AMALIA UND DARIUS

Eine Fan-Fiction-Story aus der Vergangenheit der Harry-Potter-Serie

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Vorige Story

P R O L O G

Zu zwei Dritteln ist das dritte Schuljahr für Aurora Dawn schon gelaufen, und es hat ihr neues Wissen und neue Erlebnisse gebracht, sowohl helle wie dunkle. Da sind die neuen Schüler, die sich behaupten müssen, wie die Swift-Drillinge, ihr Cousin Philipp oder die streberhafte und herablassende Lissy Wright. Da ist Professor Patrokles Balder, der Verteidigung gegen die dunklen Künste zu einem knochenharten Unterricht macht. Da sind die neuen Schulfächer, die Aurora in Anspruch nehmen, wie Muggelkunde oder Pflege magischer Geschöpfe. Außerdem darf sie auch das Dorf Hogsmeade besuchen, ind dem sie mit ihren Mitschülern aufregende Erlebnisse mit Zwergen, Kobolden und Sabberhexen hat. Bei einem solchen Ausflug gerät sie in eine Schlacht, die der in der Zaubererwelt gefürchtete Dunkelmagier Lord Voldemort entfacht. Er beschwört den schwarzmagischen Drachenturm, ein Zentrum düsterer Kräfte und ruft damit einen Schwarm zerstörungswütiger Drachen herbei. Als dann noch düstere Gestalten erscheinen, die Dunkelheit, Kälte und tiefste Verzweiflung, vereint mit den schlimmsten Erinnerungen verbreiten, scheint die Lage aussichtslos zu werden. Doch da kann die Wirtin der Drei Besen, in denen Aurora Zuflucht gefunden hat, die weiße Gegenkraft wecken, die die Macht des Turmes zurückdrängt. Die geheimnisvollen, sehr kampfstarken Wolkenhüter-Vögel tauchen auf und verjagen die Drachen. Die düsteren Geschöpfe, die Angst und Dunkelheit verströmen, die Dementoren, werden von den Lehrern Balder, Bitterling und Dumbledore vertrieben. Dumbledore selbst tritt auf dem Drachenturm zum Duell gegen Voldemort an. Beide nutzen die ihnen genehme Kraft, Dumbledore die schützende Kraft der alten Sternenklingenbruderschaft, Voldemort die Macht des Drachenturms, um ihr Duell zu gewinnen. Doch Voldemort gerät ins Hintertreffen, weil der Drachenturm sich seiner Kontrolle entzieht. Er muß flüchten. Dumbledore vernichtet den Turm und damit die von ihm ausgehende Bedrohung. Zwanzig Schüler von Hogwarts kehren jedoch nicht aus Hogsmeade zurück.

Aurora hat im Quidditch-Team gute Spiele gemacht. Ihre Mannschaft aus Ravenclaw und die aus Gryffindor liegen in der schuleigenen Tabelle vorne und werden nach den Osterferien darum spielen, wer von ihnen den diesjährigen Quidditchpokal erringt.

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Schnaufend und stampfend zog die scharlachrote Dampflok die Wagen des Hogwarts-Expresses über die Schienen. Die Gegend wurde bergiger und wildwüchsiger. Im Moment krochen graue Wolkenungetüme am Himmel entlang, die nicht so recht erkennen ließen, ob sie Regen abladen oder einfach nur bleischwer weiterziehen würden. Aurora Dawn zog ihren Kopf ins Abteil zurück und strich sich die vom Fahrtwind ins Gesicht gewehten Haare ihres nachtschwarzen Schopfes hinter die Ohren zurück. Sie schloß das Fenster und ließ sich neben Petula Woodlane nieder, die gerade mit Dina Murphy über einem Buch über Handarbeit für Hexen hing. Mortimer Swift und Roy Fielding dösten, während Bruster Wiffle in einer Muggelsportzeitung las. Er schien andauernd was überdenken zu müssen, weil sein Gesicht so angespannt war wie bei einer schwierigen Schulaufgabe. Aurora wagte jedoch nicht, ihn darauf anzusprechen. Schon oft hatte sie erleben müssen, daß Bruster, ja auch Roy, sich leicht über den Einballsport Fußball aufregen konnten. Erst als Bruster die Zeitung fortpackte wagte Aurora es, ihn leise anzusprechen.

"Was ist mit dir los, Bruster?"

"Wird schwierig für Manchester. Sie können es noch klarmachen, aber im Moment sieht es so aus, als ginge denen die Meisterschaft dieses Jahr durch die Lappen."

"Achso. Du hast die Tabelle durchgerechnet", erkannte Aurora.

"Wieder und wieder, Aurora. Aber du interessierst dich ja nicht für Fußball", grummelte Bruster, der nicht wußte, wieso das Aurora jetzt betreffen sollte, was in seinem Kopf herumging.

"Das stimmt zwar. Aber ich möchte gerne wissen, ob du oder sonst wer von uns was hat, was ihm oder ihr die Stimmung verhagelt."

"Ich habe dir doch vor den Ferien erzählt, die Leute aus der Familie meiner Mum würden mal zu uns kommen. Das war auch so. Meine Großeltern sind zwar ziemlich nett. Aber sie haben Dad immer irgendwie mitleidig angeguckt, wenn der was erzählte und Tante Dolly, die als einzige unverheiratet geblieben ist, hat mich darauf hingewisen, daß ich in Hogwarts von dem ganzen "Muggelblödsinn" wegkommen sollte, was ihr einen kurzen Streit mit Mum und Dad eingebracht hat. Mein Vater fühlt sich untergebuttert, diskriminiert, sagt er oft, wenn von den anderen Hexen und Zauberern keiner zuhören kann. Wenn er dann noch überlegt, was die Slytherins von uns halten, bestätigt ihn das", erzählte er weiter. Petula hob den Kopf und sah ihn mitfühlend an.

"Ist das bei euch so schlimm? Ich dachte, dein Vater hätte das schon längst verdaut, daß deine Mum eine Hexe ist", sagte sie leise, um die schlafenden Jungen nicht unnötig aufzuwecken.

"Mum und Oma Ornella sind ja auch voll in Ordnung zu ihm. Tante Dolly und ein paar andere aus Mums Stall sind nur sauer, daß Mum keinen angeblich wichtigen Zauberer geheiratet hat. Das lassen die dann gerne raushängen, natürlich ganz aus guten Absichten."

"Da haben Erica und Roy es wohl einfacher", meinte Aurora. "Die haben nur Muggel in der Verwandtschaft."

"Kann hinhauen", meinte Bruster leise. Roy, der durch die Nennung seines Namens aus dem leichten Schlaf aufschrak, blickte mit leicht verklebten Augen auf Bruster und wollte wissen, was mit ihm sein sollte. Bruster sagte ihm nur, daß er eigentlich froh sein könne, daß er nur Muggelverwandtschaft hätte. Das amüsierte Roy. Er rieb sich die Schlafspuren aus den Augen und meinte dann:

"Und, schon damit abgefunden, daß Liverpool die Meisterschaft verteidigt?"

"Hör mir bloß auf", knurrte Bruster. "Lieber Chelsea oder Arsenal als diese überdrehten Zirkusclowns."

"Haha, Zirkusclowns, Brusie. die bleiben diese Saison ganz oben, wirst sehen", genoß Roy es, den Klassen- und Hauskameraden zu ärgern.

"Auch die werden nicht ewig so gut sein, Roy. Nachher müssen die ihre Spitzenspieler verschachern, weil der Schatzmeister sich verrechnet hat, und dann flutschen die ganz schnell Richtung Abstieg."

"Aber nur nachts, wenn du schläfst, Bruster", konterte Roy überlegen grinsend.

"Muß das denn wieder sein. Ihr langweilt", knurrte Mortimer mißmutig. "Jede Woche zweimal mindestens geht ihr mir mit diesem langweiligen Balltretergedöns auf die Nerven. Mann, es gibt wichtigeres in unserem Leben, auch in deinem, Roy."

"Ja, Daddy", versetzte Roy verächtlich. Mortimer schwieg.

Den Rest der Zugfahrt ging es um die nächsten Schulwochen. Die Trauer um die zwanzig in Hogsmeade umgekommenen Schüler, die der sogenannten Drachenturmschlacht zum Opfer gefallen waren, rückte nun, da sie wieder auf Hogwarts zurollten näher an sie alle heran und legte sich als dunkler Schatten auf ihre Gemüter. Sie hatten das Gemetzel und die Luftschlacht der Drachen und Wolkenhüter-Vögel noch zu gut in Erinnerung. Roy dachte besonders an die grüngesichtige Kreatur, die ihn überrumpelt und in eine merkwürdige Trance versetzt hatte. Was hatte Balder gesagt? Sie habe ihn gerne. Eine widerliche Vorstellung, daß dieses Geschöpf ihn nicht mehr ruhig durch Hogsmeade laufen lassen mochte, wenn er sich nicht andauernd mit Steinsalz Wangen und Hände einrieb. Bruster dachte eher daran, daß er unter allen Umständen etwas vor allen anderen verbergen mußte, was die entweder über ihn lachen oder ihn mit ach so gut gemeinten Ratschlägen und Warnungen bombardieren machen konnte. Aurora gingen die Bilder ihres sterbenden Onkels Dustin nicht aus dem Kopf, die sie unter dem Einfluß der Dementoren gesehen hatte. Diese Monster waren schrecklich, und Bartemius Crouch von der magischen Strafverfolgung wollte diese Angstgestalten als Gefängniswärter für Askaban gewinnen. Um die trübe Stimmung zu verdrängen erinnerte sie sich an etwas, daß ihre Oma Regan in den Osterferien erzählt hatte: Lily Potter, geborene Evans, werde bald Mutter. Sie dachte an die rothaarige Junghexe, eine Muggelstämmige, die im letzten Jahr mit ihrem draufgängerischen Freund James das Schulsprecherpaar gebildet hatte. Das brachte ihr das Lächeln zurück.

Wieder in Hogwarts nahmen alle das Abendessen in gedämpfter Stimmung ein. Die auf den nun leeren Stühlen liegenden Hüte mit den Trauerschleifen mahnten sie, daß jeder, der oder die hier sitzen und essen konnte, sofern es Leute oberhalb der zweiten Klasse waren, von großem Glück sprechen durfte. Die Graue Dame, der Ravenclaw-Hausgeist, saß Aurora und Petula gegenüber und lauschte den Unterhaltungen, ob sie etwas für sie wichtiges aufgreifen konnte. Einmal sagte sie was zu Roy, der halblaut fragte, ob von den gestorbenen Schülern Geister hier herumspuken würden, daß nicht jeder zum Geist werden müsse, sondern dies nur, wenn er oder sie zuviel Angst vor dem Tod oder noch unerledigte Dinge auf der materiellen Welt zurücklassen müßte. Auf die natürlich folgende Frage, was es denn bei ihr sei, kam die mit einem verkniffenen Lächeln unterstrichene Antwort:

"Mr. Fielding, selbst wenn es Sie heute noch betreffen würde, würden Sie das nicht verstehen, noch nicht."

"Ja, aber Sie waren schon hier in Hogwarts, immer schon", erwiderte Roy unbeeindruckt.

"Nein, ich bin, wie die anderen residenten Geister, aus einer anderen Wohnstatt herübergekommen, um meinem alten Haus Ravenclaw beizustehen, wie Sir Nicholas von den Gryffindors oder der dicke Mönch bei den Hufflepuffs. Was den blutigen Baron angeht, so mußten Sie und ich ja letztes Jahr überdeutlich mitbekommen, was ihn hier her getrieben hat. Wer einmal ein Geist ist, bleibt es auch. Das ist der Preis, den unsereins für das Festhalten an dieser Welt zahlen muß. Die Tür zum anderen Reich öffnet sich einmal. Geht man nicht hinüber, schließt sie sich wieder, und bisher kenne ich keinen anderen Geist, für den sie sich erneut geöffnet hätte. Viele hoffen natürlich darauf, daß dies geschehen mag", sagte die graue Dame.

"ja, aber nur Hexen und Zauberer können zu Geistern werden", wandte Bruster ein.

"Meistens. Es gibt auch Gewesene, die keine Magie wirken konnten und dennoch zum Nachleben verdammt wurden, weil Flüche oder magische Zwänge sie in dieser Welt zurückhielten. Doch diese sind schwach und treten höchst selten in Erscheinung, alle hundert Jahre einmal oder an wiederkehrenden Tagen, die für ihre lebendige Daseinsform wichtig waren, oder wenn sie durch bestimmte Ereignisse zum Handeln gezwungen werden. Aber ich möchte Sie bitten, nicht zu ausgiebig über dieses Thema zu diskutieren. Für uns Geister ist das Geistsein so elementar wie für Sie die Fragen der Partnersuche und Fortpflanzung. Da diese Bereiche heute noch mit Tabus behaftet sind, verstehen Sie sicher, daß es auch für uns Dinge gibt, über die zu sprechen sich nicht schickt, obwohl sie eben zu unserer Daseinsform gehören."

"Natürlich, Mylady. Entschuldigung", sagte Bruster und bekam rote Ohren. Roy, der nicht kapierte, wieso Bruster davon so verlegen wurde fragte ihn, ob er was habe, das ihn so verlegen mache. Bruster sagte nur:

"die hat doch recht. Wir reden doch auch nicht über alles. Warum sollen die das dann."

"Wie du meinst", sagte Roy. Dina sah ihn an und nickte Bruster zu.

"Wie auch immer", sagte die graue Dame. "Eure Mitschüler aus den anderen Häusern werden wohl anderswo umgehen, sollten sie wahrhaftig als Abdruck ihrer Selbst in dieser Welt verblieben sein. Aber mich dünkt, daß sie der Tod zu schnell ereilte, sodaß sie keine Zeit hatten, aus Angst vor ihm zurückzuschrecken."

"Hmm, kann sein", sagte Miriam, die das Bild vor Drachen fliehender Schüler noch zu gut vor Augen hatte. Amalia Hopfkirch sagte dann noch:

"Ich finde, jetzt wißt ihr genug über die Sache mit unseren Geistern, um des Respekts wegen nicht weiter darüber reden zu müssen." Das wirkte sofort.

Nach dem Abendessen mußte Bruster in die Bibliothek. Keiner wußte was er da groß wollte, weil ja alle Hausaufgaben wohl schon erledigt waren. Aurora, Petula und Miriam tuschelten darüber, was mit Bruster los sei. Außer der Sache vorhin im Zug, die ihn an seine alten Großmaultage erinnern machte, hatte er sich irgendwie gewandelt. Er war ruhiger, geheimnisvoller und tatsächlich auch engagierter. Mochte das an dem über ihm schwebenden Rauswurf liegen, der nur nicht passiert war, weil seine Eltern fast von ihm, dem Unnennbaren, ermordet worden waren? Oder hatte er was, das keiner mitbekommen sollte? Doch irgendwann gaben die Mädchen es auf, darüber zu reden, weil es ja nichts gab, was sie zu der einen oder anderen Schlußfolgerung führen mochte. So zogen sie sich in ihren Schlafsaal zurück, um für den morgigen Schultag genug neue Kraft zu sammeln.

Die Stimmung bis zum entscheidenden Quidditchspiel zwischen Gryffindor und Ravenclaw stieg merklich an, als Mannschaftskapitän Boulder nach dem letzten Training im Gemeinschaftsraum verkündete, daß sie dem Spiel am Samstag unbeschwert entgegensehen konnten. Für die Gryffindors war es eine Herausforderung, zum ersten Mal nach dem Weggang von James Potter ein entscheidendes Spiel zu gewinnen. Slytherin mochte weder die eine noch die andere Mannschaft gut genug, um ihr den Sieg zu gönnen und hielt sich aus allem heraus. Die Hufflepuffs, die von jeder anderen Mannschaft besiegt worden war wußten auch nicht so recht, ob sie nun den Gryffindors oder Ravenclaws die Daumen drücken sollten, bis Cynthia Flowers und Melinda Bunton mit einer Plakete "Adler krallt den Pott" mit blauem Hintergrund und bronzefarbener Schrift trugen. Das war am Donnerstag vor dem Spiel. Von da an schien es für die Hufflepuffs der dritten Klasse ausgemacht, daß man Ravenclaw den Pokal gönnen mußte.

Der Tag des großen Finales grüßte mit einem grauroten Dämmerlicht am Morgen. Schweres Gewölk hing dicht gedrängt am Himmel. Doch es regte sich kein Wind, keine noch so sachte Brise. Das Frühstück verlief für die Schüler und Lehrer in Hogwarts gleichermaßen laut und geschwätzig ab. Die Ravenclaw-Hausmannschaft saß zusammen an der dem Eingang gegenüberliegenden Schmalseite ihres Haustisches. Mortimer Swift hatte eine blaue Fahne mit dem Ravenclaw-Adler in Miniaturausgabe gemacht, wo der Adler alle zwei Minuten mit den Flügeln schlug. Am Gryffindor-Tisch trugen alle scharlachrote Schals. Die Slytherins glotzten nur ab und an herüber und wußten nicht so recht, wen sie jetzt anpöbeln sollten. Professor McGonagall hatte ihren Zaubererhut mit einer scharlachroten Schleife geschmückt, womit sie klarmachte, wwie sehr sie ihre Mannschaft unterstützte. Der winzige Professor Flitwick trug eine blaue Schleife an seinem spitzen Hut und hatte sich einen dazu passenden Umhang angezogen. Damit war auch seine Unterstützung für die Ravenclaw-Hausmannschaft klar.

Nach dem Frühstück marschierten die Quidditchmannschaften der beiden Häuser zunächst in ihre Gemeinschaftsräume, wo sie sich von ihren Anhängern noch letzte gute Wünsche abholten, bevor sie zum Stadion aufbrachen.

Peeves, der Poltergeist, sah es als rechte Gelegenheit, mal wieder einen seiner wüsten Streiche zu spielen, als er mit roten mit wasser gefüllten Luftballons auf die Ravenclaw-Spieler wartete und versuchte, die zum bersten gefüllten Ballons so genau zu werfen, daß möglichst alle naß wurden. Beinahe hätte Aurora Dawn die Entladung einer solchen Wasserbombe abgekriegt. Sie steppte gerade noch zurück, als der ihr geltende Ballon klatschend auf dem Marmorboden zersprang und der Wasserschwall in alle Richtungen spritzte. Sie bekam zwar nasse Schuhe, nahm aber keinen weiteren Schaden. Peeves, gerade unsichtbar, giggelte irrwitzig und versuchte, Alessandro Boulder zu treffen. Der sprang hoch, bekam die rote Wasserkugel gerade noch so zu fassen, daß sie ihm nicht in den Händen zerplatzte und pfefferte sie weit in den Gang hinaus, wo sie mit lautem Platsch auseinandersprang. Schnell eilten die sieben Spieler weiter, achteten auf weitere Wasserbomben und versuchten, möglichst wenig Wasser abzubekommen. Peeves lachte schallend, als er Karin Meridies voll erwischte. Der Ballon zersprang auf ihrem Kopf, und sie war von oben bis unten mit eiskaltem Wasser durchnäßt.

"Du Feigling, zeig dich!" Rief Ken Dasher mit gereckten Fäusten. Peeves wurde kurz sichtbar, streckte dem Schüler eine ellenlange Zunge heraus, drehte sich einmal um die eigene Achse und schwirrte schadenfroh lachend davon.

"Dieser Mistkerl", fluchte Karin, die das Wasser aus ihrem Haar schüttelte und ihren triefnassen Umhang auszuwringen versuchte.

"Jetzt wissen wir zumindest, zu wem Peeves hält", meinte Mortimer Swift, der einem Wasserangriff gerade noch so entgangen war.

"Im Stadion ziehen wir uns eh um. Dann kannst du den Umhang zum Trocknen aufhängen", meinte Norman Wayne, der kurz seinen linken Schuh auszog und den Schluck Wasser auskippte, der ihm hineingeraten war.

"Hoffentlich holen wir uns keine Erkältung", meinte Aurora Dawn.

"Dann kriegt Peeves mordsmäßigen Ärger", drohte Alessandro.

Unterwegs trafen sie Priscilla Woodlane, die mit ihren klassenkameradinnen auf dem Weg ins Stadion war.

"Ach, euch hat er auch gegrüßt?" Fragte Erica Fielding. "Dieser Möchtegerndämon hat die Gryffindors vor dem Zugang zu ihrem Haus mit einem riesenkübel Wasser vollgeschüttet. Die mußten sich erst einmal trocknen. McGonagall ist nicht gerade erfreut."

"Uns hat er dämliche Ballons nachgeschmissen", sagte Alessandro. "Wie kann man soviel Wasser wieder wegkriegen?" Erica und Priscilla zogen ihre Zauberstäbe und machten damit einen Zauber, der Umhänge und Haare rascher als zehn Föns trocknete. Es vergingen keine fünf Sekunden, da waren Karin, Aurora und Mortimer soweit wieder einsatzfähig, daß sie das Spiel beginnen konnten.

Im Umkleideraum schärfte Alessandro seinen Teamkameraden noch einmal ein, daß sie es heute in der Hand hatten, den Pokal nach Ravenclaw zu holen und daß die Gryffindors noch nicht so gut sein konnten, daß sie auch ohne den Spitzenspieler James Potter klarkamen, und daß die Ravenclaws ihnen das heute zeigen würden.

Auf dem Spielfeld atmete Aurora Dawn die Atmosphäre johlender und Fahnen schwenkender Mitschüler ein. Die Slytherins johlten zwar, als sie merkten, wer ihnen so alles zusah, wünschten Gryffindor in den tiefsten Sumpf und Ravenclaw eine totale Bauchlandung. Doch irgendwie kam doch mehr aufmunterndes als Verächtliches bei Aurora an. Die Löwen auf den Gryffindorbannern brüllten siegeshungrig, während die vielen Ravenclaw-Adler laute Triumphschreie ausstießen und ihre bronzenen Flügel ausspannten, als wollten sie den Himmel überdecken.

"Begrüßt euch, Kapitäne!" Forderte Madame Hooch. Ihre gelben Falkenaugen leuchteten voller erregung in der Morgensonne. Samuel Winchester, der Kapitän der Gryffindors, trat mit festen Schritten vor und streckte Alessandro die rechte Hand hin. Dieser grinste den in Scharlachrot überlegen an, schüttelte schwungvoll die ihm dargebotene Hand und zog sich ohne besondere Hast auf die Seite seiner Truppe zurück.

Besteigt die Besen!" Kommandierte die Fluglehrerin und Schiedsrichterin. Dann gab sie den goldenen Schnatz frei. Sie zählte bis zwei und ließ die wilden schwarzen Klatscher aufsteigen, die in einer wilden Spirale nach oben schwirrten und bereits auf die Spieler lauerten. "Drei!" Rief die Schiedsrichterin und warf mit Schwung den roten Spielball hoch. Das war das Zeichen zum Kampf um den Pokal.

"Gryffindor geht bereits mit voller Kraft in Richtung Ravenclaw-Tor los. Winchester im Quaffelbesitz versucht bereits in den ersten Sekunden ...! Uuuiiiii! Fies angeschnittener Klatscher von Dasher. Hätte den Kapitän von Gryffindor glatt vom Besen gefegt. Der muß den Quaffel loslassen. Der Quaffel kommt zu Wayne, der heute wissen will, was er drauf hat. Fliegt los zum Gryffindor-Torraum! Nein! Doppelklatscher von den Hawkins-Geschwistern. Sensationelles Manöver!" Erging sich Lograft, der Stadionsprecher mit dem knallroten Zaubermegaphon in heftiger Erregung.

Aurora Dawn mußte zusehen, wie Gideon Heatherbloom, der jüngste Jäger im Gryffindor-Team, den Quaffel ergatterte und fast ansatzlos auf Mortimers drei Torringe zubrauste.

"Und da ist Heatherbloom, der sein zweites Spiel überhaupt macht und gleich was tolles hinlegen kann vor dem Tor. Swift ist da, wartet auf den Angriff. Heatherbloom täuscht an, will nicht direkt werfen. Ja! Klatscher von Bernard Hawkins! Zwingt Swift zum Abtauchen. Gideon, mach ihn rein!! - Nein!" Mit Lograft stöhnten alle Gryffindor-Fans, weil der unverfehlbare Wurf krachend am rechten Ring oben abprallte und ins Feld zurückflog, wo ihn Aurora flink unter den linken Arm klemmte und mit einer der von ihr geübten Doppelachsenwenden unter dem von Rebecca Hawkins gespielten Klatscher hindurchschlüpfte und mit großem Tempo auf das gegnerische Tor zuhielt.

"Dawn im Quaffelbesitz, wills alleine machen. Ist schon über den Mittelkreis. Winchester versucht zu stören. Wird von ihr ausgetanzt. Mann, gibt's denn sowas?! Dawn immer noch mit dem Quaffel unterwegs! Leute, die ist vor dem Tor! Sie legt zurück, weil kein Ring frei ist. tanzt hin und her. Uii! Bernard Hawkins hat gut gezielt, doch Dawn ist dem Klatscher ausgewichen. Wie holt die so viel Schwung aus dem Besen raus? Ist immer noch vor dem Tor! Leute, es brennt in eurem Torraum! Tor! Dawn hat getroffen! Zehn zu null für Ravenclaw! - Dawn muß rasch machen, daß sie wegkommt. Hätte fast einen Klatscher ins Kreuz gekriegt. Die Wende war ja übermenschlich. Abschlag aus dem Torraum. Landet bei Winchester, der jetzt die Sache wieder geraderücken will. Winchester! Dasher!! Winchester leicht getroffen! Quaffel wieder bei Dawn! Dawn wieder zum Tor unterwegs. Das Mädel hat's drauf! Drin iis' er!" Lograft rief das zweite Tor für Ravenclaw zwar aus, hörte sich dabei aber leicht geknickt an. Um so lauter und freudiger bejubelte er dann eine halbe Minute später das erste Tor für Gryffindor. Doch die Ravenclaws machten ihr Spiel. Sie wußten, daß die beiden Treiber sich abstimmten und nicht auf eigene Faust die Klatscher spielten. Diesen Schwachpunkt nutzte vor allem Aurora, die mit ihren Kunststücken auf dem Besen rascher die Richtung wechselte als ihre Gegner. So machte sie auch das dritte und vierte Tor für Ravenclaw, bevor die Gryffindors zwei Tore in Folge schossen.

"Ausgeglichen und bislang ganz fair, Leute! Das Spiel hat Pfeffer! Winchester paßt zurück zu Heatherbloom, der versucht's mit einem Weitwurf. Tooooor! Jetzt haben wir den Ausgleich!" Verkündete Lograft.

"Nicht mehr lange", dachte Aurora Dawn, die beide Klatscher und den Quaffel anpeilte. Sie wartete, bis Boulder einen der Klatscher so anschnitt, daß dieser mit dem anderen zusammenstieß, den eigenen Schwung verlor, während der zweite Klatscher genau auf Heatherbloom zuflog. Aurora nutzte die Lücke zwischen Jägern und Klatschern, um den Quaffel zu holen. Heatherbloom wollte ihr unbedingt den Weg verlegen und bekam den Klatscher mit Wucht in den Bauch. Er sackte zur Seite und trudelte nach unten. Winchester rief nach einer Auszeit. Madame Hooch pfiff.

Der junge Spieler Heatherbloom krachte mit dem Besenende zuerst auf den Boden, obwohl jemand aus dem Publikum den Fallbremsezauber gewirkt hatte. Der Besen zerbrach, und Gideon Heatherbloom lag kreidebleich auf dem Rücken.

"In den Krankenflügel!" Befahl Madame Hooch. Madame Pomfrey war nicht hier. Außerdem war Gideon bewußtlos.

"Spiel fortsetzen!" Befahl Madame Hooch. Mit einem Spieler weniger bei den Gryffindors schien es für Ravenclaw keine Sache mehr zu sein, den Pokal zu kriegen. doch Gryffindor schien durch die Unterzahl besonders angeregt zu sein. Denn sie schossen sechs Tore in zehn Minuten. Dann konnten Aurora und Norman zwei weitere Tore machen. Das Verhältnis der Tore betrug bald acht zu sechzehn für Ravenclaw. Da holte der Hüter der Gryffindors den Schnatz und damit für sein Haus die Pokalverteidigung.

"Das war ein flottes und mitreißendes Match, Ladies and Gentlemen! Aber leider ist es jetzt vorbei. Die Gryffindor-Hausmannschaft sichert sich durch den Schnatzfang den Pokal mit 310 Punkten zu 80. Aber wir haben heute erlebt, daß es im nächsten Jahr spannend werden wird."

Aurora Dawn versuchte, so gefaßt wie möglich zu bleiben. Sie hatte ihr bestes gegeben, wie die anderen auch gekämpft hatten. Doch die Gryffindors hatten gespielt, als hinge ihr Leben von diesem Pokal ab und hatten ihn so gesichert.

Nach der feierlichen Überreichung der schweren Trophäe wurden die beiden Mannschaften von ihren Fans ins Schloß getragen. Aurora Dawn fühlte, wie die Enttäuschung sie traurig machte. Doch sie wollte nicht weinen. Das war nur ein Spiel. Nächstes Jahr würde sie wieder spielen, und dann war alles wieder offen.

Im Gemeinschaftsraum wurden die zweiten Sieger gefeiert wie die ersten. Petula meinte zu Aurora.

"Die waren wahnsinnig, Aurora. Die wollten unbedingt den Pokal. Wahrscheinlich hängt denen zu viel daran. Aber deine Wenden waren ja sagenhaft. Wo hast du die her?"

"Ich habe in den Ferien geübt und das weiter ausgetestet, was ich gegen die Slytherins schon probiert habe. Schade, daß es nichts genutzt hat."

"Nächstes Jahr kriegen wir den Pokal", sagte Alessandro. "Wir müssen eben darauf hinspielen, möglichst keinen mehr vor unser Tor zu lassen, egal gegen wen."

"Gut gesagt, aber schwer hinbekommen", meinte Miriam Swann.

"Ich habe mir das genau angesehen. Wenn wir die Treiber von anfang an gestört hätten, als nur auf Quaffelbesitz zu spielen, hätten wir unser Tor zumauern können. Aus Fehlern lernen heißt, sich zu verbessern", meinte Alessandro.

"Ihr habt ein Problem in eurer Mannschaft", sagte Lissy Wright, die sich aus den Reihen der Erstklässler herangearbeitet hatte. "Eure Jägerin hätte das mit euch besser abstimmen müssen, wie sie fliegen kann. Ihr spielt nicht auf Gemeinschaft."

"Das ist nicht wwahr", protestierte Alessandro, während Aurora wutrot anlief. "Wir haben unsere Knochen verbogen, um ein spitzenmäßiges Mannschaftsspiel aufzuziehen. Jeder hat immer dann mit anderen zusammengespielt, wenn es mehr gebracht hätte. Du kannst hier nicht behaupten, Aurora hätte sich wie eine Quidditch-Diva aufgeführt. Das hätten wir ja wohl eher bemerkt als du."

"Ich habe gesehen, wie euer Mannschaftsspiel lief. Passen nur wenn zu viele Gegner auf der Gegenseite. Sonst bloß nicht zuspielen, wenn man auch alleine zum Tor durchkommt", versetzte Lissy Wright. Aurora Dawn schnaubte. Alessandro bedeutete ihr, ruhig zu bleiben. Norman Wayne meinte:

"Ach, haben die Gryffindors etwa anders gespielt?"

"jedenfalls besser als ihr", erwiderte Lissy.

"Bor eh! Ohne dich hätten wir das jetzt nicht gemerkt", gab Mortimer gehässig zurück. Dann sagte er noch: "Unsere Mannschaft hat nicht nach der Methode Friss oder stirb gespielt wie die Gryffindors. Die haben zwar jetzt den Pott. Aber wir haben keine Ausfälle in der Mannschaft. Oder sollten wir nach der Methode spielen, jeder hat gefälligst seine Birne plattgeklopft zu kriegen, wenn damit der Pokal gewonnen wird?"

"In England gib'ts Mannschaften, die so spielen", sagte Lissy überlegen grinsend. "Und die in den Staaten, wo sie einen noch härteren Sport treiben als Quidditch, haben pro Spiel mindestens fünf Ausfälle."

"Is' ja gut, daß wir Quidditch spielen und nicht dieses Knallpottspiel", meinte Ken. "Davon habe ich nämlich auch schon gehört. Die werfen mit explodierenden Bällen rum. Niemand weiß, wann ihnen der Ball zwischen den Händen kabumm geht. Ziel ist es, den in einem Topf auf der anderen Seite des Spielfelds unterzubringen, wo er in einer Lösung liegt, die das Explodieren verhindert."

"Quodpot heißt das Spiel, du Blödian. Quod-pot!" Versetzte Lissy Wright.

"Den Blödian nimmst du bitte ganz flott zurück, Mädchen! Nur weil ich den Namen von diesem Selbstmordspiel nicht kenne bin ich nicht blöd."

"Okay. Niemand ist nur blöd, weil er Quodpot nicht aussprechen kann", sagte Lissy nun verhalten dreinschauend. "Das ist aber kein Selbstmordspiel. Die Ausfälle da passieren nur, weil sie eben schneller fliegen müssen als beim Quidditch, um den Quod, das ist der Ball, einzutopfen. Denn ein explodierter Quod kostet die Mannschaft die ihn gerade spielt zehn Punkte Abzug. Jeder eingetopfte Quod bringt dagegen nur einen, wenn er aus der Ferne geworfen wird oder zehn, wenn er direkt hineingelegt wird, bis eine Mannschaft die vier Verteidiger verloren hat oder alle Quods der Heimmannschaft verbraucht sind."

"Soll sein, Lissy", meinte Mortimer gehässig. "Aber hier heißt das Spiel Quidditch und geht ohne explodierende Bälle über die Bühne."

"Ich sag's ja. Nur weil du Quodpot nicht aussprechen kannst bist du kein Blödian", sagte Lissy.

"Schön, daß du das wenigstens einsiehst", knurrte Mortimer und zog sich zurück. Lissy ging zu den Swift-Schwestern, die aber nichts von ihr wissen wollten und stattdessen in drei verschiedene Richtungen davongingen.

"Die hat den Unsinn nicht zurückgenommen, Mortimer", meinte Alessandro Boulder nach einer halben Minute Nachdenken. "Sie sagte, das du kein Blödian seist, nur weil du Quodpot nicht aussprechen könntest. Damit hat sie gemeint, daß sie dich an sich schon für bescheuert hält, aber nicht, weil du dieses Ami-Spiel nicht kennst."

"Denkst du das?" Fragte Mortimer.

"ja, das tu ich. Die bildet sich was auf ihre Sprachkenntnisse ein, daß sie dich so hinterrücks verschaukeln kann."

"Jaa und? Soll ich jetzt hinrennen und der Giftspritze sagen, sie hätte mich verarscht? Das wäre dann ja oberpeinlich."

"Stimmt. Also lass die Kleine doch denken, die hätte dich dabeigekriegt. Die fällt schon auf die Schnauze. Dieses Jahr noch oder im nächsten Jahr. Hast ja gesehen, daß deine Schwestern nix von ihr wissen wollten. Ich glaube nicht, daß die das lange aushält, wenn die jetzt beschlossen haben, nix mehr mit ihr zu tun haben zu müssen."

"Wie du meinst, alessandro. Warten wir es ab", grinste Mortimer.

"Weiß eigentlich wer, was mit Gideon Heatherbloom ist?" Fragte Aurora, die ihren Ärger über die überhebliche Erstklässlerin rasch vergessen hatte.

"Wird wohl noch im Krankenflügel liegen", meinte Petula. "Vielleicht ist er aber auch schon wieder im Gryffindor-Turm."

"Ich geh mal hin und seh nach, wie's ihm geht", beschloss Aurora Dawn. Miriam fragte, was sie sich davon verspreche. Doch Alessandro nickte. Das war für Aurora die Bestätigung, das richtige zu tun. Sie verließ Ravenclaw durch das Portraitloch. Bruce, der Türhüter, lief gerade vor einem weißen Schwan fort, der von Rechts in sein Bild hineinflog. Doch Aurora beachtete das nicht weiter. Sie ging durch die sich immer wieder ändernden Korridore und über die Tricktreppen, bis sie vor der Tür zum Krankenflügel stand, wo Winchester zusammen mit der schwarzhaarigen Drittklässlerin Eunice Armstrong stand.

"Hallo, Aurora", grüßte Eunice. Winchester sah das Ravenclaw-Mädchen zwar leicht von der Seite an, nickte dann jedoch.

"Wie geht's Gideon Heatherbloom?" Erkundigte sich Aurora leise.

"Madame Pomfrey hat wohl einiges machen können, was schnell ging. Aber er hat durch den Treffer innere Verletzungen abgekriegt und muß wohl einen Bluterneuerungstrank einnehmen, wenn er wieder zu sich kommt", sagte Winchester. Eunice meinte:

"Das war keiner von euch in Schuld, zumindest nicht von den Jägern", fühlte Eunice sich berufen, was tröstliches zu sagen.

"Mit den Klatschern ist auch nicht zu spaßen", meinte Winchester. "Ich hab's ihm immer wieder gesagt, aufzupassen. - Aber lassen wir's!"

"Na, Hauptsache, ihr habt den Pokal", sagte Aurora Dawn mit ehrlicher Ermutigung in Stimme und Ausdruck.

"Ihr spielt nicht verkehrt", sagte Winchester. "Wir haben halt mehr riskiert."

"Kann man sagen", fügte Eunice leicht ungehalten hinzu. "Nur weil die blöden Slytherins meinen, Gryffindor sei ohne Quidditchpokal nix wert, habt ihr gespielt wie die Selbstmörder. Giddy wollte es euch beweisen, daß er in die Mannschaft reingehört und ist voll abgeschossen worden. Wie bei den Muggeln: Der Soldat, der am weitesten vorne steht, wird der größte Held. Nur ist der dann meistens auch tot."

"Eh, Eunice, ich habe dem nicht gesagt, in den Klatscher reinzurasseln. - Vergessen wir das einfach! Gideon kommt ja bald wieder auf die Beine", sagte Winchester leicht angenervt.

Die Tür ging auf, und Madame Pomfrey steckte ihren Kopf heraus.

"Ihr müßt nicht vor der Tür herumdiskutieren. Wenn ihr Gideon Heatherbloom besuchen wollt, könnt ihr jetzt reinkommen", sagte die Schulkrankenschwester und winkte den drei Jugendlichen.

Gideon Heatherbloom war vor einer Minute wieder zu sich gekommen und lag in einem der weiß bezogenen Betten. Neben sich auf dem Nachttisch stand ein Krug mit einem leicht dampfenden Trank.

"Gideon, da sind Besucher für dich gekommen", sagte Madame Pomfrey sanft. Der verunglückte Zweitklässler aus Gryffindor hob den Kopf, um ihn sofort wieder aufs Kissen fallen zu lassen. Als er seine zwei Hauskameraden und die Jägerin der gegnerischen Mannschaft sah, umspielte ein gequältes Lächeln seine bleichen, dünnen Lippen.

"Haben die Ravenclaws dich abkommandiert, mir gute Besserung zu wünschen?" Wandte sich Gideon mit schwächlicher Stimme an Aurora. Diese nickte spontan und meinte:

"Sicher haben wir uns Sorgen gemacht, was dir passiert ist. Wir sind doch keine Slytherins." Mit dieser Bemerkung zauberte sie ein Schmunzeln in das kalkweiße Gesicht des Patienten. Eunice sagte dann:

"Ich hab's Sam schon gesagt, daß ihr wie die Selbstmörder gespielt habt, Gideon. Das war's doch wirklich nicht wert."

"Wieso, haben wir den Pott nicht gekriegt?" Fragte Gideon und blickte besorgt seinen Kapitän an.

"Doch, haben wir", sagte Samuel Winchester und strahlte seinen Mannschaftskameraden an.

"Dann hat's das doch gebracht", grummelte Heatherbloom. "Na ja, so gut wie James Potter kann ich eben noch nicht fliegen." Dann suchten seine leicht trüben Augen Aurora Dawn. "Wer hat dir eigentlich diese Manöver beigebracht? Mit der alten Krücke solche Wenden hinzulegen ist ja rattenscharf."

"Ich mußte viel üben, um die so zu bringen", erwiderte Aurora Dawn darauf nur.

"Gideon, du mußt von deinem Zaubertrank trinken, bevor der zu kalt wird", hielt Madame Pomfrey ihren Patienten ann.

"Was ist das denn für Sauzeug?" Wollte Gideon mit mißtrauischem Blick auf den Krug wissen.

"Das ist kein Sauzeug, Junge. Das ist Dr. Galenius' Bluterneuerungstrank. Den brauchst du. Ich mußte dir einen ganzen Liter Blut aus dem Magen pumpen, bevor ich deine Verletzungen behandeln konnte. Also trink jetzt!" Verlangte Madame Pomfrey.

"Oh", sagte Gideon darauf nur. Er nahm den Krug in beide Hände, während die Schulkrankenschwester seinen Kopf hochdrückte und stützte. Vorsichtig nahm der Patient einen winzigen Schluck nach dem anderen aus dem Krug, mußte sich schütteln und trank weiter, bis der Krug geleert war.

"So, den mußt du jetzt bis morgen früh wirken lassen, bevor dein Körper wieder stark genug durchblutet wird, um ihn in waghalsige Manöver zu werfen", sagte Madame Pomfrey und nahm den leeren Krug fort.

"Ist der Trank kompliziert?" Wollte Aurora Dawn wissen. Sam Winchester zuckte die Achseln, und Eunice machte ein uninteressiertes Gesicht.

"Der muß in fünfzig Einzelschritten angesetzt und dann zwei volle Tage lang auf kleinem Feuer gekocht werden", sagte Madame Pomfrey.

"Deshalb wird die Bitterling uns den wohl nicht im Unterricht zeigen", meinte Winchester. Eunice fügte dem hinzu:

"Das bedauert die wohl selbst, Sam. So'n komplizierter Trank wäre doch genial, um uns als unfähig runterzuputzen."

"Eure Lehrerin wird den euch deshalb nicht zeigen, weil der nur von Heilern beschafft oder gebraut werden darf, höchstens noch von Schülern unter Aufsicht, die besondere Prüfungen abgelegt haben, um einem Heiler zur Hand zu gehen, bevor sie sich zu vollwertigen Heilern ausbilden lassen dürfen."

"Ja, und was haben Sie sonst noch machen müssen?" Fragte Aurora Dawn, die Gideons Gesicht beobachtete, ob der Trank schon irgendwas bewirkte. Gideon schüttelte seinen Kopf. Offenbar wollte er nicht so angeglotzt werden. Aurora errötete an Hals und Ohren und sah schnell die Schulkrankenschwester an.

"Ich mußte erst einen Zauber wirken, um den Magen von hineingeflossenem Blut zu reinigen und dann die Anrisse der Magenwand und der Aorta, der Hauptschlagader, zu heilen, was nicht so einfach ist, wie es sich anhört. Dann mußte ich warten, bis Gideon Heatherbloom seine Besinnung wiederfand, um ihm den Bluterneuerungstrank verabreichen zu können, den ich in einer Warmhalteflasche aufbewahrte. Interessiert dich das wirklich?"

"Ja, schon, wenn's nicht zu heftig ist", meinte Aurora Dawn.

"Klingt so, als dürftest du nicht eine falsche Bewegung machen", meinte Eunice. Madame Pomfrey nickte.

"Das ist schon wahr, Eunice. Berufsheiler müssen mindestens vier Jahre lernen, bis sie das raushaben, ohne Patienten zu gefährden."

"Oh", sagte Aurora dann etwas betreten. "hört sich heftig anstrengend an."

"Leute, ich finde das irgendwie bescheuert, sich über andere zu unterhalten, die gerade krank sind", grummelte Gideon. "Wenn wer was über diesen Heilerkrempel wissen will, soll er oder sie doch bitte wiederkommen, wenn ich hier wieder rausbin. Geht das?"

"Oh, Entschuldigung", sagte Aurora, die nun im ganzen Gesicht rot anlief. Zusammen mit Eunice und Sam Winchester verabschiedete sie sich von Gideon, wünschte ihm schnellstmögliche Genesung und verließ den Krankenflügel.

"Interesse ist ja schön, aber nicht auf anderer Leute Kosten", meinte Sam Winchester, als sie unterwegs zu einem der Hauptkorridore waren. "Aber ihr Ravenclaws kennt ja nix, wenn's darum geht, was neues zu lernen."

"Eh, das ist jetzt blöd, Sam. Ich habe nur gefragt, wie Gideon geholfen wurde, mehr nicht", erboste sich Aurora Dawn.

"Ja, aber nicht wo gideon gerade dabei liegt", versetzte Sam. "Ich habe das einmal erlebt, wie 'ne Oma von mir sich mit einem Zaubertrank den ganzen Körper verhunzt hat. Da standen auch zwei ganze und ein Lernheiler drum herum und haben bequatscht, was sie nun machen mußten und dabei jede Menge Heilerfachbegriffe benutzt. Das macht einen schon ziemlich runter, wenn wer krank ist und sich alle Welt darüber wie in einer Stammtischrunde das Maul zerreißt."

"Sam, ich sage, daß du recht hast, was die Sache mit Gideon eben betrifft", setzte Eunice an und rückte ihren leicht nach vorn gekippten Hut zurecht. "Aber was die Heiler angeht, so ist das kein dummes Gequatsche wie im tropfenden Kessel oder den drei Besen. Einer allein kann ja mal was verkehrtes machen. Deshalb ist es gut, wenn er das mit anderen abklärt, die Ahnung haben oder jemand dabei ist, der die ganze Sache erst noch lernen muß. Das ist nun mal eben so, daß Heiler nur was lernen, wenn sie sich mit ihren Patienten beschäftigen. Schreibt ja auch so'n Alchemist, der sogar die Muggelärzte angeregt hat, besser zu werden als ohne Magie irgendwelche Zauberformeln herzubeten."

"Paracelsus", fiel Aurora der Name dieses Alchemisten ein.

"Kann hinkommen", meinte Eunice.

"Ja, aber über wen zu quatschen, wo der oder die nichts dagegen machen kann ist voll abartig", beharrte Sam auf seiner Einstellung.

"Das kann ja sein. Aber deshalb mußt du mich nicht dumm anmachen", versetzte Aurora Dawn. "Ich wollte das wissen, weil mir das wichtig war, daß euer Jäger schnell wieder auf die Beine kommt. Mehr war nicht und ist nicht."

"Ihr müßīt das eben lernen, wie ihr mit anderen Leuten umgehen müßt", meinte Samuel Winchester sehr altklug klingend. "Menschen sind keine Bäume, und ihr keine Holzfäller. Sag das bitte auch dieser Wright-Zicke, die Pauline Greengrass so von oben herab angemacht hat!"

"Eh, mit der schmeißt du mich ganz bestimmt nicht in denselben Kessel", erregte sich Aurora, und die Röte in ihrem Gesicht verdunkelte sich, aber nicht aus Verlegenheit. Ihre Augen verengten sich und funkelten wie kleine, graugrüne Feuer. "Mit der schmeißt du mich ganz bestimmt nicht in denselben Kessel", wiederholte sie mit zusammengebissenen Zähnen.

"Wieso, die ist doch auch eine von euch und meint, jeder hätte das gefälligst abzukönnen, daß sie besser, gescheiter und gebildeter ist", sagte Sam Winchester, der völlig unbeeindruckt von Auroras Verärgerung dreinschaute. "Einbildung ist ja auch 'ne Bildung."

"Eh, Sam, das war jetzt aber fies. Aurora hat recht, wenn sie nicht so sein will wie dieses Wright-Mädchen. Die ist ja schon bald so drauf wie die Rattler-Kleiderschränke", sprang Eunice Aurora bei. Diese nickte nur und schwenkte mit energischem Schritt in den Hauptkorridor ein. Sie warf Eunice noch einen kurzen Blick zum Abschied zu, um dann rasch davonzugehen, um in ihren Gemeinschaftsraum zurückzukehren.

Das Bild vor dem Eingang zum Gemeinschaftsraum war leer, bis auf die Wiese, auf der die braun-weiße Kuh Maggy zu grasen pflegte. Aurora Dawn schnaubte verärgert, daß dieser Bruce mal wieder nicht da war, wenn sie in ihr Haus wollte. Sie zog ihren Zauberstab und wirkte den Reinitimaginus-Zauber, worauf schreiend und brüllend Herr und Rind in ihr angestammtes Bild zurückgeholt wurden.

"Mann, ich habe dir schon hundertmal gesagt, das ist brutal", quängelte Bruce. Dann erkannte er wohl was, das ihm einen Schrecken einjagte.

"Mens sana!" Rief Aurora Dawn.

"Ja, ist schon gut", erwiderte Bruce und schwang mit Schwung zur Seite. Aurora griff an den oberen Rand des Einstiegs und schwang sich hinein in den Gemeinschaftsraum. Krachend fiel Bruces Bild hinter ihr wieder in seine Ausgangsstellung zurück.

"Habe ich ihn endlich!" Hörte Aurora Dawn eine erboste Frauenstimme, die sie zu gut kannte vom Portrait her. "Wird er wohl stehenbleiben!"

"Oha, hat diese Medea Bruce wieder bei irgendwas bösem erwischt?" Fragte Roy Fielding, der auf Aurora gewartet hatte.

"Hört sich so an", meinte Aurora. "Sind alle hier, die hier sein müßten?"

"Bis auf Ms. Amerika sind alle hier, von denen ich denke, daß sie nicht in der Bibliothek herumhängen", sagte Roy. "Wie ist Gideon Heatherbloom jetzt drauf?"

"Ich kam gerade, als er wieder zu sich kam und einen Blutauffrischungstrank geschluckt hat. Weil ich wissen wollte, was Madame Pomfrey sonst mit ihm machen mußte hat mir Sam Winchester von den Gryffindors noch einen Vortrag über Anstand und Respekt vor kranken Leuten gehalten", schnaubte Aurora. "Aber Gideon kann morgen wohl wieder aufstehen."

"Ach, kennen die Zauberer das auch, daß irgendwelche Kurpfuscher sich über deren Krankheiten bequatschen, wo die dabei sind?" Grinste Roy. "Ich dachte eigentlich eher, daß passiert nur Muggelärzten, die irgendwelche Medizinstudenten mit sich herumschleppen müssen oder vor Fachkollegen angeben wollen, wie toll sie doch sind."

"Sam meinte, daß Heilzauberer das wohl auch machen, eben auch wenn sie wem ihre Sachen beibringen wollen. Studenten sind doch Lehrlinge für höhere Sachen, oder?"

"Kann man so sagen, wenngleich man da aufpassen sollte, was man als höhere Sachen ansieht. Sagen wir mal so, daß ein Student ein erwachsener Schüler ist, der sich auf ein ganz bestimmtes Fach einstimmen und damit umzugehen lernen will. Mein Vater hat das ja auch machen müssen, um Ingenieur zu werden."

"Klingt besser als wie ich es gemeint habe", sagte Aurora.

Sie sprachen noch eine gewisse Zeit über Unterschiede beim Lernen in der Muggelwelt und der magischen Gesellschaft, bevor sie sich mit ihren sonstigen Aufgaben beschäftigten.

__________

Einige Tage zogen ins Land. Gideon Heatherbloom erholte sich rasch von seinem Quidditchunfall, und die Stimmung in der Schule kühlte wieder auf das übliche Maß herunter. Aurora fragte sich dauernd, wie diese Elizabeth Wright ihre überhebliche Art durchhalten konnte, obwohl ihr niemand aus ihrer Klasse dafür dankte und sie das auch spüren ließ. Amalia Hopfkirch blühte irgendwie merklich auf. Aurora hatte sie seitdem Amalias Eltern von jenem Unnennbaren ermordet worden waren nicht mehr so gelöst und auch zuversichtlich lächeln sehen können. Bruster Wiffle hatte irgendein Geheimnis, das er trotz der weit verzweigten Nachrichtenkanäle in Hogwarts gut zu hüten verstand. Aurora hatte einmal ein leises Tuscheln zwischen Mortimer und Roy mitgehört. Roy, der davon redete, daß "seine Fußballmannschaft" wohl die englische Meisterschaft verteidigen würde, fragte sich wohl, warum Bruster nicht mehr so an Fußball interessiert war wie früher. Konnte es angehen, daß sein Beinaherauswurf im letzten Jahr ihn tatsächlich von diesem so wichtigen Sport Englands abgebracht hatte?

"Nächsten Samstag ist wieder Hogsmeade angesagt", frohlockte Petula Woodlane, als sie an einem Montag im Mai den Aushang im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum las. Aurora nickte. Zwar war ihnen der letzte Ausflug in das beschauliche Zaubererdorf in der Nähe der Schule noch zu gut in Erinnerung, doch die Gefahr durch den Drachenturm war ja von Dumbledore beseitigt worden, und der Unnennbare hatte erkennen müssen, daß er noch zu schwach war, um Hogsmeade zu erobern.

"Ich werde mir die neuen Besen ansehen", erwähnte Aurora. "Ich möchte gerne wissen, ob der Nimbus 1500 wirklich so'n guter Renner ist wie's in Rennbesen im Test dringestanden hat. Vielleicht kriege ich von meinen Eltern einen."

"Du weißt doch, daß die besten Besen auch sauteuer sind", gab Petula ernüchternd zurück. "Selbst wenn deine Eltern das Rätsel der goldenen Sphinx lösen, das im Moment durch den Tagespropheten geht und die tausend Galleonen Preisgeld kriegen werden die es sich wohl überlegen, ob der es wirklich wert ist. Außerdem darfst du den hier ja eh nicht fliegen."

"Also meine Eltern wollen schon, daß ich einen sehr guten Besen habe", sagte Aurora. Dann fiel ihr auf, wie die Swift-Drillinge mit langen Gesichtern in den Gemeinschaftsraum kamen und sich umblickten, ob sie Amalia Hopfkirch oder Priscilla Woodlane entdecken konnten. Priscilla saß mit Erica Fielding zusammen über irgendwelchen Hausaufgaben und schien im Moment alles andere als Zeit für irgendwelche Erstklässlerprobleme zu haben. Doch als Ramona Swift, die wegen gewisser Vorgaben der Lehrer durch eine grasgrüne Schleife im Haar zu erkennen war, auf die beiden Sechstklässlerinnen zusteuerte stubste Erica ihre Kameradin an. Diese reckte sich und entspannte sich, als habe sie eine untragbare Last von den Schultern abschütteln müssen und sah das Swift-Mädchen an. Mortimer, der gerade mit einem der Zweitklässler Zauberkunstübungen durchging, wurde von seiner Schwester Roxanne, die durch ein veilchenblaues Haarband kenntlich gemacht war, angestoßen und auf ihre Schwester Ramona hingewiesen.

"Was da wohl wieder los ist?" Fragte sich Aurora. Neugierig beobachtete sie das Geschehen. priscilla Woodlane wirkte gefaßt, ja sehr aufmerksam für Ramonas Anliegen, was es auch immer sein mochte. Dann verzog sie das Gesicht, nickte wild und griff sich ein unbeschriebenes Blatt Pergament, um mit entschlossenem Schwung mehrere Zeilen darauf zu schreiben, während sie Ramona durch beruhigende Gesten veranlaßte, zu ihren Schwestern zurückzukehren.

"Was ist denn da wieder passiert?" Fragte Aurora Mortimer, der sich von seiner Schwester Roxanne was hatte erzählen lassen und nun zu seinen Klassenkameraden zurückkehrte.

"Miss Wichtig hat die drei knallhart bei der Bitterling reinrasseln lassen, weil die sich die Zaubertrankhausaufgaben von Melinda und Cynthia aus Hufflepuff haben vorschreiben lassen, daß sie nur noch richtig niederschreiben mußten. Das hat zwanzig Punkte Abzug für Ravenclaw gesetzt, und zwar für jede von den dreien. Langsam sollten wir mal drüber nachdenken, ob wir uns dieses arrogante Biest noch länger auf der Nase herumtanzen lassen", knurrte Mortimer.

"Wen meinst du, die Bitterling?" Fragte Aurora keck. Aber sie konnte sich vorstellen, daß ihr Schulkamerad wen anderen meinen mußte.

"Ich meine diese Wright-Ziege, die meint alles perfekt und untadelig und bloß immer voll super machen zu müssen und die es nicht einfach mal hinnehmen kann, daß andere nicht so sind wie sie", erwiderte Mortimer verärgert.

"Ich denke, priscilla leiert da schon was an", erwiderte Aurora mit einem schadenfrohen Grinsen. "Sicher, andauernd von wem abzukupfern macht einen selbst nicht schlau. Aber verdammt noch mal, was geht Lissy das an?"

"Weil sie raushängen lassen will, wie toll und überragend sie selbst ist und daß sie eine echte Ravenclaw ist, während meine Schwestern offenbar hier nicht reingehören. Was Amalia und Erica ihr gesagt haben ist wohl bei der längst wieder aus dem Hirn verdunstet."

"Daß du dich so aufregst kann ich noch verstehen, Mortimer. Aber warum sollen wir uns mit dieser Sache rumschlagen? Dafür gibt's doch die Vertrauensschüler", meinte Aurora und dachte daran, daß sie selbst doch schon genug um die Ohren hatte.

"Weil es mir, wie du's gesagt hast, nicht piepegal ist, was für Ärger meine Schwestern hier haben", erwiderte Mortimer.

Priscilla faltete das beschriebene Pergamentstück zusammen und verließ den Gemeinschaftsraum.

"Eigentlich kann Priscilla nix machen, weil die drei ja abgekupfert haben", meinte Aurora Dawn. Mortimer fragte zurück, ob das wirklich ein Grund für sechzig Punkte Abzug war, wo die älteren Mitschüler doch den jüngeren bei allem möglichen halfen und das auch nicht gegen die Schulregeln war.

"Kommt darauf an, wie die Bitterling das gesehen hat", meinte Aurora und erkannte im selben Moment, daß dies genau das war, was Mortimer jetzt nicht hören wollte. Er lief rot vor Zorn an und spie aus:

"Wenn dir alles egal ist, was hier abgeht, solange du genau wie die Streberin Wright gute Noten einfährst entschuldige die Störung!" Dann wandte er sich um und lief hinüber zu dem Jungen, dem er eben noch geholfen hatte.

"Gut, daß ich keinen großen Bruder hab, der meint, sich über alles aufzuregen, was mir hier passiert", dachte Aurora Dawn. Dann dachte sie daran, daß sie ja vorsichtig sein mußte, ihrem Cousin Philipp Priestley nicht wie eine sprungbereite große Schwester vorzukommen.

Abends beim Essen herrschte Eiszeit zwischen den Mädchen der ersten Klasse. Ja, die Swifts sprachen nicht einmal miteinander. Lissy Wright, die sich den verächtlichen Blicken Mortimers nicht unerwidert aussetzen wollte, meinte einmal zu ihm, er solle sich damit abfinden, daß seine Schwestern sich alles hinterhertragen ließen. Das führte dazu, daß Mortimer von seinem Stuhl aufsprang und der überheblichen Erstklässlerin an den Kragen wollte. Doch Bruster ergriff seinen Cousin beim Arm und flüsterte auf ihn ein. Mortimer kühlte langsam wieder auf verträgliche und vor allem geduldete Temperaturen herunter. Mit einem letzten verärgerten Blick in Richtung Lissy ließ er sich wieder auf seinem Platz niedersinken.

Nach diesem ungemütlichen Vorfall konnte man die Swift-Schwestern immer geschlossen an Lissy vorbeigehen sehen, ohne sie überhaupt anzusehen. Die Enkelin von Ernestine Wright, die in den Staaten was wichtiges darstellte, schien das völlig kalt zu lassen. Doch Aurora dachte sich, daß sie das nicht zeigte, wie heftig sie das doch anrührte, von ihren Mitschülerinnen geschnitten zu werden. Hinzu kamen noch Mortimers Sticheleien, wen sie denn jetzt schon wieder verpfeifen würde, ob sie bereits einen Antrag auf Versetzung eine Klasse höher gestellt habe und ob sie sich schon Gift besorgt habe, um sich möglichst schmerzlos umzubringen, wenn sie statt einer eins eine Eins minus in irgendwas kriegen würde. Das ging dann doch den Vertrauensschülern zu weit. Einer stauchte ihn mal zusammen, er solle seine eigenen Sachen machen. Dann herrschte einstweilen Ruhe, bis zum Freitag vor dem angesetzten Hogsmeade-Ausflug.

Der Morgen war wie aus dem Bilderbuch. Am blankgeputzten Himmel erhob sich in einem Feuer von Orangerot die Sonne und schickte ihre wärmenden Strahlen über die Ländereien von Hogwarts. Sämtliche Pflanzen dankten dem Tagesgestirn für Licht und Wärme, indem sie ihre bunte Blütenpracht wie Festgewänder zur Schau trugen. In der großen Halle von Hogwarts genossen die Schüler das Frühstück unter diesem Eindruck von überirdischer Schönheit. Viele sahen zur verzauberten Decke hinauf, die den Himmel über dem Schloß in jedem Funken seines blauen Schimmers zeigte. Keine Wolke wanderte an der alles überspannenden Kuppel entlang. Lediglich einige Vögel, die über das Schloß hinwegzogen, unterbrachen den Eindruck beständiger Erhabenheit.

Aurora Dawn unterhielt sich mit Miriam und Petula über das, was sie morgen in Hogsmeade machen würden. Dina hatte bereits einen kleinen Vorrat an Steinsalz für sich und Roy besorgt, um sich jene grünhäutige Kreatur vom Hals zu halten, von der Professor Balder mal gesagt hatte, sie habe sich in Roy verguckt oder sowas. Mortimer und Bruster schienen uneins darüber, ob sie zusammen das Dorf durchstreifen und vielleicht noch mal die Zwergenschmiede besuchen wollten. Bruster schien bereits feste Pläne für Hogsmeade gefaßt zu haben, von denen er aber weder seinem Vetter noch sonstwem was sagen wollte. Amalia Hopfkirch sah immer wieder zum Hufflepuff-Tisch hinüber. Ihre Blicke wurden von Darius Cale beantwortet, der das Schulsprecherabzeichen trug und kein Geheimnis draus machte, daß er sich sehr gut mit Amalia verstand.

"Also wir gehen erst zum Besenladen, um den neuen Nimbus anzusehen und dann in den Besenknecht wegen der Leichtlaufschuhe", wiederholte Miriam den vorübergehenden Tagesplan für morgen. Aurora und Petula nickten.

"Ich wollte noch nach Raurey & Growles, um für Schneeflöckchen was gegen Zecken und Flöhe zu holen", erinnerte Petula die Freundinnen daran, daß ihre weiße Katze wohl anfällig für Ungeziefer geworden war. Raurey & Growles war dafür bekannt, für jedes Tier, magisch oder nicht, alles mögliche an Futter, Spielzeug, Unterbringungsmaterial und Pflegemitteln zu verkaufen. Außerdem konnte man dort viele zaubertiere besichtigen, von denen sie es bei Kesselbrand noch nicht gehabt hatten. Miriam hatte sogar mal was von Flügelponys erzählt, die der Laden für einen Sack voll Galleonen aus Jugoslawien einführte. Bei den Mädchen aus reichem Elternhaus waren diese Tiere mit glattem, weißem Fell der Renner an Angebersachen. Aurora stand eher auf Besen und Zauberpflanzen als auf irgendwelche überteuerten Tiere. Doch so ganz abgeneigt war sie nie, sich die neuesten Kreuzungen der Magizoologie anzusehen.

Die Posteulen flogen in einem riesigen Schwarm in die große Halle ein, schwirrten über die vier Haustische, zirkelten darüber herum, bis sie die Empfänger der von ihnen beförderten Post fanden und zu ihnen hinübersegelten. Aurora Dawn bekam einen Brief von ihrer Mutter, die sich erkundigte, ob sie mittlerweile ihre leichten Schwächen in Zauberkunst überwunden hätte. Petula bekam ein Paket mit Süßigkeiten von ihren Eltern und einem Zettel dabei, daß sie sich so nicht im Honigtopf dumm und dämlich bezahlen müsse. Roy bekam einen Brief von seinen Eltern, der aus hauchzartem Papier bestand. Er las ihn leise und meinte dann zu Mortimer und Aurora:

"Mein Vater kreuzt gerade vor Hawaii herum. Er hätte mir gerne einen kleinen Lavabrocken mitgeschickt. Aber er wußte nicht, ob die ihm das nicht doppelt und dreifach auf die Postgebühren gehauen hätten."

"Hawaii, diese Vulkaninseln?" Fragte Bruster. "Muß stark sein da. 'n Onkel von mir fährt da immer zum Wellenreiten hin. Da sollen ziemlich hübsche Mädels rumlaufen, die jeden so begrüßen, als sei er ihr Geliebter oder ein besonders gern gesehener Bruder."

"So steht's im Touristenführer", meinte Roy leicht abfällig. "Aber ich werde den Teufel tun, das runterzumachen. Immerhin kriegt mein Dad ja die Kohle dafür, daß Leute dahin wollen und er das Schiff am laufen hält, wo die drauf herumgondeln. Aber wellenreiten muß ich auch mal austesten. Sieht einfacher aus als es ist, habe ich mir mal sagen lassen."

"Im Vergleich zum Besenfliegen ist dieses Brettergetue doch absolut langweilig", knurrte Lissy Wright, die die gefrorene Stille zwischen ihren drei Klassenkameradinnen wohl gerne unterbrach, um mal wieder was besonders geistreiches zu sagen. "Wundere mich echt, daß die in Kalifornien und auf den Inseln von Hawaii so'n Getue um Wellenreiter machen und ..."

Ein Uhu segelte zielgenau auf Elizabeth Wright zu, offenbar sehr eilig. Er trug einen scharlachroten Umschlag am rechten Bein und schien sehr darauf erpicht zu sein, diesen zuzustellen. Mortimer grinste gehässig, während die Swift-Mädchen sich verstohlen ansahen. Aurora, die von derlei Briefen mal was gehört hatte, flüsterte Roy zu:

"Steck dir die Finger in die Ohren! Gleich wird's laut."

"Ach du grüne Soße, ist das dann -?" Setzte Roy an, als Lissy den roten Umschlag mit zittrigen Fingern vom Bein des Uhus nahm und in einem Anflug von Todesverachtung aufriss.

Als würde die Halle explodieren brach eine überlaute und übermäßig verärgerte Frauenstimme, die einer wohl schon durch viele Frühlingszeiten gegangenen Hexe mit starkem amerikanischen Akzent über den Ravenclaw-Tisch herein.

"Elizabeth Anthonia Wright!!! Was mußte ich da von dir hören?! Du hast dich schon wieder angemaßt, deine Mitschüler von oben herab zu behandeln, ja sogar ohne jeden Grund schlecht zu reden und dich über jede Anstandsregel hinwegzusetzen, die deine Eltern und ich dir so mühsam beizubringen versucht haben!

Wie ich erst vor drei Tagen von mehr als einer Stelle erfuhr spielst du dich immer noch wie eine Kronprinzessin und Superschülerin auf, obwohl du überhaupt keinen Anlaß dazu hast, dir solches Benehmen herauszunehmen. Du mißachtest die Kameradschaft und bist überheblich auch zu deinen älteren Mitschülern, mußte ich vernehmen.

Da du offenbar total unfähig bist, die einfachsten Benimmregeln zu akzeptieren, weil du meinst, wegen meiner Position auf hohem Ross sitzen zu können sage ich dir hierdurch folgendes: Hör sofort mit deinem arroganten Getue auf, oder ich werde mich dafür einsetzen, daß du unehrenhaft aus Hogwarts entlassen wirst. Denk dann aber nicht, daß ich dich bei uns in Thorntails hineinlassen werde. Hochmut kommt immer vor dem Fall, mein Kind. Also benimm dich gefälligst manierlicher, oder du wirst dein Leben unter Muggeln verbringen!"

Der Terror für alle Ohren hier in der Halle war vorbei. Die schlagartige Stille, die dem dröhnenden Schimpfgewitter folgte, stach noch heftiger in die Ohren als das trommelfellmalträtierende Krakehlen, das beim Öffnen des Briefes erklungen war. Der rote Umschlag zerfiel innerhalb von Sekunden zu feinster Asche. Das Schweigen an den Tischen lag wie eine Decke aus Eis über einem See auf den Gemütern der Schüler. Dann, langsam erst aber an Stärke zunehmend, setzte das gewohnte Raunen und Murmeln ein. Doch viele Schüler an den anderen Tischen blickten zu Lissy Wright hinüber, die kreideweiß auf den Aschenhaufen starrte, der vorher ein ziemlich übler Brief gewesen war. Die Slytherins schnitten Grimassen, vor allem die Erstklässler unter ihnen, die wohl fanden, daß sie endlich erhört worden waren und jemand es dieser Ravenclaw-Schnäpfe gegeben hatte.

"Aua, meine Ohren!" Protestierte Roy, der sich die geschundenen Ohren rieb. Mortimer grinste schadenfroh, obwohl ihm die überlaute Schimpfkanonade auch das Gehör durchgerüttelt hatte.

"Auf das du so'n Heuler nie kriegst", sagte Miriam zu Roy gewandt. "Immerhin war diese Hexe wohl stinksauer auf unsere Miss Gernegroß."

"Das war ein Heuler?" Fragte Roy. "Kracher oder Radaumacher ist da wohl besser angebracht."

"Ach, Roy. Wenn du im Fußballstadion neben zwei blöd rumtrötenden FC-Fans stehst ist das doch genauso laut", meinte Bruster, der wohl meinte, den Heuler an Lissy harmloser reden zu können als er war. Lissy schien sich über die Lautstärke des Briefes weniger zu ängstigen als über das, was die Verfasserin ihr angedroht hatte. Zumindest vermutete Aurora das, wenn sie in das von Entsetzen gezeichnete Gesicht der sonst so hochmütigen Elfjährigen blickte. War ja auch eine handfeste Drohung, sie als Muggel weiterleben zu lassen. Diese Feststellung zauberte auch auf Auroras Gesicht eine gehässige Grimasse aus Schadenfreude.

"Das war wohl deine nette Oma, die ja so wichtig in Amiland ist", meinte Mortimer zu Lissy. Entweder wollte oder konnte er das gehässige Grinsen nicht aus seinem Gesicht vertreiben.

"Halt dein Maul!" Schnaubte Lissy Wright, schnellte wie von einer Feder getrieben vom Stuhl hoch und lief mit wehendem Umhang aus der Halle, verfolgt von hämischen Blicken und Zurufen der Slytherins und einiger Hufflepuffs. Jetzt grinsten auch die Swift-Drillinge schadenfroh, und Aurora mußte erkennen, wie ähnlich sie ihrem älteren Bruder dabei sahen.

"Die weiß doch sonst alles", sagte Mortimer immer noch gemein grinsend. "Dann hätte die den Heuler doch einplanen müssen, wenn die meint, immer wegen ihrer ollen Oma so angeben zu können."

"Weiß man's wie diese Professor Wright in Horntails drauf ist? Vielleicht wollte die das doch von ihrer durchgeknallten Lissy so haben, das die hier so'n Wind macht", nahm Bruster den Faden auf. Auch er freute sich über den Heuler, den Lissy abgekriegt hatte. Denn ihm waren seine Cousinen nicht egal und daher alles in Ordnung, was diese überhebliche Krawallhexe mal so richtig aus den Socken hauen konnte.

Aurora Dawn blickte zum Lehrertisch hinüber. Doch dort zeigte man mit keinem Blick und keiner Geste, ob der Heuler irgendwen beeindruckt hatte. Lediglich Professor Bitterling schien etwas beeindruckt zu sein, weil sie sich andauernd mit den Fingern der rechten Hand ins schöne, lange, nachtschwarze Haar langte und daran zupfte, als müsse sie störende Krümel oder Blätter herausholen.

"Ui, langsam geht's mit den Ohren wieder", meinte Roy nach fünf Minuten. "Ich habe schon gedacht, jetzt haut's mir die Trommelfelle raus."

"Wo ist denn Lissy jetzt hin?" Wollte Aurora wissen.

"Die heult jetzt wohl mit der maulenden Myrte um die Wette", gab Mortimer verächtlich zur Antwort.

"Könnte sein", meinte Petula. "Aber die muß doch gleich zum Unterricht."

"Ist das dein Ding?" Fragte Mortimer Swift. Petula verzog nur das Gesicht und schüttelte den Kopf.

Der restliche Vormittag lief ab wie üblich in Hogwarts. Zwar sprachen die Vettern Mortimer und Bruster in den Pausen über die Sache mit Lissy und dem Heuler von ihrer Oma aus Amerika, hatten aber in den Stunden keinen Sinn für derlei Nebensächlichkeiten.

Als dann die Nachmittagsstunde Verteidigung gegen die dunklen Künste vorbei war wollten die Drittklässler nur noch rasch die Hausaufgaben machen, um sich das Wochenende freizuschaufeln.

__________

Petula blickte auf das katzenartige Tier mit dem erdbraunen Fell und den fuchsroten Tupfern. Sein langer Schwanz war orangerot und am Ende buschig wie der Schwanz eines Löwen. Das Tier saß auf einem künstlichen Baumstumpf und zog die fünf Krallen seiner rechten Vorderpfote knirschend über das harte Holz.

"Wau, was für'n großes Tier", meinte Miriam, die zusammen mit Aurora hinter Petula stand.

"Das ist ein Kniesel, denke ich", sagte Aurora. "Diese Tiere sind genial für Leute, die viel unterwegs sind und sich leicht verlaufen können. Außerdem haben die einen Sinn für Leute, denen man nicht trauen kann."

"Ja, stimmt", sagte Petula, die nicht wußte, ob sie das Tier vor ihr streicheln oder sich von ihm fernhalten sollte.

"Gefällt dir Feuerbal?" Fragte eine hagere Hexe in einer leicht fleckigen Schürze, die vorher noch hinter dem Ladentisch gestanden hatte.

"Ich habe schon ein Tier", meinte Petula. "Ich habe eine Hauskatze, ganz weiß. Die kriegt immer so leicht Flöhe, und die anderen, die Katzen haben meinen, ich sollte endlich mal was wirklich gutes dagegen finden."

"Ja, da sind Kniesel besser dran, weil die alle Schmarotzerinsekten aus ihrem Fell fangen und fressen, bevor sie zu zahlreich werden können", schmunzelte die Hexe in der graubeigen Schürze, der Uniform der Mitarbeiter bei Raurey & Growles.

"Wie teuer ist denn so'n Kniesel?" Fragte Miriam.

"Hmm, Feuerball ist aus zwei Familien, von denen eine als Freilandkniesel lebt und die andere durch einen höheren Hauskatzenanteil zu Hausbewohnern gemacht wurde. Er ist ziemlich fordernd, ja eigensinnig", meinte die Hexe. "Eigentlich verkaufen wir Hauskniesel für Zehn Galleonen plus einer pro Lebensjahr. Feuerball ist gerade vier Jahre alt. Darfst du denn so ein Tier haben?" Wollte die Verkaufshexe wissen.

"Hmm, wäre mal was anderes als eine Eule oder eine gewöhnliche Katze", meinte Miriam. Sie verwies auf ihre Eltern, die ja hier in Hogsmeade arbeiteten. Die Angestellte lächelte.

"Ja, dann ist es wohl besser, wenn du Feuerballs Heimstattgeberin wirst, bevor deine Eltern sich noch drum zanken. Deine Mutter hat sich nämlich schon in ihn verguckt", meinte sie dann noch.

"Vierzehn Galleonen ist aber nicht gerade wenig", seufzte Miriam, die überlegte, ob sie dann noch hier was kaufen könnte. Petula und Aurora sahen sich an, wurden sich wortlos über irgendwas einig und kramten in ihren verspielt wirkenden Umhängetaschen nach den Lederbeuteln, in denen sie ihr Taschengeld aufbewahrten. Jede zählte fünf Galleonen in die Hand. Miriam errötete und machte Anstalten, das Angebot zurückzuweisen. Dann nickte sie und holte vier Galleonen aus ihrer Geldbörse. So wechselte Feuerball, der Hauskniesel, dessen Gesicht merkwürdig nach innen gewölbt wirkte, als habe jemand versucht, es einzudrücken, zusammen mit einem Weidenkorb mit Henkel, einem Handbuch mit dem Titel "Das Wesen des Kniesels" und einem Beutel Trockenfischkräcker zu Miriam Swann über. Petula bekam eine Tinktur, mit der sie ihrer Katze den Hals und den Hinterkopf einreiben mußte. Das Zeug würde dann ruhig einwirken, ohne das Schneeflöckchen es sich ablecken könnte und mehrere Wochen lang jedes blutsaugende Insekt von ihr fernhalten. Aurora holte sich für ihre Eule Ducky noch ein Set für die Gefiederpflege und Dr. Nailtooths extrafeines Eulengebäck mit geschroteten Mäusestücken für die Belohnung nach langen Postflügen. Dann gingen sie zum Besenknecht, wo Aurora und Miriam sich in der Zauberschuhabteilung festguckten. Goldene Pantoffeln mit eingewebten Symbolen tanzten aufgeregt in einem Regal. Die Verkäuferin meinte, daß seien orientalische Importe, die ihren Besitzer schnell laufen und sogar fliegen machen konnten. Doch dafür kosteten sie auch einen hoch fliegenden Preis, an den die Taschengelder der Mädchen nicht einmal im Ansatz herankommen mochten. So holte sich Miriam die Schuhe, von denen sie geschwärmt hatte, die ihr beim Laufen eine gewisse Unbeschwertheit geben würden. Petula suchte sich ein farbenfrohes Kleid mit fröhlich bimmelnden Glöckchen aus, das sie zum Sommertanz anziehen würde. Aurora begnügte sich mit einem regenbogenfarbigen Schal aus Warmwolle, der, weil der Winter nun endgültig vorbei war, von zehn auf zwei Galleonen heruntergesetzt worden war.

Unterwegs im Dorf sahen sie Dina und Roy, die sich immer wieder umblickten, ob was grünes mit Struwelhaaren aus gelbweißen Augen zu ihnen herüberblicken mochte. Doch Roys unbequeme Verehrerin schien an diesem Wochenende nicht der Sinn nach Hogsmeade zu stehen oder sie lauerte arglosen Kindern auf. Dieser Gedanke jagte Aurora einen eiskalten Schauer über den Rücken.

"Eh Cool!" Rief Mortimer, den sie vor einem himmelblauen Zelt fanden, auf dem ein zusammengerollter Drache mit goldenen Schuppen gestickt war, unter dem fremdartige Schriftzeichen was verkündeten, was ein kleiner, safranfarbener Zauberer mit Zopf und rotem Hut mit glockenheller Stimme übersetzte:

"Heute Nachmittag große Vorstellung der großen Künstler des Geistes über die Materie, ehrenwerte Damen und Herren. Kommen und bewundern Sie die großen Zauberkünstler unserer erhabenen Heimat, die Wächter des goldenen Drachens!"

"Von denen habe ich gelesen", meinte Petula. "Das sind chinesische Zaubermeister, die es hinbekommen, die sie umgebende Materie mit reiner Willenskraft zu verformen, ja sogar durch Wände gehen oder die härtesten Dinge auf ihren Körpern zerschmettern lassen können. Der goldene Drache ist das Göttertier der chinesischen Zaubererwelt. Er soll der Sonne und dem Meer abstammen und Urvater und -mutter aller östlichen Drachen sein."

"Oh, die junge Lady kennt die erhabene Geschichte des goldenen Drachens, dem wir in meiner Heimat die höchste Ehre darbringen?" Fragte der chinesische Zauberer und verbeugte sich sehr tief vor Petula. Sein himmelblauer Seidenmantel floss dabei wie Luft um seinem Körper.

"Nur, was in "Hexen und Zauberer auf Weltreise" steht", meinte Petula bescheiden.

"Aber klingt genial", meinte Mortimer. "Ich denke, die sehe ich mir an."

"Könnte interessant werden", meinte Aurora, die die Vorstellung fernöstlicher Magie ihre Neugier anstachelte. So verabredeten sie sich für den Nachmittag vor dem Zelt, bezahlten den Ausrufer mit je zwei Galleonen und erkannten, daß sie in den drei Besen wohl gerade noch mit einigen Pfannekuchen mit Ahornsirup auskommen würden, da es zu was üppigerem nicht mehr reichte.

In den drei Besen saßen auch Amalia und Darius, die keine Probleme damit hatten, daß ihnen alle zusahen, wie sie Händchen hielten und sich zwischendurch Küsse auf Wangen oder Mund gaben. Madame Rosmerta hatte zwar mal versucht, das Geturtel der beiden dezent zu beenden, doch nur erreicht, daß die beiden etwas behutsamer vorgingen, jedoch nicht ganz voneinander ablassen mochten. Forin, der Chef der Schmiede, stemmte mit zwei Gesellen je ein kleines Bierfaß.

"Zum Wohl, und das Feuer und Eisen unsere Bärte nicht anrühren!" Brachte Forin einen Trinkspruch aus und kippte das dunkle Gebräu mit großen Schlucken durch die breite Öffnung in seinem Bart hinein in seinen trinkfesten Körper.

"Zumindest sind diese Grünfratzen nicht hier", meinte Roy. Doch Dina wies auf die Tür und meinte:

"Es war allemal gut, das Salz aufzulegen, Roy."

"Geht ihr nachher auch zu der Vorführung?" Fragte Aurora Dawn Dina Murphy.

"Roy meint, das könnte spannend sein. Er hat mir was von chinesischen Mönchen erzählt, die auch gut darin sein sollen, ihren Körper durch Willenskraft zu ganz irren Sachen bringen zu können."

"Stimmt", sagte Roy. "Mein Dad hat sogar schon einen Shaolin, so heißen diese Mönche, getroffen, der westlichen Leuten zeigen wollte, wie diszipliniert sein Orden ist. An und für sich leben die ja in ihren Klöstern und üben da alles, was den Körper und den Geist richtig stark macht. Das sind geniale Kämpfer, die mit oder ohne Waffen ganze Armeen fertig machen können. Ich denke, diese Zauberer vom goldenen Drachen sind genauso drauf, ja bestimmt noch besser."

"Davon kannst du ausgehen", meinte Petula. "Die chinesischen Magier haben da was raus, wie sie sich in eine Trance versetzen können, in der sie fünfmal so stark oder schnell sein können wie sonst. Da sollen nur noch die indischen Fakiere mithalten können."

"Kuckt euch das verliebte Pärchen an!" Rief Tonya Rattler, die mit Freundinnen aus Slytherin weit genug von Aurora und ihren Freunden fortsaß. Sie deutete mit ihrer klobigen rechten Hand auf Amalia und Darius, die sich kurz umblickten, leicht erröteten und dann unbekümmert weiterschmusten.

"Nicht eifersüchtig werden, Klotzweib", raunte Roy fast unhörbar. "Irgendein kurzsichtiger Gnom wird sich mal für dich interessieren."

"Ein Gnom? Die interessieren sich nur für Gartenverwüstung", meinte Petula überrascht.

"Soll sein", erwiderte Roy etwas ungehalten, weil Petula seinen Spruch beantwortet hatte.

"Kümmert euch doch nicht um die Rattler!" Schnarrte Aurora Dawn. "Da kommen gerade Bitterling und Flitwick rein."

Tatsächlich kam die orientalisch wirkende Zaubertranklehrerin in Begleitung des winzigen Professors Flitwick in den Pub. Gegensätzlicher konnten sie nicht wirken, fand Aurora. Professor Bitterling war groß, schlank und mit ihrer dunkelbraunen Haut und den schwarzen Haaren auffällig wie ein bunter Hund, während der kleine, zerbrechlich wirkende Zauberkunstlehrer mit seinem schneeweißen Haarschopf den Eindruck eines etwas eingeschrumpften netten Großvaters bot. Diensteifrig kam Madame Rosmerta auf ihren Stöckelschuhen herüber und begrüßte die beiden Hogwarts-Lehrer. Diese ließen sich an einem freien Tisch nieder und gaben ihre Bestellungen auf.

Aurora Dawn fragte sich während der Zeit, die sie im Drei-Besen-Pub zubrachten, was mit Bruster Wiffle los war. Als sie nämlich morgens aus dem Schloss hinausgegangen waren, hatte er sich merklich zurückfallen lassen, als wolle er bloß nicht mit anderen Leuten zusammen durchs Tor mit den geflügelten Ebern. Doch weil Aurora zusammen mit Miriam und Petula so früh wie möglich in Hogsmeade ankommen wollte, hatte sie dem keine weitere Bedeutung beigemessen. Jetzt, wo sie die beiden Lehrer sowie Amalia und Darius beobachtete, wurde sie das merkwürdige Gefühl nicht los, daß mit Bruster irgendwas vorging, von dem seine Schlafsaalkameraden wohl auch nichts mitbekamen.

Einige Zeit später, Madame Rosmerta versorgte gerade eine Clique von Huffelpuff-Sechstklässlerinnen mit Butterbier und Gemüsekuchen, konnte sie Darius beobachten, wie er sehr konzentriert in seinen Umhang griff und eine kleine Schachtel herausholte, sie vor Amalia hinstellte und ihr zunickte. Sie blickte sich leicht irritiert um, nahm dann die Schachtel, öffnete sie und holte was immer darin war heraus. Aurora konnte es golden glänzen sehen und vermeinte, einen breiten Ring zu erkennen, der locker in Amalias Hand verschwand. Darius schien auf etwas bestimmtes zu warten. Jedenfalls blickte er Amalia sehr genau an. Diese schien mit dem goldenen Ding aus der Schachtel zu spielen, als sei sie sich nicht sicher, was sie damit anstellen sollte, ließ es dann zu ihrer linken Hand hinüberwandern und steckte es an ihren Ringfinger. Dabei nickte sie langsam aber ausladend und sagte wohl nur ein Wort. Alle Anwesenden, die dem Schauspiel noch zugesehen hatten verfielen in Schweigen und blickten sehr gespannt zu den beiden Schulsprechern hinüber, vor allem die Mädchen aus Hufflepuff.

Darius nickte jedoch nur, stand mit seiner Freundin auf und ging an die Theke, wo er Getränke und das Mittagessen für Amalia und sich selbst bezahlte. Arm in Arm verließ er dann mit ihr den Pub und ging davon.

"Dann ist es wohl amtlich", meinte Petula Woodlane grinsend. "Amalia hat sich mit Darius verlobt."

"Das soll das sein?" Fragte Aurora Dawn leicht einfältig klingend. "Ich hab' mich schon gewundert, wieso dieses Geschenk so ernst überreicht wurde."

"Meine Eltern haben's mir mal erzählt, daß sie sich auch in den drei Besen so verlobt haben. Dad hat Mum auch einen goldenen Ring geschenkt, wohl aus Forins Schmiede. Manche Verlobungsringe sind nämlich mit einem Kontaktzauber belegt, der den beiden Partnern zeigt, wie es ihnen so geht", erzählte Petula rasch und leise, um nicht unliebsame Lauscher auf merkwürdige Ideen zu bringen. Doch offenbar war das Spiel mit dem Ring aus der Schachtel auch anderen hier bekannt. Denn die Hufflepuff-Mädchen tuschelten nun albern kichernd miteinander, und die Lehrer, zu denen sich nun auch Professor Sprout gesellt hatte, schienen sich absprechen zu müssen, was sie davon zu halten hätten.

Einige Zeit später verließen auch die Drittklässler den Pub und gingen hinüber zu jenem blauen Zelt, wo die Truppe um den goldenen Drachen ihre Künste vorführen wollten.

Die Vorführung begann mit einer für Aurora gewöhnungsbedürftig klingenden Musik mit irgendwie leiernden Saiteninstrumenten, Gongs und Flöten. Dann trat ein hagerer chinesischer Zauberer im roten Seidengewand auf die kleine halbrunde Bühne, um die herum an die dreißig Zuschauerreihen angeordnet waren. Er erzählte in einem mit leichtem Akzent durchdrungenen Englisch, daß die Wächter des goldenen Drachens sich freuen würden, so viele Interessierte Zauberer und Hexen zu sehen. Nur er sprach von "Trägern der hohen Gaben" und schien sehr darauf bedacht zu sein, einen möglichst erhabenen Auftritt hinzulegen. Er sprach von der langen Reise, die die zwanzig Wächter des goldenen Drachens unternommen hatten, um nach Europa zu kommen, daß sie auch schon in Moskau, Warschau und Greifenberg, einem Zaubererdorf im Schwarzwald, ihre besonderen Künste vorgeführt hatten. Er hielt eine kurze Einführungsrede, daß die chinesische Zauberkunst ohne Verstärker wie Zauberstäbe auskam und daher sehr sorgfältig unterrichtet und gepflegt werden mußte, und das seit zweitausend Jahren bereits die Wächter des goldenen Drachens "Träger der hohen Gaben" suchten, erkannten, fragten, ob sie im Gebrauch ihrer Kräfte geschult werden wollten und dies dann an einem Ort taten, der vom Atem des goldenen Drachens geweiht worden und damit besonders stark mit den hohen Kräften angereichert sei. Dann kündigte er die ersten Kollegen an, die ihre Gaben vorführen sollten, die "Söhne des Felsens".

Fünf kleine Zauberer mit gelblicher Haut und dunklem Haar, gekleidet in hellgrauen Gewändern, bestiegen die Bühne. Einer von ihnen ließ mit für Aurora merkwürdigen Gesten einen großen quaderförmigen Kasten hinter sich herfliegen.

"Wau, Bewegungszauber ohne Zauberstab", murmelte Petula. Doch als sie sah, daß jener Zauberer sich wohl heftig konzentrieren mußte, um den leicht schlingernden Kasten nicht fallen zu lassen, war sie sich nicht so sicher, ob Zaubern ohne Stab wirklich so empfehlenswert war.

Die Zauberkünstler aus dem Reich der Mitte stellten sich auf die Bühne und holten verschiedene Dinge aus dem Kasten: Äxte, Hämmer, Steine, Eisenklötze, lange Nägel und sehr scharf geschliffene Schwerter. Dann begann die Vorführung.

Der jüngste der Zauberer, wohl gerade erst sechzehn Jahre alt, stellte sich in beeindruckender Pose in die Bühnenmitte. Der älteste der fünf, ein schon leicht gebrechlich wirkender Zauberer, holte Hämmer und Nägel hervor. Der Direktor der Zauberkünstlertruppe sagte:

"Ehrenwerte Damen und Herren, Liu Tschi wird uns jetzt die Unemmpfindlichkeit seines Leibes zeigen."

Aurora schrak zusammen, als der junge Zauberer seine rechte Hand ausstreckte, seinen älteren Kameraden fest anblickte und wartete, worauf dieser ihm fast ansatzlos einen der Langen Nägel mit drei schnellen harten Schlägen durch die Hand trieb, sodaß dessen Spitze durch die Hand hindurchstieß und blank hervorlugte. Doch Tschi schien das nicht zu spüren. Er stand in einer starren Haltung da, blickte beinahe Geistesabwesend umher und ließ es sich gefallen, daß sein Kamerad ihm drei weitere Nägel durch die Hand trieb. Aurora zuckte bei jedem Schlag genauso zusammen wie alle anderen Zuschauer. Dann, so nach zehn Sekunden, nahm jener, der die Nägel eingeschlagen hatte eine Zange und zog die vier langen Nägel wieder aus der Hand. Liu Tschi wartete, bis der letzte Stahlnagel heraus war, entspannte sich und zeigte seine Hand vor. Sie war nicht verletzt!

"Ui", machten die Zuschauer.

"Liu Tschi hat als Knabe von acht Jahren unseren Ruf vernommen und sich den Meistern unserer Gelehrsamkeit anvertraut. Er lernte, wie das Holz, das die Mutter Erde gebiert zu sein, ja sogar jede Verwundung zu verdrängen. Denn die Angst vor Schmerzen läßt diese den Körper und die Seele betreten. Kann man die Angst in hohe Kraft umsetzen, sperrt man Schmerz und Wunden aus dem fleischlichen Selbst aus", erklärte der Direktor dieser kleinen Zauberkünstlertruppe.

"Verdrängen?" Fragte Roy Fielding Petula. "Kann jemand sich nicht verletzen, nur weil er es einfach nicht will?"

"So hab' ich das jetzt auch verstanden", erwiderte Petula.

Die kleine Demonstration der Macht des Geistes über den eigenen Körper ging weiter. Aurora erlebte mit, wie Steine, Tongefäße und sogar schwere Eisenblöcke auf einen der Felsensöhne geschlagen wurden und ohne Schaden anzurichten abprallten. Ja dem Zauberer mit dem Hammer gelang es nicht, einem seiner Mitakteure auch nur ansatzweise einen Nagel irgendwo ins Fleisch zu treiben. Roy meinte, die Nägel seien wohl präpariert. Das schien der Mann auf der Bühne gehört zu haben, bog einen krummgeschlagenen Nagel mit zwei Fingern wieder gerade und reichte ihn an die Zuschauer der ersten Reihe. Aurora sah jetzt erst Professor Flitwick, der in der Zuschauerreihe saß und erst zu erkennen war, als er aus dem hochlehnigen Sitz aufstand, um den Nagel zu prüfen. Er ließ ihn an seinem Zauberstab anhaften wie an einem Magneten, ihn herumfliegen oder kurz aufglühen, um dann mit einem Kopfnicken mit seiner leicht quiekenden Stimme zu versichern:

"Das ist ein einwandfreier Stahlnagel, wie Schiffbauer und Zimmerleute ihn verwenden."

"Dann muß der Typ sich ja selber härter als Stahl gezaubert haben", folgerte Roy mit erstauntem Blick. Doch dann kam etwas, daß ihn genauso erschreckte wie die anderen.

Der älteste der Felsensöhne stellte sich in die Bühnenmitte. Zwei seiner Kameraden ließen mehrere Holzklötze herbeibringen. Einer warf einen solchen Block hoch, worauf der andere ihn mit einem der Schwerter im Flug durchhieb wie eine Schere Papier schneidet. Das Spiel wurde mit größeren Holzblöcken wiederholt, mit demselben Ergebnis. Dann holte der Schwertführer mit seiner Waffe aus und hieb seinem Kameraden mit großer Wucht an den Hals. Krachend zerbrach die Schwertklinge. Doch der Chinese, der an und für sich den Kopf hätte verlieren müssen, lächelte beruhigend ins Publikum und zeigte seinen unversehrten Hals vor. Das Schwert wurde genauso von Flitwick geprüft wie der Nagel zuvor. Es war kaputt aber eindeutig aus gehärtetem Stahl gewesen. Auch mit einer Axt konnte man dem Felsensohn nichts anhaben. Weder die Arme, die Beine oder der Kopf nahmen Schaden. Die Axt prallte immer wieder Funken stiebend ab, ja wurde nach dem fünften und letzten Schlag schartig. Ein besonderer Zauber von jenem, der sich hatte malträtieren lassen behob den Schaden wieder.

Unter Beifall und erstaunten Blicken verbeugten sich die Felsensöhne und gingen von der Bühne ab.

Nach ihnen traten die Feuergeweihten auf, die es schafften, aus sich heraus in Flammen zu geraten, ohne selbst zu verbrennen oder jedes äußere Feuer unversehrt zu überstehen. Die "Brüder des Wassers" führten vor, wie sie durch konzentrierte Blicke Wasser zu Eis erstarren, es in Dampf aufgehen oder von unten nach oben ein gläsernes Rohr hinauf steigen lassen konnten. Auch zeigten sie, wie sie selbst flüchtig wie klares Wasser werden und sich verformen konnten, bis sie selbst wie große Pfützen zerrannen oder sich in Nebelschwaden auflösten.

"Das können die westlichen Zauberer auch", meinte Miriam Swann. "Eine Großtante von mir beherrscht das genial, sich in Nebel zu verwandeln und durch die kleinsten Ritzen einen Raum zu verlassen oder zu betreten."

"Ach, ist deine Tante ein Vampir oder was?" Fragte Roy unbedacht.

"Häh?! Wie kommst du denn auf den Blödsinn?" Schnaubte Miriam.

"Weil es in vielen Vampirgeschichten so erzählt wird, daß die sich in Nebel auflösen können", knurrte Roy zurück, der meinte, sich nicht als Idioten bezeichnen lassen zu müssen.

"Das ist höhere Verwandlungskunst, du Ignorant", knurrte nun Miriam. "Das lernen Zauberer und Hexen, wenn sie in Verwandlung gut mitkommen."

"Ah, ja", schnarrte Roy zurück.

Als dann "Die Kinder der Winde" auftraten, verrauchte der Streit zwischen Roy und Miriam, weil die vier Zauberer in den himmelblauen Gewändern ohne Besen schwebten, ja auch andere Dinge aufsteigen ließen, die doppelt so schwer wie sie selbst waren. Ein fülliger Zauberer mit dunkelbraunem Bart durfte das ausprobieren, wie federleicht er nur durch die Konzentration eines Meisters des Elements Luft angehoben und zum Fliegen gebracht wurde. Dann wurden die vier Zauberer völlig unsichtbar, schienen sich jedoch nicht von der Stelle zu bewegen, bis einer unter der Zeltkuppel auftauchte, der andere beinahe durchsichtig durch die Zuschauerreihen schwebte wie eine Mischung aus einem Gespenst und einem lebendigen Menschen, der Dritte frei in der Mitte des Zeltes herumflog und der Vierte den Kopf nach unten vor dem Eingang baumelte, ohne an Stricken zu hängen oder sich festhalten zu müssen.

"Die Kinder der Winde können sich in das ihnen anvertraute Element hineinfügen, es wecken oder besänftigen und sogar eins mit ihm werden, ohne ihr Leben zu verlieren", sagte der Direktor der Künstlertruppe. Dann traten noch einmal alle vier Gruppen auf die Bühne, machten kleinere Kunststücke mit den ihnen beigebrachten Elementarzaubern und verbeugten sich sehr tief. Danach war die Vorführung vorbei.

Leise über das miterlebte tuschelnd verließen Erwachsene wie Kinder das Zelt. Den Schülern war klar, daß einige Zauber wohl sehr lange gelernt werden mußten und sicher auch nicht ungefährlich waren. Jeder von denen hier war wohl ein kleiner Meister seines Faches. Allerdings, so meinte Aurora zu Petula, könnte es auch sein, daß diese Zauberer eben nichts anderes zaubern könnten. Petula erwiderte dazu:

"Ja, die werden das wohl beruflich machen und daher so gut darin sein. Aber der Junge, der sich die Nägel durch die hand hat hauen lassen ist doch erst sechzehn."

"Ja, aber schon mit acht bei denen zur Schule gekommen", erinnerte sich Aurora Dawn. "Bestimmt sind die Schulanfänger bei denen alle gerade acht Jahre alt. In acht Jahren kann man doch einiges lernen."

"Ja, toll! Wieso schicken die uns dann erst mit elf den Brief?" Wollte Roy wissen. Petula antwortete darauf:

"Weil in England erst eine Grundschulbildung drankommt, wie Lesen und schreiben lernen. Kann sein, daß die in China gleich alle Kinder, die Magie im Körper haben in dieses Haus des goldenen Drachens holen, wo sie neben Zaubern auch andere Sachen lernen."

"Das können wir ja rauskriegen", meinte Aurora, die gerade sah, wie Liu Tschi aus dem zelt trat und zusammen mit seinem Meister auf ein kleineres Zelt zumarschierte. Sie ging los, bevor Petula noch was zu ihr sagen konnte und lief auf den Jungen zu.

"Entschuldigung, Junge! Ich möchte dich bestimmt nicht ärgern. Aber meine Klassenkameraden möchten gerne wissen, wann ihr mit der Zauberei anfangt?" Sagte Aurora Dawn. Der Meister von Liu Tschi verzog zwar das Gesicht und seine ohnehin geschlitzten Augen wurden noch schmaler. Doch dann sah er Aurora Dawn lächelnd an und sprach mit einer mittelhohen Stimme:

"Ich weiß, die Kraft der Jugend treibt schnelle Sprossen der Neugier und Ungeduld. Dennoch möchte ich dich in aller Ehrerbietung darum bitten, nicht so ungestüm zu meinem Schüler zu sprechen. Die Höflichkeit unseres Volkes verlangt, daß du mich, seinen Lehrmeister, um die Erlaubnis bittest, dir einige Worte mit meinem Schüler zu wechseln. Denn er darf nicht von sich aus kundtun, wann und wie er in unserer Stätte der hohen Gelehrsamkeit seine Unterweisungen erhält, wenn ich dies nicht eindeutig erlaube. Doch ich werde deine Neugier stillen, junge Frau, weil ich weiß, welche Fragen und Gedanken unser Hiersein entfacht. Es ist tatsächlich so, daß unsere Schüler bei Vollendung ihres achten Lebensjahres zu uns kommen. Sie lernen bei uns bis zur Vollendung des vierundzwanziggsten Lebensjahres und erwerben dabei neben den alltäglichen Fertigkeiten besondere Kunstkenntnisse, um ihre hohen Gaben im Leben zu nutzen. Ich denke, diese Antwort stillt deinen Wissensdurst." Den letzten Satz sprach der zerbrechlich wirkende Chinese, der weder geköpft noch sonstwie mit scharfen Waffen verletzt werden konnte mit einer Endgültigkeit aus, die selbst Aurora davon überzeugte, daß sie besser nicht weiterfragen sollte. Sie bedankte sich höflich und entschuldigte sich bei dem Meister des Jungen, um dann zu ihren Mitschülern zurückzukehren.

"Das war ja wohl voll daneben", meinte Miriam. "Du kannst doch nicht einfach losrennen und andere zauberer nach Sachen fragen, die die vielleicht nicht verraten dürfen."

"Mann, Miriam! Ich wollte das jetzt wissen und hätte das wohl sonst von keinem erzählt bekommen", schnaubte Aurora Dawn ungehalten. Roy grinste.

"Das ist doch in den asiatischen Ländern üblich, daß man erst den Lehrer oder Chef oder den Vater von jemandem fragen muß, wenn man was von einem jüngeren haben oder wissen will. Zumindest gilt das für Japan."

"Ach neh, woher willst du das wissen?" Schnarrte Aurora Dawn, die es nicht mochte, von ihren Mitschülern belehrt zu werden.

"Weil Erica und ich schon mal da waren. Da ist Dad ein ähnlicher Bockschuss passiert wie dir jetzt, weil er bei einem Treffen mit zwei Kollegen den jüngeren was gefragt hat, wo sein Vorgesetzter dabeistand. Man lernt eben nur durch Fehler."

"Da bist du ja Experte drin", stichelte Miriam gegen Roy. "Dann müßtest du ja beim Abgang von Hogwarts der gescheiteste Typ der Welt sein, so viele Sachen du schon vermasselt hast."

"Miriam, das ist bescheuert von dir", wandte Dina Murphy ein. Doch diese grinste nur verächtlich. Roy meinte nur was von wegen "Pack dir an die eigene Nase" und schob mit Dina zusammen in Richtung Dervish & Banges ab.

"Auf jeden Fall weiß ich das jetzt, daß die da sechzehn Jahre lernen müssen", stellte Aurora Dawn fest. Dann ging sie mit ihren Schulkameradinnen zurück nach Hogwarts.

Abends beim Essen konnte Aurora Amalia Hopfkirch und Darius Cale sehen, wie sie sich mit den Lehrern Flitwick und Sprout unterhielten, bevor Dumbledore nickte und um Schweigen bat.

"Liebe Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler", begann er, und seine stahlblauen Augen leuchteten hinter den halbmondförmigen Brillengläsern. "Soeben haben mir Ms. Hopfkirch und Mr. Cale mitgeteilt, daß sie sich verlobt haben und wohl noch innerhalb des laufenden Jahres, allerdings erst nach Ende der Schulzeit hier, heiraten werden. Ich gratuliere euch beiden recht herzlich zu dieser glücklichen Verbindung und wünsche euch für euren weiteren Lebensweg all das gute und schöne, ohne das das Leben ein öder Pfad wäre, aber auch genug Herausforderungen, um eure Stärken zu erproben und zu kräftigen."

Dumbledore setzte sich auf seinen goldenen Stuhl. Raunen klang nun durch die große Halle. Aurora Dawn sah Petula an, die überlegen lächelte.

"Tja, jetzt ist es raus", meinte Petula dazu nur.

"Interessant, wie früh die sich sowas versprechen", meinte Miriam, bevor Amalia an den Ravenclaw-Tisch zurückkehrte. Doch keiner wagte darauf eine Antwort, weil sich die Schulsprecherin nun wieder in Hörweite befand und wohl nicht haben wollte, daß man über sie herzog. Höflich gratulierten alle Ravenclaws der Schulsprecherin zu ihrer Verlobung mit Darius Cale. Einige ältere Mitschülerinnen wollten wissen, wielange Darius gewartet hatte, bis er diesen goldenen Ring gekauft hatte. Doch Amalia tat jede Frage mit einem hintergründigen Lächeln ab. Niemand erfuhr mehr als was die Besucher der drei Besen hatten mitbekommen können. Dann blickte Amalia Aurora Dawn an, und ihr Blick verhieß nichts angenehmes.

"Professor Flitwick erzählte mir, der Großmeister der Zauberkunsttruppe aus China, die am Nachmittag ihr Können vorführte, habe sich bei ihm erkundigt, ob es Sitte in Hogwarts sei, daß Schüler ohne Erlaubnis ihrer Lehrer und ohne Einhaltung einfachster Respektsregeln ihre Neugier ausleben dürften, ja sich nicht einmal scheuten, ohne ausführlichen Gruß ihnen fremde Schüler nach wichtigen Dingen zu fragen. Der Zauberer erzählte dann, er habe es von seinem Kollegen, daß du, Aurora, einen Jugendlichen auszufragen versucht hast. Professor Flitwick ist darüber etwas ungehalten, weil die Chinesen unseren Schulleiter für einen nachlässigen Lehrmeister ansehen und weder Professor Dumbledore noch die Hauslehrer sich sowas bieten lassen wollten. Stimmt das, was da passiert sein soll?"

"Mensch, Amalia, man wird doch mal fragen dürfen, wann die dort drüben in ihre Zaubererschule gehen und wie lange", stieß Aurora Dawn verstimmt aus. "Mehr wollte ich nicht, und dieser Lehrer, wenn es wirklich einer ist, hat auch gesagt, er könne mich verstehen und hat mir die Fragen beantwortet. Er meinte nur, ich hätte ihn zuerst fragen sollen. Mach also nicht so'ne große Sache daraus!"

"Mädchen", setzte Amalia an, "Die leben da in einer anderen Welt als wir. Für die zählen Demut, Disziplin und Gehorsam mehr als bei uns. Wenn deren Lehrer sagen, die Schüler hätten nicht mit jedem zu reden, dann müssen wir das als gegeben hinnehmen. Andererseits hat Professor Dumbledore gesagt, daß wer nicht fragt nichts lernen würde und es mir überlassen, ob ich dafür Ravenclaw Punkte abziehen will."

"Wag dich", knurrte Miriam Swann. "Wenn Dumbledore sagt, es sei nichts großes und müsse deshalb nicht bestraft werden, dann hast du aus Respekt vor ihm das auch zu lassen, hier Punkte abzuziehen."

"Das war jetzt absolut unnötig", fauchte Amalia. "Dafür muß ich Ravenclaw nun doch zehn Punkte abziehen, wegen Nichtanerkennung meiner Schulsprecherwürde, respektloser Rede über unseren Schulleiter und ungebetene Kommentare zu disziplinarischen Entscheidungen", sagte Amalia. Miriam funkelte sie zwar böse an, schwieg dazu jedoch. "Ja, und was dich betrifft, Aurora, so belasse ich es bei fünf Punkten Abzug für Ravenclaw wegen Unbeherrschtheit. Mehr ist von mir nicht zu sagen."

"Steck's dir wohin", dachte Aurora Dawn für sich und blickte entschlossen in eine andere Richtung als zu Amalia hinüber.

Der rest des Abendessens verlief in gewohnter Atmosphäre, von kurzen Rufen der Slytherins, die dem jungen Paar ein aufregendes und wohlbedachtes Leben wünschten abgesehen. Aurora konnte sich denken, daß die Banden am Slytherin-Tisch meinten, ihr großes Vorbild, der Unnennbare, würde die beiden wohl nicht alt werden lassen. Doch sie hatte keine Lust, ihretwegen noch mehr Punkte von Ravenclaw zu verspielen, wo es jetzt gerade sehr knapp war, wer den Hauspokal gewinnen würde.

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Die Sache mit den chinesischen Zauberern sprach sich wohl rasch herum. Denn Aurora Dawn durfte sich in den nächsten Tagen öfter gehässige Fragen von Tonya Rattler anhören. "Hat dir keiner beigebracht, daß man nicht mit Kuchen redet, wenn man selbst noch Krümel ist, Dawn?" War da noch die harmloseste Frage. "Wie kommt es, daß du dich traust, wildfremde Leute anzuquatschen, wo die doch nichts von unreifen Gören halten? Der hätte dich doch mal eben einen Kopf kürzer machen können, nur weil du seinen Bubi angelabert hast", war die häufigste Bemerkung, die Aurora zu hören bekam. Sie sagte dazu nur:

"Tonya, kehr erst vor deiner Tür, bevor du den Dreck von anderen siehst."

Doch irgendwann war das Thema wohl ausgeschöpft und wurde vergessen. Dann kamen ja auch noch die Prüfungen, die von allen hier die größte Aufmerksamkeit forderten.

Eine Woche vor den Prüfungen bekam Aurora mit, wie Amalia und Darius sich im südlichen Park von Hogwarts trafen und ohne Rücksicht auf mögliche Zuschauer aneinander herumfingerten, schmusten und sich küßten. Sicher, sie waren nun offiziell verlobt, doch ob das gleich hieß, daß sie sich alles rausnehmen konnten, wußte Aurora nicht. In ihr flammte für einen Moment der Gedanke auf, sich für diese Maßregelung wegen der Chinesen zu revanchieren und Amalia schulweit als liebestolles Mädchen zu verschreien. Doch dann dachte sie daran, daß sie ja nur noch einen Monat hier in Hogwarts sein würde und es ihr wohl egal wäre, was passierte.

Ihr Rachegedanke schien von ihr zu Peeves gewandert zu sein. Denn als Aurora Dawn zusammen mit Petula und Roy Fielding am Sonntag vor den Prüfungen über das Schloßgelände schlenderte, sahen sie den Poltergeist mit zwei Bündeln Kleidung herumfliegen und laut singen: "Wie sie gebor'n, von Zeh bis Ohr'n. Sind sie nun für alle hier anzusehen. La-la-la-la-la-la-la-la-la-laaaah!!"

"Was ist denn mit dem los?" Fragte Petula, als der schulweit verachtete Unruhestifter laut lachend an der Südmauer hinaufschwebte und durch ein offenes Fenster ins Schloß zurückschwebte.

""Eh, guckt mal. Das liebende Par ist im großen See und will nicht rauskommen!" Rief ein Hufflepuff-Erstklässler schadenfroh, als er vom großen See herkam. Aurora Dawn lief hinüber und sah, wie sich Amalia und Darius völlig nackt im See bewegten. Daß sie nackt sein mußten vermutete Aurora, weil Amalia ihren Rücken ohne Badeanzug darbot und wohl darum kämpfte, nicht aus dem noch kühlen Wasser herauszukommen. Auch Darius hielt sich so im Wasser, daß nur sein Oberkörper zu sehen war. Er verfluchte Peeves aus Leibeskräften.

"Wie können die auch so blöd sein, pullenackt ins Wasser zu steigen", meinte Petula, die vom Schloß her kam.

"War ja sonst keiner in der Nähe", flötete Aurora, die sich umblickte, ob noch andere Schüler am See herumliefen oder darin schwammen.

"Wielange wollt ihr das jetzt durchhalten?" Fragte Aurora Amalia, die bereits bibberte und leicht blaue Lippen bekam.

"Mann, hol doch mal wer unsere Klamotten aus dem Schloß oder Badetücher!" Krakehlte Darius. Seine Verlobte hielt sich krampfhaft auf dem Bauch liegend über Wasser. Zwischendurch schimmerte ihr unverhüllter Po durch die Wasseroberfläche.

"Eh, Darius. Du solltest da schnell rauskommen. Da sind Fische drin", feixte ein Viertklässler aus Slytherin, der zusammen mit Tonya Rattler an den See gekommen war.

"Ach neh, was du nicht sagst, Burke", schnaubte Darius.

"die könnten dich mit 'nem Wurm an 'ner Angel verwechseln", flötete der Slytherin, und Tonya giggelte albern.

"Zehn Punkte Abzug für Slytherin, Burke und wenn du mit deiner Kameradin nicht Land gewinnst werden das fünfzig", versetzte Darius.

"Hahaha, Herr Schulsprecher", lachte Burke und ging mit Tonya davon. Aurora und Petula wollten auch davongehen, als Amalia sich kurz bis zum Bauch aus dem Wasser reckte und rief:

"Holt meine Sachen aus Ravenclaw! Dieser Poltergeist kann nicht an alles ran."

"Wie heißt das Zauberwort?" Fragte Aurora Dawn grinsend.

"Bitte!" Schnaubte Amalia und ließ sich schnell wieder in Bauchlage sinken, weil gerade eine Horde von Schülern angelaufen kam. Mit schnellen Bewegungen schwammen die beiden Schulsprecher auf den See hinaus.

"Wie bescheuert sind die, nackt im See zu schwimmen, wo Peeves hier herumspukt?" Fragte Petula Aurora.

"Vielleicht wollten die sich ganz doll liebhaben", flachste Aurora. "das geht nicht in Klamotten."

"Was du nicht sagst", grinste Petula.

Die beiden Mädchen eilten durch das Schloß, vorbei an giggelnden Mädchen aus allen Häusern und Jungen, die wohl nicht wußten, was sie für Gesichter machen sollten.

Bruce, der Kuhhirte aus dem Türgemälde vor Ravenclaw, stritt sich gerade mit einem rundlichen Zauberer mit roter Nase, den Aurora Dawn schon einmal auf einem Portrait bei Lucille Fortescue, der Patentante ihres Vaters, gesehen hatte.

"Wie kann dein Rindvihe einfach durch die Gegend laufen und mich so anrempeln, wo ich gerade einen Besuch machen wollte!" Empörte sich der rotnasige Zauberer.

"mann, auch wenn du hundertmal ein früherer Schulleiter von Hogwarts bist muß ich mich von dir nicht so anblaffen lassen, Fortescue", knurrte Bruce. Dann tauchte noch Lady Medea in seinem Bild auf, die Erzfeindin von Bruce, wie Aurora wohl wußte.

"Wenn ihr mit diesem Burschen eure Angelegenheiten geklärt habt, Professor Fortescue, so gehört die Zeit dieses Unholds mir", sagte die Hexenlady im roten Kleid.

"Nein, der Kerl hat sich dafür zu entschuldigen, daß sein tolldreistes Rindvieh mich fast aus dem Bild der drei Klosterbrüder gerammt hat", sagte Fortescue, so hieß der gemalte Zauberer wohl. Aurora Dawn trat an das Portrait heran und sagte das Passwort. Darauf ließ Bruce sie und Petula rasch in den Gemeinschaftsraum hinüber und schien dann sehr schnell davonzulaufen, weil sowohl Lady Medea als auch der dicke Zauberer mit der roten Nase laut hinter ihm herriefen und dabei selbst leiser wurden.

"Also den sollten wir echt austauschen lassen", meinte Petula. "Der kriegt sich ja mit jedem Gemälde hier in die Haare."

"Wir müssen jetzt Amalias Klamotten holen", sagte Aurora. Sie genoss es, daß es an ihr lag, Amalias einzige Rettung zu sein, zumindest was die Ehre anging.

Petula sah ihre Schwester und lief zu ihr hinüber, während Aurora bereits durch den Gang zum Trakt der Mädchenschlafräume betrat und rasch die Wendeltreppen hinauf bis zum Zimmer der Siebtklässler ging, wo sie mit einer Kameradin von Amalia zusammenrasselte, die sie erst mißtrauisch anfunkelte, aber dann half, Badetücher und Kleidung von Amalia zusammenzulegen und Aurora begleitete. Aus dem Gemeinschaftsraum hinaus gingen Aurora, Amalias Klassenkameradin und die Woodlane-Schwestern zurück zum See, wo Professor McGonagall gerade alle umstehenden Schüler anherrschte, sich schleunigst ins Schloß zurückzubegeben. Als Aurora dann mit dem Kleiderbündel für die Schulsprecherin ankam, setzte die strenge Verwandlungslehrerin schon an, auch sie ins Schloß zurückzuschicken. Doch sie nickte rasch und winkte Amalia, ans Ufer zu kommen. Aus dem Nichts heraus ließ Professor McGonagall einen breiten und hohen Wandschirm erscheinen, den sie so zog, daß Amalia und Darius sich vor neugierigen Blicken sicher sein konnten, wenn sie aus dem Wasser stiegen. Gerade kam noch ein Trupp Jungen aus Hufflepuff, darunter Ronin Campbell, einer der Vertrauensschüler, ebenfalls mit einem Kleiderbündel in den Händen und einem feisten Grinsen im Gesicht.

"Geben Sie schon her, Campbell!" Schnarrte Professor McGonagall und pflückte das Kleiderbündel aus den Armen des Vertrauensschülers.

Zehn Minuten danach traten die beiden Schulsprecher züchtig verhüllt hinter dem Wandschirm hervor. Ihre Ohren und Lippen sahen jedoch leicht angefroren aus.

"Sie begeben sich stante pede zu Madame Pomfrey zwecks Einnahme eines Aufwärmtranks!" Kommandierte Professor McGonagall, die sichtlich mit ihrer Selbstbeherrschung rang. "Und Sie anderen können nun ins Schloß zurückkehren und ausrichten, daß die beiden nun wieder gesellschaftsfähig gewandet sind!"

"Wo sind denn die Abzeichen?" Wollte einer der Hufflepuffs wissen.

"Die hat wohl Peeves noch", vermutete Darius mit verächtlichem Gesicht.

"Hat er nicht mehr. Professor Dumbledore hat ihm die Schulsprecherabzeichen entwenden können", wußte Professor McGonagall. "Holen Sie sich diese bitte bei ihm ab, sobald Madame Pomfrey Sie versorgt hat!"

"Ist in Ordnung, Professor McGonagall", sagte Amalia Hopfkirch kleinlaut und zog Darius mit sich fort.

"Joh, dann wollen wir mal zurück ins Schloß", meinte Aurora Dawn. Petula nickte.

Abends hatten es die Schulsprecher schwer, das Getuschel in der großen Halle zu ertragen. Amalia hörte mit verkniffenem Gesicht auf den Spott der Slytherins und das Raunen an den anderen Tischen. Zwischendurch lief sie leicht rot an. Offenbar war ihr die Sache peinlicher als es den anderen vorkam. Erst als Dumbledore aufstand und um Ruhe bat, ebbte das Gemurmel und das Gewitter der auf Amalia und Darius fallenden Blicke ab.

"Liebe Schülerinnen und Schüler, es ist wohl kein schlechter Streich gewesen, den Peeves dem Schulsprecherpaar gespielt hat. Aber ich muß einräumen, daß ihr beiden euch diesen derben Scherz förmlich erbeten habt. In den Regeln von Hogwarts heißt es nicht ohne Grund, daß das Baden im freien grundsätzlich nur in dafür zulässiger Bekleidung erfolgen darf, um unnötige, ja peinliche Situationen zu provozieren. Die Überkleidung hat, so heißt es da weiter, nie weiter als in der hälfte der Sichtweite am Ufer deponiert zu werden oder in dafür vorgesehenen Taschen oder Bündeln aufbewahrt zu werden. Jetzt erfuhr ich jedoch von Peeves, daß ihr beiden, Amalia und Darius, eure Kleidung gänzlich am dem Tor zum Gelände nächsten Ufer ausgezogen habt und völlig unbekleidet ins Wasser gestiegen seid. Da ihr offenbar sehr weit hinausgeschwommen seid, war es für Peeves eine Einladung, sich eure Kleidungsstücke zu holen. Ich habe ihm dafür eine harte Bestrafung auferlegt und Mittel gefunden, daß er bis auf lange Sicht nicht mehr in die Nähe freier Plätze von Hogwarts gelangen kann. Aber das räumt die Angelegenheit mit eurer Nacktheit nicht aus." Amalia errötete vollends. "Ich muß sowohl Ravenclaw als auch Hufflepuff je fünfzig Punkte dafür aberkennen, weil ihr euch gegen alle Verantwortung eurer Stellung hier derartig unbedacht freizügig gezeigt habt. Ich hoffe, ihr habt beide aus dieser heiklen Lage gelernt, besser auf eure Umgebung zu achten." Bei den letzten Worten umspielte ein leicht amüsiertes Lächeln Dumbledores Lippen. Ein kurzes Lachen erscholl, bis Dumbledore sich räusperte und zum Schluß noch sagte: "Von den Punktabzügen abgesehen sehe ich von weiteren Strafen ab, da euch Peeves ja heftig genug bestraft hat."

Amalia vergrub ihr Gesicht in den Händen und wollte wohl niemanden mehr ansehen, bis das Abendessen beendet war und die Schüler in ihre Häuser entlassen wurden.

__________

Die Prüfungen waren für Aurora Dawn und ihre Klassenkameraden wie gewohnt anstrengend. In Zaubertränke mußten sie einen komplizierten Langzeitschlaftrunk zusammenbrauen, bei dem jeder Schritt genau ausgeführt werden mußte. So passierte es, daß außer Aurora und Dina, die in diesem Fach bisher immer die besten Schülerinnen waren, als einzige Ravenclaws die korrekte Zubereitung hinbekamen, während Roy und Petula eine total verheerende Mischung zusammenbrauten, die Professor Bitterling gerade eben noch verschwinden lassen konnte, bevor sie als wild brodelnde Elixiere aus den Kesseln herausquollen und sich über die Steintische ergießen konnten. Von den Hufflepuffs hatte nur Melinda Bunton den korrekten Trank hinbekommen.

"Ich muß Ravenclaw zwanzig Punkte abziehen. Eigentlich hätten es fünfzig sein müssen, aber da Ms. Dawn und Ms. Murphy die korrekte Rezeptur hinbekamen sind es eben nur zwanzig. Bei Hufflepuff muß ich jedoch vierzig Punkte abziehen, obwohl Ms. Bunton auch die vorgeschriebene Lösung hinbekommen konnte", sagte Professor Bitterling kalt. "Wenn Sie alle bis zum ZAG-Prüfungstag nicht lernen, sich an die Vorgaben zu halten, werden Sie wohl sehr schwer über das fünfte Jahr hinauskommen."

"Alte Gewitterhexe", knurrte Roy, der mit Bitterling häufig über Kreuz lag.

"Das habe ich gehört, Mr. Fielding", knurrte Professor Bitterling. "Zwanzig Punkte Abzug für Ravenclaw. Ich werde mit Ihrem Hauslehrer besprechen, welche Strafarbeit Sie nach den Prüfungswochen ableisten werden."

Die Ravenclaws beschwerten sich nach der Prüfung bei Roy, daß er sie um wichtige Punkte gebracht hatte. Roy meinte dazu nur:

"Leute, ihr seid doch alle mit dran schuld, daß wir wieder so viele Punkte vergeigt haben. Also laßt mich ja in Ruhe!"

"Du weißt das doch ganz genau, daß Bitterling dich und Bruster gerne aus dem Unterricht rausekeln will", knurrte Miriam. "Das solltest du doch kapiert haben, daß die dann jede Gelegenheit nutzt, dir und Bruster eins reinzuwürgen."

"Wann kriege ich mal von dir was nettes zu hören?" Tat Roy sorgenvoll.

"Wenn du lernst, dich zu beherrschen", knurrte Miriam. Das rief bei Roy ein schallendes Gelächter hervor.

"Beherrschen, ich mich?! Das sagt die richtige!" Stieß er lauthals hervor. "Wer geht denn gleich bei jeder Kleinigkeit die Wände hoch? Wer fühlt sich denn gleich persönlich angegriffen, wenn wer auch nur im Tonfall rüberkommen lassen könnte, was gegen große Hexen zu haben?"

"Das ist eine ganz andere Geschichte, Roy, und du weißt das auch, weil es nur du bist, der meint, über anständige Hexen und Zauberer herziehen zu können", schnaubte Miriam. Roy meinte nur, daß man's ja schon wieder mitkriegen würde, wie schnell Miriam ausrastete. Aurora mußte ihm in Gedanken zustimmen. Miriam ging wirklich schnell an die Decke, wenn jemand ihre Hexenehre in Frage stellte. Insofern war sie wirklich nicht klüger als Roy Fielding. Bruster, der sich auffallend ruhig verhielt, sah nur bedauernd zu Roy hinüber und wandte sich dann an seinen Cousin Mortimer, der wohl gerade noch eine ungefährliche, wenn auch unwirksame Lösung gebraut hatte.

"Wieso kommt es mir so vor, daß Bruster so handzahm geworden ist?" Fragte sich Aurora. Trotz ihrer Neugier, die sie hemmungslos mit ihr wildfremden Zauberern hatte sprechen lassen, traute sie sich nicht, ihren Klassenkameraden anzusprechen, was ihn derartig verwandelt hatte. Sie dachte schon an einen Zauber, den seine Mutter vielleicht auf ihn gelegt hatte, um seinen Rauswurf zu verhindern. Aber sie kannte keinen derartigen Besänftigungszauber, der derartig lange vorhielt.

Am Nachmittag nach der Zaubertrankprüfung trainierten Aurora und Mortimer noch Besenfliegen über dem Quidditchstadion. Alessandro Boulder beobachtete sie dabei und hielt unliebsame Zuschauer, namentlich die Rattler-Schwestern und den klapperdürren Samiel Sharkey davon ab, den beiden zu lange zuzusehen.

Einen Tag später fand die Zauberkunstprüfung statt. Hier taten sich Petula, Roy und Miriam als die besten hervor, während Aurora zusammen mit Bruster und Mortimer ein nicht schlechtes aber auch nicht gerade rechtes Mittelmaß zeigten und Dina trotz ihres auf sie abgestimmten Zauberstabs gerade noch so eben an einem Ausreichend vorbeischrammte. Zumindest ließ Flitwick das durchblicken, obwohl die eigentlichen Endnoten ja erst am Tag vor dem Beginn der Sommerferien verkündet würden. Sie fragte Aurora einmal, ob es wohl doch daran liegen mochte, daß sie nicht so starke Zauberkräfte hätte. Aurora sagte darauf nur:

"Es gibt Leute, die machen alles aus dem Handgelenk, wo andere richtig ackern müssen. Ich denke, du kriegst das noch hin, weniger ackern zu müssen. Zauberkunst war ja bei mir auch nicht so das Ding in diesem Jahr."

"Ja, aber immerhin hast du noch eine gute Note kriegen können", meinte Dina Murphy.

"Ja, aber wohl nur, weil ich mit der Theorie gut zu Rande kam. Dieser Aufmunterungszauber wäre mir ja fast voll nach hinten losgegangen", wandte Aurora Dawn ein.

"Ja, das hat mir auch wohl gerade noch die Drei gerettet", erkannte Dina. "Ich kann wohl besser Theorie als das praktische Zeug."

"Vielleicht muß da bei dir nur was aufwachen, das noch nicht ganz klar ist, Dina. Also, zaubern kannst du doch schon. Mit dem Stab von dir geht das ja jetzt auch ohne Probleme ab."

"Gerade so. Ich möchte nicht wissen, was mir in Verwandlung noch passiert", seufzte Dina. Dann winkte Roy sie zu sich, und sie verabschiedete sich von Aurora Dawn.

Was Aurora in Zauberkunst nicht hinbekommen hatte, lief bei ihr in Verwandlung einen Tag später schon wesentlich besser. Die Prüfungsaufgabe, eine Teekanne mit kochendem Inhalt in eine Landschildkröte zu verwandeln, gelang ihr nach zwei Fehlversuchen mit hundertprozentigem Erfolg, während Dinas Teekanne explodierte, Roy zwar eine Schildkröte hinbekam, diese aber Dampfschwaden aus dem Maul entweichen ließ und Petula es anstellte, aus einer Teekanne zwei Stück zu machen, die jeweils auf vier Beinen davonliefen, über den Tischrand hinaustraten und klirrend am Boden zerschellten.

"Mußte das denn jetzt wirklich sein?!" Grollte Professor McGonagall und fegte die Scherben mit einer Zauberstabbewegung zusammen, um sie dann zu heilen Teekannen zurückzuverwandeln, die sie mit einem anderen Zauber zu einer einzigen verschmelzen ließ. "Versuchen Sie es noch einmal, Ms. Woodlane!" Verlangte die Lehrerin von Petula, die sofort daranging, die aufgegebene Verwandlung zu vollenden.

Als Professor McGonagall die Prüfung für beendet erklärte, hatten fast alle irgendwas aus ihren Teekannen gemacht. Die Verwandlungslehrerin sammelte die Schildkröten oder die solchen ähnelnden Dinge ein und schickte die Klasse mit besten Wünschen für die weiteren Prüfungen aus ihrem Unterrichtsraum.

"Wie hast du das hingekriegt, daß die Teekanne sich verdoppelt hat?" Wollte Roy Fielding von Petula wissen.

"Weiß ich auch nicht so genau. An und für sich wollte ich die Worte für die Belebung von leblosem sprechen. Irgendwie muß die Kanne das falsch mitbekommen haben. Ich weiß nicht, wie ich die Verdopplung hinbekommen habe", erwiderte Petula leicht ungehalten.

"Also wenn das schon heftig war, dann möchte ich nicht wissen, wie heftig die Vivo-ad-Vivo-Verwandlung ist", meinte Aurora Dawn.

"In gewisser Weise wohl einfacher", meinte Miriam. "Du mußt ja nur Formen ändern und keinen Daseinszustand."

"Ja klar, Miriam. Schon gehört, daß Tiere und Pflanzen innnen ziemlich kompliziert gebaut sind?" Stieß Roy angenervt aus. "Na ja, kriegen wir wohl auch irgendwie hin."

"Sonst fliegst du ja von der Schule, wegen Unbelehrbarkeit", wechselte Miriam den Groschen und grinste.

"Die schlimmsten Hämmer haben wir ja jetzt hinter uns", meinte Bruster. "Balder wird vielleicht noch was fieses bringen. Aber sonst sind wir ja durch."

"Hört hört!" Bemerkte Miriam.

"Ich denke, Pflege magischer Geschöpfe wird noch mal heftig", vermutete Aurora. Immerhin wollte Professor Kesselbrand von seinen Schülern zur Prüfung alles mögliche vorbereitet haben. Es konnte also passieren, daß er Flubberwürmer, Salamander, Jarveys oder Feen in der Prüfung abfragte, vielleicht auch alles zum Einhorn, daß sie mal kurz gesehen hatten. In Muggelkunde machte sie sich keine Sorgen. Wozu eine Batterie gut war, wie der elektrische Strom in die Steckdose kam und was Muggel damit anfingen hatte sie ziemlich gut verinnerlicht. Daß Roy und Bruster gerade in dem Fach unmöglich an der Bestnote vorbeirasseln würden war auch klar.

"Also von wegen Verteidigung gegen die dunklen Künste kriegen wir wohl noch einen harten Brocken. Aber die reinen Lernfächer sind dann nicht mehr so schlimm", meinte Dina.

"Na klar, wenn Kesselbrand uns nicht dazu verdonnert, eine Familie Jarveys umzusiedeln", entgegnete Bruster Wiffle.

Als sie alle beim Mittagessen saßen lauschte Aurora darauf, was die anderen so zu tun gehabt hatten. Die aus der zweiten Klasse hatten heute bei Balder ihre Prüfung in Verteidigung gegen die dunklen Künste durchstehen müssen. Vier der Zweitklässler waren offenbar dabei so heftig verflucht worden, daß sie von Madame Pomfrey behandelt werden mußten. Die erstklässler hatten Zauberkunst gehabt, und Lissy grummelte darüber, daß sie auf so niedrigem Niveau geprüft worden waren. Doch mit dieser Meinung stand sie in ihrer Klasse ganz alleine da.

Der Nachmittag gehörte der Erholung. Denn von denen, die an diesem Tag Prüfung gehabt hatten, würde keiner noch einmal Hausaufgaben von vor einigen Wochen durchgehen. Aurora hatte es schon im letzten Jahr gemerkt, daß das nur noch mehr verwirrte als es half. So sah sie den Woodlane-Schwestern bei einer Schachpartie zu. Obwohl sie mit dem Spiel nicht sonderlich viel anzufangen wußte versuchte sie immer wieder, hinter den tieferen Sinn einer Partie zu kommen. Sie glaubte einmal, Petula hätte ihre große Schwester an den Rand der Niederlage gedrängt. Doch da rückte einer von Priscillas Bauern auf eines von Petulas Startfeldern vor und verwandelte sich in eine Dame, weil Priscilla ihre eigentliche Dame bereits fünf Züge zuvor geopfert hatte. Petula ärgerte sich über eine angebliche Dummheit von ihr, konnte aber nicht mehr viel machen, weil die neue Dame eben eine größere Beweglichkeit als der Bauer hatte. So verlor sie das Spiel und meinte zu Priscilla:

"Das Spiel ist was für Leute, die alles andere aus dem Kopf rausdrücken können, Priscilla. Ich sollte mich besser auf andere Sachen festlegen."

"Alles eine Frage der Übung", meinte Priscilla mild lächelnd. "Ich habe das ja auch nicht von jetzt auf sofort gelernt."

"Woran mußtest du denn denken, Petula?" Fragte Aurora neugierig.

"Och, was mit Bruster los ist. Irgendwie ist der seit dem letzten Dritteljahr so ruhig geworden, als habe der irgendwas geschluckt, was ihn nicht mehr ausrasten läßt."

"Ach neh, das wundert dich auch?" Fragte Aurora. "Wahrscheinlich die Sache, daß sie ihn fast rausgeworfen hätten. Das siehst du doch an den Slytherins. Seitdem dieser Kain Gallows rausgeworfen wurde, passen Rattler und ihre Anhängsel auf, daß sie nicht zu viel Wind machen."

"Klar, die Rattler", knurrte Petula. "Vielleicht hat die auch geblickt, daß sie auch nur ein kleines Mädchen ist, daß Ihr-wißt-schon-wer ohne Probleme umbringt, wenn ihm danach ist."

"Sag sowas nicht zu laut, Petula!" Zischte Priscilla. "Niemand ist es wert, von Du-weißt-schon-wem ermordet zu werden."

"Ich bin auf jeden Fall froh, daß meine Eltern von ihm in Ruhe gelassen werden", meinte Aurora Dawn. Die Woodlanes nickten zustimmend. Um das unangenehme Thema wieder zu beenden ging Petula auf die von Priscilla angebotene Revanche ein.

Die Kräuterkundeprüfung war wie in den Jahren zuvor Auroras Triumph. Sicher, die Slytherins versuchten, ihre sehr gute Leistung verächtlich zu reden. Doch Aurora hörte nicht auf das alberne Geschwätz von Leuten wie Sharkey und Rattler.

Was Aurora in Kräuterkunde schaffte, gelang den beiden Muggelstämmigen Bruster Wiffle und Roy Fielding in Muggelkunde. Neben Eunice Armstrong und Loren Tormentus waren die beiden die besten Schüler der dritten Klasse, hatten sogar noch Bonuspunkte eingefahren, wenngleich Professor Goldbridge betont hatte, daß Roy und Bruster ja ihrer Herkunft wegen nichts anderes als eine Bestnote hätten schaffen dürfen, wenn sie nicht faul herumsitzen wollten. Loren, die von denen mit Bonuspunkten die meisten abgeräumt hatte, lächelte Eunice Armstrong überlegen an und meinte:

"Dabei heißt es doch, die Gryffindors würden sich so gut mit den Muggeln stehen. Du kannst froh sein, daß deine Note dich noch aus der Blamage rausreißt."

"Du blamierst dich doch, Tormentus", knurrte Eunice. "Oder denkst du, in Slytherin kommt das gut an, wenn eine von denen ausgerechnet in Muggelkunde die Bestnote der Jahrgangsstufe hat? Die halten Muggel doch für armselige Würmer, die es nicht wert sind, sich mit ihnen zu befassen, wenn man sie nicht wie Würmer zertreten will."

"Eh, nicht jeder in Slytherin ist so drauf, Armstrong", fauchte Loren. "

"Aber die meisten", fauchte Eunice zurück und kehrte Loren den Rücken zu. Ihr seidenweiches, schwarzes Haar wehte wie Sturmwellen in finsterer Nacht auf und nieder, als sie rasch davonging.

"Das war's dann also in diesem Jahr", meinte Loren nur und ging ebenfalls davon, nicht ohne Aurora kurz anzublicken, die mit einem Gut in der Prüfung abgeschnitten hatte.

Die prüfung in Verteidigung gegen die dunklen Künste war zwar anstrengend, aber es lief zumindest so menschlich ab, daß niemand aus der Klasse in den Krankenflügel mußte. Aurora Dawn, die übers Jahr hinweg regelmäßig an den Übungsduellen teilgenommen hatte, fing sich einmal einen Elefantenbeinfluch ein, den sie jedoch noch rechtzeitig aufhob, bevor eine langwierigere Zauberei nötig geworden wäre.

Alles in allem war jeder und jede froh, als die Prüfungen vorüber waren und jeder und jede sich auf die Sommerferien einstimmte. Amalia und Darius ließen sich seit Peeves' Streich nicht mehr in inniger Vertrautheit sehen. Ihre Würde war zu heftig angekratzt worden. Das bekam Aurora Dawn einmal mit, als sie hinter Amalia durch das Schloß ging, um zur Bibliothek zu gelangen. Vier Slytherin-Siebtklässlerinnen vertraten ihr den Weg und entrollten ein Spruchband:

"Eltern tot, Kinder schon so gut wie. Alles gute für dein Leben, solange der dunkle Lord es dir läßt!"

"Einrollen und abrücken!" Fauchte Amalia, nachdem ihre kurze Schreckensblässe in ein Zornesrot umgeschlagen war. Doch die vier Mädchen, irgendwie kantig und knorrig wie Klötze aus unbearbeitetem Holz, lachten nur und sangen Spottverse auf Amalia, daß sie nur noch lebte, weil sie in Hogwarts sei und daß sie ja niemanden beeindrucken könne, seitdem jeder es hatte sehen können, wie mickrig ihr Körper gebaut sei. Aurora Dawn, die keine Lust hatte, sich diesen Zirkus anzusehen, wollte vorbeigehen, als wenn nichts wäre. Doch die vier klobigen Junghexen verstellten ihr den Weg und meinten:

"Du sollst es mitkriegen, daß wir, die wahren Kinder der Zaubererwelt, uns von einer wie der Hopfkirch nichts mehr bieten lassen, Dawn. Denk nur dran, wie schnell er mit Leuten aufräumt, die nicht spuren!"

"Ich räum gleich mal auf", meinte eine sehr barsche Stimme. Die vier Mädchen wirbelten herum. Professor Balder stand mit erhobenem Zauberstab da. "Wenn ihr euch mit eurer Klassenkameradin Amalia unterhalten wollt, macht das! Aber wenn Aurora Dawn das nicht mitkriegen will, laßt sie gefälligst vorbei!"

"Dich kriegt er auch noch", zischte eines der Mädchen Aurora Dawn zu, als sie dieser Platz machte. Sich mit einem Lehrer anzulegen wäre auch für eine Siebtklässlerin kurz vor Ferienbeginn sehr dumm, zumal Balder als erfahrener Auror jeder Schülerin hier überlegen war. Das Hexenmädchen Aurora Dawn hörte jedoch nicht darauf. Tonya Rattler versuchte es ja auch immer wieder, sie zu erschrecken. Manchmal, wenn sie gerade in einer trüben Stimmung war und nicht wußte, ob es ihren Eltern gut ging, wirkte das bei ihr. Doch meistens konnte sie das gehässige Geschwätz an sich abgleiten lassen. Sie ging mit hoch erhobenem Kopf an den Siebtklässlerinnen aus Slytherin vorbei und in Richtung der Bibliothek. Balder folgte ihr in zwei Schritten Abstand.

"Amalia hat sich keine gute Position verschafft, als sie so ungezügelt mit Darius im See gebadet hat. Das darf eine Schulsprecherin nicht machen", grummelte Professor Balder. Aurora, die nicht wußte, ob sie darauf antworten sollte, nickte nur, sagte aber nichts dazu.

Den restlichen Nachmittag verbrachte sie in der Bibliothek, wo sie mit den Swift-Drillingen Kräuterkundebücher durchforstete, um sie für die Ferienhausaufgaben fit zu machen.

__________

Der Abend vor Ferienbeginn war dem Fest gewidmet. Alle Schülerinnen und Schüler von Hogwarts langten beim Abendessen zu. Merkwürdigerweise war die große Halle nicht in den Farben des Hauses dekoriert, das dieses Jahr die meisten Punkte und damit den Hauspokal gewonnen hatte. Die großen Punktegläser zeigten beinahe gleich hohe Punktestände. Im Moment hatten Ravenclaw und Gryffindor einen hauchdünnen Vorsprung vor Slytherin. Hufflepuff war mindestens hundert Punkte im Rückstand.

Als alle Schüler sich satt gegessen hatten bat Dumbledore um Aufmerksamkeit. Er stand groß und erhaben vor seinem vergoldeten Stuhl am Lehrertisch und ließ seinen Blick durch die Halle schweifen. Hier und da schien er jemanden besonders genau mustern zu wollen. Doch er sprach niemanden gezielt an.

"Liebe Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler von Hogwarts!

Wieder einmal haben wir alle ein langes, mühsames aber auch erkenntnisreiches Schuljahr vollendet. Für viele von euch war es das allererste Schuljahr in den Mauern von Hogwarts, für andere von euch ist dieser Abend der letzte, den ihr in diesem Schloß zubringen werdet, sofern ihr nicht eines Tages als neue Lehrerinnen oder Lehrer in unsere altehrwürdige Lehranstalt zurückkehren werdet.

Doch leider müssen wir uns in diesem Jahr auch an jene erinnern, die beim Angriff jenes vom Wege abgekommenen Zauberers, den ihr ungern mit Namen erwähnt hört, eben Lord Voldemort, ihr viel zu kurzes Leben verloren haben, ohne daß es einen Grund oder eine Rechtfertigung für ihren Tod geben kann. Deshalb bitte ich euch alle für eine Minute, an diese Mitschüler zu denken!"

Zwar versuchten die Slytherins, diese Schweigeminute zu unterbrechen. Doch Professor Bitterling und Dumbledore sahen immer wieder zum Tisch der Slytherins hinüber. So verstrich die Minute, in der Aurora Dawn sich die Bilder der bei der Beschwörung des Drachenturms von Hogsmeade getöteten Mitschüler ins Bewußtsein zurückrief. Als die Minute verstrichen war, nickte Dumbledore allen Lehrern und Schülern zu. Dann sprach er weiter.

"Wir alle wissen, daß es nicht nur menschenfreundliche Zauberer in der Welt gibt. Wir wissen von unseren Lieben, die in der Zaubererwelt leben, wieviele Ängste sie ausstehen müssen. Niemand muß sich seiner Angst schämen. Das Leben ist das wichtigste, was uns gegeben ist. Es ist das erste, was wir bekommen haben und das letzte, das wir abgeben müssen, wenn wir eines Tages von dieser Welt Abschied nehmen müssen. Doch so viel Angst jeder und jede hier um das eigene Leben hat, es ist wichtig, sich auch darauf zu besinnen, daß uns dieses Leben gegeben ist, um das bestmögliche daraus zu machen. Dabei werden wir alle jeden Tag neuen Entscheidungen ausgeliefert. Wie wir uns entscheiden bestimmt, wohin unser Weg führt. Ich spreche jetzt zu jenen, die heute Abend zum letzten Mal als Schüler von Hogwarts in dieser Halle sitzen: Wir, meine Kolleginnen und Kollegen und ich, wir haben euch durch sieben mühsame Jahre geführt, begleitet oder auch mal hart vorangetrieben. Jetzt, wo ihr es endlich erreicht habt, morgen stolz und zufrieden in euer eigenes Leben hinüberzuwechseln, möchte ich euch noch einige Worte mitgeben. Es sind die Worte eines alten Mannes, der schon einiges erlebt hat, das ihm gefallen hat oder eindeutig mißfiel.

Was ihr mit dem Wissen und Können anstellt, das wir euch hier anvertraut haben, liegt in eurer eigenen Verantwortung. Ihr könnt jetzt damit anstellen, was ihr für das richtige haltet. Doch denkt immer daran, daß die anderen, die ihr auf eurem Weg trefft, genauso frei sind, zu tun, was sie wollen. Legt ihr euch mit ihnen an, dauert es nicht allzu lange, und ihr steht alleine in der Welt, umgeben von Feinden oder Leuten, die es begrüßen würden, wenn es euch nicht mehr gibt. Deshalb bedenkt, daß nicht immer richtig ist, was bequem oder leicht zu schaffen ist, sondern auch ein mühseliger Umweg mehr Erfüllung bringen kann, wenn er euch zu einem Ziel bringt, wo ihr willkommen seid und von guten Freunden begleitet werdet. In der stärksten Dunkelheit ist das Licht einer Kerze immer stark genug, um einen eigenen Raum zu schaffen. Wer also Angst hat, sich mit übermächtigen Dunkelmagiern anzulegen, sollte sich besinnen, daß neben dem Helden, der meint, zur Rettung der Welt berufen zu sein, auch der friedfertige Charakter zählt, der sich nicht auf dunkle Sachen einläßt, aber auch nicht gezielt Ärger sucht. Aufrichtigkeit und Rückgrat sind die Säulen eines produktiven Charakters. Sich bücken kann jeder Grashalm, wenn der kleinste Wind über ihn hinwegstreicht. Also bückt euch nicht vor dunklen Kräften, sondern steht aufrecht zusammen! Das eigene Leben, ja möglicherweise das Leben aller, die ihr liebt, ist es wert, sich nicht von Angst und Ehrgeiz vergiften zu lassen. Niemand wird euch dafür danken, wenn ihr meint, ein bequemer Weg führe euch zu großen Taten.

Die grausamen Taten dieses dunklen Magiers Voldemort", alle in der Halle zuckten bei Nennung des gefürchteten Namens zusammen, "zeigen eindeutig, daß man einen Weg auch verfehlen kann, weil man zu schnell vorankommen will oder seine Ziele auf Angst und Hass aufbaut. Nutzt die anvertrauten Dinge, um einen hohen Rang in der Zaubererwelt zu erreichen! Aber nutzt sie so, daß es mehr Mitzauberer und -hexen gibt, die sich mit euch daran erfreuen können als solche, die euch dafür hassen oder verwünschen wollen! Terror ist für eine kurze Weile mächtig. Doch diese Macht ist die einer Sternschnuppe, die zwangsläufig verlöschen muß, je heller sie leuchtete, desto früher. Werdet also Sterne am Himmel unserer Welt und nicht Sternschnuppen! Macht ist nicht das Wissen, was man tun kann, sondern die Fähigkeit zu erkennen, was man tun darf und tun muß.

So, jetzt habe ich genug über richtige und falsche Wege philosophiert. Bleibt mir noch, euch allen, die ihr morgen früh zum letzten Mal mit dem Hogwarts-Express von hier fortfahrt, alles gute für euer Leben zu wünschen. Euch übrigen hoffe ich, im nächsten Schuljahr gesund und wohlbehalten wieder in dieser Halle erblicken und begrüßen zu dürfen."

Die Slytherins grinsten zwar gehässig, weil Dumbledore mal wieder gepredigt hatte, wie schädlich Machtsucht sei. Doch sie wagten nicht, irgendwas zu sagen. Als Dumbledore dann das Wort erneut ergriff, kehrte schlagartig wieder vollste Aufmerksamkeit ein.

"Kommen wir nun zu jenem Teil des Abends, der vielen von euch das wichtigste Ereignis des ganzen Schuljahres ist, die Vergabe des Hauspokals.

Dieses Jahr hat es sehr viele Bewegungen in unseren restaurierten Punktegläsern gegeben. Jetzt, wo das Jahr vorbei ist, ist es zeit, den Endstand zu bestimmen. Hufflepuff konnte dieses Jahr zweihundertvierzig Punkte erringen." Die Hufflepuffs klatschten verhalten. "Auf Slytherin entfiehlen dieses Schuljahr dreihundertsechzig Punkte." Die Slytherins grummelten und klatschten verhalten Beifall für ihr eigenes Haus. "Gryffindor konnte dreihundertfünfundsechzig Punkte erreichen", fuhr Dumbledore fort. "Ebenso wie Ravenclaw." An den genannten Tischen machte sich betroffenes Schweigen breit. Viele Ravenclaws argwöhnten, daß Dumbledore sich im Zweifelsfall für die Gryffindors entscheiden würde. Tatsächlich hob der Schulleiter hervor, daß Gryffindor durch das Quidditchturnier, sowie vorbildliches Betragen in der Schule und auch in der Freizeit allen Grund hatten, den Hauspokal zu gewinnen. Dann sagte er jedoch:

"Es ist ja nicht nur wichtig, gute Leistungen zu bringen und sich vorbildlich zu betragen, sondern auch Fortschritte zu zeigen, wenn sie zeigen, daß jemand erkannt hat, was ihm und seiner Umgebung besser ansteht. Daher darf ich, nachdem ich nun wie alle anderen Kollegen ein Jahr lang Zeit hatten, uns zu vergewissern, daß wir es nicht mit einem Heuchler oder Lobhudeler zu tun haben, zwanzig Punkte vergeben, die auf das Betreiben und Wirken von Mr. Bruster Wiffle aus Ravenclaw zurückzuführen sind. Damit ..." Der Jubel am Ravenclaw-Tisch übertönte Dumbledores nun eindeutig vorhersehbare Ankündigung. Ravenclaw hatte mit zwanzig Punkten Vorsprung vor Gryffindor den diesjährigen Hauspokal bekommen. Die Gesichter am Gryffindor-Tisch wurden lang und länger, während vom Hufflepuff-Tisch her ein lauter Beifallssturm durch die Halle klang. Aurora hatte es genau gesehen, daß Darius Cale zu klatschen angefangen hatte.

Blaue Tücher erschienen über dem Lehrertisch, auf denen der bronzefarbene Ravenclaw-Adler stolz im Licht der abertausend schwebenden Kerzen glänzte. Aurora fühlte, wie die Erkenntnis, daß sie den Hauspokal geholt hatten, wie ein berauschendes Getränk in ihrem Magen prickelte, sich ausbreitete und immer stärker von ihren Sinnen Besitz ergriff, bis sie selbst in einem Freudenrausch versunken Bruster gratulierte, dessen Cousin und Cousinen ihn umarmten und mit Wangenküssen bedachten.

Noch lange nach dem Abendessen wurde der Sieg von Ravenclaw gefeiert. Selbst Miriam Swann, die nicht immer gut mit Bruster ausgekommen war, gratulierte dem Halbmuggelstämmigen zu seinem Verdienst für Ravenclaw. Amalia erklärte jedoch, daß jeder Ravenclaw zu diesem Triumph beigetragen habe. Aber sie freue sich auch, von Hogwarts abzugehen, nachdem ihr Haus noch einmal den begehrten Pokal gewinnen konnte. Irgendwann erzählte sie noch, daß sie und Darius wohl in zwei Monaten heiraten würden. Roy meinte dazu nur für Aurora und Dina hörbar:

"Wahrscheinlich müssen sie schon heiraten. Könnte ja sein, daß das Badeabenteuer mehr angerichtet hat als wir annehmen."

"Jungs halt", erwiderte Dina Murphy leicht verstimmt. Aurora Dawn sagte nichts dazu. Ihr war es völlig egal, warum Amalia und Darius heiraten wollten oder mußten. Ihr war wichtig, daß Ravenclaw den Hauspokal gewonnen hatte, daß sie in diesem Jahr sehr gut Quidditch gespielt hatte und daß sie mit ihren vier Einsern in Kräuterkunde, Zaubertränken, Pflege magischer Geschöpfe und Verwandlung einen sehr guten Schnitt gemacht hatte und daß ihre Verwandten noch am Leben waren. Sie freute sich auch, daß Petula und Miriam es geschafft hatten, in die nächste Klasse zu kommen, ja auch nicht schlecht in den Endprüfungen abgeschnitten hatten und daß Roy und Bruster endlich erkannt hatten, daß sie hierher gehörten.

__________

Als am nächsten Morgen alle Hogwarts-Schüler auf dem Bahnsteig versammelt waren, von dem der Schulzug nach London abfahren sollte, konnte Aurora Dawn Tonya Rattler sehen, die von einer älteren Mitschülerin aus Slytherin angesprochen wurde und sichtlich erbleichte. Doch das hielt nicht lange vor. Denn als sie alle einstiegen tönte die klobig gebaute Slytherin-Drittklässlerin, daß sie im nächsten Jahr im Alleingang den Hauspokal für Slytherin sichern würde.

Zusammen mit Petula, Mortimer und Roy saß sie in einem Abteil des Hogwarts-Expresses und ließ das Jahr noch einmal an sich vorbeiziehen. Sie hatte viel aufregendes und manches grausame erlebt. Sie hatte Hogsmeade besuchen können und andere Zauberwesen kennengelernt. Sicher, das mit den Sabberhexen und Roy war unangenehm für Roy, aber doch auch ein Abenteuer, an das sie bestimmt zurückdenken würde. Die Beschwörung des Drachenturmes und die magisch vergrößerte Erscheinung Voldemorts hatte sich tief in ihrem Gedächtnis eingebrannt und mochte sie wohl noch häufiger in ihren Träumen heimsuchen. Doch andererseits hatten die magischen Vögel, die gegen die von Voldemort beschworenen Drachen gekämpft hatten ihr Hoffnung gegeben, daß ein solch dunkler Hexenmeister wie der Unnennbare nicht unbesiegbar war. Es mochte noch dauern, bis er seinen endgültigen Gegner fand. Vielleicht war es Dumbledore, vor dem jener Unnennbare große Angst hatte. Sie dachte an das Quidditchturnier und daran, daß sie es in der Hand gehabt hatten, den Quidditchpokal zu gewinnen. So mußte dies jedoch etwas bleiben, das für das nächste Schuljahr vorbehalten war. Merkwürdig stimmte sie, daß Bruster Wiffle sich merklich verändert hatte. Doch immer noch wollte sie ihn nicht darauf ansprechen, weil es nicht direkt ihr Ding war. Die Chinesischen Zauberer hatten ihr imponiert, wie sie ihre Körper beherrschten oder die Naturelemente beeinflussen konnten. Doch sie war froh, daß sie in Hogwarts lernte und nicht all zu heftigen Regeln unterworfen war, wie dem absoluten Gehorsam gegenüber einem einzigen Lehrmeister.

Als der Zug schließlich wieder in London einrollte versprach Aurora Dawn, ihrer Schulfreundin Petula mehr Eulen zu schicken als in den letzten Sommerferien. Als sie dann vom bezauberten Bahnsteig 9 3/4 in die Welt der Muggel zurückkehrte, wo ihre Eltern sie zum tropfenden Kessel führten, von wo aus sie mit Flohpulver in ihr Zuhause zurückreisten, freute sie sich trotz der düsteren Bedrohung durch Voldemort, dem Unnennbaren, daß sie endlich wieder Ferien hatte und sich von allem anstrengenden Schulkram erholen konnte.

ENDE

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