was kann und wer nicht. Ist klar, daß die das in den falschen Hals kriegt."

"Weiß ich jetzt auch, Schlauberger", fauchte Petula verärgert. Mortimer sagte darauf nichts mehr.

"In zwei Wochen sind die Prüfungen, Leute. Wir müssen uns doch jetzt nicht noch in die Wolle kriegen", wandte Aurora Dawn ein. Darauf sagte keiner etwas.

"Was meint ihr, was Professor Dobermann uns vorknallen wird?" Fragte Miriam Aurora und Mortimer.

"Stationäre Flüche, verhexte Kreaturen und Angriffe aus dem Hinterhalt", vermutete Aurora.

"Womöglich Sachen wie den Alptraumraum, Geistfesselungsflüche und dergleichen", erwiderte Petula. Mortimer sagte dazu noch:

"Dann bin ich ja mal gespannt, ob wir nach diesem netten Schlußtest irgendeine prüfung machen können oder im St.-Mungo-Krankenhaus wieder aufwachen."

__________

Am kommenden Samstag erhielt Aurora Post aus Australien. Sie dachte schon, daß Heather sie fragen wolle, wie sie sich vor den Prüfungen fühlte. Doch als sie den Umschlag öffnete und den Brief las, legte sich ihre Stirn in nachdenkliche Falten.

Hallo, Aurora,

ich denke mir, daß du diesen Brief kriegst, bevor du in die UTZ-Prüfungen gehst. Daß ihr erst nach den Prüfungen die letzte Quidditchpartie spielt finde ich zwar schade, aber wenn eure Gegner so blöd sind, sich noch kurz vor dem Spiel auf eine Schlägerei einzulassen ...

Mein Großonkel Vitus hat uns wieder besucht. Sie werden wohl im kommenden Ausbildungsjahr nur vier Nachwuchsheiler kriegen. Die Vorsitzende des Heilerrates von Australien, eine Mrs. Laura Morehead, hat ihm wohl ziemlich viel Feuer unterm Kessel gemacht, weil seine Leute keinen aus Redrock mehr dazu kriegen konnten, sich für eine Heilerausbildung zu begeistern. Er hat wohl noch auf Quereinsteiger gehofft, Leute, die vorher was anderes gemacht haben und sich einen Lebensjob bis ins hohe Alter zulegen wollten. Aber auch da kam nichts. Die Quidditch-Profis wollen alle zu den Besenfabriken oder in die Sportabteilung des Ministeriums, und die übrigen, die für einen Beruf mit jugendlichem Gepräge zu alt sind haben sich schon anders umgetan. Es könnte also passieren, daß ihr demnächst in der zeitung lesen könnt, daß die Sana-Novodies-Klinik englischsprachige Heilkunstanwärter sucht. Womöglich werden die Umsiedlungskosten übernommen. Aber das ist noch längst nicht raus. Wie sieht es denn bei dir aus: Geht deine Ausbildung im St.-Mungo-Krankenhaus klar? Falls nicht, vielleicht wäre das bei uns ja auch was für dich. Okay, du müßtest dann mindestens drei Jahre lang zu uns rüberziehen, und ich weiß von meinen Verwandten in England, daß das schon ziemlich einschneidend ist, trotz Flohnetz und fliegendem Holländer. Deshalb gehe ich im Moment davon aus, daß du, wenn du die passenden UTZs hinkriegst, bei euch anfangen kannst.

Was tut sich gerade bei euch in Hogwarts? Wie geht es deiner Klassenkameradin Dina? Kommt ihr mit dem Lehrer noch gut klar, der Verteidigung gegen die dunklen Künste gibt? Wie ist euer Zaubertranklehrer im Moment drauf?

Ich hoffe, du findest noch vor den Prüfungen Zeit und Ruhe, mir zu antworten. Falls nicht, dann schreibe mir ruhig, wenn du den ganzen Prüfungsrummel geschafft hast!

Bis dahin viel Erfolg!
                    Heather Springs

"Die ist ja lustig", dachte Aurora zunächst. Doch dann verfiel sie in Nachdenklichkeit. In Australien hatten sie zu wenig Interessenten für den magischen Heilberuf. In Großbritannien standen die Interessenten schon Schlange. Sie dachte an Heathers Bericht von den Einzelbetreuern der Heilkunstschülerinnen und -schüler. Was erschien besser, in einem Hörsaal zu sitzen und sich von einem einzigen Lehrmeister was erklären und vorführen zu lassen oder von einem Lehrmeister direkt angeleitet und unterrichtet zu werden? Allerdings war da ja eben die große Entfernung zum fünften Kontinent, die ihr schon irgendwie nicht so einfach wegzudenken schien. Wie weit konnte sie apparieren? Eigentlich hatte sie das noch nie so richtig ausprobiert. Sicher, einige hundert Kilometer hatte sie schon überwunden, als sie von ihrem Elternhaus nach Hogsmeade gereist waren, um Dinas und Roys Hochzeit zu feiern. Australien lag mehr als fünfzehntausend Kilometer von ihrer Heimat fort. Das war wohl selbst für einen guten Apparator nicht in einem Sprung zu schaffen, und sie zählte sich nicht zu den Spitzenapparatoren. selbst Eunice, die ihr nicht nur im Apparieren immer mehr als eine Besenlänge vorausgewesen war, mochte an dieser Entfernung scheitern. Sie müßten dann in Dutzenden Apparationen an ihr unbekannte Orte wechseln, um in die Nähe Australiens zu kommen. Da waren der magische Schnellsegler und das Flohnetz doch sicherer. Doch mit dem fliegenden Holländer dauerte die Überfahrt einen Tag, und Heather hatte erzählt, daß die Flonetzbetreiber mehrere Galleonen für die einfache Passage haben wollten, die sie Grenzgebühren nannten. Die nutzten es aus, daß keiner so mir nichts dir nichts nach Australien oder von Australien aus nach England apparieren konnte. Sie dachte an Portschlüssel, schlichte Gegenstände, die derartig bezaubert waren, daß sie jeden, der sie berührte, immer oder zu ganz bestimmten Zeiten, an einen weit entfernten Ort versetzten. Es gab ein Buch über die Herstellung von Portschlüsseln. So schwierig sollte es nicht sein, soviel wußte sie. Doch wollte sie wirklich eine derart weite Reise machen, nur um schon gleich nach den UTZs, die sie ja noch gar nicht hatte, zur Heilhexe ausgebildet werden zu können? Da konnte sie im Moment keine Antwort drauf finden.

"Siehst du, geht doch", hörte sie Roy zu seiner Frau sagen, die gerade mit ungesagten Zaubern hantierte. Mittlerweile schaffte sie es, drei Zauber zur selben Zeit wirken zu lassen.

"Hui, das macht mich aber ziemlich müde", seufzte Dina. Aurora ging hinüber zu Roy Fielding, der seinerseits Simultanzaubern übte.

"Wie viele Sachen kannst du schon zeitgleich ablaufen lassen?" Fragte Aurora Roy.

"Ich habe jetzt vier Bewegungszauber simultan hingekriegt. Demnächst teste ich, ob ich zwei oder drei Elementarzauber zur selben zeit aufrufen kann. Da mußt du ja echt alles andere aus dem Kopf kriegen, um das hinzubringen", sagte Roy. Dann fragte er, ob Aurora etwas auf dem Herzen habe, weil sie eben so nachdenklich dagesessen habe.

"Ich habe einen Brief von meiner australischen Brieffreundin bekommen. Die schrieb mir, daß sie bei sich unten drunter hinter den Schülern herrennen müßten, um einen oder zwei Heileranwärter zusammenzukriegen. Hier treten die Leute sich ja schon bald auf die Füße, um in das Kolleg von St. Mungo reinzukommen."

"Ach, und jetzt überlegst du, ob sich das lohnt, zu den Känguruhs auszuwandern, um gleich nach Hogwarts Medimagie zu studieren?" Fragte Roy.

"Sagen wir's so, Heather, also meine Brieffreundin da, hätte mir das wohl kaum geschrieben, wenn ich mir darüber keine Gedanken machen sollte oder es mir total egal sei, ob die bei sich genug Ausbildungswillige finden oder nicht."

"Ich war mit Erica und meinen Eltern ja oft da. Ericas Freunde da haben uns Weihnachten ja auch noch einmal besucht. Sie meinte, wäre selbst für die Zaubererwelt ziemlich weit zu reisen, und diese Halsabschneider vom internationalen Flohnetzverbund halten ihre Hände ziemlich weit auf, wenn du die Expressroute nehmen willst."

"Abgesehen davon, daß ich dann alles hier zurücklassen müßte, um die drei Jahre Ausbildung und das praktische Jahr zu machen, also vier Jahre von hier weggehe", wandte Aurora ein. Irgendwie fand sie es nun befreiend, mit einem Mitschüler zu reden, der die Sache aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten konnte.

"Hmm, wenn du die UTZs schaffst, kannst du mit der Fächerauswahl doch auch hier was lohnendes hinkriegen. Ich habe mich mit Flitwick drüber unterhalten, ob ich bei Miriams Vater zum Zauberkunsthandwerker ausgebildet werden soll oder bei passenden UTZs nicht auch in die Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe gehen kann", sagte Roy. Eunice und Dorian planen auch schon, da irgendwie reinzukommen, falls Eunice nicht wie du in die Medimagierschule bei St. Mungo aufgenommen werden kann."

"Tja, bald werden wir wissen, was wir nach Hogwarts überhaupt machen können", erwiderte Aurora leicht betrübt. War das denn wirklich schon soweit? In nicht einmal mehr zwei Monaten sollte die Schule für sie vorbei sein. Dann begann das sogenannte wirkliche Leben, der echte Ernst des Lebns, die lange Zeit, wo jede Minute Spaß mit zwei Minuten Plackerei oder noch mehr bezahlt werden mußte. Zumindest hatte ihr Großvater Samson das so genannt.

"Ich kapiere zumindest, warum die McGonagall mich nicht in ihrem Kurs haben wollte. Seitdem ich Eunice gesehen habe, wie die sich mal eben in einen Mahagonischreibtisch verwandelt hat, nur um Dorian vorzuführen, wie abgehoben eure Stunden sind", sagte Roy. "Aber wer braucht denn das überhaupt?"

"Wie hat sich Professor McGonagall so schön ausgedrückt: "Sie lernen nun die wahrhaft anspruchsvollen Formen der Beeinflussung fremder und eigener Körpermaterie. Diese Kunst erfordert vor allem viel Disziplin, Durchhaltevermögen, aber auch geistige Beweglichkeit und Anpassungsvermögen und Charakterfestigkeit. Damit erhalten Sie eine grundlegende Ausbildung in Handhabung und Verantwortung für alle von Ihnen erlernten Zweige der Magie. Also erwarte ich von Ihnen, die sich zum Studium der höheren Verwandlungskunst bei mir eingefunden haben, daß Sie alle mit Fleiß, höchster Aufmerksamkeit und Umsicht meinem Unterricht folgen und Ihre bisherigen Leistungsgrenzen erweitern." So sprach Professor McGonagall in der ersten UTZ-Kurs-Stunde."

"Da ist schon was dran", erwiderte Dina. "Schade, daß ich bei ihr nie so recht klargekommen bin. Ich verstehe aber, was sie meint."

"Im Grunde sagt jeder Lehrer hier von seinem Fach, daß es das anspruchsvollste und wichtigste in der ganzen Schule ist. Hakennase Snape hat das von seiner Giftmischerei ja auch immer wieder behauptet und Flitwick und Silverbolt hängen das auch immer groß raus, daß die Zaubererwelt ohne die von ihnen unterrichteten Sachen auseinanderfallen würde", kommentierte Roy.

"Das seht ihr doch an dem Dobermann. Der hat sich wegen der Abwehr von irgendwem diesen Verjüngungsfluch eingefangen", entgegnete Dina dazu. Aurora nickte bestätigend.

"Oha, diese Woche will der uns durch seinen Gefahrenparcours jagen. Hoffentlich hat der das mit Dumbledore und dem Zaubereiminister abgestimmt, bevor wir alle noch im St. Mungo landen", seufzte Roy. Dina sah ihn aufmunternd an.

"Du schaffst das schon. Der kann euch nicht in Sachen reinschicken, die ihr nicht gelernt habt."

"Kann der schon, um uns zu zeigen, daß die dunklen Künste total unfair sind", sagte Roy. Seine Frau wollte wohl noch was dazu sagen, doch ihr ungeborenes Kind hielt sie davon ab.

"Oh, wird schon munterer", brachte sie leicht gequält hervor. "Wußte nicht, daß das so früh losgeht mit den Turnstunden."

"Hoffentlich kannst du die Prüfungen machen", sagte Roy ehrlich besorgt.

"Ich habe ja nur Flitwicks Fach als praktisches Zauberfach, und bei Zaubertränken werden wir ja hoffentlich ohne Snape arbeiten."

"Der soll sich das noch mal wagen, dich wegen des Babys anzupampen", knurrte Roy. Aurora sah ihn beruhigend an.

"Das hat er gelassen, als Eunice und ich bei der V-Konferenz klargestellt haben, daß Dina gefälligst zu respektieren ist und wir ihn glatt wegen Mißachtung der Mutterschutzstatuten anzeigen werden, wenn er Dina noch mal runtermacht, egal weswegen. Dumbledore hat nur genickt. Offenbar war das für Professor Snape heftiger als jede ausgesprochene Entlassungsdrohung. Seitdem hält der sich von ihr fern."

"Dafür läßt er seinen Hohn an euch ab", meinte Dina. Aurora nickte, wandte dann jedoch ein, daß sie gelernt habe, mit Snapes überheblicher und unfairer Tour zu leben und daß in zwei Wochen alles egal sei, was er ihr und Eunice in den letzten drei Jahren an den Kopf geworfen oder unter die Nase gerieben hatte.

"Hoffentlich wird der nicht der Nachfolger vom Dobermann", unkte Dina. "Dann würde der echt Sachen bringen, die er im Unterricht nicht drangenommen hat, um die UTZ-Leute zu schikanieren."

"Das wäre Dumbledores größter Fehler, den für dieses Fach einzuteilen", sagte Roy entschlossen. Aurora wußte nicht, ob sie darauf etwas sagen sollte. Deshalb fragte sie:

"Ihr findet also, daß das mit Australien zu heftig wäre, wenn ich sonst nicht unterkommen kann?"

"Öhm, das mußt du ganz alleine klarkriegen, Aurora. da können wir dir nicht bei helfen", sagte Roy. Seine Frau nickte nur.

"Gut, dann sollte ich erst mal sehen, wie meine UTZs werden, bevor ich mir weiter darüber den Kopf zerbreche. Noch viel Spaß bei Zauberkunst!"

"Was machst du jetzt noch?" Fragte Roy.

"Ich werde noch ein wenig für alte Runen lesen. Bei dem Fach hängt's bei mir noch ziemlich durch."

"Dann viel Erfolg damit!" Wünschte Roy.

__________

Die Schulwoche verging mit den abschließenden Unterrichtseinheiten vor den Prüfungen, Quidditchtraining und jede Menge Lernen und üben. Dann kam der Tag, an dem sie den angedrohten Gefahrenparcours zu bestehen hatten. Professor Silverbolt, der jetzt kaum älter aussah als Auroras Vater, grinste alle seine Schüler hinterhältig an, als er ihnen schweigend gebot, ihm zu folgen.

"Ich habe für jede und jeden von euch einen anderen Spießrutenlauf eingeplant, Leute!" Schnarrte er unheilverkündend. "In diesem endgültigen Test vor den UTZ-Prüfungen werdet ihr lernen, daß es nicht möglich ist, sich auf die Abwehr dunkler Künste vorzubereiten, sondern nur reagieren könnt, wenn ihr wo hinkommt, wo jemand euch oder andere mit schwarzer Magie angreift oder fiese Fallen gestellt hat. Ja, Mr. Fielding?"

"Bevor Sie uns durch den Fleischwolf drehen, Sir, noch eine Frage, wenn Sie erlauben", sprach Roy ruhig und unerschüttert.

"Ich höre", blaffte Silverbolt. Seine Stimme klang nun, wo sein Körper um viele Jahrzehnte jünger geworden war, noch furchteinflößender und entschlossener.

"Warum haben Sie uns nie die Okklumentik beigebracht, Sir?"

"Oh, da hat sich jemand schlaugelesen", knurrte der Lehrer, als er Roy genau ansah. Die anderen Schüler blickten leicht verdutzt den Lehrer und dann Roy an. "So wie ihr ausseht gibt es in der Klasse wohl nur drei, die überhaupt wissen, daß es die Okklumentik gibt. Okay, Mr. Fielding, dann will ich die Frage mal beantworten, damit dein Kopf frei für meine nette Abschlußvorstellung ist. Die Okklumentik, also die innere Kunst, den eigenen Geist vor fremdem Zugriff verschlossen zu halten, bedarf umfangreicher Übungen und Einzelstunden, und ich habe, als ich dieses Jahr hier antrat, bereits eine Menge Sachen, die ich für nötig hielt aus dem Unterrichtsplan werfen müssen, um euch die Sachen, die wirklich wichtig sind, so gründlich wie es nötig war beibringen zu können. Ich weiß, es gibt Schulen, wo die Lehrer den UTZ-Kandidaten in der Abschlußklasse noch mal eben die Okklumentik unterjubeln wollen, ohne Rücksicht darauf, ob sie den Schülern das vermitteln können oder nicht und ob dabei andere, wichtigere Lektionen hinten runterfallen oder nicht. Ich bin und bleibe der Meinung, daß ihr hier bei mir die wirklich wichtigen Sachen gelernt habt und ich bald weiß, ob jemand von euch nicht doch geschludert hat oder ihr alle wirklich bereit für die Prüfungen seid. Okklumentik ist kein Gegenstand der praktischen UTZ-Prüfung, zumindest nicht in Hogwarts. Wer nach meinem Unterricht noch sicher ist, die Abwehr dunkler Künste richtig intensiv studieren zu wollen, wird genug Literatur und Anleitung finden, um die Okklumentik so gründlich zu erlernen, wie es diese Kunst beansprucht. Ende der Mitteilung! So, und jetzt der erste Kandidat. Meldet sich wer freiwillig, oder muß ich mir wen rauspicken?"

"Ich geh zuerst", sagte Roy unerschüttert klingend. Eunice senkte ihre Hand und blickte ihn aufmunternd lächelnd an.

"Nun denn, durch dieses kleine Gittertor und dann rein in das Labyrinth. Wenn du in zehn Minuten nicht wieder draußen bist, ist die Vorstellung für dich gelaufen. Könnte dann sein, daß ich dann befinde, daß du besser nicht in diesem Fach zur Prüfung antreten solltest. Also los, Roy!"

Roy passierte das im Park befindliche Törchen und betrat ein Labyrinth aus niedrigen Büschen.

"Ab jetzt könnte er jede Sekunde heftig verflucht werden", sagte Silverbolt. Alle lauschten, ob sie was hörten. Silverbolt schnarrte leise: "Außerdem habe ich Zauber aufgerufen, die bei ungesagt zauberbaren Sachen übles Ungemach verbreiten, wenn er es sich zu einfach macht und verbal zaubert. Aber das liest er ja auf dem Schild, das gleich hinter der nächsten Ecke steht."

Zwischendurch hörten sie lautes Krachen und Zischen, als würden elektrische Funken überspringen. Dann heulte es einmal wie ein großes Geschoss. Einmal vermeinte Aurora, einen kurzen Schreckensschrei zu hören. Dann stieg über dem Park eine blaue Flammensäule auf, die mehrere Dutzend Meter über dem Boden zu violettem Rauch wurde. Silverbolt notierte sich offenbar etwas. Dann, knapp eine Minute vor der gesetzten Frist, tauchte Roy benommen und mit zerrissener Kleidung am Ausgang des Labyrinthes auf. Silverbolt blickte auf seine Uhr und nickte.

"So, abtreten, Kleidung wieder ordnen und vor der Klasse warten!" Bellte der Lehrer Roy an, der wohl gerade was sagen wollte. Doch die wegscheuchende Handbewegung des Lehrers gebot ihm, besser unverzüglich zu gehorchen. Eunice war die nächste, die freiwillig loszog. Aurora fragte sich, wie Silverbolt einen für jeden unterschiedlichen Test abhalten wollte, wenn jeder durch dasselbe Tor eintreten mußte. Sie sah den Lehrer an, der bei Eunices Start auf seine Uhr gesehen hatte.

"Was gibt es, Aurora?" Fragte er barsch.

"Wie stellen Sie sicher, daß jeder von uns andere Anforderungen vorfindet?" Fragte Aurora so sachlich klingend wie möglich.

"Tja, weil ich für jeden einen anderen Weg vorbereitet habe. Wenn das Eingangstor aufgeht, ordnet sich der Weg so um, daß jeder von euch seine oder ihre ganz eigene Drangsal erfährt. Mehr müßt ihr nicht wissen."

Wieder krachte, fauchte, heulte und knisterte es. Dann schlugen vier rote Blitze vom Boden in den Himmel. Zwei Minuten vor Ablauf der Frist erschien Eunice mit wild zerzaustem Haar durch das Ausgangstor. Auch sie wurde in die Schule zurückkommandiert. Tonya Rattler befand wohl, daß der Parcours nicht sonderlich anspruchsvoll sein konnte und meldete sich freiwillig. Doch als sie fünf Sekunden vor Ablauf der Frist auf allen Vieren durch das Ausgangstor kroch wußten alle, daß dort drinnen nicht viel Spaß auf sie wartete.

"Stell dich hin, Mädchen!" Blaffte Silverbolt. Tonya versuchte, sich aufzurichten. Doch irgendwas zog sie wieder auf alle Viere. Dabei konnten alle sehen, wie etwas ihren Bauch und Brustkorb hinunterzog.

"Hast du nicht aufgepaßt, als du an dem Strauch vorbeigekommen bist, wie?" Feixte Silverbolt. "Zumindest hast du den Rückweg noch gefunden."

"Was war das?" Keuchte Tonya. Ihre Stimme klang irgendwie metallisch, als spreche sie aus einem großen Kessel heraus.

"Das solltest du an und für sich wissen, Tonya", knurrte Silverbolt. "Mach dich zu Madame Pomfrey! Die hat eine Liste mit meinen Nettigkeiten. Sage ihr, du wärest Kandidatin Nummer drei gewesen! Dann kann sie dir wohl helfen."

"Aber was war das?" Fragte Tonya noch einmal. Ihre Stimme klang jetzt noch metallischer.

"Wirst du wohl parieren", zischte Silverbolt wütend. Tonya versuchte, sich wieder aufzurichten, schaffte es aber nicht. Sie krabbelte wie ein übergroßes, klobiges Baby Richtung Schloß davon.

"Habt ihr es alle gesehen? Das ist kein Spaziergang, was ich da vorbereitet habe", blaffte der Lehrer. Aurora Dawn beschloß, es jetzt hinter sich zu bringen und meldete sich freiwillig. Als sie durch das Tor war und ihren Zauberstab ausgestreckt hielt, war sie entschlossen, jeden Stein, jeden Busch und jede Unebenheit genau zu überprüfen. Sie sah das Schild mit der Aufschrift: "Ungesagt kommst du zum Ziel", dessen Richtungspfeil nach rechts vorne wies. Aurora testete mit Fluchfindern, ob sie auch nach links ausweichen könnte und erkannte, wie vor ihr eine unsichtbare Mauer stand. Sie kannte verschiedene Barrieren. Die unsichtbare Mauer gehörte zu den wirksamsten, weil sie die Elementarkräfte von Erde und Feuer in sich bündelte. Wer versuchte, sie zu durchbrechen, riskierte, bei lebendigem Leib verbrannt zu werden. Es gab zwar eine Kombination von zaubern, um dieses Hindernis zu beseitigen, doch sicherlich hatte Silverbolt genau das vorhergesehen und nachfassende Zauberfallen eingerichtet, die sie dann aus dem Hinterhalt erwischen würden, wenn sie sich zu lange mit der Mauer abmühte. So bog sie langsam in den rechten Weg ein, links und rechts von unsichtbaren Mauern begrenzt. Jetzt kapierte sie auch, wie Silverbolt sichergestellt hatte, daß jeder seinen oder ihren eigenen Parcours bewältigen mußte. Die Mauern ließen sich nämlich beliebig verformen, wenn sie einmal standen. Dann sah sie einen kleinen Kieselstein, der auf dem Boden vor ihr lag. Sie prüfte mit einem Fluchfinder, ob etwas an ihm nicht in Ordnung war. Doch der Fluchfinder sprach nicht an. Sie betrachtete den Weg in ganzer Breite. Dieser Kieselstein war einer von vielen. Aber irgendwie wirkte er etwas glatter als die übrigen. Sie überlegte rasch, welche Falle sie hier erwarten mochte. Es gab Flüche, die mit einem Zusatzzauber gegen übliche Flucherkennungszauber gesichert werden konnten. Sie trat zwei Schritte zurück. Dann erkannte sie, was da vor ihr lag. Der Kieselstein war der Köder, nicht die Falle selbst. Wenn sie sich mit ihm abgab würde sie von etwas andrem getroffen werden. Denn rechts vom Weg erhob sich ein nidriger Busch. Sowohl in Kräuterkunde als auch in Verteidigung gegen die dunklen Künste hatte sie gelernt, daß Pflanzen auch als Träger böser Zauber benutzt werden konnten. Ähnliches mochte Tonya passiert sein. Womöglich hatte Silverbolt eine oder mehrere Pflanzen mit Flüchen präpariert. Sie zielte auf die Pflanze und hoffte, daß die unsichtbare Mauer nur feste Materie zurückhalten mochte und dachte "Herbarupto!" Mit lautem Knall explodierte der Busch in einer grünen Rauchwolke. Aurora sprang zurück und zog blitzschnell und ungesagt eine Feuerwand vor sich hoch. Die Wolke wirkte lebendig, sie trieb nicht einfach herum, sondern glitt auf sie zu, prallte auf die magische Flammenwand und blitzte phosphoreszierend auf. Aurora vermeinte einen wütenden Quieklaut zu hören. Das war es also gewesen, was silverbolt mit dem Busch angestellt hatte. Er hatte ihn mit einem böswilligen Atem behext, der die Pflanze dazu brachte, bei bestimmten Auslösern über ihr Opfer herzufallen und es entweder zu würgen oder unentrinnbar zu fesseln. Weil sie das Gebüsch mit dem Pflanzenvernichtungszauber angegriffen hatte war die eingelagerte Magie in Form eines grünen Nebels freigesetzt worden. Die Wolke stieg nach oben, versuchte, über die Feuermauer hinwegzuschweben. Doch da hatte Aurora schon den Zauberstab auf sie gerichtet und dachte "Dissolvo Maleventum!" Blaues Licht erstrahlte an ihrer Zauberstabspitze und schoss als breiter Strahl nach oben, traf die Wolke und ließ sie schlagartig weiß und dann immer durchsichtiger erscheinen, bis sie mit einem wilden Fauchen gänzlich zerfloss."Dann ließ Aurora die von ihr beschworene Feuerwand zusammenbrechen und tastete den Weg vor ihr wieder ab. Der Stein, der ihr so merkwürdig vorgekommen war, lag nun auf die Seite gerollt da. Sie ging behutsam, immer auf weitere Hinterhältigkeiten gefaßt, weiter, prüfte Boden, Wegsaum und auch den Himmel über ihr. Weil sie dies tat konnte sie gerade noch rechtzeitig jenes dunstartige Etwas erkennen, das wohl zehn Meter von ihr Entfernt, aber sehr hoch über ihr schwebte. Noch ein böser Windhauch? Nein, das war ein anderer Fluch, erkannte sie. Wenn sie arglos weiterging und dieses Gebilde als gewöhnliche Wolke ansah, würde es von oben her auf sie fallen und ihr den Atem rauben, sie unbeweglich wie tot am Ort verharren lassen und solange zu keiner Regung fähig lassen, bis jemand kam und einen wirksamen Gegenzauber sprach. Sie ging noch drei Schritte vor, prüfte, ob noch ein andrer Fluch vorhanden sein mochte und entdeckte dabei einen Steinaufweichungsfluch, der bei Berührung mit organischen Objekten wie Schuhen oder Füßen den sonst harten Boden in eine zähflüssige Substanz, Morast oder Treibsand ähnlich verwandeln würde. Aurora zog ihr Stofftaschentuch hervor, warf es dorthin, wo sie den Auslöser wähnte und sah, wie der Boden schlagartig aufgewühlt wurde und leise gluckernd das Taschentuch darin eingesaugt wurde.

"Hoffentlich ist ihm klar, daß dieser Fluch jemanden umbringen kann", dachte Aurora. Dann wirkte sie den einzig helfenden Zauber, indem sie einen Stein nahm und diesen mit einem Erdfriedenszauber belegte, welcher alle in Steinen oder Erdreich wirkenden Flüche aufhob, sobald er mit einem frei beweglichen Stein oder Erdklumpen verbunden wurde. Sie wartete, bis der von ihr bezauberte Stein silbern aufleuchtete und warf ihn dann auf den verhexten Weg vor sich. Mit einem wilden Heulen und Prasseln schossen silberne Lichtfontänen aus dem Boden mindestens acht Meter in den Himmel hinauf. Fünf Sekunden lang tobte diese magische Entladung sich aus. Dann ploppte es nur, und die Lichtfontänen erloschen übergangslos. Dann wappnete sie sich gegen den auf sie lauernden Halbleichenfluch, indem sie sich in eine bläuliche Energieaura einschloß und langsam weiterging. Sie durfte nicht rennen, um die Balance zwischen ihrem Körper und der sie umschließenden Magie nicht zu gefährden. Als der Dunst dann lautlos wie grauer Nebel über sie kam, brutzelte es wie in der Pfanne bratende Spiegeleier. Aurora konzentrierte sich, keine Angst zu bekommen. Sie ging einfach weiter. Als sie aus dem grauen Dunst herauswar knallte es hinter ihr. Sie wandte sich um und sah, daß der gefährliche Nebel sich ganz aufgelöst hatte, weil er nur noch tote Materie berühren konnte. Sie überlegte, ob sie die schützende Energieummantelung noch weitertragen sollte. Doch womöglich würde sie gleich gegen etwas andres zaubern müssen. So ließ sie die Schutzaura verschwinden und überprüfte den weiteren Weg.

Sie traf auf unsichtbare Angreifer, mit schwarzer Magie veränderte Vögel, die über sie herfallen und zurücktreiben wollten, mußte gegen eine aus einer Bodenritze quellende Gallertkreatur kämpfen, die sie mit dem Dissolvetur-Artivivum-Zauber zerplatzen ließ, wäre fast in einen Rotationsfluch hineingeraten und mußte mindestens vier Elementarfallen verschiedener Ausprägung entschärfen. Dann erhob sich vor ihr eine silberne Wand, aus der unvermittelt jemand heraustrat: Sie selbst!

"Hallo, Aurora! Finde dich endlich damit ab, daß du es nicht bringst!" Sagte ihr unvermittelt aufgetauchtes Ebenbild, während die silberne Wand hinter ihm zerfloß. Aurora Dawn öffnete schon den Mund, um was zu sagen. Da fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein, daß sie in diesem Parcours überhaupt kein Wort sprechen durfte. "Sag doch was", meinte das Ebenbild, daß genau wie das Original gekleidet war. "Du stimmst mir doch zu, oder?" Aurora wandte sich um. Hinter ihr erhob sich die silberne Wand. Da trat noch eine Doppelgängerin von ihr heraus. Sie war in die Falle gegangen. Sie hatte den Fluch des finsteren Widersachers ausgelöst, der wie ein großer Spiegel aussah und eine gleichaussehende, gleich gut begabte Nachahmung des Opfers ausstieß und dann den Weg versperrte. Wer sich dann umwandte, beschwor auf diese Weise eine neue Nachbildung seiner- oder ihrerselbst herauf. Gelang es nicht, der Falle zu entgehen würden die erschienenen Ebenbilder alle in ihr ruhenden Ängste bündeln und mit den ihr bekannten Fähigkeiten auf sie losgehen, körperlich und magisch. Sie überlegte, wie sie dagegen kämpfen konnte, als die ersten Zweifel schon in ihr hochkamen. Die beiden entstandenen Ebenbilder sprachen auf sie ein. Sie fühlte, wie ihr Mut schwand. Wenn sie in den nächsten Sekunden keinen Ausweg fand, würde sie gleich von zwei Doppelgängerinnen angegriffen und überwältigt werden. Sie hatten diesen zauber nicht im Unterricht drangenommen. Sie hatte ihn jedoch gründlich studiert, als es um stationäre Flüche mit teilweise eigenständigen Elementen ging. Diese Doppelgänger waren jetzt aus fester Materie. Wenn Aurora sich in eine andere Richtung umwandte, würde eine neue Silberwand erscheinen und eine weitere Doppelgängerin absondern. Dann wußte sie, wie sie ohne ein Wort zu sprechen damit fertig werden konnte. Sie richtete den Zauberstab auf sich selbst und dachte "Deterrestris!" Schlagartig verlor sie den Boden unter den Füßen, zusammen mit den beiden Doppelgängerinnen. Doch diese schienen nun, wo sie nach oben schwebten, immer durchsichtiger zu werden, flackerten immer heftiger, flossen ineinander und vergingen mit einem langen Schrei in einer blauen Lichtentladung, während Aurora immer höher stieg. Sie mußte sich wieder der Schwerkraft der Erde zurückgeben, bevor sie in den freien Himmel emporstieg, wußte sie. Doch zuerst mußte sie die Falle entschärfen, um den Weg fortsetzen zu können. Sie richtete den Stab senkrecht nach unten und dachte eine komplizierte Formel. Ein kurzes Zischen ohne Leuchteffekt, und unter ihr flimmerte für einen Moment der Boden. Dann war es auch schon vorbei. Sie hielt den Stab wieder gegen sich gerichtet und dachte so konzentriert es ging: "Terra Firma!" Sacht wie eine Feder sank sie wieder zu Boden. Erst als sie sicher stand, fühlte sie ihr ganzes Gewicht wieder. Vor ihr baute sich keine neue Spiegelwand auf.

"Hätte ich mich fast doch ausmanövriert", dachte Aurora und setzte ihren Weg fort. Beinahe wäre sie zu spät aus dem Parcours gekommen. Es fehlten noch genau zwei Sekunden, als sie das rettende Ausgangstor fand und hinaustrat.

"Schön, so sollt ihr aussehen, wenn ihr alles schafft. Zurück zum Klassenraum!" Knurrte Silverbolt und machte eine zum Schloß weisende Armbewegung. Aurora nickte und ging los, erleichtert, den Fallen und Flüchen entwischt zu sein und weder kaputte Kleidung noch zerzaustes Haar zu besitzen.

Eunice fragte, was ihr denn so aufgelauert hatte. Sie erzählte es ihr.

"Mir hat dieser nette Bursche Baumschneller auf den Hals gejagt, diese tausendfüßlerartigen Biester, die mit lebendem Holz verschmelzen können. Ich habe nur auf Flüche geachtet und mir fünf dieser Biester auf einmal eingehandelt", knurrte Eunice.

"Ich wäre fast in eine Lavafalle reingeraten, diesen Fluch, der Gestein in glutflüssiges Zeug auflöst und dann noch auf einen losschießen läßt", sagte Roy. "Gut, daß ich den Feuerschildzauber konnte, der alle Feuerflüche um mich herumlenkt. Aber war schon wild, wie ich da durchkam."

"Tonya hat irgendwas erwischt. Die mußte zum Krankenflügel", berichtete Aurora.

"Oh, hat die nicht aufgepaßt", feixte Roy. Eunice räusperte sich tadelnd. Dann meinte sie:

"Ich hätte fast einen in so'nem Busch gefangenen Fluch übersehen, wenn dieses Grünzeug mir nicht so klapperdürr vorgekommen wäre."

"Ich habe einen Maleventus-Fluch aus einem Philodendron rausgejagt", sagte Aurora. "Offenbar steht Professor Silverbolt auf in Pflanzen eingelagerte Flüche."

"Da hat er bei dir ja auf Granit gebissen", meinte Roy dazu.

Später kamen die restlichen, nicht irgendwie verunstalteten Klassenkameraden nach. Außer Cynthia, die wohl doch in irgendwas hineingeraten war, daß sie nicht so unbeschadet davonkommen ließ, fehlte niemand mehr. Silverbolt kam wie ein siegreicher Feldherr ausschreitend herbei und öffnete die Tür. In der Klasse selbst betrachtete er seine Notizen und sagte:

"Auch wenn die etwas zu selbstsichere Tonya Rattler sich den Eiseninnereienfluch eingefangen hat werde ich sie wohl zur Prüfung empfehlen, immerhin ist sie ja noch rausgekommen. Ich gratuliere, ihr habt euch alle mit der gebotenen Umsicht und Geistesgegenwart durch meine kleinen Fallen geschlängelt. Überhaupt eine nette Variante, Aurora, daß du dir und den heraufbeschworenen Widersachern den Boden unter den Füßen weggezaubert hast. Die Falle wirkt nämlich nur auf Opfer, die nicht die Courrage besitzen, sich selbst mit irgendwelchen Flüchen zu beharken, nur um da rauszukommen. Hut ab!"

"Was ist dieser Eiseninnereien-Fluch?" Fragte Roy.

"Er verwandelt alle inneren Organe wie Herz, Lungen und Leber in belebte eiserne Nachbildungen, die eine geraume Weile lang wie unverändert weiterarbeiten, Luftholen und Blutkreislauf gehen noch. Aber mit der Verdauung wäre es irgendwann nicht mehr gegangen. Madame Pomfrey hat den entsprechenden GegenZauber parat. Allerdings muß Ms. Rattler danach erst einmal zwei Stunden ruhen, damit ihr Körper sich wieder einränken kann. Sie hätte die Weißdornhecke mit den damit verfluchten Dornen doch besser beachten sollen."

"Kriegen wir Noten für diese Höllenfahrt?" Fragte Petula Woodlane.

"Nein, kriegt ihr nicht. Hier ging's nur darum, durch alle Fallen und Flüche durchzukommen. Das habt ihr alle geschafft. Jetzt könnt ihr euch auf die eigentliche UTZ-Prüfung freuen, die ihr mindestens mit "Erwartungen übertroffen" packen müßtet. Drunter würde ich keinem von euch raten."

"Wie will der uns dann noch dummkommen", grinste Roy, als sie aus dem Unterrichtsraum entlassen waren und aufatmend zum Mittagessen gingen. "Wenn dieser Fluch nicht bald gestoppt wird wird das nix mit irgendwelchen Vergeltungsmaßnahmen."

"Er könnte dir als plärrender Säugling noch ans Bein pinkeln", wandte Mortimer ein. Aurora befand, daß über Silverbolts Zustand keine Witze gemacht werden sollten. Doch irgendwie verstand sie, daß die Jungen sich jetzt darüber lustig machen mußten, wie Silverbolt mit irgendwelchen Drohungen um sich warf. Sie fragte sich nämlich, ob er die von Roy und ihr entwickelte Idee wahrmachen würde oder sich lieber dem unausweichlichen Ende stellen wolle.

Nach dem so bedrückenden Parcours von Silverbolt empfand Aurora das Geplänkel der unteren Klassen erfrischend. Viele strampelten sich ab, noch für die Prüfungen genug zu lernen und riefen immer mal wieder nach den Vertrauensschülern, wenn es irgendwo hakte oder klemmte. Diese hatten zwar mit ihren eigenen Prüfungen genug zu tun, vor allem Philipp, dem Snape angekündigt hatte, daß er mit seinen Leistungen keinen passablen ZAG in Zaubertränken würde kriegen können. Doch Aurora machte ihm Mut, daß er erstens nicht von Snape geprüft würde und zweitens keinen sonderlichen Krach mit seiner Mutter zu erwarten hatte, nur weil er keinen überragenden Zaubertrank-ZAG hinbekam.

"Flitwick meinte, von meinen anderen Fächern her könnte ich auch in eine Abteilung des Ministeriums. Ich sollte mir aber mindestens bei zauberkunst und Verteidigung gegen die dunklen Künste einen guten Zag verschaffen, vielleicht noch Verwandlung behalten, wenn ich "Erwartungen übertroffen" schaffe", sagte Philipp Priestley dazu nur.

"Du machst deinen Weg, Philipp. Da bin ich mir ganz sicher", munterte ihn Aurora auf.

Irgendwie erschien die letzte Woche vor den Prüfungen merkwürdig unbeschwert. Das mochte daran liegen, daß die Prüfungsvorbereitungen mehr Unbehagen machten als die letzten Unterrichtsstunden vor den Prüfungen selbst.

Am Sonntag vor dem ersten der alles entscheidenden Tage sprach Professor Flitwick wie in jedem Jahr zu den Ravenclaws, vor allem zu denen, die ab morgen die ersten Jahresendprüfungen, die ZAG- oder UTZ-Prüfungen bestehen mußten. Er verwies darauf, daß die meisten aus Ravenclaw durch gute Leistungen und gründliche Studien hohes Ansehen in der Zaubererwelt errungen hätten und auch die diesjährigen Abschlußklässler sicherlich einen ruhmreichen Weg machen konnten, falls sie nicht doch in aller Bescheidenheit leben und sich mit den hier errungenen Kenntnissen und Fähigkeiten einen ruhigen und sicheren Halt im Leben verschaffen wollten.

"An die Damen und Herren, die ab morgen die wichtigsten Jahresendprüfungen ihrer Zeit in Hogwarts beginnen, nämlich jene, die die unheimlich tollen Zauberergrade erzielen, denke ich mit großer zuversicht und Gewißheit, daß Sie alle, wie Sie nun hier vorbereitet sind, jeder und jede für sich die Grundlage für das von ihr oder ihm angestrebte Leben erwerben wird. Ich spreche Ihnen meine Hochachtung aus, daß Sie alle, die Sie diesen langen und steinigen Weg bis hierher gegangen sind, sich nun der endgültigen Gewißheit stellen möchten, welche Fähigkeiten und Kenntnisse Sie für das spätere Leben erworben haben und daraus mit dem hier vermittelten Umfang an Wissen und Tätigkeiten für sich und alle, die Ihnen heute oder morgen etwas bedeuten das beste erreichen können. Ich wünsche Ihnen allen, ob Erstklässlern oder Siebtklässlern, sichere und erfolgreiche Prüfungen!"

Nachdem Flitwick wieder gegangen war, meinte Roy:

"Es ist echt schade, daß Bruster nicht mehr da ist, Dina und Aurora. Ich hätte gerne gewußt, wie sein Vater die UTZs von ihm findet."

"Nun, womöglich würde sein Vater sie nur als die notwendige letzte Übung sehen, damit sein Sohn sich in der Zaubererwelt zurechtfindet", sagte Aurora.

Alle, auch die ältesten Schülerinnen und Schüler, gingen an diesem Abend sehr zeitig schlafen. Denn morgen begannen die wichtigsten Tage des Schuljahres und für Schüler wie Dina, Petula, Aurora, Mortimer und Roy waren es die entscheidenden Tage in Hogwarts überhaupt.

__________

Am Montagmorgen flirrte die Luft vor nervöser Spannung. Sämtliche Schülerinnen und Schüler fieberten bange oder aufgeregt der ersten Prüfung entgegen. Aurora befragte noch einmal den Prüfungsplan. Diesem nach sollten die ZAG- und UTZ-Prüflinge heute in Verwandlung abgefragt und begutachtet werden. Dina und Roy, die dieses Fach ja nicht mehr hatten, würden heute also einen Freien Tag haben. Roy wollte mit Dina noch die höheren Illusionen durchgehen, die im letzten Jahr und dem ersten Schuljahresdrittel behandelt worden waren, bishin zur Tarnung toter Objekte.

Wie bereits bei den ZAGs wurde sämtlichen Abschlußklässlern Antibetrug-Schreibzeug ausgehändigt. Professor Flitwick führte die Aufsicht in der großen Halle, aus der die großen Haustische entfernt und durch hunderte von Einzeltischen ersetzt worden waren.

"Erläutern Sie das Zusammenspiel von Zauberformeln und Zauberstabbewegungen bei der einfachen Inanimatus-Konjuration!" Lautete die erste Aufgabe der UTZ-Prüfungen. Aurora las erst einmal sämtliche Aufgaben durch, notierte sich dann Stichpunkte und schrieb die ihr als richtig erscheinenden Antworten in Reinform nieder. Pergament hatten sie unbegrenzt zur Verfügung. Sie mußte dann noch den Unterschied in der Wirkung bei schnelleren oder langsameren Zauberstabbewegungen beschreiben, die Formeln für Materialisationen und Animationen ursprünglich unbelebter Dinge aufschreiben, Skizzen zeichnen, wie der zauberstab bei eingeschhränkter Selbstverwandlung geführt werden mußte und auch gesetzliche Bestimmungen aus dem Kopf zitieren, die für die Beschwörung toter dinge wie die teilweise oder vollständige Humantransfiguration galten. Sie beschrieb mögliche Fehler- und Gefahrenquellen, Schwierigkeitsgrade bei lebender und toter Materie und schrieb ihre Meinung zu Wendels Aussage nieder, daß eine permanente Selbstverwandlung zur Annahme aller körperlich-seelischen Eigenheiten führte. Alles in allem hatte sie am Ende des theoretischen Prüfungsteils ein sehr gutes Gefühl. Als Flitwick mit "Accio Unterlagen!" sämtliche Aufgaben- und Lösungspergamente zu sich hinfliegen ließ, sah sie zu Petula hinüber, die etwas mißmutig auf das nun leere Schreibpult starrte. Philipp, der in den Reihen der ZAG-Prüflinge saß, lächelte sehr zufrieden, als seine große Cousine ihn fragend ansah. Er schrieb mit den Fingern der rechten Hand ein V für Victoria, den Sieg, in die Luft. Aurora widerstand der Versuchung, diese Geste zu erwidern. Denn ob sie mit der Theorie bereits einen sicheren UTZ in Verwandlung hatte wollte sie besser nicht annehmen.

Nach dem Mittagessen versammelten sich die Siebtklässler in der Wartehalle, in der sie als noch nicht den Häusern zugeteilte Erstklässler auf die Erlaubnis zum Einrücken in die Ggroße Halle gewartet hatten.

"Der Kreis schließt sich, nicht wahr?" Wisperte Miriam Aurora zu. "Damals sind wir hier hingebracht worden, damit die unsere Zuteilung vorbereiten konnten, heute sollen wir hier warten, um unsere Abschlußprüfungen zu machen."

"Ja, schon spannend", erwiderte Aurora flüsternd. Petula fügte dem noch hinzu:

"Ich hoffe, ich kann denen zeigen, daß ich das theoretische auch praktisch machen kann."

"Professor McGonagall sagte, wir alle hier könnten das", sagte Aurora. Sie überblickte die relativ kleine Gruppe der Verwandlungs-UTZ-Kandidaten.

"Armstrong, Branigan, Bunton, Dawn!" Rief Professor McGonagall, die es sich nicht nehmen ließ, die Oberaufsicht über die nun stattfindenden praktischen Prüfungen in der Halle zu führen. Eunice, Tara, Melinda und Aurora verließen die Wartehalle und wurden vier der freien Prüfer zugeteilt. Aurora sollte von Professor Marchbanks, einer schon betagten Hexe, examiniert werden.

"Fühlen Sie sich gut, junge Miss?" Fragte die Prüferin fürsorglich.

"Ja, mir geht es sehr gut", sagte Aurora laut genug, daß die ältere Hexe es gut verstehen konnte. Dann sollte sie zunächst kleinere Gegenstände heraufbeschwören, dann mehrere zugleich, dann Mögel durch Zeichnen in die Luft verstofflichen. Anschließend beschwor sie einen kleinen Schwarm Kanarienvögel herauf, der laut zwitschernd herumflog, bis Marchbanks mit einer etwas holperig wirkenden Zauberstabfolge die heraufbeschworenen Tiere in Rauch aufgehen ließ. Aurora hatte alle verlangten Zauber ungesagt hinbekommen. Dann ging es um die eingeschränkte Selbstverwandlung. Als sie auch hier drei Anweisungen ausgeführt und danach den Ursprungszustand wiederhergestellt hatte, ging es an die höhere Selbstverwandlung in Nebelgestalt, Wassersäule und dann in lebende Tiere und Pflanzen und dann in tote Gegenstände. Dabei schien Marchbanks darauf wertzulegen, daß die Eigenschaften der anzunehmenden Gestalten so originalgetreu wie möglich waren. Aurora fühlte dies unangenehm, als sie sich in einen einen Meter hohen Tonkrug verwandelte und es dumpf in sich nachklingen fühlte, als Marchbanks sie beklopfte oder wie belastend es war, als sie für eine Minute ein kleines Sofa sein sollte und Marchbanks sich mit Schwung auf sie warf.

"Wunderschön", sagte Marchbanks, nachdem Aurora alle Anweisungen ausgeführt hatte. "Man merkt, daß Sie noch sehr jung sind. Ich kenne Hexen und Zauberer, die sich bei einer Verwandlung in Möbelstücke nicht so rasch umwandeln können und dann auch entsprechend betagt aussehen und wahrlich rostige Sprungfedern beinhalten. Allerdings brauchen Sie derlei Verwandlungskunst ja sehr selten im Leben. Aber die Prüfung haben Sie soweit überstanden."

Aurora kehrte in die Wartehalle zurück, aus der der nächste Schwung der Kandidaten herausgerufen worden war.

"Tofty ist echt ein komischer Kauz", meinte Eunice leise, als sich die bereits geprüften auf Geheiß McGonagalls von den noch zu prüfenden weit genug weg zusammengestellt hatten. "Der wollte wissen, ob ich auch ohne Zauberstab zaubern könne."

"Du hast ihm das bestimmt gezeigt", meinte Aurora leise. Eunice nickte verhalten.

"Nur bei der Verwandlung, weswegen Professor McGonagall mich ersucht hat, das dem Ministerium zu melden", sagte Eunice.

Als Petula leicht erschöpft aber zufrieden lächelnd aus der Prüfung kam klatschten sich alle gegenseitig auf die Schultern. Die erste Prüfung war geschafft, und es hatte keiner und keine bleibenden Schaden angerichtet oder davongetragen.

Am nächsten Tag stand Zauberkunst auf dem Prüfungsplan. Hier waren nun auch Dina, Dorian und Roy mit von der Partie. Einer der ZAG-Prüflinge stieß ein lautes "Ui" aus, als Eunice in der praktischen Prüfung einmal zwei kleine Zauberfeuer, einen tanzenden Tisch, eine fliegende Untertasse und eine aus einer Vase einen Meter hoch sprudelnde Fontäne zur selben Zeit zauberte. Aurora war gerade dabei, das Schreibpult des Prüfers unsichtbar zu machen, was ihr erst im zweiten Anlauf gelang. Als sie dann noch eine Skulptur aus unschmelzbarem Eis gezaubert hatte, die einem sitzenden Hund sehr ähnlich sah, meinte ihr Prüfer, daß sie tatsächlich auch große Kreativität besitze.

"Wenn Sie im Leben tiefergehende Zauberkunststudien betreiben werden Sie wohl auch die vollständige Unsichtbarkeit am lebenden Wesen erlernen", meinte der Prüfer und führte ihr vor, wie das dann aussah, wenn ein Zauberer sich ohne Tarnumhang unsichtbar machte. "Es mag Situationen geben, in denen Sie von niemandem gesehen werden dürfen. Allerdings ist der Erhalt der Unsichtbarkeit mit einem hohen Maß an Konzentration verbunden. Nicht jeder bringt die nötige Anstrengung auf, dauerhaft unsichtbar zu bleiben." Aurora nickte. Die vollständige Selbstverhüllung bedurfte großer Zauberkraft und Erfahrung, hatte Flitwick ihnen ausführlich erläutert. Wer also dauernd unsichtbar bleiben und sich dabei auf andere Dinge konzentrieren wollte war mit einem Tarnumhang besser beraten.

"Sie sind dann Fertig, Ms. Dawn", sagte der prüfer wohlwollend lächelnd. Aurora bedankte sich bei ihm und verließ die große Halle wieder.

Dina jubelte, als sie alle wieder in Ravenclaw waren. Sie hatte alle geforderten Zauber ungesagt bewirkt, wenngleich sie mit den Illusionen und den simultanen Zaubern doch ihre liebe Not gehabt hatte.

Am Mittwoch waren die Leute aus Pflege magischer Geschöpfe an der Reihe, was für Aurora einen wunderbaren Ruhetag bedeutete. Dafür war dann am Donnerstag mit den alten Runen wieder etwas, wo sie doch sehr arg zu kämpfen hatte. Zwar hatte sie mit den für mächtigere Zauber so wichtigen Runen keine Probleme, jedoch mit den Deutungen Verschiedener Runenreihen. Wenn sie hier noch ein "Akzeptabel" erreichte, würde sie sich sehr freuen.

Am Freitag kamen die Zaubertränke dran. Aurora war neben Dina eine derjenigen, die die größte Menge Pergament beschrieb, weil in vielen Fragestellungen nicht nur Rezepturen abgefragt wurden, sondern auch Alternativformen, Einzelwirkungen und Wirkungsänderungen bei einzelner Dosierungsabweichung. Aurora verstand jetzt, warum Snape so erpicht darauf war, daß sein Fach als so wichtig angesehen wurde. Am Nachmittag hieß es dann, einen Trank aus mindestens vierzig Zutaten zu brauen, jeder Kandidat einen anderen aus den letzten zwei Schuljahren. Zumindest war Snape nicht in der großen Halle, nahm nicht nur Aurora beruhigt wahr.

"Die Gryffindors trainieren am Wochenende", meldete Philipp Priestley dem Ravenclaw-Mannschaftskapitän.

"Ist ja auch kein Wunder, wo die nur Leute aus den Klassen zwei bis vier in die Mannschaft geholt haben", meinte Mortimer. "Wir machen das aber nicht, Leute! Am Montag steigt bei uns Verteidigung gegen die dunklen Künste. Da will ich mich nicht vorher bei Quidditch so ausgepumpt haben."

Dann kam der Montag und mit ihm die Prüfung in Silverbolts Fach. Der Lehrer dieses Unterrichtsfaches führte die Aufsicht. Er wirkte nun fast wie ein Mann Anfang Zwanzig. Womöglich, so vermutete Aurora, würde er am Ende der Woche keinen Bart mehr haben und vielleicht mit Anti-Pickel-Mixturen hantieren müssen. Dann würde es sich wohl zeigen, ob er bald als lebensunfähiger Ungeborener oder blitzartig alternder Greis sterben würde. Aurora dachte daran, daß er wohl die erste Variante wählen würde, da er hierbei wohl keinen Schmerz mehr fühlen würde.

"Die Theorie war schön einfach", meinte Roy. "Ich denke, ich habe alle Fragen so ausführlich und richtig wie verlangt hingeschrieben."

"Ich hatte bei dieser einen Frage nach den Schwächen der Nachtschatten doch etwas Probleme", gab Mortimer zu. "Aber sonst ... Könnte ein passabler UTZ sein."

Am Nachmittag führten die UTZ-Kandidaten ein feuerwerk ungesagter Abwehrzauber auf, während die zeitgleich geprüften ZAG-ler sich wild abstrampelten, um die niederen und mittleren Flüche und Gegenflüche brauchbar hinzubekommen. Aurora hatte wieder Marchbanks als Prüferin, die sie arg drangsalierte, indem sie sich mit ihr ein wildes Duell lieferte. Zwischendurch beschwor sie schwarze Schlangen oder angriffslustige Krähen herauf, die Aurora schnell zerstreuen mußte, um nicht verletzt zu werden.

"Wunderbar, Ms. Dawn. Sie haben es überstanden! In diesem Fach ist Unversehrtheit gleichbedeutend mit null Fehlern, und Sie haben alle zu zeigenden Zauber ungesagt gewirkt. Herzlichen Glückwunsch!"

Natürlich hatten auch Eunice, Miriam und Roy ihre praktischen Prüfungen geschafft, ebenso Tonya Rattler, die Eunice einen triumphierenden Blick zuwarf.

"Die kriegt meine UTZs nicht mit und ich nicht ihre", meinte Eunice nach dem Prüfungstag amüsiert. "Da braucht die also nicht so zu grinsen."

"Morgen noch Kräuterkunde und übermorgen Muggelkunde", meinte Aurora zu ihr. "Dann haben wir es hinter uns."

"Ja, und dann kommt noch das große Spiel und der Abschlußball."

"Der Abschlußball? Hier in Hogwarts gibt's doch sowas nicht", meinte Aurora.

"Eigentlich nicht", erwiderte Eunice geheimnisvoll. "Aber ich habe mit meinen Eltern geredet und mit Dumbledore, ob wir von der Abschlußklasse dieses Jahr nicht mal einen haben sollten. In den Staaten haben die einen, in Frankreich und in Spanien auch. Wäre doch mal was neues, wenn wir hier auch sowas hätten."

"Aber sicher", entgegnete Aurora begeistert. "Aber dann müßten wir das ganz alleine organisieren. Und die blöden Slytherins müßten wir ja dann auch dabeihaben."

"Komm, daß sollte uns die Sache wert sein, denen zu zeigen, daß wir die letzten Tage feiern, wo wir uns mit denen abgeben müssen", meinte Eunice dazu nur. Aurora nickte.

Die Kräuterkundeprüfung hätte Dina und Aurora nicht lange genug dauern können. Sie fanden zu den Fragen so viel zu schreiben, daß sie immer wieder auf die Uhr sahen, um in der verfügbaren Zeit alle wichtigen Fragen beantwortet zu haben. Nachmittags arbeiteten sie mit Lauerbüschen und anderen hochpotenten Zauberpflanzen.

"Und, zu einfach?" Fragte Petula Aurora nach den praktischen Prüfungen.

"Will ich nicht behaupten. Aber irgendwie hätte ich zu den südasiatischen Sumpfsprossen noch mehr zu schreiben gehabt", sagte Aurora nur, ohne groß angeben zu wollen.

"Falls du da wieder ein O kriegst wird das wohl auch wieder unterstrichen", grinste Petula. Aurora hielt es für besser, nichts dazu zu sagen.

Am nächsten Tag stand für sie die letzte Prüfung auf dem Plan: Das Studium der nichtmagischen Welt, auch Muggelkunde genannt. Da sie mit Bruster und Roy immer sehr umfangreich gelernt hatte, wußte sie auf alle Fragen eine kurze oder alles berücksichtigende Antwort, so zum Beispiel was ein Fernsehgerät war und wie und wozu es in der Muggelwelt benutzt wurde.

Die restliche Woche war für Aurora reine Erholung, während die anderen noch Arithmantik, Wahrsagen, Geschichte und Astronomie machten. Als Dina dann am Freitag um Mitternacht zufrieden von der Prüfung zurückkehrte fiel sie erschöpft ins Bett. Die nun immer mehr ausgeprägte Schwangerschaft machte ihr doch langsam ordentlich zu schaffen, bemerkte Aurora.

"Nach dem Quidditchspiel nächste Woche ist der Abschlußball", sagte sie ihren Klassenkameradinnen. "Eunice, Cynthia, Tonya und ich haben uns darauf verständigt, die Dekoration zu machen, während Dorian, Herman und die anderen Siebtklässler-Vertrauensschüler das Essen heranschaffen. Wir feiern im südlichen Park, nach neun Uhr abends."

"Eunice, die Rattler und du? Oh, wer hat denn da wie viele Kröten schlucken müssen?" Fragte Miriam biestig.

"Das ist ganz einfach, Miriam. Wenn der Ball um ist, ist die Schule so gut wie um. Dann sind wir einander los, und das eint uns", antwortete Aurora darauf.

"Hoffentlich muß keiner die Prüfungen wiederholen", meinte Dina.

"Das kannst du dir dann ja überlegen, ob du das machst oder nicht, wenn du müßtest, Dina", sagte Miriam. "Zumindest bin ich froh, mit Verwandlung nicht so heftig danebengegriffen zu haben wie ich befürchtet habe."

"Leute, das ist jetzt Geschichte", seufzte Petula. "In zwei Wochen ist Hogwarts für uns zu Ende. Dann müssen wir kucken, wie wir in der großen Welt klarkommen. Ist euch das eigentlich klar?"

"Schon die ganze Zeit", erwiderte Aurora leicht betrübt. "Andererseits können wir ja nicht ewig in der Schule bleiben. Wir wollen ja mal was machen, wo wir später sagen können, daß wir das gemacht haben und kein andrer."

"Bei dir mache ich mir da echt keine Gedanken", grummelte Miriam an Auroras Adresse. "Die warten doch schon in St. Mungo auf dich, wenn die UTZs verkündet werden. Oder gehst du doch woanders hin?"

"Weiß ich immer noch nicht, Miriam. Madame Pomfrey sagt, die hätten im St.-Mungo-Krankenhaus fast alle Ausbildungsplätze besetzt. Selbst wenn ich alle UTZs mit ohne Gleichen habe könnte das eng werden, und ich weiß nicht, ob ich bei Verwandlung nicht doch was verpatzt habe."

"Wir kriegen die UTZs ja im Juli. Dann wissen wir's ja", meinte Petula dazu nur. Aurora nickte. Dann wünschte sie allen eine gute Nacht.

__________

Silverbolt beharrte darauf, den Unterricht noch so lange wie möglich erteilen zu können. jetzt sah er schon aus, als stünde er gerade vor den UTZs. einen Tag später hätte er sich zu den ZAG-Schülern hinstellen können, ohne aufzufallen. Trotz daß er selbst weiterunterrichten wollte bekam jeder und jede mit, daß ihm der umgekehrte Stimmbruch doch sichtlich zu schaffen machte. Denn es gelang ihm nicht mehr, beeindruckend zu knurren oder zu blaffen. Jedesmal gab es lustige Kiekser, wenn er so laut wie sonst sprechen wollte und erntete damit eher schadenfrohes Grinsen als Respekt. Tonya meinte einmal zu ihm:

"Ich schlage vor, Sie melden sich krank, Sir. Sonst paßt hier keiner mehr richtig auf."

"Noch kann ich euren Häusern Punkte wegnehmen", schnaubte Silverbolt, wobei sich seine Stimme nach oben überschlug. Erst grinsten alle, dann sahen sie ihn bedauernd an. Einer von Tonyas Kameraden meinte, daß Silverbolt auch mit 'nem Schnuller im Mund noch zum Unterricht krabbeln würde. Dafür setzte es dann gleich vierzig Punkte Abzug für Slytherin und die Strafarbeit, Hausmeister Filch beim Scheuern aller Böden im Schloß zu helfen, damit das Schloß beim offiziellen Jahresabschlußfest glänzte und funkelte.

Nach der Stunde bat Aurora Silverbolt um eine Minute Zeit. Der nun schlachsig wirkende Jüngling mit dem hellblonden haar und den grasgrünen augen in einem rosigen, haarlosen Gesicht sah sie erst mißmutig an, nickte dann aber. Er versperrte die Tür und baute einen Klangkerker auf.

"Auch wenn Tonya eher schadenfroh rüberkam hat sie doch leider recht, Sir", sagte Aurora direkt heraus. "Keiner würde einem Jungen unter siebzehn Jahren mehr zuhören, Sir. Selbst wenn wir alle mitbekommen konnten, was mit Ihnen passiert geht der Respekt doch irgendwann verloren."

"Das merke ich gerade an dir", schnarrte Silverbolt. Aurora ließ das kalt. Sie fuhr einfach fort:

"Falls Sie sich wirklich respektabel verabschieden wollen, Sir, dann erklären Sie von sich aus, daß Sie nicht mehr unterrichten können, Sir. Sonst ist Ihr guter Ruf schnell weg. Abgesehen davon, daß Sie wohl in einer Woche Probleme mit dem Laufen haben werden, falls Sie nicht doch noch ein Gegenmittel für Ihr Leiden gefunden haben."

"Habe ich, verdammt noch mal! Zumindest denke ich, daß mein alter Freund und eure bemutternde Heilhexe da nicht so verkehrt liegen und ich eh nichts zu verlieren habe."

"Was meinen Sie?" Fragte Aurora unwissend tuend.

"Als wenn du das nicht wüßtest, Mädchen", knurrte der Zauberer, der nun gerade noch so groß wie Aurora Dawn war, wo er sie vor anderthalb Wochen noch um einen Kopf überragt hatte. "Die wollen mir den Infanticorpore-Fluch aufbraten, wenn ich eh schon fast in den Windeln liege. Allerdings soll ich dazu mein kleines Schmuckstück weglegen, damit Kalsharin Daragasadins Fluch sich wieder in die andere Richtung dreht und kurz bevor er sich in seine wahre Form zurückverwandelt mit dem Baby-Fluch behext werden. Wenn das klappt, fange ich eben neu an."

"Huch, das wußte ich nicht", log Aurora Dawn. Doch Silverbolt funkelte sie sehr zornig an.

"Mädel, wenn du mich noch mal so frech belügst sausen alle blauen Steine aus eurem Punkteglas nach oben zurück", schnaubte er höchst verärgert. "Albus ist zwar ein guter Okklumentor, aber Madame Pomfrey sollte in dem Fach mal Nachhilfestunden nehmen, geschweige denn, daß du das bisher noch gar nicht einmal angefangen hast, Aurora Dawn. Hat nicht lang gedauert, sie festzunageln, wie die beiden auf diesen wahnwitzigen Einfall gekommen sind. Du und der Fielding-Bursche haben die drauf gebracht, Weg des geringsten Widerstandes, Überlagerung und noch so muggelmäßige Erklärungsansetze, verdammt! Der einzige Grund, warum ich mich auf diesen Irrsinn einlassen will ist, daß ich keine bessere Lösung erkennen kann und trotz allem noch keine Lust aufs Sterben habe, egal in welcher Form. Ich warte also, bis mir sämtliche Zähne im Maul verschwunden sind und gebe meinem alten Freund meinen Heilsstern. Wehe ihm, wenn dieser Trick nicht klappt!"

"Sir, Professor Dumbledore gab mir die Anweisung, Ihnen nicht damit zu kommen, daß ich mich mit ihm darüber unterhalten habe", sagte Aurora Dawn eingeschüchtert. Dann straffte sie sich und sah Silverbolt geradeheraus in die Augen:

"Wenn ich echt Heilerin werden will, Sir, muß ich mich damit auseinandersetzen, wie Fluchopfern geholfen werden kann. Ob Sie das jetzt gutfinden oder nicht, Sir, Sie haben mich dazu verpflichtet, Ihnen so gut es ging zu helfen, weil Sie mir damals gegen diesen unheimlichen Dämonen geholfen haben. Falls das funktioniert, was Professor Dumbledore und Madame Pomfrey mit Ihnen versuchen wollen, werde ich sehr viel ruhiger schlafen können. Falls nicht, weiß ich dann, daß längst nicht jedes Problem rechtzeitig gelöst werden kann. In jedem Fall haben Sie mir dann eine sehr wichtige Lektion erteilt, Sir."

"In jeder Hinsicht?! Klar, Mädchen."

"Mein Name ist Aurora oder Ms. Dawn, Sir", erboste sich Aurora nun unvermittelt heftig. "Die Anrede Mädchen oder Kind lasse ich nur noch meinen Eltern oder Großeltern durchgehen, und auch nur in besonderen Fällen, Sir. ich sage ja auch nicht "Junge" zu Ihnen, Sir."

"Das würde ich dir auch nicht raten, freche Göre", knurrte Silverbolt verärgert. Doch Aurora stand vor ihm, sah ihn sehr energisch an, ja bekam eine immer ausgeprägtere Wölbung zwischen den Augen. Silverbolt versuchte, sich noch mehr zu straffen. Dabei glitt der blaue Umhang von seinen Schultern, den er sich wohl hatte machen lassen. Aurora sah, daß er darunter kein Unterzeug trug. Nackt und kahl gläntzten Schultern und Brustkorb des einst so hünenhaften Zauberers. Dieser schwang seinen Zauberstab in Türrichtung. Krachend flog die Tür auf. Der Klangkerker erlosch. Die Tür besaß so viel Schwung, daß sie laut knirschend aus den Schanieren sprang. Aurora verstand, daß sie hier und jetzt nicht mehr erwünscht war. Sie wandte sich um und tauchte durch die Türöffnung, bevor Silverbolt noch irgendwas sagen konnte. Denn der Lehrer stand da vom Hals bis zu den Ohren knallrot angelaufen. Er war dem Umhang, den er gerade vor zwei Tagen noch bekommen hatte entschrumpft.

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"Da sind die Helden von Gryffindor, die in den nächsten Jahren die Ehre ihres Hauses verteidigen wollen. Professor McGonagall und Madame Hooch haben nur die von der alten Mannschaft dringelassen, die nicht an dieser unsinnigen Reiberei mit Leuten aus einem anderen Schulhaus beteiligt waren. Heatherbloom ist der vorübergehende Kapitän der Mannschaft. Wenn er sich hier und heute bewährt, könnte er auch im nächsten Schuljahr das Abzeichen tragen, werte Zuschauerinnen und Zuschauer", sagte der Stadionsprecher, als die sieben Spieler in scharlachroten Umhängen auf das Feld traten. Ihre Anhänger jubelten und schwenkten Schals und Fahnen. Auch die in saphirblau auflaufenden Ravenclaws hörten und sahen, daß sie viele Fans hatten.

"Für Ravenclaws Kapitän Swift ist dies heute das letzte Spiel seiner Schulzeit in Hogwarts, ebenso für die Jägerkönigin Aurora Dawn. Heute wollen Sie es wissen, ob die lange Warterei sich doch noch gelohnt hat und sie den Pokal erneut gewinnen können. - Die Kapitäne begrüßen sich. Gideon Heatherbloom wirkt sehr gefaßt. Doch wird er die große Bürde bravurös tragen? - Der Schnatz wird aufgelassen. Der Sucher, der ihn fängt entscheidet bestimmt die Partie. Denn beide Mannschaften haben gute Jäger. - Jetzt läßt Madame Hooch die Klatscher frei, die bitterbösen Bälle, die heute bestimmt wieder einigen Spielern gut zusetzen werden. - Der Quaffel fliegt hoch! Alle Spieler sind in der Luft!" Rief der Sprecher, als der scharlachrote Spielball nach oben geworfen wurde und auf Madame Hooches Trillerpfeifensignal alle vierzehn Spieler auf ihren Besen emporstiegen. "Dawn hat den roten Ball erflogen und ist schon an Heatherbloom vorbei. Preston wehrt den zu lau geschlagenen Klatscher sicher ab, trifft fast Maureen O'Sullivan aus der zweiten Klasse, die wohl als Rückversicherung vor dem Torraum spielen soll ... aber nicht an den Ball kommt, weil Dawn sich mit ihrer überragenden Doppelachse ganz cool abgesetzt hat und ... Toor!"

Die Gryffindors fanden in den nächsten zehn Minuten überhaupt nicht in ihr Spiel. Die Ravenclaws holten sich fast jede halbe Minute weitere zehn Punkte, nicht nur weil Aurora alle gegnerischen Jäger und den bedauernswerten Hüter gekonnt ausmanövrierte, sondern auch weil Vivian Acer, die von ihr gut gelernt hatte zeigte, daß die im nächsten Jahr noch verbleibenden Ravenclaws keine Sorgen um eine würdige nachfolgerin haben sollten. Mortimer blieb vor seinem Tor und dirigierte die beiden Treiber, die Klatscher weit genug ins gegnerische Feld zu dreschen, damit er auch weiterhin ruhig auf seinem Besen fliegen konnte. Die Gryffindors wurden immer leiser, obwohl Professor McGonagall immer wieder Anfeuerungsrufe anstimmte. Die Ravenclaws klatschten nur noch, wenn weitere Punkte für ihre Mannschaft eingefahren wurden. Die Slytherins gaben es bald dran, Spottgesänge auf die blutigen Anfänger der Gryffindors zu singen. Als dann Heatherbloom einmal den Quaffel erfliegen und damit zum gegnerischen Tor fliegen konnte, wachten die Gryffindors nicht aus der Endzeitstimmung auf. Selbst als er mit mehr Wut als Geschick den roten Ball warf und Mortimer ihn nicht mehr abfangen konnte dachte niemand, daß damit die Wende eingeleitet werden mochte. Tatsächlich setzte es nach diesem einen Tor eine Serie von sieben Toren, sodaß selbst wenn die Gryffindors den Schnatz erwischen würden Ravenclaw mit fünfzig Punkten Vorsprung gewinnen würde.

"Dawn ist auf dem Weg, ihr zwölftes Tor in dieser Partie zu machen, hochverehrtes Publikum. Offenbar haben ihre Kameraden die lange Wartezeit doch erheblich besser zu nutzen gewußt", seufzte der Stadionsprecher leicht gelangweilt, weil in dem Spiel jetzt kein Funken Spannung mehr mitschwang. Die Gryffindors wurden regelrecht in Grund und Boden gestampft. Dann passierte es. Preston wehrte gerade einen Klatscher aus Auroras Flugbahn ab. Diese preschte vor und warf den Quaffel ab. Der Klatscher flog gegen den rechten Ring und prallte mit lautem Kloing ins Feld zurück, schwirrte wie eine abgefeuerte Kanonenkugel aus dem Torraum und krachte mit voller Wucht in Auroras Besenschweif, der in tausend Einzelteilen auseinandersplitterte. Aurora wurde von der Wucht des Treffers herumgerissen. Sie versuchte, den schweiflosen Besen notzulanden. Doch der Stiel kippte nach vorne und raste senkrecht auf das Feld zu. Aurora konnte den Absturz nicht mehr verhindern. Aus fünfzehn Metern Höhe raste sie dem Boden entgegen. Wollte sie nicht mit dem Kopf zuerst oder mit voller Wucht auf dem Bauch aufschlagen mußte sie sich von dem nun unbrauchbaren Nimbus 1500 lösen. Sie stieß sich ab und zog die Beine an. Der Besenstiel wirbelte herum, traf sie dabei am Hinterkopf und ließ sie einen bunten Sternenregen sehen. Dann kam der dumpfe Aufprall. Sie hatte ihre Beine angezogen und wollte sich abrollen. Doch ihre Beine knickten wie abbrechende Zweige weg, und die Wucht raubte ihr den Rest an Besinnung. Daß der entschweifte Besen mit lautem Pflopp bis zur Hälfte in den weichen Boden des Feldes hineinfuhr bekam sie nicht mehr mit.

Als sie wieder zu sich kam lag sie bandagiert im Krankenflügel. Ihr Kopf dröhnte wie eine ständig geschlagene Kesselpauke. Ihr Rücken schmerzte wie mit eisernen Keulen traktiert, und ihre Beine schickten Wellen von unerträglichem Schmerz an ihr Gehirn. Doch der Schmerz ließ langsam nach. Sie sah, wie Madame Pomfrey mit dem Zauberstab an ihrem rechten, ordentlich ausgerichteten Bein hantierte. Es kribbelte und prickelte in kurzen Stößen. Doch jedesmal ebbten die schier unerträglichen Schmerzen weiter ab, bis sie im rechten Bein keinen Schmerz mehr fühlte.

"Bleib ja liegen, du Heldin!" Knurrte die Schulheilerin. "War schon mühsam genug, deine verdrehten Beine auszurichten, damit ich die vielen Brüche heilen kann."

"Oh, Mist, ich bin vom Besen geknallt", stöhnte Aurora.

"Ja, und weil du die Idee hattest, bloß auf den Beinen zu landen hast du dir fast alle Knochen darin gebrochen. Hätte nicht viel gefehlt, und wir hätten Antrag auf Ersatzbeine stellen müssen. Mädchen, was hast du dir denn dabei gedacht?"

"Ich dachte, mich fängt wer auf", grummelte Aurora.

"Hat Professor Dumbledore versucht. Aber weil du genau in dem Moment aus seiner Zauberstabausrichtung gehüpft bist ist der Fallbremsezauber in leere Luft gegangen. Das war wirklich sehr dumm von dir, abzuspringen, Aurora", schimpfte Madame Pomfrey. Dann ging sie daran, die von ihr erwähnten Knochenbrüche im linken Bein zu reparieren.

"Haben meine Arme auch was abgekriegt?" Fragte Aurora, als sie ihren überschweren Kopf drehte und sah, daß ihre Arme auch bandagiert waren.

"Prällungen. Die kriegen wir gleich weg. Aber du hast dir eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen, als dein Besen dir zum Abschied einen Klaps auf den Hinterkopf gegeben hat. Am besten bleibst du die Nacht hier bei mir."

"Oh, das ist echt blöd", stöhnte Aurora. Als ihr linkes bein zu schmerzen aufgehört hatte löste die Heilerin die ausrichtenden Bandagen und begutachtete ihr Werk. Aurora bewegte zuerst die Zehen, spannte dann vorsichtig die Wadenmuskeln an, beugte erst sacht, dann entschlossen ihre Knie und zog die gerade eben noch knapp an der Amputation vorbeigeschrammten Beine so weit es ging an den Bauch.

"Die Stehprobe machen wir morgen, wenn die Gehirnerschütterung abgeklungen ist", sagte die Heilerin.

"Aber ich wollte doch heute abend zum Abschlußklässlerball gehen", knurrte Aurora verärgert.

"Sei froh, daß du überhaupt noch mal irgendwo tanzen kannst, Aurora", knurrte die Schulheilerin zurück. Dann behandelte sie die geschwollenen Arme, kurierte die etwas angebogene Wirbelsäule und gab ihr mehrere Tränke zur Bluterneuerung und gegen die Auswirkungen einer Gehirnerschütterung.

Mehrere jubelnde Ravenclaws stürmten den Krankenflügel. Offenbar hatten sie vor der Tür gewartet und trauten sich jetzt herein.

"Ist das denn die Möglichkeit?!" Schimpfte die Schulkrankenschwester, als Mortimer Swift, Tim Preston, Roy Fielding und Vivian Acer an das Behandlungsbett eilten. Dann ergoß sich ein weiterer Pulk erfreuter Ravenclaws in den Raum. Madame Pomfrey setzte schon an, die Bande hinauszujagen, als Mortimer rief:

"Philipp, bring ihn rein!" Philipp Priestley kam gefolgt von seiner Schwester Agatha herein, nickte Petula, Miriam und Dina zu, passierte Nelly Flowers, die mit Vivian um die Wette strahlte und nickte Tim zu, der sich hocherhobenen Hauptes neben Auroras Bett aufgepflanzt hatte. In den Händen hielt der Vetter der verunglückten Jägerin einen großen, glänzenden Gegenstand mit zwei wuchtigen Henkeln, der im Licht der angezündeten Lampen silbern wie ein Schwarm von Monden funkelte. An einer Seite war die Inschrift: "1984 Ravenclaw" eingraviert. Philipp trat mit der Trophäe triumphierend ausschreitend zu Aurora hin und ging in die Knie:

"Den haben wir uns noch mal geholt, Cousinchen. Vierhundertfünfzig Punkte mit Schnatzfang. Die Gryffindors haben außer Heatherblooms zehn Punkten nix mehr gerissen."

Aurora lächelte. Obwohl ihr Gesicht kreideweiß aussah wirkte sie sehr erleichtert.

"Professor Dumbledore läßt ausrichten, daß er gleich vorbeikäme und sich selbst erkundigt, wie es dir geht", fügte Philipp noch hinzu und übergab Mortimer den Pokal, der ihn Aurora vorsichtig in die Arme legte.

"Kommt, bei aller Euphorie, muß eure Mitschülerin nicht auch noch dieses schwere Ding auf dem Bauch liegen haben", tadelte Madame Pomfrey und entwand der Patientin den Pokal. Sie gab ihn an Mortimer zurück und zischte allen zu, sie möchten sich in ihr Haus zurückbegeben und den anderen mitteilen, daß ihre Kameradin so gut wie geheilt sei, aber wohl noch eine Nacht im Krankenflügel zubringen müsse. Petula sah die Heilerin mißmutig an. Dann fragte sie:

"Kann Sie noch nicht aufstehen oder wie?"

"Sagen wir es so, daß ich sie noch nicht aufstehen lassen möchte", sagte Madame Pomfrey.

"Ja, aber wir Abschlußklässler wollten doch heute noch ..."

"Tanzen, trinken, fröhlich sein. Ich weiß", schnaubte Madame Pomfrey.

"Ja, und die Mannschaftsmitglieder aus allen Häusern dürfen auch mitfeiern", meinte Mortimer dazu. "Immerhin haben Vivian, Tim und Philipp uns dieses Jahr super geholfen, und die Leute aus Gryffindor, Hufflepuff und Slytherin sind der Fairness wegen auch noch eingeladen worden, haben Ms. Armstrong und die Slytherin-Vertrauensschülerin Nummer eins beschlossen."

"Ja, aber Ms. Dawn bleibt bei mir", stieß Madame Pomfrey aus. "Gehirnerschütterungen sind nicht in einer Stunde zu beheben, und ich muß sie untersuchen, ob die Heilzauber auch wirklich alle ordentlich gegriffen haben. Also raus hier, wer nicht auch behandelt werden muß!"

"Kommt, Leute, machen wir keinen Ärger!" Rief Mortimer ganz ein Mannschaftsführer und trieb seine Kameraden an, den Behandlungsraum zu verlassen. Doch dafür kamen nun Eunice Armstrong, Isis Waverly und die anderen Mädchen aus Gryffindor zusammen mit Gideon Heatherbloom und der heute so unbarmherzig vorgeführten Mannschaft herein.

"Hallo, das hier ist der Krankenflügel und kein Wetterhäuschen, die Damen und Herren", protestierte Madame Pomfrey energisch. doch Eunice schüttelte nur ihren Kopf mit dem seidenweichen schwarzen Schopf, der noch eine Spur dunkler wirkte als der von Aurora und trat an das Bett.

"Ach, die Beine sind noch dran. Dem Himmel sei dank", sagte sie. "Deine Leute haben dir den Pokal schon gezeigt?" Aurora nickte schwerfällig.

"Deine Leute sind ja wohl heute ziemlich arg baden gegangen", meinte sie und grinste überlegen die Gryffindor-Mannschaft an.

"Zumindest ist uns keiner vom Besen gerutscht", meinte Heatherbloom. "War schon ein arger Schreck. Deshalb haben deine Leute uns ja erst noch heftiger eingestampft, vor allem die kleine Vivi."

"Ich kann euch allen einen Schluck Schlaftrunk ausgeben, wenn ihr meint, deshalb den Tag nicht mehr gut verbringen zu können", bemerkte die Schulkrankenschwester.

"Kannst du heute noch hier raus?" Fragte Eunice Aurora im Flüsterton.

"Laufen ginge wohl schon, aber Madame Pomfrey will mich nicht hier weglassen."

"Wie, die will dich hier nicht weglassen? Was fehlt denn dir noch?!" Rief Eunice entrüstet.

"Ein erschütterungsfreies Gehirn", schnarrte Madame Pomfrey.

"Ja, ist das so heftig? Da gibt's doch einen Contracommotio-Trank gegen. Ich habe gelesen, daß der je nach Erschütterungsgrad innerhalb von einer Stunde bis einem Tag alle Auswirkungen beseitigt, und sie ist nicht mit dem Kopf aufgeschlagen."

"Vorsicht, junge Dame, auch wenn du meinen Beruf erlernen möchtest lasse ich mich nicht von dir belehren, was angezeigt ist, Eunice."

"Die hat den Besen nur hinten draufgekriegt", warf Isis ein. "Das war bestimmt keine heftige Erschütterung.

"Noch eine", blaffte Madame Pomfrey. "Wenn ihr jetzt in zehn Sekunden nicht raus seid schrubbt ihr in der nächsten Woche alle Böden, Bettpfannen und Waschschüsseln ohne Zauberkraft!"

"Ich kläre das mit Professor Dumbledore", sagte Eunice und scheuchte ihre Kameraden zur Tür, bevor sie am Schluß der Gryffindor-Delegation den Krankenflügel verließ und draußen wohl mit dort schon wartenden Hufflepuffs eine kurze Unterredung anfing.

"So, die bleiben draußen", knurrte die Heilerin und verriegelte die Tür.

"Wie heftig ist denn die Erschütterung?" Fragte Aurora und befühlte ihren Kopf. Sie fühlte keine Wunde oder Beule.

"Stark genug, dich bis morgen Mittag hierzubehalten", erwiderte die Heilhexe von Hogwarts. Dann holte sie aus einem Schrank mit Tränken und Lotionen eine giftgrüne Flasche, aus der sie einen kleinen Trinkbecher mit einer smaragdfarbenen Flüssigkeit vollschenkte. Aurora nahm den Trank, schluckte ihn andächtig bis zur Neige und fühlte, wie es in ihrem Kopf etwas weniger pochte.

"Wie lange haben Sie jetzt für meine Beine gebraucht?" Fragte Aurora Dawn.

"Zum Richten ungefähr eine halbe Stunde pro Bein. Dann habe ich immer wieder geprüft, ob alle Muskeln, Adern und Sehnen sich ordentlich sortieren lassen und dann erst mit der Bruchbehebung angefangen. Du hast dabei einiges an Blut verloren, bis ich die gerissenen Adern wieder geflickt bekam. Auf jeden Fall kannst du demnächst wieder auf eigenen Beinen stehen und brauchst keine magischen Prothesen."

"Da bin ich ja froh", meinte Aurora. Da klopfte es an der Tür, und Dumbledores Stimme bat um einlaß.

"Hallo, Poppy. Oh, es geht dir ja doch schon erheblich besser, Aurora", grüßte der Direktor, als er vor dem Krankenbett stand. Aurora entschuldigte sich, weil sie einfach so vom Besen abgesprungen sei.

"Du hast mir einen gehörigen Schrecken eingejagt, als der Fallbremsezauber dich verfehlt hat, junges Fräulein", sagte der altehrwürdige Zauberer. Doch dann mußte er lächeln. "Aber zumindest weißt du jetzt, daß du das nicht noch mal machst. Zumindest kannst du heute aber schon wieder tanzen, jetzt, wo deine Mannschaft den Pokal noch einmal gewonnen hat."

"Davon kann doch wohl nicht die Rede sein, Sir", wandte Madame Pomfrey behutsam ein. Dumbledore erkundigte sich, was dem entgegenstehen würde. Als er dann noch mit einem einfachen Zauber geprüft hatte, ob Auroras Kopf wirklich so stark angeschlagen war meinte er:

"Ich sehe keinen Grund, ihr den Tanz zu verbieten, Poppy. Es wäre doch die ideale Prüfung ihrer wiedergewonnenen Beweglichkeit."

"Albus, Sie möchten mir nicht in meine Kompetenzen hineinreden?" Fragte Madame Pomfrey sehr verhalten.

"Keineswegs, Poppy. Ich möchte lediglich anmerken, daß wenn keine wirklich ernsten Nachwirkungen zu befürchten sind eine Feier die beste Therapie ist."

"Sie haben sich doch nicht etwa von irgendwem ..."

"Sehe ich so aus, als ließe ich das zu, Poppy?" Fragte Dumbledore. "Nein, ich habe mich gerade durch eigenen Augenschein und zauber informiert, daß Ihre Patientin durchaus an der Festlichkeit teilnehmen kann, die sie ja mitorganisiert hat. Sie kann ja danach in Ihre Obhut zurückkehren."

"Wenn ich sie entlasse dann richtig, Albus", schnaufte die Heilerin. Dann wiegte sie den Kopf. Es dauerte eine Minute, bis sie wieder sprach. "Also gut, Albus. Im Grunde kann ich das verantworten, wenn Ms. Dawn sich zurückhält. Das heißt, wenn sie tanzt, keinen Springtanz, keinen Tango oder andere temperamentvollen Tänze, nur Walzer oder ähnlich langsame Tanzarten und sich auch sonst zurückhält. Also auch kein Alkohol, nicht einmal Butterbier."

"Tja, wenn die Alternative darin besteht, daß du nicht mitfeiern kannst, Aurora", sagte Dumbledore dazu. Aurora nickte, nun etwas leichter.

"Nun denn, Albus. Ich weiß, Sie würden mir nicht in meine Kompetenzen hineinreden, wenn Sie genau wüßten, daß es unverantwortlich wäre. Ich behalte Aurora noch bis zum Abend hier. Rechtzeitig zum Umkleiden werde ich sie entlassen. Aber wehe, junge Dame, ich erfahre auf welche Weise auch immer, daß du dich über meine Anweisungen hinwegsetzt oder dich im Eifer der Freude überanstrengst! Dann werden wir beide noch in der letzten Woche deiner Schulzeit gehörigen Ärger kriegen. Abgesehen davon, daß ich dir dann wohl kaum eine Empfehlung für eine Heilerausbildung ausstellen kann. Haben wir uns da verstanden?"

"Eindeutig, Madame Pomfrey", bestätigte Aurora kleinlaut. Dumbledore nickte ihr aufmunternd zu. Dann wandte er sich an die Heilerin.

"Ich werde Adamas wohl dazu zwingen müssen, bei Ihnen Quartier zu nehmen. Offenbar wird seine angeborene Sturheit durch die wiedererlangte Jugend noch verstärkt. Außerdem müssen wir den genauen Zeitpunkt erwischen, um die besprochene Maßnahme durchzuführen", sagte er halblaut.

"Wenn Sie es mir gestatten fixiere ich ihn an ein Bett, Albus", schnarrte Madame Pomfrey.

"Ich werde ihm das androhen, Poppy. Ich fürchte, gewisse geistige Auswirkungen der unaufhaltsamen Verjüngerung sind doch nicht ganz ausgeblieben."

"Morgen soll er hier einrücken. Ich hoffe, keiner der anderen Schüler leistet sich in den nächsten Tagen noch einen Unfall oder eine magische Rauferei."

"Gut, ich sag's ihm, Poppy. Danke schön!" Dumbledore verabschiedete sich noch mit einem aufmunternden Blick seiner stahlblauen Augen von Aurora und verließ den Behandlungsraum.

"Ich denke, Professor Silverbolt hat große Angst", sagte Aurora zu Madame Pomfrey.

"Ja, das ist es wohl. Wenn jemand ein Leben voller Kämpfen und Erlebnissen geführt hat fällt es doch schwer, etwas als unausweichlich anzusehen. Dieser Bursche ist zudem sehr auf seine äußere Wirkung bezogen. Wundere mich, daß er in seinem jetzigen körperlichen Zustand noch in aller Öffentlichkeit herumläuft."

"Sturheit und Angst. Wenn er sich hier in den Krankenflügel legt, wird's ernst."

"Das ist leider richtig", sagte die Heilerin bedauernd dreinschauend. Dann gebot sie Aurora, noch ein paar Stunden zu schlafen.

Abends gab sie ihr noch eine Dosis des Erschütterungsaufhebungstrankes, prüfte, ob sie wirklich wieder gut stehen und laufen konnte, befand, daß sie ihr den Abend zugestehen konnte, wenn sie sich an die gegebenen Anweisungen hielt und sah ihr nach.

"amüsier dich, Kind. Vielleicht ist das die letzte Gelegenheit, bevor du für jede Minute Frohsinn zwei Minuten Mühsal geben mußt." Sie dachte daran, daß sie einen Tag vor dem Quidditchspiel einen Brief erhalten hatte, daß für dieses Jahr alle Ausbildungsplätze in St. Mungo besetzt waren. Alle Interessenten wurden gebeten, sich entweder zwei Jahre zu gedulden, oder sich gleich nach etwas gleichwertig angesehenem und anspruchsvollem umzusehen. Aurora hatte ihr Heathers Brief gezeigt und mit ihr über die Ausweichmöglichkeit Australien gesprochen. Madame Pomfrey hatte ihr darauf nur geantwortet, daß das eine sehr einschneidende Entscheidung sein würde und sie deshalb reichlich Zeit zum Überlegen haben sollte, was hier in Hogwarts nicht möglich war. Zudem sollte sie, obwohl sie schon volljährig war, mit ihren Angehörigen und Freunden darüber sprechen, wie die eine solche Entscheidung hinnehmen würden. Sie wußte, daß Regina Dawn ihre Tochter bestimmt sehr ungern in ein fernes Land ziehen lassen würde, zumal ihr Mann ja schon so ein Vagabund war, der ständig in der Welt umherreiste. Doch eigentlich ging es sie nichts an, ob und wie Aurora sich entschied. Andererseits hatte sie sie ja darauf gebracht, sich für den sehr umfangreichen und fordernden Beruf des magischen Heilers zu begeistern. Insofern ging es sie schon etwas an, ob Aurora Dawn sich anders besinnen oder die Ausweichmöglichkeit nutzen und damit ihr ganzes Leben, nicht nur beruflich, neu ordnen würde.

Aurora Dawn indes wurde mit Beifall und Umarmungen in Ravenclaw willkommengeheißen. Sie bedankte sich bei ihren Kameraden und zog sich in den Mädchentrakt zurück. Als sie in jenem Festumhang wieder herauskam, in dem sie im letzten Jahr ihren siebzehnten Geburtstag gefeiert hatte, wurde sie von Petula und Miriam zum Treffpunkt mit den anderen Vertrauensschülerinnen eskortiert. Eunice hatte sich ein zu ihrer Augenfarbe passendes Kleid ausgesucht. Auch Tonya, die sonst immer auf Rangelei mit Aurora ausgelegt war, begrüßte die Vertrauensschüler-Kollegin mit einem ehrlichen Lächeln. Dann gingen sie daran, die bunten Lampen, sich selbst schlängelnden Luftschlangen und Leuchtballons zu arrangieren, während Dorian und Roy ein klobiges Fass in Position brachten, daß Aurora in Sydney schon einmal gesehen hatte.

"Okay, alle Stücke sind drin, Eunice!" Rief Dorian. "Schon ein tolles Ding, so'n Musikfass."

"Seht bloß zu, daß das nicht kaputt geht. Die Leihgebühr war ziemlich heftig", erwiderte Eunice.

"Echt, du darfst nicht mal Butterbier trinken?" Fragte Cynthia Flowers Aurora mitleidsvoll.

"Hat Madame Pomfrey gesagt", erwiderte Aurora. "Ich würde mich nicht wundern, wenn die einige von den Vögeln da als Spione angeworben hat."

"Das wäre doch gegen die Schulregeln", erwiderte Cynthia. "Aber ich kann mir vorstellen, daß sie das irgendwie mitkriegt, was wir hier so trinken und tun."

"Da ist deine Schwester", sagte Aurora und deutete auf Nelly.

"Ah, Nell hat den Kuchen gekriegt. Warum hat Mum ihn ihr geschickt und nicht mir?"

"Weil du den sofort gefressen hättest, Cynthia", antwortete Melinda ungefragt.

"Du siehst eher so aus, als würdest du gleich alles essen, was du in die Finger kriegst, Mel", zischte Cynthia, mußte dann aber lachen. Dann ging sie zu ihrer Schwester hinüber und half ihr, den Kuchen auf das von einigen der Jungen zusammengezauberte Buffet zu stellen.

"Und da sind die glorreichen Helden", grüßte Miriam die Ravenclaw-Quidditchmannschaft. Irgendwie hatten sie es noch hinbekommen, daß die jüngeren Schüler nicht in schlichten Schulumhängen mitfeiern mußten. Bald schon waren alle da, die an dem von der Abschlußklasse angeregten Shuljahresabschlußball teilnehmen sollten.

Aurora hielt sich an dem Abend wirklich mit den wilden Tänzen zurück, legte mit Roy, Dorian und Mortimer zu Liedern von Celestina Warbeck langsame Tänze hin, amüsierte sich, weil Roy und Vivian es irgendwie hinbekommen hatten, auch Muggelweltlieder in das Musikfass zu schmuggeln. Bei einem von einer Frau gesungenen Stück über Nachtleben und dabei verlorengehende Selbstbeherrschung fragte Tara Roy, wer denn die Sängerin sei. Der meinte dazu amüsiert, daß das wohl eine Verwandte von ihr sein müsse, eine Laura Branigan. Tara meinte dazu nur, daß ihr Nachname in Irland ja so heftig verbreittet sei, daß man mindestens das Dublin-Dagger-Stadion mit Leuten namens Branigan vollkriegen würde. Das konnte Roy nicht widerlegen. Als dann noch eine Frau mit dem Künstlernamen Madonna etwas von Feiertagen und zu feiernden Gelegenheiten trällerte meinte Tim:

"Laßt die bloß nicht McGonagall hören. Wenn die mitkriegt, wie das Mädel so drauf ist kriegen wir Muggelstämmigen das bis zum Ende der Schulzeit aufs Brot, was für verdorbenes Pack wir sind."

"Das ist doch schon vorher klar gewesen", mußte sich Tonya Rattler dazu äußern. Doch Eunice sprang sofort zu ihr hin und bat sie darum, jetzt keinen Krach über Muggelstämmige und Muggelmusik anzufangen.

"Also wie ihr das hingekriegt habt, neben unseren Größen noch Populärsänger aus der Muggelwelt in das Faß zu kriegen", wiederholte sich Aurora, als sie mit Roy einen englischen Walzer improvisierte.

"Tja, für irgendwas war meine große Schwester ja doch mal richtig hilfreich. Die hat auf Tims und meine Anfrage hin Platten von denen gehört und dann irgendwie aus dem Gedächtnis in für das Faß abspielbare Tonträger übertragen. Ich fand, wir hätten das mal verdient, zu hören, was in der nichtmagischen Welt gerade angesagt ist, und Erica stimmte mir voll zu."

"Ja, nur müßt ihr die Lieder da wieder rausholen, bevor der Besitzer des Fasses Dumbledore fragt, welche Musik bei uns gehört würde", wandte Aurora ein.

"Dorian bringt das flotte Fäßchen morgen nachmittag nach Hogsmeade zurück. Bis dahin bauen Seine Verlobte und ich die Muggellieder wieder aus, falls Mr. Banges die nicht auch mal hören will."

"Der hat euch das Faß ganz leer gegeben, oder?"

"Neh, da waren die Warbeckstücke schon drin von wegen "Rühr in meinem Kessel". Da kommt Madonna ja noch nicht mal mit oder Cyndi Lauper."

"Er ging davon aus, daß wir alle schon volljährig sind", sagte Aurora schmunzelnd. Roy nickte amüsiert grinsend.

Der Abend verging mit viel Frohsinn und selten erlebter Eintracht zwischen den vier Häusern, wohl auch weil ja nur die Abschlußklässler und Quidditchspieler mitfeierten. Aurora hielt sich mit allen möglichen Säften und Brausen durstlos, während die übrigen Butterbier und Met genossen, auch die jüngeren. Hier jedoch schritten Eunice und Aurora früh genug ein, um nicht volltrunkene Viertklässler auf dem Gewissen zu haben. Kurz vor Mitternacht sangen sie alle zusammen das Schullied, um zu sehen, ob sie es auch mal einstimmig und gleichgetaktet zum besten geben konnten. Hier zeigte sich jedoch der unterschiedliche Grad an Alkoholgenuß als Spielverderber. Es endete damit, daß alle albern lachten, weil es nicht klappen wollte.

Kurz nach mitternacht erschien Professor Dumbledore im Park und bat sehr ruhig darum, die Feier langsam ausklingen zu lassen. Ohne Murren und Quängeln gingen die Abschlußklässler und Quidditchspieler darauf ein. Die Vertrauensschüler schickten die Jüngeren ins Schloß zurück. Die Mädchen bauten die Beleuchtung und den Baumschmuck ab, während die Jungen das Buffet auseinandernahmen und in winzige Einzelbauteile zerlegten. Roy und Dorian werkelten am Musikfaß, aus dem sie zwischendurch kleine glitzernde Kristalle herausporkelten, wohl die Träger für die von Erica Fielding übertragenen Muggelstücke. Dann war der Platz wieder so wie am Vormittag noch. Aurora verabschiedete sich von ihren Kameradinnen aus den anderen Schulhäusern und kehrte mit Petula, Miriam und Dina nach Ravenclaw zurück.

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Die letzte Schulwoche plätscherte dahin wie ein ruhiger Bach, nicht zu eilig und keinesfalls anstrengend. Die Stunden bei Silverbolt waren per Aushang in allen Häusern abgesagt worden, in den praktischen Zauberstunden durften die hoffnungsvollen UTZ-Ler ihre Phantasie spielen lassen. Einmal zauberte Petula aus einer Maus ein putziges ein Meter hohes Geschöpf mit einem vergrößerten Mauskopf mit langer schnauze und runden Ohren und dem löffelartigen Schwanz eines Bibers. Professor McGonagall sah das rotbräunliche, fröhlich flötende Mischwesen an und sagte ungehalten:

"Bei aller Hochachtung für Ihre Verwandlungskunst, Ms. Woodlane, möchte ich dieses Wesen doch nicht unbedingt als neue Züchtung ansehen. Mäuse mit den umweltverändernden Fähigkeiten eines Bibers zu kreuzen würde größeres Ungemach hervorrufen. Magisches Ungeziefer gibt es ja doch schon mehr als genug." Sie wedelte mit ihrem Zauberstab und verwandelte das Mischwesen zurück in eine ordinäre Hausmaus.

"Da hätte sich doch vielleicht eine intelligente Lebensform draus entwickeln können", meinte Miriam nach der Stunde. "Wäre zumindest was für die magische Menagerie geworden."

"Neh lass mal, Miriam", meinte Mortimer. "Manche magischen Kreuzungen entwicklen eigene Fähigkeiten, die dann nicht zu kontrollieren sind. Nachher hätte dieses Vieh noch apparieren können oder instinktive Fernlenkzauber angewandt."

"Hat es schon gegeben", meinte Eunice. "Vor fünfzig Jahren meinte so ein Witzbold, einen Elefanten mit einem Papageien zu kreuzen. Das Ergebnis war ein bunter Riesenvogel, der total laut gebrüllt hat und jedes gehörte Wort nachsprechen, ja ganze Sätze wiederholen konnte. Das war am Anfang komisch. Aber dann fing das Federvieh an, beliebig zwischen winzigklein und elefantengroß zu wechseln, bekam es irgendwie heraus, den Größenwechsel auch auf andere Lebewesen zu übertragen. Da wurde es dann brandgefährlich, weil der Elegei oder Papafant schnell raushatte, sich beliebige Beutetiere zu suchen, unter anderem auch Menschen. Fast wäre ein Muggel von diesem Biest gefressen worden, weil das Tier sich als kleiner, bunter Vogel auf ein Fensterbrett gesetzt und gewartet hat, bis ein Mensch das Fenster aufmacht. Dann fing der Mensch plötzlich zu schrumpfen an. Hätte nicht in dem Moment jemand von der Tierwesenbehörde den Todesfluch auf das Geschöpf geschleudert ... Nicht alle Kreuzungen verlaufen also nützlich wie die geflügelten Pferde oder die relativ junge Rasse der Latierre-Kühe."

"Ich seh's ein, Eunice. Wer neue Tiere machen will sollte immer wissen, welche Eigenschaften magisch vermischt und womöglich verstärkt werden", knurrte Petula.

Aurora fühlte diese merkwürdige Schwere, die immer häufiger über sie kam. Es war nichts körperliches wie bei Dina, sondern rein seelisch. Jetzt vergingen die letzten Tage ihrer Schulmädchenzeit. Madame Pomfrey hatte ihr so schonend es ging beigebracht, daß sie nicht in diesem Jahr im St.-Mungo-Krankenhaus anfangen könne. Also galt es jetzt, entweder was anderes anzufangen, vielleicht doch in die Quidditchliga zu wechseln, oder doch den weiten Weg nach Australien anzutreten, falls die dort überhaupt ausländische Auszubildende wollten. Heather hatte zwar geschrieben, daß die durchaus auch nach englischsprachigen Leuten aus anderen Ländern suchen würden, aber ob das wirklich so gerne getan wurde wußte sie nicht.

am Freitag vor dem Schulende bat Madame Pomfrey Aurora noch einmal in den Krankenflügel. Sie betrat den mit einem hohen Wandschirm abgeteilten Bereich, in dem der ständig jünger werdende Professor Silverbolt versteckt worden war. Als sie den Raum betrat, stand da eine Wiege mit einem Baldachin. Darin lag ein ganz kleiner Junge in blauem Strampelanzug.

"Ich wollte es dir, weil du uns ja drauf gebracht hast zeigen, daß die Idee tatsächlich funktioniert hat, Aurora", flüsterte Madame Pomfrey. Der Säugling in der Wiege versuchte, sich herumzuwerfen. Doch die Arme und Beine waren wohl noch zu schwach. Quängelnde Laute entrangen sich dem zahnlosen Mund.

"Ach du meine Güte, der hat ja auch blaue Augen, genau wie ich bei meiner Geburt", stellte Aurora fest. Die runden Gesichtszüge des Babys verzogen sich zu einer wütenden Grimasse.

"Ja, Adamas, wir wollen Sie nicht begaffen", sprach Madame Pomfrey auf den Säugling ein und zog Aurora wieder in ihr Sprechzimmer zurück. "Es hat tatsächlich so funktioniert, als wir heraushatten, wann genau der eigentliche Fluch seinen schwächsten Zustand erreichte. Professor Dumbledore und ich haben es an fachkundige Kollegen weitergegeben, jedoch mit dem Hinweis, daß es sich um einen einmaligen Vorfall handele. Allerdings wird nachher noch jemand vom Ministerium kommen und ihn abholen. Sie haben uns unmißverständlich darauf hingewiesen, daß Professor Silverbolt den selben zaubererweltrechtlichen Bedingungen unterworfen sei wie eine dem Iterapartio-Zauber unterzogene Person. Will sagen, daß Professor Silverbolt bei Aufhebung des Fluches und Rückführung in den Zustand des Neugeborenen gesetzlich gestorben ist. Das Kind nebenan wird nun unter neuem Namen bei magischen Adoptiveltern aufwachsen und vom Ministerium sehr genau überwacht, will sagen, er wird sich hüten müssen, nicht als erwachsener im Kindeskörper aufzufallen. Daher war er eben auch so wütend."

"Auf mich?" Fragte Aurora leicht beklommen.

"Nein, auf die Bürokraten im Ministerium", erwiderte Madame Pomfrey. "Leider ist es uns nicht gelungen, ihn wieder auf sein eigentliches Ausgangsalter zurückzuführen, eben wegen der Schwankung, die der Fluch in seinem körperlichen Lebensalter angerichtet hat."

"Dann hoffe ich, daß Professor Silverbolt oder wie immer er demnächst heißen wird ein angenehmes Leben führen kann."

"Da pflichte ich dir bei", erwiderte Madame Pomfrey

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Aurora fühlte sich nun merkwürdig beschwert und erleichtert zugleich. Das Abschlußfest begann, und Dumbledore verkündete, daß Ravenclaw nicht nur den Quidditch- sondern auch den Hauspokal gewonnen hatte. Bill Weasley von den Gryffindors rief noch, daß das nächstes Jahr anders würde. Die Slytherins buhten ihn dafür aus. Jetzt war der letzte Abend in Hogwarts. Denn sie hatte bis jetzt keinen einzigen Hinweis darauf bekommen, daß sie in den UTZ-Prüfungen versagt hatte. Nicht nur sie wußte nicht, ob die Tränen, die kurz vor dem offiziellen Ende des Festes über ihre Wangen kullerten Freudentränen wegen des erfolgreichen Abschlusses waren oder Tränen der Trauer, daß sie heute abend Abschied von dem allen hier nehmen mußte, von den Gängen und Sälen, Geistern und Gemälden, Mitschülern und Lehrern, ja auch Snape. Obwohl, sie wollte es nicht übertreiben. Daß sie trotz ihrer Begeisterung für Zaubertränke keine Lust mehr auf Snapes Unterricht hatte und es schön war, daß sie bei diesem undurchsichtigen, häufig sehr parteiischen Burschen keine einzige Stunde mehr haben würde, erheiterte sie doch wider.

Die Jungen und Mädchen aus Ravenclaw trafen sich heimlich nach Mitternacht noch einmal, als die restlichen Schüler alle schon schliefen und plauderten im Flüsterton über die nun doch irgendwie umgegangenen sieben Jahre. Erst als Roy fast auf dem Sofa eingeschlafen wäre, befanden Aurora und Mortimer, jetzt sei es nicht mehr aufzuschieben. Die letzte Nacht in Hogwarts wollten sie doch noch etwas schlafen.

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jetzt war es das letzte Mal, wo Aurora Dawn auf dem Gang durch die Wagons des Schulzuges patrouillierte, zusammen mit ihrem Cousin. Eunice war vorne im Vertrauensschüler-Abteil geblieben, um sich mit den jüngeren Vertrauensschülern über das nächste Jahr zu unterhalten. Aurora traf auf dem Weg durch die Wagons Tonya Rattler. Diese kam ihr mit wächsern wirkender Miene entgegen und sagte ruhig:

"Ich weiß, Aurora, wir haben uns in den Jahren nie gut verstanden, und ich wäre schön blöd, wenn ich nur behaupten würde, daß es an dir allein gelegen hätte. Ob ich das bereuen soll, was ich mal zu dir gesagt habe oder nicht? Im Moment sehe ich da keinen Anlaß zu. Aber nur so viel: Ich weiß nicht, wo es mich im Leben hinbringt und ob du das kriegst, was du dir verdient hast oder nicht. Nur wenn wir uns mal später irgendwo über den Weg laufen sollten, sollten wir vielleicht doch etwas erwachsener miteinander umgehen."

"An mir hat es nicht gelegen, Tonya", sagte Aurora barsch. "Aber ich stimme dir zu, daß jetzt, wo alles vorbei ist, alles auch vergessen werden sollte, was früher gelaufen ist. Ich wünsche dir, daß du ein Leben führrst, mit dem du glücklich werden kannst und andere mit dir glücklich sein können. Dumbledore hat uns allen ja gesagt, daß es nichts bringt, alles haben zu wollen, wenn keiner da ist, der sich mit uns freut. Ich finde, das trifft irgendwie zu."

"Wie du meinst", knurrte Tonya. "Mach's gut. Vielleicht sind wir morgen ja schon tausende von meilen weit auseinander." Dann ging sie weiter.

"Die letzten Minuten als Hogwarts-Schülerin verbrachte Aurora zusammen mit Petula, Dina, Roy und Mortimer. Irgendwie fehlte Bruster Wiffle in dieser Runde. So schwiegen sie mehr als das sie sich etwas erzählten. Dann trat noch Philipp Priestley ein und sagte zu Aurora:

"Eunice möchte noch, daß du, Tonya und die anderen V-Träger aus der siebten beim Anhalten im Vertrauensschüler-Abteil seid. Offenbar hat sie Dumbledores Anweisung, die Abzeichen einzusammeln und ihres gleich mit abzulegen."

"Verstehe ich", antwortete Aurora. So verabschiedete sie sich bis auf weiteres von Petula und den anderen.

"Das geht doch klar, daß wenn wir alle unsere UTZs haben wir bei Miriam feiern kommen", rief Petula ihr noch nach.

"Natürlich geht das klar", entgegnete Aurora.

Der Zug kam zum Stillstand. Die ersten Schüler drängelten sich vor den Wagontüren. Im Vertrauensschüler-Abteil erhob sich Eunice Armstrong zusammen mit Dorian Dirkson, dem für ein Dritteljahr amtierenden Schulsprecher. "Jetzt möchte ich euch, die mit mir zusammen die sieben Jahre überstanden haben bitten, die von Professor Dumbledore verliehenen Abzeichen hier in diese Schatulle zu legen. Danach werden Dorian und ich es auch tun."

Aurora war die erste, die ihr blau-bronzenes Abzeichen in die Schatulle legte. Jetzt war sie keine Vertrauensschülerin mehr, besser: Jetzt war sie überhaupt keine Schülerin mehr. Sie legte das Kleid ab, das ihr zunächst doch zu groß erschienen war und das zum Schluß doch ein Teil von ihr geworden war. Tonya war die nächste, die ihr Abzeichen in die Schatulle legte. Dann folgten Cynthia und die anderen Siebtklässler. Zum Schluß legten Eunice und Dorian ihre Schulsprecherabzeichen in die Schatulle und schlossen sie langsam und feierlich.

"Der Express wird gleich wieder nach Hogwarts fahren. Dort wird die Schatulle herausgeholt", sagte Eunice. Dann verabschiedete sie sich von ihren Kameraden, auch von Tonya Rattler. Anschließend verließen die Ex-Vertrauensschüler das Abteil, den Zug und ihre Schulzeit. Die Dawns und Priestleys warteten auf ihre schulpflichtigen Anverwandten. Hugo Dawn fragte seine Tochter, ob sie ihr V-Abzeichen hatte ablegen müssen. Sie nickte.

"Wir hörten das mit St. Mungo", erwähnte Regina Dawn. "Hast du dir schon überlegt, was du anstatt machen willst?"

"Erstmal nach Hause apparieren", erwiderte Aurora. Dann sah sie noch mal nach Philipp und winkte ihn zu sich heran.

"Ich hoffe, du hast dich daran gewöhnt, mit dem Abzeichen rumzulaufen. Ich denke, du wirst Ravenclaw in den nächsten zwei Jahren wunderbar betreuen."

"War schon hart, damit klarzukommen", sagte Philipp. "Aber ich danke dir, daß du mir gezeigt hast, wie ich damit zurechtkommen muß. Vielleicht werde ich ja auch Schulsprecher. Dann wäre ich Mum und Dad voraus."

"Frechdachs", zischte Tony Priestley darauf nur.

Zunächst verließen sie Gleis 9 3/4 und begaben sich zum tropfenden Kessel. Von dort aus disapparierten die Dawns, um an einer schwer zu überblickenden Stelle zu apparieren. Sie betraten das Landhaus, das wohl schon zur Zeit der ersten Königin Elisabeth gestanden haben mochte und plauderten bei munterem Kaminfeuer über die vergangenen sieben Jahre, von denen Mutter und Tochter die beiden ersten so nahe beieinander verbracht hatten. Aurora wußte nicht, ob sie ernsthaft nach Australien gehen wollte. Deshalb brachte sie das Thema zunächst nicht zur Sprache. Sie räumte lediglich ein, daß sie noch darüber nachdenken müsse, ob sie jetzt erst einmal etwas anderes lernen und arbeiten solle oder einfach warten solle, bis wieder freie Ausbildungsplätze zu haben waren. Doch ihre Mutter traute der Sache nicht so ganz.

"Könnte es sein, daß du bereits andere Möglichkeiten ausgelotet hast oder das noch machen möchtest, Kind?" Fragte sie. Aurora mußte nicken. Ihre Mutter kannte sie doch viel zu gut. Hugo Dawn schien zu ahnen, worauf das hinauslaufen mochte und sagte:

"Aurora, was und wo du auch immer sein wirst, du mußt dazu stehen können und damit leben. Mach dich da bloß nicht von uns abhängig! Weil sonst könntest du gleich darauf verzichten, ein eigenes Leben zu führen um hier bei uns zu bleiben."

"Soweit sind wir doch noch nicht", fauchte Regina Dawn. "Oder willst du unsere Tochter jetzt mit Gewalt aus dem Haus jagen?"

"Überhaupt nicht", erwiderte Hugo Dawn. "Ich möchte ihr nur sagen, daß wir sie nicht mit Gewalt im Haus behalten wollen, wenn sie etwas findet, daß ihren Interessen und Fähigkeiten entgegenkommt. Wenn's nach meiner Mutter gegangen wäre, säße ich heute noch bei ihr am Kamin, und wir, Reggie, hätten uns niemals getroffen. Das und nichts andres wollte ich damit sagen."

"Ich habe das auch so verstanden, daß ihr mich nicht loswerden wollt", seufzte Aurora. Vielleicht wäre es ihr lieber gewesen, wenn ihre Eltern ihr eine Frist gesetzt hätten, in der sie eine eigene Bleibe und eigenes Auskommen finden sollte.

"Wir warten jetzt erst einmal die Benachrichtigung der UTZ-Kommission ab", legte Regina Dawn fest. "Danach werden wir sehen, was sich bietet oder finden läßt."

"Da stimme ich dir zu, meine Königin", sagte Hugo Dawn beipflichtend.

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Die zwei folgenden Wochen waren irgendwie widersprüchlich, fand Aurora. Zum einen waren es die langweiligsten Wochen, die sie als Hexe erlebt hatte, weil sie weder Schularbeiten noch irgendwelche sonstigen Verpflichtungen hatte. Zum anderen war da diese Spannung, welche UTZs sie haben würde, und was sie dann damit anfangen konnte. Sie vertrieb sich die Zeit mit Apparierübungen, wobei sie es einmal schaffte, von der Ostküste Britanniens zur Westküste Irlands zu apparieren, erlernte von ihrer Mutter weiterführende Haushaltszauber und studierte die Anzeigen in Fachzeitschriften wie dem grünen Magier oder Verwandlung heute. Doch mehr war nicht drin, bis an einem verregneten Samstagmorgen ein pitschnasser Waldkauz an das Salonfenster der Dawns klopfte. Aurora ließ den Vogel ein, der ihr einen mit Wasserabweisezauber geschützten Briefumschlag hinhielt. Ihr Herz begann nun, immer schneller und heftiger zu klopfen als sie den Umschlag öffnete und das amtliche Pergament herausnahm. Ihre Eltern saßen dabei und beobachteten sie aufmerksam. Sie las erst für sich selbst:

ERGEBNIS DER UNHEIMLICH-TOLLER-ZAUBERERGRAD-PRÜFUNGEN

Bestanden mit den Noten: Nicht bestanden mit den Noten:

Ohnegleichen (O) Mies (M)
Erwartungen übertroffen (E) Schrecklich (S)
Annehmbar (A) Troll (T)

Alte Runen: A
Kräuterkunde O
Muggelkunde: O
Verteidigung gegen die dunklen Künste: O
Verwandlung: O
Zauberkunst: O
Zaubertränke O

"Und?" Fragte ihr Vater. Doch das strahlende Gesicht Auroras war ihm Antwort genug. Sie schwenkte den Pergamentbogen und rief: "Bis auf Runen alles Os!"

"Dann hast du auch Verwandlung geschafft?" Fragte ihr Vater und ließ sich das amtliche Pergament geben. Er runzelte die Stirn und fragte, was sie mit einem O in Muggelkunde anfangen solle. Doch seine Frau antwortete:

"Es war und ist nie verkehrt, die Lebensgewohnheiten der nichtmagischen Menschen kennenzulernen. Ob unsere Tochter mit diesem Wissen was anfangen kann oder nicht wird sich unter Umständen erst in mehr als zehn Jahren zeigen. Vielleicht gewährt ihr diese Note auch einen Posten im Ministerium, falls sie sich für eine solche Laufbahn interessieren sollte. Tante June wird sich freuen."

"Und dieselben unterstrichenen Os wie bei deinenZags", stellte Auroras Vater fest. Dann beglückwünschte er seine Tochter noch einmal zum erfolgreichen Abschluß ihrer Schulzeit.

"Am Sonntag trafen sich dann alle ehemaligen Ravenclaws in Hogsmeade bei Miriam im pfannkuchenrunden Haus auf dem Hasenrücken. Dina und Roy verkündeten, daß sie sich jetzt im Haus "Bachwiese" eingemietet hatten. Miriam meinte, daß sei eine sehr gute Wahl. Petula fragte sie dann, ob sie nicht auch eine eigene Wohnung suchen wolle.

"Ich bleibe doch hier wohnen. Aber Mr. Crouch aus der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit hat mir schon den Vertrag zugeschickt, den Tante Peggy für mich ausgehandelt hat. Am ersten August fange ich da an."

"Dann bist du die erste von uns, die voll arbeitet", meinte Roy. "Ich klamüser das gerade mit Erica aus, ob ich in die Zauberwesenabteilung reinkomme. Da könnte es noch Probleme geben, weil die da womöglich auch mit diesen Grünfratzen zu tun haben. Aber ich habe beschlossen, mich von denen nicht noch einmal runtermachen zu lassen."

"Wie sieht es bei dir aus, Dina?" Fragte Aurora.

"Nun", sagte Dina und streichelte ihren gerundeten Bauch, "kommt da demnächst jemand an, der oder die erst einmal meine volle Aufmerksamkeit erwartet. Dann, wohl so in anderthalb Jahren, könnte ich mir vorstellen, in diesem Astronomiebüro anzufangen. Mit dem O in dem Fach geht das ja."

"Eunice ist mit ihrem Dorian auf der Suche nach einer Bleibe. Die wollen im September heiraten", sagte Miriam. "doch schon was los nach Hogwarts."

"Ja, nur ich hänge in der Luft", murrte Aurora. "Geht Eunice denn jetzt ins Ministerium?"

"Ja, die hat es sich überlegt, wie Roy zu den Leuten von der Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe zu gehen, dann eher zu den Tierwesen."

"Vielleicht sollten wir tauschen", meinte Roy. "Dann kriege ich zumindest keine Grünfratzen mehr zu sehen."

"Überhaupt mutig, dann in diesem Nest zu wohnen", bemerkte Mortimer Swift. Roy sagte, daß es ja anders nicht ginge. "Wenn dieser Drecksack meine Eltern nicht umgebracht hätte könnte ich überall auf der Welt leben", sagte er nur.

"Ich dachte, Heather Springs hätte rausgelassen, daß die Känguruhs Probleme bei den Auszubildenden hätten. Hast du das jetzt doch ganz ausgeschlossen?" Fragte Mortimer Aurora.

"Neh, nicht ganz, und meine Eltern ahnen da wohl schon was, weil die gleich nach der letzten Fahrt im Express so geredet haben, ich sollte mich bloß nicht von deren Meinung abhängig machen, wenn ich was finden könnte was mir entspricht und so."

"Hmm, ist schon weit weg. Aber ich habe Erica schon angespitzt, ihre Kontakte da anzuwärmen, falls jemand aus England bei denen im Lande unterkommen möchte. Ein Wort von dir, und die Maschine läuft an."

"Heather wartet wohl auch schon wie auf glühenden Kohlen. Aber sie schrieb ja auch, daß die das noch unter sich klären müßten, ob sie wen aus dem Ausland nehmen oder nicht", wandte Aurora ein.

"Deren Onkel ist der Boss von deren Heilerclub?" Fragte Mortimer.

"Ihr Großonkel, Morty", berichtigte Aurora ihren früheren Schulkameraden.

"Tja, dann solltest du zumindest fragen, wie der Stand der Dinge ist", wandte Miriam ein. "Wenn die sagen, daß die keine Leute aus der alten Heimat nehmen, hast du wesentlich mehr Spielraum als wenn du dich weiter fragst, ob du's machen sollst oder nicht."

"Ja, das sollte ich fragen", erwiderte Aurora. Denn dann wüßte sie woran sie war und müßte weder sich noch andere mit einer reinen Idee umtreiben.

"Also meine Eltern würden todtraurig, wenn ich mal eben auf die andere Seite der Welt umziehen wollte", sagte Petula. "Verreisen und ein paar Wochen wegbleiben kein Ding. Aber für mehrere Jahre am Stück?"

"Tja, dabei hast du noch 'ne große Schwester", feixte Roy.

"Was nicht heißt, daß meine Eltern mich nicht mögen", blaffte Petula zurück. Dann befand Miriam, daß sie doch zum Feiern zusammengekommen waren und brachte das Gespräch auf erheiternde Themen zurück. Als außer Dina, die wegen des erwarteten Babys keinen Alkohol trinken durfte alle ziemlich voll des ssüßen Honigweines Abschied nahmen und Aurora mit Flohpulver in ihr Elternhaus zurückkehrte, wartete ihre Mutter noch im Salon.

"Na, haben sie dir geraten, dich mit Ms. Springs zu unterhalten, ob die bei sich nicht eine freie Stelle haben?" Fragte Regina Dawn etwas betrübt. Aurora stutzte. Dann, wohl weil der in ihr zirkulierende Alkohol jeden wirklich guten Einfall betäubte, nickte sie und sagte:

"Sie meinten zumindest, ich sollte sie fragen, ob die wen aus England bei sich reinlassen. Falls sie nein sagt, kann ich ja beim grünen Magier oder den Wimbourne Wasps anklopfen. Aber sogesehen möchte ich das schon machen, wenn ich schon in diesem Jahr eine Heilerinnenausbildung anfangen kann, Mum."

"Dein Vater sagt ja, du sollst dich dabei nicht an unserer Meinung klammern. Damit meint er ja, daß du nicht drauf hören sollst ob ich weinen muß oder nicht. Ich habe zwei Jahre deiner Schulzeit mitbekommen können, was mehr ist als andere Elternteile von ihren Kindern in Hogwarts mitbekommen. Zumindest habe ich den Eindruck, daß du dich nicht einfach beschwatzen läßt und das mit allen Konsequenzen tust, was du tun willst. also schreibe Ms. Springs! Ich wäre eine schlechte Mutter, wenn ich dich dazu nötigen wollte, dich auf der Stufe eines behütsamen Kindes zu halten, nur um mir keine Sorgen mehr machen zu müssen. Zumindest würdest du dann ja nicht dauernd durch die Gegend reisen."

"Ich schreibe Heather", sagte Aurora. "Aber erst morgen. Im Moment würde ich nur Gekrakel aufs Pergament schmieren."

"Haben Miriams Eltern Madame Rosmerta dazu bekniet, euch von ihrem besten Met trinken zu lassen. Hättest mir ruhig was davon mitbringen können."

"Stimmt, hätte ich machen können. Aber dann hätten die mich wohl alle komisch angekuckt, Mum."

"Stimmt, ich kann mir morgen selbst ein paar Flaschen holen. Der würde mir so manchen kalten Abend versüßen können."

"Bis Morgen, Mum", wünschte Aurora ihrer Mutter eine Gute nacht und ging auf ihr Zimmer.

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Aurora hatte damit gerechnet, daß Heather antwortete, daß sie sich im Land unten drunter nicht sicher wären, ob sie Engländer zu Heilern ausbilden sollten oder nicht. Doch als keine sieben Tage nach ihrem Brief eine Express-Eule aus dem Kamin fiel, die einen feuerfesten Umschhlag trug, ahnte sie schon, daß die Sache gerade richtig ins Rollen geriet. Sie öffnete den Umschlag und zog einen kleinen Zettel heraus. Sie las laut:

"Haben deinen Brief erhalten. Großonkel Vitus, Mrs. Morehead und ich kommen morgen per Internationalem Floh-Netz bei euch vorbei.
                    Heather Springs"

"Ui, offenbar lautet die Antwort auf deine Frage: "Ja, sie suchen händeringend neue Auszubildende", sagte Hugo Dawn. Seine Frau wirkte leicht erschüttert. Offenbar hatte sie gehofft, entweder eine klare Absage zu hören zu krigen oder eine weitere ausweichende Antwort. Doch wenn der Leiter der Sana-Novodies-Klinik zusammen mit der Sprecherin der australischen Heilzunft persönlich vorbeikommen wollte, dann sah es danach aus, daß ihre Tochter womöglich bald weit weg unterkam.

"Regina, wir haben das doch besprochen, als unsere Prinzessin bei ihren Freunden war", meinte Hugo, weil seine Frau immer noch betrübt dreinschaute. "Nicht wo Aurora ist ist wichtig, sondern was sie tut und das sie es aus Überzeugung und aus freiem Willen tut ist wichtig."

"Sie hat deine Reiselust im Blut, Hugo. Aber wenn sie auch meine Beharrlichkeit geerbt hat wird sie genau das tun, was für sie das vernünftigste ist", sagte Regina Dawn, wohl eher, um sich zu überzeugen als um ihren Mann zu beeindrucken.

"Ich weiß, das macht dich traurig, Mum. Aber wenn ich morgen rauskriege, daß ich da unten als Heilerin anfangen kann und mir die Bedingungen passen ... ich meine, die Entfernung ist in der Zaubererwelt doch nicht so heftig."

"Die Entfernung schon", meinte Hugo Dawn. "Aber es ist schon ein großer Fortschritt im Vergleich zu vor drei Jahren."

"Ja, aber irgendwie wird das doch gehen. Wollte Oma Regan mir nicht den Mentiloquismus beibringen, wo man sich auf einzelne Mitzauberer einstimmen kann?" Fragte Aurora.

"Die wundert sich eh schon, warum du dich noch nicht bei ihr gemeldet hast", meinte ihr Vater. "Aber wenn du nach Australien gehen solltest ist diese Zauberei zu schwach. Über die Entfernung ist meines Wissens nach keine Verbindung mehr möglich." Aurora nickte schwerfällig. Doch irgendwie müßte es doch gehen, mit ihren Eltern in Kontakt zu bleiben. Die Muggel konnten diese Telefongeräte benutzen, die ja auch immer besser wurden. Vielleicht konnten sie bald kontaktfeuern oder sowas. Doch zuerst wollte Aurora sich mit Heather und den beiden Heilern aus Australien treffen. Ihre Eltern konnten ja ruhig dabei sein.

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Aurora wußte nicht, wie sie sich Dr. Vitus Springs vorstellen sollte. Sie dachte an eine erhabene Erscheinung wie Professor Dumbledore, altehrwürdig mit einem Bart bis zum Gürtel oder an einen kleinen, energisch wirkenden zauberer mit angegrautem Haar in sehr gestriegeltem Zustand. Es konnte auch durchaus ein korpulenter Hexenmeister mit Glatze sein, der sich in einen Heilerumhang hüllte, der jedoch an allen Ecken spannte. Als dann erst Heather Springs aus dem Kamin trat und dann ein schlachsiger, nicht allzu großer zauberer in einem grünen Reiseumhang, dessen mausgraues Haar und verwegen wirkender Schnurrbart den Eindruck eines lebenslustigen Zauberers machten, dem dann wieder eine leicht untersetzte Hexe mit schwarzen Locken und stahlblauen Augen folgte, war Aurora sichtlich gespannt, was nun passieren würde.

Die Dawns begrüßten ihre Gäste höflich und boten ihnen freie Plätze an. Laura Morehead, die schwarzgelockte Hexe, setzte ihre silberne Brille auf und betrachtete erst die Eheleute und dann die Tochter des Hauses. Dr. Springs wies auf seine Großnichte und sagte ganz unbekümmert:

"Heather meinte zu mir, da wäre jemand in England, die vielleicht zu uns rüberkommen möchte, falls die Kollegen im St.-Mungo-Hospital sie nicht nehmen wollten oder könnten. Da ich zurzeit drei relativ unausgelastete Ausbilder habe habe ich mit Mrs. Morehead einen kleinen Strauß ausgefochten, ob wir Nachwuchs aus England ausbilden dürften. Du bist also Aurora Dawn. Wer von Ihnen beiden kam denn auf den witzigen Einfall, ihr diesen Vornamen zu geben?" Er grinste Regina und Hugo an. Dieser konnte nicht anders und grinste zurück.

"Ich war das. Ich habe in verschiedenen Ländern gehört, daß Aurora meine Nachnamensvetterin war. Meine Frau mußte zwar erst lachen, hat dann aber eingewilligt, daß unsere erste Tochter Aurora Dawn heißen sollte." Damit war der allgemeine Gesprächsteil eröffnet. Aurora durfte dann erzählen, wie sie vor Hogwarts gelebt hatte, was sie in Hogwarts erlebt hatte und daß sie da auch Vertrauensschülerin gewesen sei.

"Das ist nicht unwichtig, die eigenen Führungsqualitäten auszuloten", meinte Dr. Springs und sah dabei seine Begleiterin an, die außer den Begrüßungsworten nichts anderes gesagt hatte. Womöglich mußte sie sich an das europäische Englisch gewöhnen, vermutete Aurora. Heather saß nur still da. Sie hatte im Moment wohl Schweigepflicht, da sie in der gerade laufenden Besprechung nichts relevantes beitragen konnte.

"Nun, eigentlich war ich nicht sonderlich darauf aus, Vertrauensschülerin zu werden, Sir", gab Aurora ehrlich zu. "Doch dann habe ich das so gut ich es meinte machen zu können gemacht."

"Ja, aber für unseren erhabenen Beruf hast du dich doch nicht erst ab der fünften Klasse interessiert, oder?" Forschte Dr. Springs nach und horchte Aurora so mehr oder weniger direkt aus, was die junge Hexe denn so am Heilberuf faszinierte. Sie erwähnte auch die Gespräche mit Madame Pomfrey über die Verantwortung des Heilers für seine magischen Mitmenschen.

"Ja, ist schon wichtig, daß genau zu überlegen", sagte Dr. Springs und sah wieder seine Begleiterin an, die diesmal zustimmend nickte. "In einigen Fällen mußt du auch Menschen gegen ihren Willen behandeln können oder dich mit bornierten Angehörigen auseinandersetzen, die in deine Kompetenz reinreden wollen. Öhm, kann auch für Schuldirektoren gelten, die befinden wollen, welcher Schüler oder welche Schülerin wann gesund oder krank zu nennen ist." Aurora nickte. Genau das hatte sie ja nach ihrem Besenunfall mitbekommen. Diesen erwähnte sie dann auch und wie sie es mitbekommen hatte, daß Dumbledore und Madame Pomfrey darum gerungen hatten, ob sie am Abschlußklassenball teilnahm oder nicht.

"Die gute Poppy hat's nicht leicht mit dem alten Albus Dumbledore", warf Springs amüsiert ein. "Andererseits haben die sich meines Wissens nach nie gegeneinander ausspielen oder aufhetzen lassen. Beide wissen voneinander, was sie haben und wie sie den Gegenüber zu behandeln haben. - Aber ich schweife etwas ab." Mrs. Morehead nickte. "Sie sind also trotz der Erfahrungen und der Erwähnung Ihrer Schulkrankenschwester nicht davon abgekommen, die Medimagie in ihrer Komplexität und Vielseitigkeit als Beruf zu erlernen?"

"Sagen wir es so, Sir, ich habe gelernt, daß ich keine Ministeriumshexe werden möchte. Außerdem heißt es, daß die Medimagie auch Spezialgebiete hat. Im meinen Fällen könnten das Kräuterkunde oder Zaubertränke sein."

"Wer hat Ihnen denn das erzählt, daß Sie sich so früh spezialisieren können?" Fragte Laura Morehead nun. Aurora erwähnte noch einmal Madame Pomfrey, sowie Berichte aus dem St.-Mungo-Krankenhaus, wo es ja auch Spezialabteilungen gab.

"Normalerweise kristallisiert sich eine Spezialität erst im Laufe der Ausbildung heraus und wird frühestens nach dem praktischen Jahr berücksichtigt", sagte Dr. Springs. Mrs. Morehead nickte heftig. "Im Grunde müssen Sie in allem bestmögliche Leistungen erbringen, Zaubertränke, Fluchabwehr und Fluchaufhebung, Verwandlungsumkehr und Zauberkunst. Im Grunde ist die Ausbildung eine weiterführende Schulung, ähnlich wie in Hogwarts, nur mit dem kleinen Unterschied, daß jedes halbe Jahr der Stand der Dinge geprüft wird und nicht jedes Jahr. Zum Schluß kommen noch die vorgeschriebenen Einzeldisziplinen auf den Prüfstand. Dabei müssen bestimmte Punktestände erreicht werden wie bei einem ZAG oder UTZ. Da wir, wie Sie ja wissen, unsere Ausbildung durch Einzelbetreuung betreiben, ist jeder auszubildende dazu gezwungen, ständig an den Leistungsgrenzen zu arbeiten, ja diese so weit es geht auszudehnen. Dabei sind bestimmte Vorlieben für Fächer eigentlich eher hinderlich als förderlich." Wieder nickte Mrs. Morehead. Aurora schlug die Augen nieder. Hatte sie es sich gerade verbaut? Ihre Eltern sahen sie fragend an. Doch sie sagte nichts dazu. "Nun, ich habe schon als Schuljunge gelernt, daß eine unangenehme Wahrheit mehr Erleichterung bringt als ein Sack voller Komplimente oder schlichte Lügen", fuhr Springs fort. "Doch ich erwähnte ja auch, daß durchaus Spezialbegabungen anerkannt werden, wenn die Ausbildung und das praktische Jahr vorbei sind. Außerdem besteht die Ausbildung ja nicht nur aus Essen, Arbeiten und Schlafen. Ein wenig Freizeit wird den Ausbildern und Auszubildenden natürlich auch gegönnt. Unsere Zunft würde sich selbst ad absurdum führen, wenn sie die regenerative Wirkung von Freizeittätigkeiten und Hobbys nicht bedächte. Wenn Sie, wie Sie gerade erwähnt haben, für Zauberkräuter oder Zaubertränke zu begeistern waren und sind, besteht ja die Möglichkeit, sich außerhalb der Pflichtstudien und Übungen mit diesen Themen vertiefend zu befassen. Ich kenne kundigere Amateure in Zaubertränken als manchen Berufskollegen, der nach dem praktischen Jahr nur noch mit dem Zauberstab hantieren wollte. Also, um das noch einmal unmißverständlich zusammenzufassen: Die Heilerausbildung verlangt eine Wissens- und Erfahrungsbildung in mehreren Zweigen der Magie zu gleich, läßt jedoch einen gewissen Raum für private Studien, wie gesagt, solange sie die ohnehin umfangreiche Ausbildung nicht beeinträchtigen. Zudem gibt es bei uns niedergelassene Heiler, die sich auf bestimmte Sparten festgelegt haben. Einige sind für Übergriffe giftiger oder andersgefährlicher Tiere spezialisiert, wieder andere helfen den Unfallumkehrzauberern, und wieder andere erforschen wirkungsvolle Schutz- und Abwehrzauber und helfen bei Vorfällen mit den dunklen Kräften. Aber das ergibt sich meistens nach der Ausbildung selbst."

"Hinzu käme noch etwas, daß in Ihrem Fall nicht verschwiegen werden darf, Ms. Dawn. Sie wären als Engländerin einer gesonderten Bewertung durch unsere Landsleute ausgeliefert", sagte Mrs. Morehead sehr ernst. "Um unnötige soziale Überlastungssituationen zu vermeiden habe ich ja sehr lange überlegen müssen, meinem Kollegen Dr. Springs zu gestatten, auch ausländische Interessenten anzusprechen."

"Das habe ich bereits bedacht", wandte Aurora ein. Ihre Eltern nickten. Dann sagte Vitus Springs:

"Meine ehrenwerte Kollegin befürchtet, daß unsere Zunft in die Kritik geraten könnte, wegen unzureichender Überzeugungsarbeit keine einheimischen Heiler mehr auszubilden. Sie sieht eine Anwerbung englischsprachiger Anwärter als ein Experiment an, von dem weder sie noch ich wissen, wie es ausgeht. Aber, damit wieder zurück zum Berufsbild, wer nicht bereit ist, gewisse Risiken einzugehen und auch einmal gegen die Überzeugung alteingesessener Experten durch Experimente wissenschaftliches Neuland erschließen kann, sollte besser einen etwas vorhersehbareren Beruf ergreifen. Die magische Heilkunst ist nur im Stande, das körperliche und seelische Wohlbefinden der magischen Mitmenschen zu gewährleisten, wenn sie sich nicht auf alten Errungenschaften ausruht, sondern voranschreitet. Allerdings müssen hier natürlich die Gesetze der magischen Geheimhaltung und der Mitmenschlichkeit eingehalten werden. Leider gab es in früheren Zeiten Magier, die bedenkenlos Versuche mit gesunden oder kranken Mitmenschen angestellt haben, nur um ihre Hypothesen zu testen oder zu verwerfen. Wir sollen helfen, nicht einfach so drauf los erschaffen und verändern. Die Schadensabwehr ist das oberste Prinzip der magischen Heilkunst. Sollten Sie sich jetzt nicht doch von uns vergrault fühlen und bei einem unserer Ausbilder antreten, werden Sie vor dem praktischen Jahr den Eid der magischen Heilkundigen ablegen, in dem genau dies zu den wichtigsten Bedingungen gehört, Schaden von den Mitmenschen zu wenden."

"Das ist dann so ähnlich wie der hippokratische Eid der Muggelärzte", vermutete Hugo Dawn.

"Vorsichtig, junger Mann", knurrte Laura Morehead. "Unsere Zunft ist doch wohl über dieses abergläubische Getue dieser Knochensäger und Zahnausrupfer erhaben, die mit ihren unzulänglichen Methoden gegen die einfachsten Erkrankungen versagen."

"Nun, Laura, so ganz abwegig ist es nicht. Wir schwören zwar nicht bei irgendwelchen alten Göttern, aber zumindest ist auch bei uns die Ehre des Lehrmeisters zu respektieren. Ich habe die Eidesformel mal mitgehen lassen, als ich mir aus Neugier angesehen habe, wie Muggel ihre Kranken behandeln. Auch wenn die Methoden der spanischen Inquisition gleichkommen gibt es doch auch bei denen einen gewissen Berufsethos."

"Den gab es bei den von Ihnen erwähnten Inquisitoren auch, Vitus", schnarrte Mrs. Morehead. Dann sagte sie:

"Womit wir zu einer weiteren unangenehmen Wahrheit kommen, die besser jetzt als viel zu spät ausgesprochen wird. Sie müssen bei allem was sie während und nach der Ausbildung tun immer bedenken, daß jeder Erfolg oder Mißerfolg auch auf Ihren Ausbilder zurückfällt, was wiederum heißt, daß der Ausbilder dann, wenn er um seinen guten Ruf fürchten muß, Ihren Ausschluß aus der Heilerzunft verlangen kann. Hierbei geht es nicht nur um praktisches Können oder fundiertes Grundwissen, sondern auch um Charakterfestigkeit, Einfühlsamen Umgang mit den Patienten aber auch einen untadeligen Lebenswandel. Leider war ich als Vorsitzende der südpazifischen Heilerzunft oft gezwungen, dem Antrag auf Ausschluß und Bestrafung eines fehlgeleiteten Heilers zuzustimmen. Dabei ging es auch um Hexen, die aus purer Freude am Vergnügen sexuell umtriebig gelebt haben. Darunter waren einige der besten Heilerinnen. Aber wir brauchen eine Vertrauensbasis, wo die Patienten sich darauf verlassen können, daß der sie behandelnde Heiler kein Halodri oder ein leichtes Mädchen ist."

"Oh, Laura, hinter welchem Mond leben Sie?" Stöhnte Springs. "Natürlich ist Ehrlichkeit, beständigkeit und Untadeligkeit ausschlaggebend, Ms. Dawn. Aber Sie müssen nicht zur Nonne werden, und ich bin wahrlich kein Mönch. Wichtig ist, daß alles, was sie im Leben tun, im Einvernehmen mit den Leuten stattfindet, die sie daran teilhaben lassen, sich aber auch klar gegen etwas aussprechen müssen, wenn Sie dadurch Ihren eigenen Ruf gefährden und den Ihres Ausbilders gleich mit." Laura Morehead feuerte giftige Blicke auf Vitus Springs. Doch dieser blieb unbeeindruckt. Dann sagte er:

"Nun, nachdem wir das prinzipielle besprochen haben und ihr Interesse ausgelotet haben, Ms. Dawn, kommen wir zu nüchternen Fakten. Wie sind denn jetzt Ihre UTZs ausgefallen?" Aurora lächelte zufrieden und legte dem Direktor der Sana-Novodies-Klinik ihre UTZ-Liste vor.

"Oh, Alte Runen und Muggelkunde? Sehr schönes Theoriepaket", sagte Heathers Großonkel amüsiert. "Ansonsten sehe ich hier nur Kringel und Striche, und ich habe nicht den Eindruck, daß die altehrwürdigen Damen und Herren von der Kommission sowas wie Confetti unters Volk werfen. Hier bitte, Laura." Mrs. Morehead, die schon über Springs Schultern mitzulesen versucht hatte, studierte das Pergament und reichte es an Aurora Dawn zurück.

"Nun, ich wäre sehr engstirnig, wenn ich die Gunst nicht nutzen würde, eine derartig gut präsentierte Anwärterin nicht in unserer Zunft zu begrüßen, so sie es denn aufrichtig und im vollen Bewußtsein aller damit verbundenen Dinge will. Allerdings möchte ich zu einer Kopie dieser durchaus beachtenswerten Liste noch einige Empfehlungen lesen, von Ihrem Hauslehrer zum Beispiel, sowie von bereits erwähnter Schulkrankenschwester, eventuell Professor Dumbledore persönlich, da ich auf seine Meinung sehr viel gebe", sagte Mrs. Morehead.

"Na, Laura, sie werden doch nicht den Dienstweg umgehen wollen. Wenn hier jemand derartige weiterführende Berichte zu lesen wünscht bin zunächst einmal ich das. Sollte mir dann kein triftiger Grund einfallen, Sie nicht zur Ausbildung zuzulassen, werde ich es Ihnen und der Zunft vorschlagen, diese junge Dame bei uns willkommen zu heißen. Dann werden Sie selbstverständlich die von Ihnen erwähnten Empfehlungen zu lesen bekommen, Laura", stellte Springs mit einer bisher nicht gezeigten Entschlossenheit in der Stimme klar. Aurora erkannte nun, daß sie es durchaus mit einem oberen Vorgesetzten zu tun haben würde, der einerseits Geduld und eine gewisse Form von Humor und Gelassenheit besaß, aber auch genau wußte, was er von wem verlangen konnte und was nicht. Mrs. Morehead sah ihn etwas verstimmt an, widersprach ihm jedoch nicht. Springs blickte auf seine goldene Taschenuhr, um die Ortszeit zu erfragen. Dann meinte er: "Obwohl, was Professor Dumbledore angeht, so sind wir beide jetzt einmal hier in der alten Welt. Es steht dem nichts entgegen, wenn wir uns von ihm de ore ad Aures berichten lassen, wie er die charakterlichen und fachlichen Qualitäten von Ms. Dawn bewertet. Es würde einige zeit ersparen, auch um die übrigen Empfehlungsschreiben zu erhalten", sagte er. Dann bat er Aurora noch einmal darum, ihre UTZ-Liste zu studieren. Dabei prüfte er mit seinem Zauberstab etwas nach. Er nickte und machte mit dem Multiplicus-Zauber vier Kopien davon. Hugo Dawn wollte schon einwenden, daß seine tochter sich doch noch gar nicht entschieden habe. doch seine Frau sagte:

"Nun, offenbar gehen Sie beide davon aus, mit unserer Tochter eine vielversprechende Kandidatin angetroffen zu haben, daß Sie gleich Kopien ihrer UTZ-Liste anfertigen, Dr. Springs. Doch sollte unsere Tochter sich ihrerseits dazu bereitfinden, bei Ihnen eine Heilerausbildung zu machen, welche Unterstützung, Unterbringung und Betreuung wird sie dann zu erwarten haben?" Aurora sah ihre Mutter erst etwas mißmutig an, mußte dann aber nicken. Die Unterbringunsfrage war ja durchaus wichtig, und nach Australien umzuziehen, auch wenn sie noch keine eigenen Möbel hatte oder weil sie keine eigenen Möbel hatte war ja auch kein Pappenstiel.

"Das leierkastert Mrs. Morehead gegebenenfalls aus dem Budget für die Heilerausbildung in Zusammenarbeit mit Ihrer und unserer Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit, sofern Sie, Ms. Dawn hier und jetzt nicht konsequent verkünden, daß Sie unser Ausbildungsangebot nicht wahrzunehmen wünschen. Jetzt haben Sie die Gelegenheit dazu."

Die Dawns fühlten sich bestätigt. Die Australier hatten es wirklich eilig damit, ausländische Interessenten anzuwerben, wohl auch weil ein Ultimatum lief, von dem sie nicht wußten, wann es endete. Aurora sah ihre Mutter an, die abwehrend die Hände hob. Dann sah sie ihren Vater an, der sie aufmunternd anlächelte. Dann sah sie Heather, die immer noch unbeteiligt dasaß. Diese wiederum sah ihren Großonkel an, der jedoch mit keiner Regung mehr verriet als mit seinen Worten zuvor. Mrs. Morehead fixierte Aurora Dawn regelrecht mit ihrem Blick. Dann sagte die frisch ins wahre Leben aufgebrochene Junghexe:

"Falls Sie mir bei der Anreise und Unterbringung helfen, bin ich bereit, Ihr Angebot anzunehmen, wenn Sie mich nach den von Ihnen noch einzuholenden Berichten noch ausbilden möchten, Dr. Springs, Mrs. Morehead." Heather schien von einer großen Last befreit, während Regina Dawn ihr Gesicht abwandte, um nicht zu verraten, wie diese klare Aussage auf sie wirkte. Auch Hugo Dawn erkannte jetzt erst wohl, daß er bald keine im Haus wohnende Tochter mehr haben würde. In ihm schien die Vernunft mit der väterlichen Besorgnis zu streiten. Doch dann nickte er.

"Das ist doch eine klare Aussage", bemerkte Springs wohlwollend lächelnd. Dann nahm er die von ihm gemachten Kopien. Aurora fragte, ob sie die erwünschrten Empfehlungsschreiben beantragen sollte. Doch Springs schüttelte den Kopf.

"Wie gesagt werden Laura und ich jetzt zu professor Dumbledore gehen und wie ich hoffe einen gemütlichen Nachmittag mit dem humorigen Herrn verbringen. Ich denke, bevor wir dann um Mitternacht Ihrer Ortszeit zurück nach unten drunter reisen, werden wir die betreffenden Empfehlungsschreiben in den Händen halten. Falls nicht, bin ich mir sicher, daß Professor Dumbledore seinen Einfluß geltend macht, die von uns erwünschten Dokumente schnellstmöglich auf die Reise zu uns zu schicken. Für Sie ist im Moment nicht mehr zu tun."

"Soll ich mitkommen, Onkel Vitus?" Fragte Heather.

"Zu Dumbledore? Wenn du dich da genauso langweilst wie hier gerade ist es besser, wenn du dir mit deiner Brieffreundin noch einen unterhaltsamen Nachmittag machst. So um Mitternacht herum kannst du dann ja an der britischen Grenze auf uns warten, wenn nichts gegenteiliges von uns zu dir rüberkommt."

"Geht klar", sagte Heather aufatmend. Zwar hätte sie auch gerne einmal den berühmten Albus Dumbledore besucht, doch nicht um dann wie hier gerade nur dekorativ herumzusitzen. Die beiden altehrwürdigen Heiler vom fünften Kontinent verließen das Haus durch den Kamin. Die Dawns und Heather saßen eine Weile schweigend zusammen. Dann sagte Regina Dawn:

"Wenn ein Vogel mit den Flügeln schlägt, muß er fliegen, auch wenn er dabei das Nest der Eltern für immer verläßt."

"Hey, mit Vögeln habe ich zu tun, Regina. Den Spruch hätte ich jetzt bringen müssen", protestierte Hugo Dawn nicht ganz so ernst gemeint. Aurora hielt es für besser, mit ihrer australischen Brieffreundin den Salon zu verlassen. Ihre Eltern nickten nur. Als die Tür hinter den beiden jungen Hexen zufiel fühlte Regina Dawn die Tränen in die Augen steigen. Hugo seufzte schwerfällig. Er hatte mit dem Kopf entschieden, und sein Herz protestierte nun gegen diese Entscheidung. Doch zurücknehmen wollte er sie nicht.

"Mum und Dad machen sich Gedanken wegen der Verbindung. So Blitzeulen sind ja doch sehr teuer", sagte Aurora leise zu Heather, als sie in ihrem Zimmer saßen.

"Stimmt. Hmm, Moment mal, da gäbe es eine Möglichkeit, die spottbillig und sekundenschnell geht. Hast du Zaubererportraits von dir, keine Fotos, sondern echte Gemälde?"

"In Hogwarts hängt eins, mein Vermächtnis sozusagen. Damals hat unsere Besenfluglehrerin unsere Siegermannschaft fotografieren und dann detailgetreu abmalen lassen. Dann haben wir alle mit einem Animierzauber unsere jeweiligen Bild-Ichs zum Leben erweckt. Aber das Bild hängt eben in Hogwarts und wird da wohl auch die nächsten zehn Jahre bleiben, falls ich nicht irgendwas weltbewegendes mache, daß sie es weitere hundert Jahre aushängen."

"Kennst du wen in deiner Verwandtschaft, der lebensechte Portraits malt?"

"Meine Oma Regan kann supergut malen."

"Kriegt die das hin, mindestens zwei Vollbilder von dir in den nächsten vier Wochen zu malen. Die könnten dann durch den allgemeinen Bildöffnungszauber für andere Bilderwesen betretbar gezaubert werden. Der Gag dabei ist, daß identische Bild-Ichs in wenigen Sekunden eines der Bilder verlassen und zu ihrem Gegenstück hinüberwechseln können, daß dann sofort alles weiß, was das erste Bild-Ich gesagt bekam oder sehen konnte, sofern es mit dem entsprechenden Geistesabdruck des Originals belebt wurde wie eure Quidditchbilder. Ich habe eine Schulfreundin, deren Cousine sitzt in Südamerika. über ein Portrait ihrer Großtante, die im Ministerium arbeitet können die sich Nachrichten zukommen lassen, ohne eine Eule oder ein Stäubchen Flohpulver zu benutzen. Vielleicht malt deine Oma Regan dich gerne ab. Dann könntest du ein Bild mitnehmen und das zweite hierlassen, damit deine Eltern wissen, wie's dir geht."

"Das geht echt?" Fragte Aurora. Doch natürlich ging das. Sie hatte es in Hogwarts doch schon einigemale unbewußt mitbekommen, wie gut sich gemalte Persönlichkeiten verständigen konnten.

"Ich muß sowieso zu ihr hin", meinte Aurora dann noch, weil ihr einfiel, daß sie von ihrer Oma Regan das Mentiloquieren erlernen wollte. Heather lächelte sie an.

"Meine Freundinnen haben mich gebeten, ihnen sofort mitzuteilen, wenn sich was in Sachen Australien tut", sagte Aurora noch. Heather nickte ihr aufmunternd zu. Dann verließen sie das Zimmer. Sie verabschiedeten sich von Regina und Hugo, die für einen Moment sehr gefaßt aussahen. Dann reisten sie nach Hogsmeade, wo sie Miriam und Dina unterrichteten, die wiederum auch Petula einbezogen.

Um Mitternacht war Aurora wieder zu hause. Sie erklärte ihren Eltern die Sache mit den Bildern. Hugo nickte. Regina Dawn strahlte von innen heraus.

"Heather hat keine Anweisung bekommen, in Hogsmeade oder hier zu warten?" Fragte Hugo Dawn.

"Nein, hat sie nicht, und mit ihrem Onkel kann sie mentiloquieren, hat sie mir verraten."

"Dann wird es wohl nicht lange dauern, bis die sich wieder melden", seufzte Regina Dawn. "Hoffentlich haben wir dann zeit, um diese Portraits anzufertigen.

__________

"Es ist nicht verkehrt, wenn du weit genug von deinen Eltern wegkommst, Kind", sagte Regan Dawn zu ihrer Enkelin, als diese sich für mehrere Tage bei ihr einquartierte. "Den Mentiloquismus kann ich dir in einer Woche beibringen. So schwer ist das eigentlich nicht. Alles eine Frage der Konzentration. Wenn du mehr als zwei Wochen Zeit hast, male ich vier Vollportraits von dir. Eins bleibt dann bei mir, zwei kannst du so mitnehmen und eins bleibt dann bei deinen Eltern."

"In nur zwei Wochen?" Fragte Aurora.

"Alles eine Frage der zeiteinteilung. Im Grunde kann ich auch mit dem Multiplicus-Zauber arbeiten, bevor die Bilder bezaubert werden. Aber ich gehe auf Nummer sicher und male jedes Bild orginalgetreu."

Aurora half ihrer Großmutter im Haushalt, wobei sie die erlernten Zauber vervollkommnete, saß mit ihr zusammen und übte sich darin, ihr worthafte Gedanken zu senden. Nach zwei Tagen bekam sie es schon nach einer halben Minute hin. Nach drei Tagen ging es schon in fünf Sekunden.

"An und für sich sollte dir jemand Okklumentik beibringen, wenn dieser mürrische Miesepeter Silverbolt es nicht für nötig hielt", schnarrte Regan Dawn einmal. "Ich könnte dich fast im Vorbeigehen aushorchen und dabei alles erfahren, was du eigentlich keinem erzählen darfst. Aber erstens wäre das unmoralisch und zweitens würde es dein Vertrauen zu mir zerstören, und das will ich tunlichst vermeiden."

Womöglich lerne ich das dann in der Ausbildung."

"Hoffentlich. Denn Heiler sollten diese Kunst anwenden können, auch um vertrauliche Dinge über ihre Patienten verbergen zu können", sagte Regan Dawn noch.

Es war in der zweiten Woche. Zwei der vier Gemälde waren bereits fertig und mußten nur noch richtig trocknen, bevor sie bezaubert wurden. Da traf eine Eule für Aurora Dawn ein.

"Sehr geehrte Ms. Dawn", las sie ihren Großeltern laut vor, "hiermit teilen Wir von der Zunft der magischen Heilkunst, Sektion Südpazifik, Ihnen mit, daß Prof. Dr. Vitus Springs, der leitende Direktor der Sana-Novodies-Klinik zu Australien, uns darum gebeten hat, Sie als Schülerin der magischen Heilkunst in seiner Institution ausbilden zu lassen. In Rücksprache mit Ihnen erörterte er bereits vor zwei Wochen Motivation und den Willen, dieses Angebot anzunehmen. Zudem verschaffte er sich Dokumente, die ihre fachlichen und charakterlichen Eigenschaften belegen und zeigte sich von dem dabei erfahrenen sehr beeindruckt. Diesen Eindruck konnten wir nur teilen, als wir die erwähnten Dokumente vorgelegt bekamen. Deshalb entsprechen wir dem in Ihrem Einverständnis erhobenen Wunsch von Direktor Dr. Springs, Sie ab dem ersten September 1984, in den Räumen der Sana-Novodies-Klinik in magischer Heilkunst auszubilden. Bitte unterzeichnen Sie beiliegendes Formular und senden uns dieses im beigefügten Express-Antwort-Rückumschlag zurück! Sie werden dann in den nächsten Tagen ein Schreiben mit der vollständigen Aufstellung der von Ihnen oder von uns zu erbringenden Transitformalitäten erhalten. In bester Hoffnung auf eine gedeihliche Zusammenarbeit verbleiben wir ... Laura Morehead, Sprecherin der magischen Heilzunft, Sektion Südpazifik."

"Aha, da ist der Marschbefehl", grinste Auroras Großvater. "So heißt das bei den Muggelsoldaten, wenn sie einen Brief bekommen, wo drinsteht, wann sie wohin und zu wem zu reisen haben."

"Ich muß das hier noch unterschreiben", sagte Aurora und las das beigefügte Formular. Darin verpflichtete sich der Unterzeichnende, sich nach erfolgreicher Ausbildung für eine Zuteilung in der Region der Ausbildung bereitzuhalten. Also wollten sie Aurora nach erfolgreicher Ausbildung nicht einfach in die Welt ziehen lassen, wenn in Australien genug ausgebildete Heiler gebraucht wurden. Das machte sie etwas stutzig. Im Grunde verkaufte sie damit ihre gesamte Lebenszeit an die australische Heilerzunft, stellte sie fest. Ihre Oma pflichtete ihr bei, als sie das äußerte. Dann meinte Regan Dawn:

"Aber das machst du eh, wenn du zur Heilerin ausgebildet wirst, Aurora, ob sie dich hier in England oder anderswo dann in ihre Zuteilungskartei einfügen, ob du im stationären Betrieb, als Hilfstrupplerin oder niedergelassene Heilerin arbeitest ist nicht zuletzt von der Nachfrage abhängig. Also, du hast es hier und jetzt sprichwörtlich in der Hand, ob du dich für unbestimmte Zeit auf Australien einlassen willst oder doch besser zurückziehst. Aber so wie ich das hier sehe könnten die dir mit einer Rückzahlung der Bearbeitungskosten kommen, wenn du das Angebot jetzt ablehnst. Du hast von vielen Blitzeulen erzählt. Da haben die einige Dutzend Galleonen für aufgewandt, auch für diesen Rückumschlag hier. Ich habe kein Problem damit, dir diese Konventionalstrafe abzunehmen, solltest du doch jetzt kalte Füße haben, Kind."

"Ich mach das, Oma Regan. Wenn deine Bilder wirklich das können, was Heather meint, habe ich keine Angst davor, für länger wegzugehen. Wahrscheinlich kann ich ja zwischendurch auch Ferien machen. Die Sommerzeit in Australien ist ja um Weihnachten."

"Dann mach das, Kind. Wie immer du dich entscheidest, ich unterstütze dich mit allem was nötig ist", sagte Regan. Ihr Mann nickte beipflichtend. So unterzeichnete Aurora Dawn das Formular und verschickte es mit der noch wartenden Eule durch den Kamin.

Einige Tage später waren auch die beiden weiteren Vollgemälde fertig. Aurora staunte, daß ihre Oma die Bilder so groß gemalt hatte. Es hätten doch auch kleinere Bilder genügt.

"Ich finde, du bist es wert, groß und deutlich zu sehen und zu hören dargestellt zu werden", sagte Regan Dawn. Dann vollführte sie mit ihrer Enkelin den Zauber, den diese bereits bei ihrem Bild der Quidditchmannschaft von 1982 benutzt hatte. Tatsächlich erwachten alle vier Portraits Auroras zu einem ihr gleichenden Eigenleben. Aurora brachte zwei Bilder zu ihren Eltern. Sie wollte nur ein Bild mitnehmen. Dann kam der wirkliche Abmarschbefehl in Form einer verbindlichen Einladung und beigefügten Beschreibungen, was sie mitnehmen durfte - keine Lebensmittel und keine tierischen oder pflanzlichen Organismen - daß sie im Dormitorium für Auszubildende Heiler wohnen würde, wo sie ein Einzelzimmer mit Toilettenraum und Waschtisch zur Verfügung gestellt bekäme und zu der Ausbildung gemäß den Nachwuchsförderungsstatuten der Heilerzunft ein monatliches Lebensunterhaltsgeld von zehn Galleonen pro angefangenes Ausbildungsjahr erhalten würde. Dann lag dem noch die Hausordnung für das Dormitorium bei, die Aurora sehr heftig an die Schulregeln von Hogwarts erinnerte, nur mit der Verschärfung, daß die Medimagie-Schülerinnen und Schüler sich nur im allgemeinen Aufenthaltsraum treffen durften, unabhängig ob sich Frauen oder Männer alleine treffen wollten oder Frauen mit Männern.

"Tja, das haben wir dir alle gesagt, daß gegen das wahre Leben Hogwarts mit allen Schikanen und Mühsalen ein Erholungsurlaub mit allen Freiheiten ist", meinte Hugo Dawn. Aurora fragte sich, ob sie nicht vielleicht doch besser den Rückzug angetreten hätte. Doch als sowohl Erica Fielding schrieb, daß ihre australischen Bekannten sich bereitgefunden hätten, ihr bei eventuellen Besorgungen zu helfen, als auch Heather schrieb, daß ihr Großonkel sichtlich entspannter sei, seitdem er einen Neuzugang aus England hatte werben können, warf Aurora alle Bedenken endgültig über Bord.

"Die haben mir eine Zahlungsanweisung mitgeschickt, die ich hier oder bei denen einlösen kann, um Alltagskleidung und die Auszubildendenuniform zu kaufen. Ich bin zumindest froh, daß ihr nicht noch was drauflegen müßt", sagte sie zu ihren Eltern.

"Wir werden dir ein Konto in London einrichten, Aurora. Wenn du mit den paar Galleonen im Monat nicht hinkommst, kannst du das als Notreserve nutzen", sagte Hugo Dawn. Aurora nickte und sagte, daß sie zusehen wolle, kein Knut von dieser Notreserve anrühren zu müssen, bevor sie kein wirkliches Einkommen habe und sich dann irgendwo einquartieren und mit eigenen Möbeln einrichten müsse.

Noch einmal zog Aurora durch die Gegend, um mit ihren Freunden und Freundinnen den ergatterten Ausbildungsplatz zu feiern. Dina, die nun mehr als doppelt so breit wie sonst aussah, vermeldete ihr bei der Gelegenheit, daß ihr Kind wohl am dritten September zur Welt käme. Aurora wünschte ihr für die Geburt und die Zeit danach viel Glück und Freude. Dann kehrte sie zu ihren Eltern zurück und packte ihren Hogwartskoffer mit allen erlaubten Sachen voll. Sie durfte Ducky nicht mitnehmen. Mußte sie sich jetzt eine andere Posteule zulegen? Aber das wollte sie an Ort und Stelle klären, ob Posteulen zu allen nicht einzuführenden tierischen Organismen gehörten. Sie dachte an Petula, die bis auf Krummbein alle Jungen ihrer Katze Schneeflöckchen untergebracht hatte. Sie hätte den orangeroten Halbkniesel sehr gerne behalten. Aber offenbar wußte sie damals wirklich schon, daß sie außer einer Eule kein weiteres Haustier behalten mochte. Sie hoffte nur daß Petula Krummbein in gute Hände geben würde und der säbelbeinige Kater seinem neuen Besitzer viel Freude machen würde. Als sie ihr Portrait zusammengerollt in Packpapier eingeschlagen hatte, nahm sie sich einige Minuten Zeit. Was machte sie jetzt eigentlich? Sie zog einfach so in ein anderes Land um, das selbst für die magische Welt sehr weit entfernt war. Sie tat das, weil sie unabhängig sein wollte, weil sie das, was sie interessierte zu einem Beruf machen wollte und weil sie gelernt hatte, daß sie anderen Menschen beistehen wollte und die Heilkunst die beste Möglichkeit dafür war. Sie wußte, daß ihre Eltern sehr traurig waren und es sehr entschlossen vor ihr verbargen, um sie nicht von ihrem Weg abzubringen. Doch irgendwie war es ihr auch unheimlich, daß ihre Eltern nun so taten, als müßten sie sie trösten oder mit der nötigen Zuversicht versorgen, wo sie selbst den meisten Trost und Zuspruch benötigten. Jeder Versuch, sie zu einer Offenbarung ihrer Gefühle zu bringen war vehement abgewehrt worden. So war Aurora nur übriggeblieben, ihren Cousins Philipp und Agatha die Bitte mitzugeben, sich auch um ihre Eltern zu kümmern, wenn sie konnten. Sie verstaute den Koffer unter dem Bett. Ihr Wecker würde sie am Morgen um Fünf Uhr wecken, damit sie noch in Ruhe frühstücken konnte. Sie hatte eine Passagebestätigung für das Flohnetz erhalten, die sie den Grenzbeamten in Großbritannien und Australien vorlegen mußte. Um Acht uhr britischer Zeit sollte sie aufbrechen, um um neunzehn Uhr Ortszeit Neusüdwales in der Sana-Novodies-Klinik einzutreffen. Dort würde sie sich mit ihren Kommilitonen und den Ausbildern zu einem Kennenlern-Abendessen treffen, daß bis zehn Uhr abends geplant war. Ab da galten die Ruhezeiten des Dormitoriums. sie legte sich schlafen und träumte von ihrer Einschulung in Hogwarts, von Bruster und Roy, die sich andauernd über Fußball zankten, von Quidditch und den Pokalen, die sie erspielt hatte. Sie träumte aber auch von der Braut des blutigen Barons, der Auseinandersetzung mit den Sabberhexen und den unheimlichen Baum, in den sie einmal hineingezogen worden war. Sie sah Silverbolt, der von der Schattenkreatur angegriffen wurde und wie er von einem Moment zum anderen als Wickelkind in einer Wiege lag. Wo mochte er jetzt sein, und wie würde er von nun an heißen? Von leichten und schweren Träumen aus der Vergangenheit durch den Schlaf getrieben erwachte Aurora beim Läuten des Weckers und war sofort frisch und Munter. Beim Frühstück lasen sie sich noch gegenseitig was aus der Zeitung vor. Dann war es soweit. Regina und Hugo Dawn verabschiedeten ihre Tochter in ihr neues Leben. Jetzt konnte Aurora kleine Tränchen in den Augen ihrer Eltern sehen und fühlte, wie auch ihr die Tränen in die Augen traten. Ihre Mutter sagte jedoch:

"Du mußt nicht weinen. Du machst dich auf, deinen ganz persönlichen Weg zu gehen. Hol dir die Welt, mein Kind, doch mach sie dabei nicht kaputt und lass die Leute darin ohne Angst leben!"

"Immer frischen Wind unter den Flügeln, meine Prinzessin! Flieg hinaus in die Welt und erkunde sie mit allen Sinnen!" Wünschte ihr Vater ihr. Dann war es an der Zeit, das grüne Feuer zu entzünden, indem Aurora mit den Worten "Zur Grenze!" und einem lauten Rauschen verschwand.

Mit dem Koffer und dem Rucksack wirbelte es sich etwas mühsam. Doch Heather hatte ihr gesagt, daß ein einziger Schrankkoffer kein Problem war. An der Grenzstation praktizierte sie den Rucksack noch in den Koffer, unterzeichnete die Transitformalitäten und reiste dann nach Australien weiter. An der dortigen Grenzstation übergab sie dem Grenz-Zauberer den ihr verbliebenen Abschnitt der Einreisebescheinigung. Dieser winkte ihr aufmunternd zu.

"Dann viel Erfolg in der Sano, Ms. Dawn, Aurora!" Wünschte er. Dann konnte Aurora an ihr Endziel, "Sana-Novodies-Foyer" reisen.

Sie hatte sich die Empfangshalle der Sana-Novodies-Klinik wie die Empfangshalle des St.-Mungo-Krankenhauses vorgestellt, bevölkert mit hilfesuchenden Hexen und Zauberern oder Besuchern dort aufgenommener Patienten. Doch dieses Foyer entsprach eher der kleinen Kammer hinter der großen Halle in Hogwarts, nur mit dem Unterschied, daß hier unterschiedlich gefärbte Vorhänge an den sanft gerundeten, breiten Fenstern hingen und in der Mitte zwei ovale Tische mit jeh sechs gepolsterten Lehnstühlen standen. Das einzige, was hier wie in St. Mungo war waren die Kristallsphären an der Decke, in denen gerade ein schwaches Licht glomm, das wohl mit zunehmender Abenddämmerung heller und großflächiger erstrahlen würde. Eine sonnengebräunte Hexe, deren schwarzes Haar und grüne Kleidung Aurora an Camille Dusoleil denken machte, stand an einer der beiden gläsernen Flügeltüren, die das Foyer auch auf eigenen Beinen erreichbar machten. Sie wandte sich um und sah Aurora an. Nein, das war nicht Camille Dusoleil. Denn das dunkle Haar war völlig glatt wie das ihre, und die Hexe besaß meergrüne Augen und nicht die dunkelbraunen Augen der französischen Kräuterhexe. Dieser wollte Aurora bald schreiben, wenn klar war, ob sie hier an Posteulen rankam oder ihre eigene Posteule herüberholen durfte.

"Ah, Sie sind die Engländerin, Aurora Dawn", begrüßte die Hexe in Grün die gerade eingetroffene Heilkunstanwärterin. "Ich bin Mag Needles, Heilerin im Praktikum."

"Angenehm, Ms. Needles. Aurora Dawn", grüßte Aurora höflich und doch jugendlich frisch zurück. Mag Needles war wohl keine fünf Jahre älter als Aurora.

"Ich soll Ihnen ihr Zimmer zeigen, Ms. Dawn", sagte die Heilerin. Dann führte sie Aurora durch einige ruhige Korridore, die offenkundig nur für Personal bestimmt waren zu einem Fahrstuhl, mit dem sie zwei Etagen nach oben fuhren, wo eine magische Frauenstimme "Dormitorium" verkündete. Durch die Tür mit einer gestreng dreinschauenden Frau in grünem Kleid betraten sie den Trakt für Hexen. Mag führte Aurora weiter bis zu einem Zimmer mit dem Schild "Zimmer F-009, Bewohnerin, Aurora Dawn, Medimagie-Adeptin 1. Ausbildungsjahr".

"Komt mir irgendwie bekannt vor", sagte Aurora leise.

"Das Schild paßt sich dem Ausbildungsstand an. Wenn Sie in das zweite Jahr kommen steht da 2. Ausbildungsjahr. Ich hoffe, Sie schaffen es wirklich. Ich habe heute erst erfahren, daß Meisterin Herbregis Ihre Mentorin wird. Da können Sie sich drauf verlassen, daß Sie heftig rangenommen werden." Aurora überhörte es zunächst. Ihr jetzt noch was von einer überstrengen Ausbilderin zu erzählen kam reichlich spät und war daher am besten zu überhören. Wenn diese Meisterin ...

"Herbregis, den Namen kenne ich doch. Bethesda Herbregis?"

"Eben diese. Oh, Sie haben sich offenbar schon über die wichtigsten Leute hier bei uns schlaugelesen. Aber lassen Sie das besser nicht zu weit raushängen, damit die nicht meinen, Sie wollten denen Honig um den Mund schmieren! Das mögen die nämlich nicht."

"Fällt mir nicht im Traum ein", erwiderte Aurora. Mag mußte grinsen. Dann gab sie Aurora den passenden Schlüssel. Es war ein Clavunicus-Schlüssel, der allein diese Tür öffnete. Kein Alohomora konnte dieses Schloß knacken.

"Haben Sie unsere Dienstkleidung besorgen können?" Fragte Mag.

"Ich habe einige Umhänge in dem Grün, das Sie tragen. Die ausgebildeten und aprobierten Heiler tragen ja dann himmelblau, wenn ich das richtig gesehen habe."

"Auch die im Praktikum, Ms. Dawn. Ich habe meinen Umhang nur deshalb noch einmal angezogen, weil ich heute zum Willkommensdienst eingeteilt wurde. Ich muß morgen wider auf Station."

"Aha", sagte Aurora. Dann zog sich Mag für eine Minute zurück, in der Aurora in den grünen Umhang schlüpfte, der die Auszubildenden hier kennzeichnete. Danach ging es in den Saal mit den beiden Tischen zurück, wo bereits weitere Leute in Grün und einige in Himmelblau eingetroffen waren. Ein Zauberer mit rotem Schopf betrachtete Aurora Dawn interessiert. Die anderen Auszubildenden, zwei Hexen und zwei Zauberer, waren in Auroras Alter, also frisch von der Schule abgegangen. Eine der Hexen war rundlich als trüge sie gerade ein Kind in sich. Doch als Aurora genau hinsah, stellte sie fest, daß die Hexe nur gut genährt war. Sie war strohblond und besaß ein himmelblaues Augenpaar. Die zweite Hexe war dünn wie ein I mit Armen und Beinen, besaß einen schmalen Kopf mit rostroten Locken, die ihr bis zu den schmalen Schultern herabreichten. Der größere der beiden Zauberer unter den Anwärtern mochte knapp zwei Meter messen, wirkte mit seinem schwarzbraunen Haar und dem gleichfarbigen Mehrtagebart wie ein zum Menschen verwandelter Bär. Er hatte seinen grünen Umhang locker übergeworfen. Ob das so angebracht war wußte Aurora nicht. Der zweite männliche Auszubildende war so groß wie Aurora und besaß kastanienbraunes Haar und hellgrüne, hellwache Augen. Alle sahen sich gegenseitig an. Die drei in Himmelblau gekleideten Ausbilder, zwei Hexen und ein Zauberer, verfolgten das Abtasten mit den Augen, ohne ein Wort zu sagen. Dann trafen noch eine Hexe und ein Zauberer in Himmelblau ein. Die Hexe erkannte Aurora sofort wieder. Das silberblonde Haar, daß im Nacken zu einem Knoten geschlungen war, die sehr kraftstrotzenden Bewegungen. Ja, das war Bethesda Herbregis, die sie als Viertklässlerin in Sydney in Aktion gesehen hatte, als zwei junge Idioten mit dem gefährlichen Kreiselflugtrank hantiert hatten. Bethesda Herbregis sah Aurora durch die kreisrunden Gläser ihrer silbernen Brille aufmerksam an. Sie zeigte keine Regung, ob sie Aurora als ihre Schülerin erkannt hatte oder sich vielleicht an die Begegnung im Willy-Willy erinnerte. Der sie begleitende Zauberer winkte den Anwesenden huldvoll zu. dann tat sich die Tür, durch die er gekommen war noch einmal auf, und Direktor Dr. Springs betrat den Saal. Wäre es nicht schon totenstill gewesen, jetzt wäre diese Stille mit Sicherheit eingetreten. Denn alle blickten den Leiter der australischen Zauberklinik an. Dieser räusperte sich und sagte dann sehr belustigt:

"Hallo, zusammen. Ich bin nur der Leiter hier. Mein Name ist Vitus Springs, und das hier ist eine Empfangshalle und keine Gruft." Die Heileranwärter mußten grinsen. Laut zu lachen traute sich jedoch keiner. Dann winkte Springs sie alle zu sich.

"Da haben wir also Ms. Monica Riddley aus Alice Springs", sagte er und deutete auf die wohlgenährte Hexe, "Ms. Ireen Barnicle aus der Region Darwin", wobei er auf die dünne Hexe deutete, "sowie Ms. Aurora Dawn aus der englischen Grafschaft Devonshire", wobei er Aurora Dawn anlächelte, "Wie auch Mr. Thomas McCloud aus der Region von Melbourne", wobei er auf den bärengleichen Jungzauberer deutete, "und zum Schluß noch Mr. Berthold Woodman aus dem Einzugsgebiet von Adelaide", wobei er auf den Zauberer mit den kastanienbraunen Haren und den hellgrünen Augen deutete. "Sehr aufmerksam von Ihnen allen, sich pünktlich eingefunden zu haben. Und wie ich sehen kann hat Ms. Dawn sogar noch die nötige Zeit gefunden, sich den Konventionen hier entsprechend umzukleiden, obwohl sie von uns allen die weiteste Anreise gehabt hat. Das stimmt mich doch sehr erleichtert, daß die internationale Flohnetzverbindung nun doch zuverlässig arbeitet. Nun, so möchte ich Sie gleich bitten sich zu drei und zwei Personen mit ihren Ausbildern an die Tische zu setzen. Geschlechtertrennung bei Tisch ist nicht vorgeschrieben, damit die jungen Herren nicht meinen, sie müßten bereits jetzt schon Abstand zu den Damen einhalten. Sie Werden gleich ein mehrgängiges Abendessen zu sich nehmen, während dem Sie sich einander besser vorstellen können. Zunächst einmal möchte ich die Mentoren und Mentorinnen bitten, sich zu den vereinbarten Adepten zu begeben! Für Ms. Riddley ist Meisterin Brigid Springwood eingeteilt worden." Eine Aurora noch unbekannte Hexe mit dunkelblonder Kurzhaarfrisur stellte sich zu Monica Riddley. "Ms. Barnicle wird von Meisterin Ceres Beanstock die Unterweisungen erhalten", worauf eine zu Ireen passende hagere Hexe mit rotem Schopf hintrat. "Meisterin Bethesda Herbregis ist von heute an die Mentorin von Adeptin Aurora Dawn", sagte Springs sehr ruhig und sah zu, wie Aurora und die berühmte Heilerin zueinander hintraten, jedoch ohne sich zu berühren. Thomas McCloud wurde von einem vierschrötigen Zauberer namens Meister Atropus Morningdew begrüßt, während Berthold Woodman von Meister Salix Gnoll angenommen wurde.

"So, die Damen und Herrschaften, ich empfehle mich dann! Habe noch einiges zu tun. Magret, kommen Sie bitte auch mit, falls sie nicht noch etwas zu tun haben! Doch Mag Needles hatte hier nichts mehr zu tun. Sie nickte allen zu und zwinkerte Aurora aufmunternd zu. Dann verließ sie mit dem Direktor den Empfangsraum.

"Setzen wir uns", sagte Meisterin Herbregis die ersten Worte an Auroras Adresse. Sie gehorchte. "du bist also Aurora Dawn, Tochter von Hugo und Regina Dawn." Aurora nickte bestätigend. "Mich hast du natürlich schon mal gesehen, wenn ich mich nicht täusche. Das war vor drei Jahren und ein paar Monaten, da warst du zusammen mit Ms. Heather Springs in Sydney und wurdest Zeugin eines unrühmlichen Zwischenfalls, in den ich eingeschaltet wurde."

"Stimmt", bestätigte Aurora, beeindruckt, daß die Heilerin sie tatsächlich am Gesicht wiedererkannt hatte.

"Nun, dann hat dich das offenbar nicht davon abbringen können, bei und von mir zu lernen. Natürlich hast du es dir nicht ausgesucht, bei mir zu lernen, weiß ich. Aber zumindest den Mut aufzubringen, Heimat und Familie für längere Zeit hinter sich zu lassen muß ich doch bewundern. Ich weiß nicht, ob ich derlei Entschlossenheit aufgeboten hätte."

"Ich wollte nicht zu lange warten, Meisterin Herbregis", erwiderte Aurora.

"Richtige Einstellung. Zu langes Warten verringert die Chance, etwas erfolgreich abzuschließen", erwiderte Bethesda Herbregis. Dann rückte sie mit den ernsteren Dingen des Hierseins heraus:

"Du hast sicherlich einen konkreten Stundenplan erwartet oder sowas. Wir Mentoren verfügen selbst, wann wir unseren Adepten die vorgeschriebenen Lektionen erteilen, weil es ja durchaus vorkommen kann, daß manche Dinge längere Zeit benötigen, um gründlich genug verinnerlicht zu werden. Deshalb gibt es keine Stundenpläne, sondern Übungseinheiten, die immer wieder wiederholt werden. Natürlich werde ich dich auch dazu anhalten, heilkundliche Abhandlungen und dokumentierte Krankheits- und Therapieverläufe zu studieren und sie mir irgendwann aus dem Gedächtnis rezitieren zu können. Du wirst die Anatomie des Menschen und diverser Heil- und Schadkräuter erlernen und natürlich auch Zaubertränke nachbrauen oder ohne vorhergehendes Studium der Rezeptur die Zusammensetzung eines Trankes entschlüsseln. Das habt ihr in Hogwarts sicherlich schon durchgenommen. Falls nicht, haben wir hier genug Zeit, das zu erlernen und zu üben. Allerdings werden wir erst morgen früh mal erkunden, wie gut du mit dem Zauberstab umgehen kannst. ich habe zwar deine UTZ-Liste gelesen, aber weiß aus Erfahrung, daß etwas zu lesen und es mit den eigenen Sinnen zu erfahren zwei grundverschiedene Dinge sind. Zum Umgang miteinander: Wie du merkst spreche ich dich in der persönlichen Form an, da jeder, der in die Heilerzunft eintritt mit den anderen per du ist. Da wir im Moment ein lehrer-Schüler-Verhältnis haben, habe ich nichts dagegen, wenn du mich auch wie eine Lehrerin ansprichst. Bei Hexen habe ich aber auch keine Probleme damit, wenn sie mich beim Vornamen nennen. Anrede alleine beweist noch keinen Respekt. Das schaffen nur die Taten. Nur daran werde ich dich messen und wichten, Aurora. Nur deine Taten werden mich überzeugen, ob ich dich nach drei Jahren als vollwertige Heilerin ins praktische Jahr empfehlen darf oder nicht. Kommst du damit zurecht?"

"Ich werde alles tun, was nötig ist, um den hier erhobenen Ansprüchen gerecht zu werden, Meisterin Herbregis", erwiderte Aurora. Die Heilhexe nickte ihr zu.

"Nun, dann können wir jetzt über uns beide sprechen. Wir müssen nicht in zu private Dinge gehen, lediglich darüber plaudern, wie wir bisher so zurechtgekommen sind. Ich hatte nämlich noch nie jemanden aus Hogwarts in der Ausbildung. Ich kenne nur die aus Redrock. Also, wer ist da im Moment für welches Fach zuständig?"

Aurora gab bereitwillig Auskunft. Natürlich kannte Bethesda Herbregis sämtliche Lehrer. Bei Snape zuckte es in ihren Lippen, als wolle sie gleich rufen, daß doch nicht Snape zum Lehrer geworden sei. Dann berichtete Aurora von ihrer Schulzeit, daß sie in Ravenclaw gewohnt und dort auch in der Quidditch-Mannschaft mitgespielt habe, als auch daß sie Vertrauensschülerin ihres Hauses gewesen sei. Nebenher wurde das Essen auffgetragen, das reichaltig und sehr wohlschmeckend war. Nach ungefähr zwei Stunden, in denen Aurora Bethesda Herbregis' bisherigen Werdegang erzählt bekommen hatte, wurde die neue Heilkunstadeptin zur Nachtruhe entlassen. Im Gemeinschaftswaschraum der Hexen meinte Monica Riddley zu Aurora:

"Die haben dich aus England rübergeholt, damit die Herbregis mal wen anderen zum antreiben kriegt. Ich hoffe, du wirst hier nicht irgendwann wahnsinnig."

"So schnell bestimmt nicht", lachte Aurora. Ireen meinte:

"Wenn die sonst keine von Redrock gekriegt haben und keinen Altweiberclub aufmachen wollten, lass sie doch, Monica. Die wird schon klarkommen, wenn sie ihr diese Ausbildung und diese Mentorin zutrauen. Du kennst Heather Springs, nicht wahr?"

"Ja, die kenne ich", sagte Aurora.

"Die würde ihrem Großonkel bestimmt keine empfehlen, die nicht den nötigen Schneid hat", sagte Ireen. Monica grinste nur über ihr Mopsgesicht. Dann wünschte sie den beiden eine gute Nacht und verließ den Waschraum richtung Zimmer.

"Lass dich bloß nicht von der runtermachen. Das war 'ne Shadelake. Die können niemanden ab, der nicht aus ihrem Pfuhl gekrabbelt kam."

"Habe ich mir schon gedacht. Bei uns heißen solche Typen wie die Slytherins", sagte Aurora und fragte, in welchem der acht Häuser Ireen gewohnt hatte.

"In demselben wie Heather, Rootfoot. Und du warst eine Ravenclaw, nicht wahr?"

"Kann man mir das ansehen?" Fragte Aurora.

"In gewisserweise schon, weil du erst alles genau betrachtet hast, bevor du dich mit meisterin Herbregis unterhalten hast. Du wolltest genau sehen, woran du bist, nicht einfach drauf los oder über allen Dingen schwebend oder eingeschüchtert auf Instruktionen wartend. Aber vielleicht sind das auch nur vorurteile."

"Ja, ich war in Ravenclaw", sagte Aurora. "Kennst du da welche her?"

"Nicht persönlich. Aber ich habe von einer Mrs. June Priestley gelesen, die sehr bewandert in Zaubertränken und Muggelsachen sein soll. Die war eine Ravenclaw."

"Ja, stimmt, die kenne ich auch", sagte Aurora so unverbindlich wie möglich. Sie mußte Ireen nicht gleich am ersten Abend ihre halbe Verwandtschaft vorstellen, zumal es ja dann wie Angeberei rüberkommen mochte, wenn sie eine so berühmte Tante besaß. Sie verabschiedeten sich, damit sie nicht von irgendwem wegen zu langen Schwatzens im Badezimmer angehalten werden mochten. Aurora betrat ihr Zimmer, schloß hinter sich ab und kleidete sich zur Nacht um. Gut, daß sie den Weltzeitanpassungstrank genommen hatte. So war sie bereits jetzt wieder schön müde, obwohl sie eigentlich erst fünf Stunden auf war. Sie war mal eben in ein weit entferntes Land übergewechselt und sollte nun die nächsten Jahre hier leben. Sie hängte das mitgebrachte Portrait von ihr selbst auf und beauftragte ihr Bild-Ich, den Eltern bescheid zu sagen, daß sie wohlbehalten angekommen sei und nun zu Bett ginge. Als ihr gemaltes Selbst aus dem Bild verschwunden war blickte Aurora aus einem der beiden Fenster. Draußen hoben sich dunkel und im Moment ehr bedrohlich wirkend hohe Eukalyptus-Bäume in den Himmel. Irgendwo sangen ihr unbekannte Vögel ihre letzten Lieder für heute. Sie setzte sich aufs Bett, bis ihr Portrait verkündete, daß ihre Eltern sich freuten und ihr einen guten Start in den neuen Lebensabschnitt wünschten. Aurora bedankte sich und legte sich hin. Bevor sie einschlief dachte sie daran, daß sie jetzt zwar immer noch eine Schülerin war. Doch ab morgen würde jede Sache, die sie machte ihr ganzes restliches Leben bestimmen, nicht einfach nur irgendwelche Noten auf Pergament zaubern. Vielleicht mußte sie diesen großen Sprung machen, um sich darüber klar zu werden, daß die sorglosen Jugendjahre nun vorbei waren. Sie war jetzt eine erwachsene und gründlich ausgebildete Hexe mit allen Verpflichtungen, die das beinhaltete. Sie dachte an die unbeschwerten Zeiten mit den Eltern zurück, wie sie dann aufgeregt nach Hogwarts gekommen war. Hogwarts! Das war jetzt in jeder Hinsicht weit von ihr fort. Heute war für sie die letzte Nacht, in der sie sich noch wie ein unbekümmertes junges Mädchen fühlen konnte. Doch sobald diese Nacht vorbei war, war dies alles eine wunderschöne, doch vergangene Zeit, ihre persönlichen Jugendjahre, die viel zu schnell vergangen waren. Sie drehte sich in ihre bequemste Einschlafstellung und überließ sich der Müdigkeit und der ruhigen Nacht dort draußen. Einmal dachte sie, daß jetzt keine zwanzig oder dreißig Meter von ihr fort schwerkranke Menschen in ihren Betten lagen, die womöglich Schmerzen hatten oder unter wilden Angstvisionen litten. Nein, das durfte sie nicht überlegen, wenn sie hier ruhige Nächte zubringen wollte. Sie schaffte es, wieder an beruhigendere Sachen zu denken. Schließlich übermannte sie der Schlaf, der sie aus der Mäddchenzeit in das Erwachsenenleben hinübertrug.

ENDE

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