DIE BRAUT DES BARONS

Eine Fan-Fiction-Story aus der Vergangenheit der Harry-Potter-Serie

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P R O L O G

Das Hexenmädchen Aurora Dawn verbringt das zweite Schuljahr in Hogwarts, der britischen Zaubereischule. Sie ist Mitglied in der Quidditchmannschaft ihres Hauses Ravenclaw, was nach einem Sturz im Training sehr fraglich war. Mit ihren in Slytherin wohnenden Mitschülern versteht sie sich nach wie vor nicht. Auch ihre Klassenkameraden mit nichtmagischen Elternteilen werden von den auf reines Zaubererblut versessenen Mitschülern drangsaliert. Über allem schwebt das dunkle Wirken des Hexenmeisters Voldemort, dessen Namen nur sehr wenige freiwillig auszusprechen wagen.

Wie greifbar die Gefahr durch den düsteren Magier und seiner Handlanger ist, muß Aurora zu Weihnachten mit eigenen Sinnen miterleben, als sie bei einem Fest ihrer Familie Zeugin wird, wie ihr in der Geisterbehörde arbeitender Onkel Dustin mit einem einzigen Fluch getötet wird. Sie und ihre Eltern können noch entfliehen und bis zum Ferienende in einer sicheren Unterkunft bleiben. Danach läßt das Interesse Voldemorts an den Dawns nach, doch nicht die Bedrohung. Aurora ist nun neben Isis Waverly die einzige Zweitklässlerin, die die unheimlichen Zugtiere vor den Kutschen von Hogwarts sehen kann. Denn die Thestrale erscheinen nur denen, die den Tod mit eigenen Augen haben sehen können.

Trotz der bedrückenden Lage, die durch die Schüler aus Slytherin noch verstärkt wird, spielt Aurora gegen die Slytherins Quidditch. Sie gewinnen gegen die Slytherins durch Schnatzfang, verlieren jedoch haushoch gegen die Gryffindors. Dennoch hat Aurora Dawn sich als Stammspielerin sehr gut empfohlen.

Vor den Osterferien gerät sie mit der gemalten Ausgabe einer früheren Hexenmeisterin, Lady Medea in Streit, weil Aurora sie aus dem Bild des Ravenclaw-Türhüters Bruce hinausgezaubert hat, um Bruce herbeizurufen. Sie weigert sich, sich bei der gemalten Hexe zu entschuldigen, muß jedoch nachgeben, weil ihr sämtliche Bildbewohner in Hogwarts in den Ohren liegen und ihre Mitschüler terrorisieren, ja Lady Medea selbst den Ravenclaws den Zugang zu ihrem Gemeinschaftsraum verwehrt, bis Aurora Dawn sich bei ihr entschuldigt. Von da an weiß das Hexenmädchen, daß auch die Bewohner der Zauberbilder in Hogwarts gewisse Möglichkeiten haben.

Eine Woche vor den osterferien holt die dunkle Bedrohung durch Voldemort Amalia Hopfkirch ein, eine Vertrauensschülerin der Ravenclaws. Ihre Eltern werden von ihm oder seinen Handlangern ermordet, Amalia wird dadurch zur Vollwaise und muß zu ihrer Tante Mafalda. Wie wird sie mit dem Schock zurechtkommen?

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Die ersten Tage der Osterferien verflogen mit Flugtraining und Musik. Aurora Dawns Vater Hugo hatte seine Erforschung von mitteleuropäischen Waldvögeln unterbrochen, um für seine Tochter da zu sein. So traf Regina Dawn, Auroras Mutter, am Donnerstag ihre Familienangehörigen beim Besenflug über dem weitläufigen Anwesen an, daß Auroras Vater von einem Großonkel geschenkt bekommen hatte.

"Hugo, Aurora! Die schule hat einen Brief geschickt! Wurde ja auch Zeit!" Rief Regina Dawn, die auf einem behäbigen Transportbesen nicht mit dem hohen Tempo mithalten konnte, das Vater und Tochter hielten. Aurora bremste ihren Besen beinahe zu heftig ab. Sie fiel fast vorne über. Doch dann sauste sie zurück zu ihrer Mutter und flog ihr nach, als sie zum altehrwürdigen Landsitz der Dawns zurückkehrte.

"Ach, die Auswahl der Zusatzfächer", meinte Hugo Dawn. Warum haben die die liste nicht bei Ferienbeginn ausgehändigt? Das hätte die Eulen geschont."

"Das machen die doch immer so, Hugo. Sie wollen erst sicher sein, daß die Schüler Zeit genug haben, sich zu entscheiden", sagte Regina Dawn. Dann gab sie Aurora den dicken Umschlag.

Die bald dreizehnjährige Hexe zog mehrere Pergamentseiten heraus und las sie durch. Tatsächlich wurden in Hogwarts für Schüler ab der dritten Klasse fünf neue Fächer angeboten, von denen sich die Schüler welche aussuchen sollten. Mindestens ein neues Fach sollte jeder ab der dritten Klasse dazunehmen. Aurora fragte ihre Mutter noch einmal zum Fach Arithmantik, der Lehre von der Bedeutung von Zahlensystemen in der Magie und Vorhersage. Regina Dawn lehrte dieses Schulfach in Hogwarts. Doch sie würde dies nur noch bis zum Ende des laufenden Schuljahres tun.

"Also Arithmantik verlangt sehr viel geistige Beweglichkeit und Logik. Die Grundregel hierbei lautet, daß jede Situation neue Regln benötigt, um klar erfaßt zu werden. Da ich ja nach diesem Schuljahr nicht mehr unterrichte, wärest du nicht einmal befangen, wenn du das Schulfach nähmst. Allerdings ist es ein reines Theoriefach, das leicht langweilen kann, wenn jemand keine Lust auf logisches Denken hat."

"Stimmt schon, Regina", erwiderte Hugo. "Ich habe es damals ja nur genommen, weil mir Wahrsagen zu abgedreht erschien", sagte Hugo Dawn. Aurora fragte ihre Eltern, was sie damals ausgesucht hatten.

"Ja, ich war damals nicht so ruhig und besonnen wie heute, Kind. Mir waren die Jungs in Hogwarts wichtiger als neue Schulfächer. Allerdings habe ich damals Freundschaft mit der Arithmantik geschlossen, wohl weil jemand ganz interessantes das auch genommen hat", sagte Auroras Mutter hintergründig lächelnd. Ihr Mann grinste.

"Pech nur für dich, daß dein damaliger Schwarm Ira Clover deinen Aufwand nicht gewürdigt hat und stattdessen wen anderem schöne Augen gemacht hat."

"Nun, vorbei ist vorbei", schloß Auroras Mutter dieses Thema sofort wieder ab. Sie fügte noch hinzu, daß sie damals die Pflege magischer Geschöpfe gewählt hatte. Hugo Dawn hatte damals auch Pflege magischer Geschöpfe und Studium der Muggelwelt belegt.

"Wahrsagen war damals ein Mädchenfach. Mit der Zahlendreherei bei Arithmantik hatte ich immer schon so meine Probleme, und alte Runen ist eher was für Leute, die mit der Zaubereigeschichte mehr am Hut haben als ich damals. Da Binns ja schon mein Lehrer für Zaubereigeschichte war, kannst du dir ja denken, ...", sagte er noch, fing sich einen zur Vorsicht gemahnenden Blick seiner Frau ein und sagte: "Ich weiß, Regina, Professor Binns ist dein Kollege, auch wenn er ein Schlafdunstnebelstreifen ohne echte Seele ist. Das Fach wäre wesentlich besser dran, wenn es von lebendigen Wesen unterrichtet würde. Vielleicht weißt du heute schon, was du nach Hogwarts machen willst, Aurora. Dann solltest du dir die entsprechenden Fächer suchen. Wenn nicht, such dir die aus, die du am interessantesten findest!"

"Ist das mit dem Studium der Muggelwelt denn interessant?" Wollte Aurora wissen.

"Es ist auch eher ein Theoriefach, Aurora. Allerdings kann man da einiges über die Muggelwelt lernen, wie die so leben und die Geräte von denen. Damals hat Professor Goldbridge gerade als Lehrer dafür angefangen. Der ist hin und weg von den Geräten der Muggel. Ich habe das Fach bis zur siebten durchgezogen, nur um zu sehen, wie die Muggel fliegen können. Goldbridge hat uns ein Propellerding gezeigt, Flugzeug genannt. Damit können die Muggel ja fliegen. Dann hatten wir es noch von dieser Superrechenmaschine, die zu der Zeit gerade in größeren Forschungsstätten und Handelsfirmen untergekommen ist, die so groß wie ein Kleiderschrank war, mit der Zeit aber immer kleiner wurde. Goldbridge hat behauptet, in zwanzig jahren von meiner Schulzeit an gerechnet könnte jeder Muggel so'n Ding als kleines Teil auf seinem Schreibtisch stehen haben und doch mehr damit anstellen als die Muggel zu meiner Schulzeit."

"Ja, June denkt das ja auch, Hugo", wußte Regina Dawn. Aurora fragte:

"Was meint Tante June?"

"Das diese Rechenmaschinen, die die Muggel Computer nennen, irgendwann so klein gebaut werden können, daß gewöhnliche Muggel sich solche Dinger ins Wohnzimmer stellen können. Sie sagte auch was von Zukuntsvisionen, die spekulieren, daß solche Geräte mal miteinander verbunden werden und dann jeder auf alle irgendwo abgelegten Informationen der ganzen Welt zugreifen könne. Im Moment sei dies aber nur bei Armeen und Forschungsinstituten möglich."

"Oh, das klingt ja spannend, Mum. Dann könnte man über diese Geräte doch auch miteinander sprechen oder sich Briefe schreiben. Der eine legt einen Brief irgendwie in so eine Rechenmaschine, verrät wem anderem, wie man da wieder drankommt und kann ihn so weiterschicken. Wie können die sowas ohne Zauberkraft machen?"

"Sie nennen es elektrischen Strom, Aurora. Das ist die Kraft, die bei Blitzschlägen wirkt und die von den Muggeln in großen Maschinen künstlich aufgebaut werden und durch dünne Drähte weit weit ins Land ausgebreitet werden kann", erklärte Hugo Dawn. "Damit können die Muggel feuerlose Lampen anzünden, Quirle mit dem hundertfachen der Handdrehgeschwindigkeit Teig rühren lassen oder eben auch Telefonisieren, also über zwei miteinander verbundene Geräte richtig miteinander sprechen, egal, wie weit sie voneinander weg sind. Dann haben die ja noch Brennstoffmotoren, Maschinen, in denen durch explodierendes Zeug, daß aus Petroleum herausgelöst wird, die stärker als fünfzig Pferde Lasten bewegen oder Muggel transportieren können oder eben diese Flugzeuge antreiben."

"O, das klingt aber sehr spannend. Das nehme ich dann doch", entschloß sich Aurora und kreuzte "Studium der Muggelwelt" sofort an. Sie überlegte noch, ob sie Wahrsagen oder Arithmantik nehmen wollte. Dann jedoch nahm sie die alten Runen, weil sie las, daß die auch zur Festlegung bleibender Zaubereien benutzt werden konnten und kreuzte auch "Pflege magischer Geschöpfe" auf der Liste an, weil sie die Zaubertiere schon immer interessierten. Sie unterschrieb die Liste noch und schickte ihre Eule Duchess, die sie Ducky rief, damit zurück nach Hogwarts.

Nachdem das erledigt war nahmen Vater und Tochter ihr Flugtraining wieder auf. Sie schenkten sich nichts. Aurora, die durch das Training mit der Hausmannschaft selbstsicherer geworden war, trickste ihren nicht ungewandten Vater mehrmals bei einer gespielten Verfolgung aus.

"Huch, im nächsten Jahr hast du mich hoffnungslos überflügelt", mußte Hugo Dawn anerkennen. Er lächelte dabei jedoch sehr vergnügt. Als er mit seiner Tochter ins Haus zurückkehrte, fühlte er sich sichtlich erschöpft vom konzentrierten Flugtraining.

Am Ostersonntag besuchten die Dawns die Priestleys. Auroras Cousin Philipp fragte sie über Hogwarts aus. Er war sichtlich aufgeregt. Denn im kommenden Schuljahr würde er dort eingeschult. Zumindest waren seine Eltern und seine übrigen Verwandten sich sicher, daß er dort angenommen werden mußte.

"Wie sind die Leute da denn so drauf?" Fragte Philipp seine Cousine einmal.

"Hmm, die meisten sind kein Problem, Philipp. Die einzigen, die Ärger machen sind die aus Slytherin, weil die meinen, die großen Herren da zu sein. Ich denke, du kommst nicht nach Slytherin. Dann kriegst du mit denen aus deinem Haus keine Probleme", sagte Aurora Dawn zuversichtlich.

"Ach, wird das wirklich schlimmer mit denen?" Fragte Auroras Tante June besorgt. Die Hogwarts-Schülerin nickte.

"Das ist doch klar, jetzt, wo selbst wir von ihm heimgesucht wurden ist doch jeder, der nicht zu ihm hält auf seiner schwarzen Liste", warf Regina Dawn ein. "Ich kriege es ja selbst mit, wie Schüler aus Slytherin die übrigen dort tyrannisieren. Einer aus der sechsten Klasse hatte es sogar gewagt, mich im Unterricht mal zu fragen, ob ich noch ruhig schlafen könne, wo Hugo jeden Tag ermordet werden könnte. Was sollte ich machen? Ich habe gelächelt und dem Slytherin fünfzig Punkte abgezogen und gesagt, daß mein Privatleben keinen was anginge und derartige Äußerungen respektlos seien. Mehr ging ja nicht."

"Und, haben die sich danach benommen?" Wollte Anthony Priestley, Auroras Onkel wissen.

"Sagen wir's so: Hinter meinem Rücken wird wohl noch heftig darüber getuschelt, ob ich bald Witwe werde. Aber fünfzig Punkte deswegen zu verspielen wagt kein Slytherin, spätestens nach dem Rauswurf von diesem Gallows letztes Jahr."

"Der muß ja wohl wirklich gehirnamputiert sein, sich mit einer Lehrerin so frech anzulegen", bemerkte June Priestley dazu. Dann fragte sie Aurora, welche neuen Fächer sie nehmen würde.

"Ich werde Muggelkunde, alte Runen und Pflege magischer Geschöpfe nehmen, Tante June. Mit der Wahrsagerei habe ich's nicht, und Arithmantik ist mir dann doch zu kompliziert."

"Och, Regina! Hast du deinem Kind Angst vor deinem Fach gemacht?" Flachste June Priestley.

"Ich habe ihr nur ehrlich gesagt, daß es nichts für Leute ist, die nicht mit komplexen Denkansätzen umgehen wollen, June. Wollen, nicht können. Wenn Aurora das Fach nicht nehmen will, habe ich keine Probleme damit. Warum sollen die Töchter auch alles nachmachen, was die Mütter ihnen vorleben?"

"Hört hört!" Warf Anthony Priestley ein.

"So sind wir aufgewachsen, Thony", sagte dessen Frau sehr entschieden. "Immerhin hast du davon doch profitiert."

"Ich ziehe jeden Kommentar dazu zurück", gab Auroras Onkel klein bei.

Nach dem Ostersonntagsmittagessen spielte Aurora mit ihren Cousins und Cousinen im Garten. Der Tag war für diese Jahreszeit bilderbuchhaft schön. Abends kehrten die Dawns dann in ihr Landhaus zurück. Aurora hatte Post von Petula, Miriam und Cynthia. Alle fragten sie, welche neuen Fächer sie nehmen wollte. Sie schrieb jeder zurück, was sie im dritten Jahr dazunehmen würde und schickte die drei Briefe mit ihrer Eule und der ihrer Mutter davon.

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Als nach den Ferien alle Schüler von Hogwarts in der großen Halle saßen herrschte eine gedrückte Stimmung vor. Alle sahen auf Amalia Hopfkirch, die verdrossen auf ihren Teller starrte und mit jeder Faser ihres Körpers anzeigte, daß sie von niemandem angesprochen werden wollte. Professor Dumbledore schien die unangenehme Stimmung sichtlich auf den Schultern zu lasten. Er saß fast eine Stunde schweigend am Lehrertisch. Dann erst straffte er sich zu seiner erhabenen Größe und blickte in die Gesichter der Schüler. Das leise Raunen an den vier Haustischen erstarb.

"Liebe Schülerinnen und Schüler. Es ist bedauerlich, daß ihr in den Ferien offenbar nicht viel schönes mitbekommen konntet, um es mit hierher zu bringen. Nun, es ist nach wie vor schlimm, was in unserer Welt passiert. Doch gerade dann müssen wir alles schöne, was sie enthält so groß wie möglich hervorheben, uns freuen, wenn wir gutes erfahren, lustiges erleben oder interessante Sachen lernen. Ich hoffe sehr zuversichtlich, daß wir alle hier in Hogwarts diese schönen und interessanten Erlebnisse haben werden, um uns nicht unterkriegen zu lassen. Allerdings heißt das auch, daß der Unterricht wie bisher weitergehen wird. Also, holt noch einmal richtig Luft für die kommenden Tage! Für viele von euch wird es dieses Jahr sehr anstrengend."

"Mehr hat der jetzt nicht gesagt?" Fragte Petula Woodlane, als Dumbledore sich wieder auf seinen vergoldeten Stuhl niederließ.

"Was soll der sonst sagen?" Fragte Roy Fielding. "Der kann diesen Lord Unnennbar doch auch nicht dazu bringen, die anderen in Ruhe zu lassen, oder?"

"Wenn überhaupt dann wohl er", erwiderte Aurora Dawn.

Als die Ravenclaws versammelt zu ihrem Gemeinschaftsraum gingen, fiel Aurora Dawn auf, daß Amalia sich bis ganz nach hinten zurückfallen ließ. Wollte sie ihrer Aufgabe als Vertrauensschülerin nicht nachkommen und alle hier anführen? Doch Nathan Mentry übernahm das ja für sie, sowie Petulas Schwester Priscilla, die in diesem Jahr ihr Vertrauensschülerabzeichen bekommen hatte.

Als sie alle vor Bruces Bild standen, grummelten sie verärgert, weil der Kuhhirte wieder einmal nicht da war. Statt dessen wartete die rotgekleidete Hexenlady Medea auf einem bequemen Stuhl auf der Wiese.

"Ihr erwartet diesen Bauernburschen?" Begrüßte sie die vor dem Bild zusammenkommende Schar der Ravenclaws. "Ich harre seiner ebenfalls mit großer Ungeduld. Vielleicht solltet ihr bei eurem Haussprecher die Zuweisung eines neuen Türhüters erheischen."

"Ach, den holen wir locker wieder her", sagte einer der sechstklässler und zog seinen Zauberstab. Lady Medea sah sehr bedrohlich auf die wartenden Schüler herunter.

"Hütet euch, Jüngling und bedenket die Folgen, die solches Tun beschwören!"

"Es steht Ihnen Frei, solange aus dem Gemälde zu verschwinden, bis Bruce wieder da ist", wandte Nathan Mentry ein. "Aber wir wollen nicht die halbe Nacht warten, bis der hier von alleine auftaucht."

"Wer gewährt mir Gewißheit, daß der Bauernlümmel sich nicht sofort wieder davonstiehlt, wenn einer von euch ihn in sein Heimatbild gezwungen hat? Nein, ich harre hier aus. Und wage es einer von euch, mich bei dem Versuch, ihn herbeizurufen aus diesem Gemälde zu verschlagen, so wird ihm oder ihr selbes Ungemach widerfahren wie der Jungfer Aurora."

Das wirkte. Jeder hier wußte es noch, daß Lady Medea sich heftig dafür gerächt hatte, daß Aurora Dawn sie mehr als einmal aus Bruces Bild gescheucht hatte, um den eigentlichen Bewohner zurückzuzaubern.

"Okay, Leute. Wir warten hier auf Bruce", sagte Nathan Mentry. Wer will, kann Kissen oder Stühle kriegen."

"Ach ja! Woher denn?" Fragte Roy Fielding. Nathan zog seinen Zauberstab, schwang ihn durch die Luft und zeichnete damit einen Stuhl, der erst nebelhaft dann fest aus dem Nichts auftauchte und sich um sich selbst drehend niedersank. Das Kunsstück wiederholten die Siebtklässler der Ravenclaws nun so oft, bis alle saßen, die sitzen wollten. Kaum hatte sich Petula Woodlane neben Miriam hingesetzt huschten zwei ältere Hexen in Bruces Bild. Sie tuschelten mit Lady Medea. Aurora konnte deutlich verstehen:

"Mylady, sie ist aus ihrem Gefängnis entwichen und sucht ihn jetzt."

"Wahrlich?" Fragte Lady Medea. "Ist dies wahrhaftig so. Oh, dann wird er langsam den Preis seiner Taten bezahlen müssen. Ich will Gewißheit." Die rotgekleidete Hexenlady stand auf, ließ mit lautem Knall den Stuhl verschwinden und eilte mit wehendem Kleid und Haar nach links unten aus Bruces Gemälde. Die beiden alten Hexen folgten ihr unverzüglich.

"Häh, was war denn das jetzt?" Fragte Roy Fielding.

"Weiß ich nicht", erwiderte Nathan Mentry. "Was es aber auch war, jetzt kann ich Bruce zurückrufen." Mit dem Reinitimaginus-Zauber holte er Bruce in sein angestammtes Bild zurück, der sehr verwirrt und zerzaust wirkte, als er nach dem wirbelnden Kreis aus Linien und dem tiefgrauen Dunst auftauchte. .

"Wen könnte diese Lady Medora gemeint haben?" Fragte Roy im Gemeinschaftsraum.

"Merk's dir doch mal, daß die Medea gerufen wird, Roy!" Knurrte Miriam Swann, als sie mit den übrigen Zweitklässlern zusammensaß. "Sie meinte eine Sie, die aus irgendeinem Gefängnis rausgekommen ist oder so. Irgendwer soll nun einen Preis für Sachen zahlen, die er mal gemacht hat."

"Klingt ja nicht gerade schön, was diese Lady Me-de-a da gesagt hat", bemerkte Roy nur dazu. "Aber was hat das mit uns zu tun. Aus Askaban ist doch hoffentlich keiner raus, oder?"

"Neh, das hätten wir ja schon in der Zeitung gelesen", meinte Mortimer. Doch dann stutzte er. "O Mist, ich hörte mal, daß Leute in Zauberbildern mit anderen gemalten Leuten Verbindung halten. Könnte also sein, daß jemand in Askaban was mitbekommen und das weitergesagt hat, bevor die Zeitung das mitgekriegt hat."

"Mal mal den Teufel nicht an die Wand, Mortimer", warf Bruster Wiffle ein. "Das wäre nicht so gut, wenn jemand aus Askaban geflüchtet ist, womöglich noch eine Hexe die für Ihr-wißt-schon-wen arbeitet."

"Leute, bevor Dumbledore es uns nicht erzählt was da los ist, könnte es auch sein, daß das nur in den Zauberbildern abläuft", wandte Nathan ein, der einen Teil der Unterhaltung mitbekommen hatte. "Panikmache bringt hier überhaupt nichts. Die gemalten Leute hier laufen schon seit Jahrhunderten rum und unterhalten sich über allen möglichen Kram, der für uns heute nicht mehr wichtig ist. Also nehmt das nicht zu wichtig, nur weil Medea das so aufgeregt hat."

"Lady Medea, Nathan", verbesserte Roy Fielding den Vertrauensschüler. Dieser rümpfte nur die Nase und sagte was von fünf Punkten Abzug für Ravenclaw und schob ab.

"Soll er doch", sagte Roy Fielding nur dazu und winkte seinen beiden Schlafsaalmitbewohnern. Aurora wünschte den Jungen eine gute Nacht und zog sich mit Petula, Miriam und Dina ebenfalls in den zugewisenen Schlafsaal zurück.

"Wißt ihr vielleicht, was da los ist?" Fragte Dina Murphy. Aurora und Petula schüttelten die Köpfe. Miriam meinte nur:

"Wenn es wirklich wichtig ist, kriegen wir das morgen früh zum Frühstück. Ich für meinen Teil bin heftig müde. Also quatscht nicht lange von dieser Lady Medea!"

"Heh, seit wann kommandierst du hier?" Wollte Petula Woodlane wissen.

"Sie hat recht", meinte Aurora und gähnte demonstrativ. "Laßt uns doch schlafen!"

"Geht klar", sagte Dina und zog ihren Bettvorhang zu.

Am Nächsten Morgen kam nichts nach, was Lady Medeas überstürzten Abgang betraf. Weder im Tagespropheten, noch von Dumbledore oder den anderen Lehrern her wurde irgendwas erwähnt, was mit der Sache vom Vortag zu tun hatte. Im Tagespropheten stand nur ein weiterer Bericht über einen Mordanschlag des Unnennbaren. Diesmal hatte er Collin Winchester, einen dreißigjährigen Auroren, in tiefster Nacht überfallen und ihn mitsamt seiner Familie ermordet. Amalia Hopfkirch, die durch Voldemort ihre Eltern verloren hatte, sah haßerfüllt auf die Schlagzeilen des Tagespropheten. Vom Slytherin-Tisch her kamen hämische Bemerkungen, daß die Auroren wohl schwächlinge seien, wenn sie ihn nicht besiegen könnten. Amalia sprang von ihrem Stuhl auf und wirbelte herum. Doch sofort huschte der winzige Professor Flitwick an den Tisch und sprach rasch aber eindringlich auf Amalia ein, die schon ihren Zauberstab gezogen hatte.

"Sie können nichts an Ihrer Lage ändern, Ms. Hopfkirch. Den Spott von den anderen Tischen können Sie damit nicht niederschlagen, wenn Sie hier jeden verwünschen, der etwas ungebührliches gesagt hat", hörte Aurora den kleinwüchsigen Zauberkunstlehrer sagen. Amalia beruhigte sich langsam wieder und setzte sich.

Nach dem Frühstück ging es in den Unterricht. An diesem Tag hatten sie Verteidigung gegen die dunklen Künste. Doch auch hier erfuhren sie nichts anderes als was im Unterricht gerade dran war. Roy und Bruster schafften es zumindest, die Stunde ohne magischen Schaden zu überstehen, wofür sie für Ravenclaw zusammen zehn Punkte zugesprochen bekamen. Aurora Dawn meinte jedoch, eine gewisse Anspannung im Gesicht Professor Bitterlings zu sehen. Irgendwas war nicht so wie sonst. Denn üblicherweise war die orientalisch wirkende Hexe mit dem nachtschwarzen Haar und der tiefbraunen Hautfarbe sehr selbstsicher, ja überlegen, wenn sie unterrichtete. Ging da was vor, von dem niemand was wissen durfte?

Am Nachmittag trafen sich Aurora, Petula und Miriam in der Bibliothek mit Cynthia und Melinda aus Hufflepuff, um die nächste Zaubertrankstunde vorzubereiten. Dina saß an einem anderen Lesetisch mit Roy zusammen und flüsterte mit ihm.

"Glaubst du, Dina hat sich in euren Raufbold verguckt?" Fragte Melinda ganz leise. Petula verzog ihr Gesicht, während Miriam unbeholfen grinste und Aurora meinte, daß dies schon sein könne. Immerhin sei Dina häufig mit ihm allein zusammen und würde sich auch immer heftig aufregen, wenn Roy was angestellt hatte oder im Zaubertrankunterricht nicht so mitkam oder mal wieder seinem Muggelkram nachhing.

"Und auch wenn's so ist, soll dir das doch schnurzpiepegal sein", knurrte Miriam. "Oder hast du was für den übrig. Dann nimm ihn besser gleich mit nach Hufflepuff. Dann kriegen wir zumindest keine Punkte mehr abgezogen, und Mortimer kann ruhig schlafen."

"Ui, Miriam", flötete Cynthia. "Hast du Mr. Swifts Stammhalter ausgesucht?"

"Blöde Gans", erwiderte Miriam verächtlich. Aurora hörte sich ruhig an, wie die beiden Mädchen sich zankten, bis sie meinte:

"Leute, wenn ihr keine Lust auf Hausaufgaben habt, dann laßt mich bitte alleine lernen!"

"Du hast doch mit dem Schwachsinn angefangen, weil du der kleinen Dicken aufgetischt hast, Roy und Dina wären zusammen", fauchte Miriam wie eine wütende Katze. Aurora schüttelte abwehrend den Kopf und erwiderte nur:

"Ich werde doch mal eine Frage beantworten dürfen, Miriam."

"Die kleine Dicke und die blöde Gans nimmst du doch bestimmt zurück, oder, Ms. Swann?" Erwiderte Melinda, die nun nicht mehr so albern grinste wie vorhin noch, sondern sichtlich verärgert dreinschaute.

"Warum soll ich was zurücknehmen was stimmt? Das du weder groß noch gertenschlank bist sieht jeder, und so wie du redest kommt keiner auf die Idee, du seist sonderlich gescheit", feuerte Miriam zornig zurück. Melinda stand langsam auf und ließ ihre rechte Hand in den Umhang gleiten. Cynthia sprang auf und hiel den Arm ihrer Freundin sachte aber unmißverständlich fest.

"Mel, es bringt nix, wenn du hier jetzt noch rumzaubern willst. Ms. Swann ist ja nur neidisch, weil sie noch keinen abgeräumt hat."

"Eh, was mischst du dich da jetzt noch ein, Cynthia?" Knurrte Miriam, während Petula und Aurora ruhig da saßen und hofften, das Gezänk würde an ihnen vorbeigehen. "Du willst doch nicht etwa behaupten, du Streberin hättest schon wen in Aussicht."

"Du hast es voll nötig, mich 'ne Streberin zu nennen, Miriam", lachte Cynthia. "Aber wenn du's wissen willst, ja, ich habe schon mal gesehen, was so unterwegs ist und auch schon ungefähr 'ne Idee, mit wem es mir gut gefallen würde. Keine Sorge, mit dir hat das nichts zu tun. Ich stehe nicht auf Mädels zum Kuscheln."

"Bla-bla", entgegnete Miriam, bevor ihr auffiel, wie blöd sie selbst sich jetzt gerade anstellte. Sie meinte nur zu Melinda: "Die blöde Gans nehme ich zurück. So blöd sind Gänse nicht. Das andere ist halt die Wahrheit. Da mußt du mit leben."

"Dann sieh zu, wie du deine Zaubertranksachen hinkriegst, rotblondes Krawallgeschöpf. Schönen Tag noch dem Rest von euch!" Sie wandte sich ab und ging alleine davon. Cynthia wartete eine halbe Minute und folgte ihr dann.

"Also manchmal mußt du echt mal aufpassen, wie leicht du ausrastest, Miriam. Das war es doch jetzt echt nicht wert, oder?" Tadelte Petula die Klassenkameradin. Diese rümpfte nur die Nase und meinte:

"Was bildet die sich ein, wer die ist. Was interessiert mich das, wer mit wem und ob überhaupt? Die hat wohl Angst, nach Hogwarts als alte Jungfer zu vertrocknen. Dann soll die mich aber aus ihrem Zeug heraushalten!" Fauchte Miriam. Aurora entgegnete nichts dazu. Sie wollte sich weder mit Miriam noch mit Cynthia oder Melinda verkrachen. Sie wollte nur ihre Ruhe haben und auch etwas Spaß. Offenbar war Miriam zu empfindlich, um den allgemeinen Schulklatsch nicht besonders ernst nehmen zu können. Sie konzentrierte sich wieder auf ihre Hausaufgaben und vergaß das Gezänk von Miriam und Melinda. Einmal horchte sie auf, als sie hinter einem der haushohen Bücherregale die Stimme von Tonya Rattler hörte, die ungebürlich laut sagte:

"Wie kann man nur freiwillig Muggelkunde nehmen? Was will die denn dabei lernen? Muggel sind unfähig und strohdumm. Das kannste in einem Satz unterbringen und hast damit alles was wichtig ist. Was soll man denn da noch lernen?"

"Och, lass die doch, Schwester. Wenn die meint, Muggel dann besser verstehen zu können lass die doch das Zeug lernen. Du hast dir ja das richtige Fach ausgesucht."

"Ist ja auch besser, weil dieses magische Viehzeug wichtiger ist", klang Tonyas Stimme noch nach. Dann wurde sie zu leise, um noch was verstehen zu können. Aurora Dawn überlegte, ob sie damit gemeint war. Doch sie kam zu dem Schluß, daß sie für Tonya so wichtig war wie diese für sie selbst. Sie hatte es nicht nötig, immer an Tonya Rattler zu denken. Warum sollte die dann andauernd an sie denken. Der Unterricht und das, was gestern passiert war, interessierte sie doch mehr.

Abends im Gemeinschaftsraum lauschte sie einer Diskussion von Fünftklässlern zum Thema Kräuterkunde und freute sich, wieviel sie davon verstehen konnte. Sicher war dieses Fach für sie interessant und auch abwechslungsreich. Doch wenn sie sich überlegte, ob sie nach den ZAGs dieses Fach behalten sollte, wußte sie keine Antwort.

"Ich habe diese Medea noch einmal gesehen, Aurora", sagte Mortimer Swift ganz aufgeregt, als er von einem Ausflug in die Bibliothek zurückkehrte. "Irgendwie ist die jetzt total angespannt, als sei was heftiges los."

"Wird wohl mit den Bildern hier zu tun haben, Mortimer. Nach der Sache mit Bruces Bild habe ich erst einmal keine Lust mehr, was über diese blöde Hexe zu wissen. Soll die doch machen was sie will, wenn's mich nicht betrifft", erwiderte Aurora verstimmt. Mortimer blickte sie verstört an wie ein begossener Pudel und meinte nur:

"Wollte das ja nur sagen, daß ich die gesehen habe. Die war mit diesen alten Hexen zusammen und diesen Mädels mit Kopftüchern. Irgendwie schien sie was wichtiges zu bequatschen. Aber du hast wohl recht. Die hat ihren Krempel, und wir haben genug um die Ohren."

"Genau", sagte Aurora nur bestimmt. Petula Woodlane war da anderer Ansicht.

"Aurora, was immer die mit dir gemacht hat, wenn die sich über was aufregt, sollte uns das interessieren. Diese gemalte Hexe geistert seit über vierhundert Jahren durch die Gemäldegalerie von Hogwarts und hat sogar andere Portraits in verschiedenen Zaubererinstitutionen. Wahrscheinlich passiert demnächst was, was hier in Hogwarts abläuft. Das ist also durchaus wichtig."

"Vielleicht läuft das aber auch nur in den Bildern ab, Petula", widersprach Aurora Dawn. "Dann betrifft uns das überhaupt nicht. Ich denke nicht, daß so was wichtiges nicht von Dumbledore angekündigt würde."

"Stimmt auch wieder", erkannte Petula. Doch dann erhellte sich ihre Miene und sie meinte: "Oder er weiß davon noch nichts."

"Meine Mum sagte, das Ding, das passiert, ohne das Dumbledore das mitkriegt, muß erst noch geplant werden", sagte Mortimer. Doch dann erkannte er, daß das ja auch mit dem zusammenpaßte, was Petula eingewandt hatte. "Hmm, könnte das nicht auch sein, daß jemand meint, gemalte Leute würden nichts mitkriegen und hat wirklich so'n Ding am laufen, ohne lebende Hexen und Zauberer das mitkriegen zu lassen?"

"Das ist möglich", pflichtete Aurora Dawn dem Klassenkameraden bei und verfiel ins Nachdenken. Konnte das sein, daß sie zu voreilig darüber geredet hatte, was diese Lady Medea anstellte? Doch wenn sie nicht mehr wußte, konnte sie auch nichts tun.

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Tage verflogen wie Minuten. Aurora und ihre Freundinnen hatten längst andere Dinge gefunden, über die sie reden und nachdenken konnten, wie das Verhalten von Tonya Rattler und ihren Kameraden aus Slytherin, daß James Potter und Lily sich offenbar immer besser verstanden, ebenso wie Amalia Hopfkirchs unverhohlene Abneigung gegen Leute aus Slytherin, deren Eltern verdächtigt wurden, für den dunklen Lord zu arbeiten. Einmal bekam Aurora Dawn mit, wie Amalia mit Genugtuung Slytherin zwanzig Punkte abzog, weil zwei Viertklässler zu laut im Flur gealbert hatten. Als sie daraufhin von Flitwick gefragt wurde, ob das wirklich hatte sein müssen, da sich Professor Bitterling beschwert hatte, erklärte sie, daß sie deutlich gehört hatte, wie sich die Missetäter über die ermordeten Familien amüsierten, deren Schicksal im Tagespropheten erwähnt wurde. Weil der Punktabzug bestehen blieb, mußte sie wohl was entsprechend richtig mitbekommen haben. Professor Bitterling fand jedoch in anderen Schulhäusern genug Leute, wegen derer sie Hufflepuff, Gryffindor und Ravenclaw ebensoviele Punkte abziehen konnte, wodurch dieser Abstand zu Slytherin wieder ausgeglichen wurde. Das Lady Medea irgendwas umtrieb, was angeblich so wichtig werden könnte, vergaß Aurora erst recht, als das letzte Quidditchspiel der Schulsaison anstand: Gryffindor gegen Hufflepuff.

"Na, den Pokal haben die eh schon. Was sollen wir uns jetzt noch drüber aufregen", meinte Roy Fielding am Abend vor dem Spiel, weil Dina meinte, er solle doch den Muggelsportkurier bei Seite legen und sich über wichtigeres unterhalten. Aurora saß mit Petula und Miriam am selben Tisch wie Dina, Roy und Bruster. Miriam meinte zu Dina Murphy:

"Es ist doch wahr, daß Gryffindor jetzt nicht mehr verlieren kann. Selbst wenn die kein Tor schießen und den Schnatz nicht kriegen haben die mehr als fünfhundert Punkte vorsprung vor Hufflepuff. Aber im Grunde hast du recht, Dina. Fußball ist und bleibt ein todlangweiliges Zeug."

"Du hast ja immer noch keinen Dunst davon, was Fußball ist", grummelte Bruster. Offenbar gefiel ihm was nicht, was im Muggelsportkurier stand, während Roy selbstsicher grinste.

"Sicher habe ich Ahnung. Die spielen zu zwei Mannschaften aus je zehn Mann mit nur einem Ball auf dem Boden. Auf jeder Seite steht ein aufgespanntes Netz als Tor, wo der Ball reingetreten werden muß. Mehr ist das doch nicht", widersprach Miriam. Bruster und Roy lachten schallend. Amalia kam herüber und forderte sie auf, leiser zu sein. Doch Roy rief laut:

"Da kannst du's sehen, Bruster, daß die keine Ahnung hat. Nur reintreten. Wenn ich euren Besenflugsport so platt zusammenfassen würde, würde mir Aurora oder sonst wer hier unterjubeln, ich hätte überhaupt nix kapiert. Abgesehen davon, daß im Fußball elf Leute pro Mannschaft auflaufen. Je ein Torhüter und zehn Feldspieler. Aber wieso soll ich dir anständigen Sport erklären? Morgen hat Liverpool alles in der Hand, sich den Meistertitel zu krallen. Dann hält dieser manchesteranische Dummschwätzer endlich die Klappe."

"Noch ist das Ding nicht durch, Roy. Die Roten können das immer noch versauen", konterte Bruster. Miriam lief zornesrot an. Amalia blickte warnend in die Runde und zischte:

"Wenn ihr nicht sofort leiser redet muß ich uns allen fünfzig Punkte abziehen."

"Also, ihr", zischte Miriam mit zusammengezogenen Augenbrauen, "Ihr seid hier in Hogwarts und nicht mehr in Manchester oder Liverpool. In Hogwarts spielen die diesen Blödsinn nicht, es sei denn, um Erstklässler mit Schlafstörungen müde zu machen. Außerdem ist das Schwachsinn, sich wegen dieser Balltreterei zu zanken, als wenn das 'ne Glaubensrichtung wäre. Oder beten die Roten Allah und die aus Manchester Gott Krishna an?"

"Nöh, andersrum wird 'n Schuh draus", lachte Bruster. "Die Liverpoller haben's mit der Räucherstäbchenfraktion, weil ihre Vorzeigeband 'n paar Guru-Fans hat. Manchester hat seine eigenen Fußballgötter wie George Best und ..."

"Trallallallallah", fuhr im Roy ins Wort. "Klar, Bruster. Fußballgötter. Ist ja schon schlimm genug, das manche Reporter die als Zauberer bezeichnen. Aber Götter sind die bestimmt nicht!"

"Was ist denn eine Vorzeigeband?" Wollte Petula wissen.

"Die Musikgruppe, die am bekanntesten ist und gerne gebucht wird", sagte Aurora.

"Ach, und wie heißt die in Liverpool?" Wollte Petula noch wissen.

"Rolling Stones", gab Bruster gehässig zur Antwort. Roy feuerte erst einen bitterbösen Blick auf Bruster ab und mußte dann lachen.

"Soviel zur Allgemeinbildung in Manchester. Pass ja auf, daß du den Gag nicht bei uns bringst. Na ja, die Fans vom FC werden bis dahin eh nix von dir übriglassen, wenn du meinst, die Roten so runtermachen zu dürfen."

"Wie bitte? Die kämpfen sogar gegeneinander?" Entrüstete sich Miriam, und Dina erbleichte entsetzt.

"Nur wenn so'n Trottel in Liverpool 'ne Fahne von Manchester Verunratet rausholt und die laut anfeuert", erwiderte Roy kalt lächelnd.

"Also ihr prügelt euch hier bestimmt nicht wegen dieses langweiligen Getues", stellte Amalia Hopfkirch unmißverständlich klar. "Sonst könnte es euch passieren, daß ihr beide hier runterfliegt! Klar?"

"Gut zu wissen, wie man aus dem Laden rauskommt, wenn der mir zu blöd wird", erwiderte Roy schnippisch. Amalia schlug die Hände vors Gesicht. Dann deutete sie mit ihrem rechten Zeigefinger auf Roy und sagte nur was von zwanzig Punkten Abzug für Ravenclaw. Dann rückte sie verstimmt dreinschauend ab.

"Ich prügel mich doch nicht mit einem wegen diesen Idioten aus Manchester", sagte Roy. Bruster hob die Fäuste.

"Dann paß auf was du sagst!" Warnte er Roy.

"Leute, ihr seid albern", sagte Petula Woodlane. Dann stand sie auf, nahm ihr Zauberkunstbuch und ging mit wehendem Haar davon.

"Gute Idee", fand Aurora Dawn und verabschiedete sich von Bruster und Roy. Miriam begleitete sie zum Mädchenschlaftrakt, während Dina noch zuhörte, wie sich Roy und Bruster käbbelten.

Das Quidditchspiel war lange und torreich. Hufflepuff konnte jedoch nichts gegen den überragenden James Potter und seine Mitspieler ausrichten. Innerhalb von zehn Minuten stand es bereits einhundert zu null für Gryffindor. Aurora Dawn war von Potters Flugdarbietungen gefesselt. Sie sah ihn wilde Manöver ausführen, den Quaffel weit von sich werfen und dann selbst wieder einfangen, vor dem gegnerischen Tor herumtanzen, bis er den roten Spielball unterbringen konnte. Zwischendurch hörte sie aus den Reihen der Slytherins laute Buhrufe und Spottgesänge auf die Gryffindors und Hufflepuffs. Als dann nach etwa einer Stunde der Sucher der Gryffindors auch noch den Schnatz fing, war der Triumph unbeschreiblich groß.

"Und Gryffindor gewinnt mit vierhundertzwanzig zu sechzig Punkten das Spiel und bekommt erneut den Quidditchpokal von Hogwarts!" Rief der Stadionsprecher mit größter Begeisterung. Tosender Applaus und ohrenbetäubender Jubel von den Gryffindors übertönten ihn fast. Aurora Dawn mußte sich die Ohren zuhalten, so heftig rüttelte der Lärm an ihren Trommelfellen.

"Willst du denen gratulieren?" Fragte Petula ihre Klassenkameradin. Diese nickte und stand mit ihr auf.

Es war ein gewaltiges Stück Arbeit, auf das Quidditchfeld hinunterzusteigen, durch die Massen begeisterter Gryffindor-Anhänger hindurch. Zusammen mit ihren aus Gryffindor stammenden Klassenkameradinnen Eunice Armstrong und Marissa Martins erreichte sie die Spieler von Gryffindor. Sie gratulierte Rosina Oaktree zu dem Pokal und auch den anderen. An James Potter kam sie jedoch nicht heran. Lily Evans, Remus Lupin, Sirius Black und der kleine Peter Pettigrew umringten ihn regelrecht. Professor Dumbledore rief mit magisch verstärkter Stimme:

"Meine Lieben, nicht so drängeln! Wir müssen unseren Helden doch noch den Pokal überreichen!"

Erst als Professor McGonagall, der die helle Begeisterung ins Gesicht gemeißelt war, aufs Quidditchfeld eilte, löste sich die Traube der Gratulanten rasch wieder auf. Aurora und Petula konnten jetzt auch James Potter beglückwünschen, während Melinda und Cynthia mit den Hufflepuffs deren Mannschaft tröstete.

"Tja, das war es dann wohl für euch. Damit hast du den Pokal noch einmal holen können, James", sagte Aurora Dawn. James Potter grinste sie breit an und meinte:

"Das war unbedingt noch einmal nötig, allein schon um Schniefelus' dummes Gesicht zu sehen", meinte er und deutete auf eine Reihe mit Slytherin-Bewohnern, die sehr verächtlich auf die Gryffindors hinuntersah. Aurora konnte Severus Snape neben einem Jungen aus dessen Klasse sehen. Nie zuvor hatte sie ein derartig haßverzerrtes Gesicht sehen müssen wie das von Snape, der mit wild funkelnden Augen auf James Potter herunterstarrte.

"Dumm würde ich dieses Gesicht nicht nennen", warf Aurora ein. "Der sieht so aus, als wolle er dich gleich mit einem Fluch angreifen."

"Ups, könnte passieren", meinte James und warf Sirius einen Blick zu. Dieser nickte und zog seinen Zauberstab hervor. "Nur für alle Fälle", sagte James dazu. Dann nickte er Professor McGonagall zu, die mit wehendem Umhang herbeieilte.

"Kehren Sie bitte wieder auf Ihre Plätze zurück!" Herrschte sie Aurora und Petula an. James nickte nur. Aurora gehorchte sofort und kehrte mit ihrer Klassenkameradin auf die Tribüne zurück.

Nachdem die siegreichen Gryffindors unter großem Freudenjubel ihrer Unterstützer den schweren Quidditchpokal übernommen hatten und in Ehrenformation zum Schloß zurückschritten, eilten Aurora und ihre Klassenkameradinnen ebenfalls in den altehrwürdigen Bau, um im Gemeinschaftsraum mit den anderen Ravenclaws das Spiel zu besprechen.

Als sie durch das Türportrait hindurchgestiegen war, fiel ihr Blick zunächst auf den Geist der grauen Dame, dem Hausgeist der Ravenclaws. Die Gespensterfrau im langen grauen Kleid saß vor dem Kamin, in dem ein munteres Feuer prasselte, dessen Flammen durch ihren nichtgreifbaren Körper hindurchschimmerten. Selten hatte sie das Hausgespenst von Ravenclaw so vor dem Kamin sitzen sehen können. Normalerweise spukte die graue Dame im obersten Geschoss herum, sang wehmütige Lieder oder führte gruselige Ballettübungen aus. Zwischendurch unterhielt sie sich auch mit den Schülern, die ihrer Meinung nach reif genug für kluge Gespräche waren und hörte auch den Musikern in Ravenclaw zu. Doch häufig war sie im Schloß unterwegs mit den anderen Geistern und erschien erst beim Abendessen am Ravenclaw-Haustisch. Daß sie jetzt so hervorgehoben am Kamin saß und offenbar auf die Schüler wartete war bis dahin nicht vorgekommen. Zumindest vermutete Aurora Dawn das, weil sämtliche Bewohner Ravenclaws den weiblichen Geist sehr verdutzt anblickten und kein einziges Wort herausbrachten. Wie von einer strengen Lehrerin wie Professor McGonagall oder Professor Bitterling zur Ruhe angehalten sammelten sich alle Hausbewohner schweigend im Gemeinschaftsraum. Alle blickten die Gespensterfrau an, als verlange sie ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Aurora sah wie alle anderen, daß die graue Dame ihre durchsichtigen Hände um die Armlehnen des Sessels verkrampft hatte, in dem sie saß wie eine Königin auf dem Thron, kerzengerade aufgerichtet, die Beine parallel zueinander angewinkelt, das Gesicht wie eine Maske erstarrt. Keiner sagte was. Alle gruppierten sich um den Hausgeist von Ravenclaw. Eine Spannung kam auf, die von Sekunde zu Sekunde immer greifbarer und unerträglicher wurde. Immer noch wagte niemand, auch nur zu flüstern. Aurora Dawn war das unheimlich, wie der Anblick der Gespensterfrau alleine ausreichte, diese schwere Stille zu schaffen, die nur vom munteren Feuer durchbrochen wurde, das knisternd und knackend die Holzscheite fraß. Es dauerte eine Zeit, die keiner recht abschätzen mochte, bis die graue Dame ihren Blick auf die Vertrauensschüler richtete, die rechte Hand von der Armlehne löste und allen Schülern zuwinkte. Immer noch schwiegen alle. Dann sagte der Geist:

"Liebe Bewohner von Ravenclaw, meiner alten Heimat, als ich wie ihr ein junges Mädchen war, das hier zur Schule ging. Ihr wißt, daß ich eine sehr ruhige, ja sehr duldsame und sittsame Dame bin, die trotz des Schicksals, welches sie hier beheimatete, keine Klagen oder bösen Worte verliert. Ihr seht mich jetzt so an, als sei es außergewöhnlich, daß ich, euer treuer Hausgeist, hier in diesem Sessel sitze und auf euch warte. Ich habe den Jubel und Beifallssturm hören können, den ihr im Quidditchstadion angestimmt habt. Ich weiß von meinem Schicksalsgefährten, Sir Nicholas und dem frommen fröhlichen Mönch, daß heute ein großes Spiel bestritten wurde, das die Gryffindors für sich entschieden haben. Nun, ihr dürft euch mit ihnen freuen oder nicht. Das steht euch frei. Weshalb ich hier auf euch wartete: Es ist etwas in Bewegung geraten, was den Lauf an dieser Schule ändern und eure lebendige Welt und unsere Welt der Gewesenen erschüttern wird, wenn es zum äußersten kommt. Die Vorboten gingen bereits vor Tagen durch Bilder und Geisterwelt. Nun, ihr müßt wissen, daß nun sämtliche Geister von Hogwarts einen Rat abgehalten haben und mit einer einzigen Enthaltung beschlossen wurde, den Lehrern und Schülern die Geschichte zu erzählen, welche wohl bald in diesen Mauern stattfinden wird.

Vor drei Jahrhunderten, als ich selbst meinen Körper ablegte und durch Umstände, die ich hier nicht ausführen möchte als Geisterwesen in der Welt verblieb, suchte die mächtige Hexe Clytemnestra Hollingsworth den Stammsitz des Barons Hector McFurson bei Carlisle auf und trug ihm vor, sie wolle mit ihn in den Stand der Ehe eintreten, da eine günstige Planetenstellung ihnen beiden einen Zuwachs von Macht und durch gemeinsame Kinder würdige Erben von Slytherins Vermächtnis hervorbringen würde. Baron McFurson, ein stolzer Clanhäuptling und Großmeister der Magie, schien von dem Angebot sehr begeistert zu sein. Er sagte der Hexe aus bürgerlichem Hause zu, sie in einem halben Jahr zu ehelichen. Bis dahin möge sie ihre Freunde und Verwandten auf den Glückstag einstimmen. Clytemnestra willigte ein und kehrte in ihr Heimatdorf in Yorkshire zurück, um sich auf diesen Tag vorzubereiten. Wenn die Planeten günstig standen und der Mond im vollen Glanz zu sehen sei, würde sie dem Baron Hector das Jawort geben und dieses auch von ihm erhalten. Doch Hector erfuhr durch eine Cousine, die eine mächtige Seherin war, daß seine Braut ihn nach erfolgreicher Empfängnis eines Kindes töten würde, um seine Ländereien und die Sammlung dunkler Zauberbücher für sich alleine zu bekommen und den von ihr zum Erben Slytherins heranzuziehenden Nachwuchs ausschließlich alleine zu erziehen, ob Mädchen oder Jungen. Auch erfuhr der Baron, daß Clytemnestra Bundesschwester einer im verborgenen wirkenden Hexenvereinigung war, deren Ziel es sei, alle bei Zauberern liegende Macht an sich zu ziehen und den Hexen alleine die Macht über alle Menschen der Erde zu geben." Sie machte eine kurze Pause, in der niemand etwas zu sagen wagte. "Da Clytemnestra sehr mächtig war konnte Baron Hector die Verlobung nicht mehr zurücknehmen, ohne einen heftigen Streit zwischen sich und ihr zu beschwören. Doch wollte er sie auch nicht heiraten. Denn ihm lag zu viel an seinem Leben, seiner Macht und dem Vorrecht der Zauberer, die Menschheit zu beherrschen. So schmiedete er einen hinterhältigen Plan, um die Hochzeit zu verhindern, ohne die Rache Clytemnestras fürchten zu müssen. Er ließ das Fest vorbereiten wie vereinbart, sandte sogar Geschenke an die Braut und schickte ihr nichtmagische Knechte, um sie sicher zu sich führen zu lassen. Ein Priester wurde bestellt, der die Trauungszeremonie abhalten sollte. Doch der Baron verachtete die Lehren des Christentums, hielt weder an Gott noch dem Teufel fest. Für ihn gab es nur die eigene Macht.

Als Clytemnestra mit ihrem Gefolge eintraf wurde sie mit allen Ehren empfangen. Die Verwandtschaft erhielt die besten Zimmer im Schloß. Am Vorabend der angesetzten Hochzeit trat der Baron, soweit dies belegt ist, in die Küche und würzte die Speisen mit dem Trank des schlummernden Todes, den er im vergangenen halben Jahr gebraut hatte. Er selbst trank das einzig wirksame Gegenmittel, um ungefährdet mit allen anderen essen zu können. So ließ er ein Festmahl auffahren, daß der zukünftigen Baroness alle Ehre machte. Als er sicher sein konnte, daß wirklich alle von den vergifteten Speisen gekostet hatten, einschließlich dem Priester, hielt er eine kurze Ansprache zum feierlichen Anlaß. Dann schickte er sie alle zu Bett.

Am nächsten Morgen läutete der Diener des Priesters die Glocke der zur Zierde errichteten Schloßkapelle. Dieses Signal hatte der Baron als Auslöser der tückischen Wirkung des Todestrankes beim Brauen festgelegt. Wie er erwartet hatte, überlebten Gäste und Priester das Läuten nur eine Minute lang. Dann verendeten sie qualvoll. Baron Hector frohlockte. Er ging in die Kapelle, um den Messdiener mit eigener Hand zu töten, bevor er seine Dienerschaft, die auf seinen strickten Befehl hin nichts von der vergifteten Speise angerührt hatte, den Befehl zur Beseitigung der Toten erteilen wollte. Doch als er die Kapelle betrat, wartete Clytemnestra in ihrem Hochzeitskleid auf ihn. Der Messdiener, gekleidet in seinen liturgischen Gewändern, saß ängstlich auf der vordersten Bank. Der Baron erschrak, weil seine Braut den teuflischen Mordanschlag überlebt hatte. Sie hat ihn nur angelächelt und gesagt, daß sie gegen derlei Höllenelixiere gefeit sei und nun endlich sein Jawort einfordere. Hector geriet in einen Rausch aus Angst und Wut und lieferte sich mit der Hexe einen wilden Zweikampf. Er schaffte es, sie an den Rand des Todes zu bringen. Sie rief erst etwas in einer unbekannten Sprache, bevor der tödliche Fluch sie ereilte und verstummen ließ. Baron Hector glaubte, sie nun loszusein. Doch bald schon erschien sie als Geist und verlangte von ihm, ihr nach vollzogener Trauung in die Ewigkeit zu folgen. Er schuf einen Kerker, in dem Geisterwesen gebannt bleiben und lockte sie dorthin. Sie fühlte, daß er sie abermals hintergehen würde und stieß noch einen Fluch aus, daß er keine Erben haben und erst diese Welt verlassen könne, wenn sie ihm wie versprochen angetraut werde. Dann verstummte sie. Doch da sie bereits tot war, wußte der Baron, daß sie gefährlich bleiben würde. Er kannte offenbar den Fluch, den sie vor dem Tod ausgerufen hatte. Er versenkte den Kerker mit seinem Schloß darum im Boden und ließ einen wilden Wald darauf wachsen. Er flüchtete mit wenigen Getreuen in das Hochland und unterwarf sich den Stammsitz eines anderen Clans. Doch beim vierten Vollmond nach Clytemnestras körperlichem Tod wurde Hector von unheimlichen Kreaturen überfallen, Werwölfen, die durch bösen Zauber zu Sklaven einer anderen mächtigen Herrin geworden waren, Anthelia vom Bitterwald, der Nichte einer dunklen Matriarchin des Frankenlandes, welche auf unserer Insel Britannien deren Statthalterin werden wollte. Sie selbst hatte von Clytemnestras Tod und dem Verrat des Barons erfahren und ihm ihre unterworfenen Getreuen geschickt, die in Menschenform nicht wußten, wessen Diener sie waren. Hector starb an den unzähligen Wunden der Bestien. Doch er konnte nicht hinübergehen, wo alle Toten nach dem irdischen Dasein weilen. Clytemnestras Fluch zwang ihn, als Nachbild seiner selbst zu bleiben. Er floh und verbarg sich ein Jahr, bis er Zuflucht suchte in den Mauern von Hogwarts,wo er von nun an sein dunkles Dasein fristet. Versuche dieser Hexe Anthelia, ihre verstorbene Bundesschwester zu finden mißlangen, und der Baron war sicher im Schutze der mächtigen Magie der vier Gründer und ihrer ruhmreichen Nachfahren. Als Anthelia dann selbst dahinging wollte er nicht von hier fort. Denn er wartet auf den Erben von Slytherin, daß er Hogwarts übernehmen und zum Hort der Dunkelheit machen will." Ein leises Raunen klang durch die Reihen der Ravenclaws. Viele waren erschrocken, als ihnen klar wurde, von wem die Graue Dame da erzählte. Sie wartete einige Sekunden, bis sie fortfuhr.

"ES ist wahr, der Geist, der sich hier der blutige Baron nennen läßt, ist jener Baron, der damals durch Verrat und feigen Mord den Zorn einer mächtigen Hexe heraufbeschwor, der ihn auch heute noch nicht losgelassen hat. Doch warum erzähle ich euch davon, wenn es doch vollendet und vergangen ist? Es trug sich zu, daß vor einigen Monaten der Wald über Hector McFursons versunkenem Schloß gerodet wurde, weil die nichtmagischen Menschen einen großen Platz brauchen, um einen großen Markt in großen Gebäuden, den sie Einkaufszentrum nennen, zu errichten. Dabei zerstörten die metallenen Ungetüme, welche die Nichtmagier geschaffen haben, das verfallene Schloß und öffneten den Seelenkerker, in dem Clytemnestras Geist Jahrhunderte gefangen war. Sie konnte entweichen, unsichtbar für die Augen der ahnungslosen Menschen. Sie wurde in der Halle von Rainbowlawn, dem Stammschloß derer von Rainbowlawn gesehen, wie sie dort umgehende Geister nach dem Zufluchtsort des wortbrüchigen Barons befragt hat. Bald ging die Kunde, sie würde ihn suchen und dann von einem Gewesenen in religiöser Würde mit ihm getraut zu werden, damit sie die Macht gewinne, die sie als lebendige Hexe schon haben wollte. Denn, soviel ist nun bekannt, ihr letzter Ausruf vor dem Tod war ein alter Fluch, älter als das Römische Imperium, der ihr im Tode mehr Magie zu Gebote stellte als vorher, wenn ihr Leben ihr gewaltsam entrissen würde. Dieser Baron hat damals den schlimmsten Fehler aller Zeiten begangen, ihr diese schlummernde Macht zu übereignen, die sie wecken kann, wenn sie sein Jawort, sein ihr gegebenes Versprechen erzwingen kann. Denn dadurch würde sie zu einem Wesen, unsterblich und unangreifbar, jenen Dämonen alter Sagen und Legenden gleich, die die Heerscharen der Verdammnis bilden. Sie könnte nicht nur alle Zauber, die sie zu Lebzeiten mit Zauberstab vollbrachte ohne dieses Instrument der Magieausrichtung wirken, sondern auch die essentielle Kraft lebendiger und gewesener Menschen einverleiben und damit immer mächtiger werden, ja die mächtigste Kreatur der Welt werden. Sie wird nicht davor zurückscheuen, andere Hexen und Zauberer auf ihre Seite zu ziehen und könnte auch den dunklen Lord dieser Tage dazu verführen, ihr zu dienen, um ihn dann, wenn sie erlangt hat, was sie will, zu vernichten. Wir müssen davon ausgehen, daß sie den Weg nach Hogwarts finden wird. Selbst wenn mächtige Bannzauber diese Mauern schützen ist sie jetzt schon stark genug, sich Zutritt zu erzwingen, wenn sie Zeit dazu hat. Die Lehrer wissen dies schon seit ihrem Auftauchen, wollten jedoch nichts sagen, bevor sie nicht genauer wußten, was vor sich ging. Wir, die Geister von Hogwarts, haben die Verantwortung übernommen, euch alle aufzuklären. Es geht nicht darum, euch zu ängstigen. Es geht darum, eure Sinne zu schärfen, damit ihr rechtzeitig erkennt, wenn etwas verdächtiges geschieht. Ich bedanke mich bei euch für die ungeteilte Aufmerksamkeit."

Wieder setzte ein Raunen ein, diesmal wesentlich lauter. Alle schwatzten nun durcheinander, während die graue Dame einfach im Sessel versank und darin verschwand. Das war deutlich, daß sie für Fragen oder weitere Informationen nicht mehr zur Verfügung stand.

"Das war das also, was Lady medea so aufgeregt hat", erkannte Aurora Dawn, als sie zusammen mit ihren Klassenkameradinnen Petula und Miriam dastand und auf den leeren Sessel starrte.

"Hui, 'ne echte Gespenstergeschichte", feixte Roy Fielding. "Kommt wesentlich heftiger, wenn sie von einem echten Gespenst erzählt wird."

"Mach da keine Witze drüber, nur weil du's nicht verstehst!" Fauchte Mortimer Swift ungehalten. "Wenn das stimmt, was die uns erzählt hat - und warum sollte sie uns was vorschwindeln? - ist hier bald der Teufel los. Oder glaubst du, diese verstoßene Braut hätte das nicht schon längst rausgefunden, wo ihr untreuer Verlobter abgeblieben ist?"

"Ist ja gut, Mortimer", hielt Roy ihm entgegen. "Wir haben es alle gehört, was die graue Dame erzählt hat. Wenn diese Geisterlady immer noch in diesen Baron verknallt ist, kommt sie her und läßt die Hochzeitsglocken läuten. Aber was ist dann? Geister können keine Kinder kriegen oder?"

"Du hast es echt nicht gehört, häh?" Schnaubte Mortimer. "Das ging nicht um Liebe oder nette Familie. Diese Hexe hat den Kerl haben wollen, um mehr Macht zu kriegen. Die ist total machtgeil, und dieser Baron hat ihr noch den Gefallen getan, nach dem Tod nicht einfach tot zu sein, sondern als Geist noch mehr Macht zu kriegen, wenn sie ihn, der von ihr verwünscht wurde, auch als Geist weiterzuspuken, zwangsheiraten kann. Dann kann die den wie ein Vampir aussaugen, noch mächtiger werden und dann immer mächtiger. Da man tote Leute nicht umbringen kann, ist die bald so stark, daß keiner noch gegen sie anstinken kann. Wenn das passiert, dann wird Du-weißt-schon-wer wie eine lästige Stechmücke im Vergleich zu ihr sein, wenn sie ihn dann überhaupt noch leben läßt."

"Mach keinen Mist, Mortimer! Noch mächtiger als Du-weißt-schon-wer?" Versetzte Bruster erschrocken. Mortimer seufzte über diese Frage, weil sie ihm zeigte, daß auch sein Cousin nicht richtig hingehört hatte. Aurora erwiderte eingeschüchtert:

"Warum erzählt die uns das, wenn wir doch nichts dagegen machen können?"

"Wir können was dagegen machen", sagte Roy unbeeindruckt von der um sich greifenden Angst. "Wir hängen ein Schild ans Schloßtor wo wir draufschreiben, daß keine rachsüchtigen Geisterbräute reindürfen oder schmeißen den blutigen Baron raus, damit die uns hier nicht auf die Bude rückt."

Mortimer ballte seine rechte Faust und holte zum Schlag gegen Roy aus. Doch Miriams flache Hand klatschte bereits gegen Roys rechte Wange und hinterließ einen schnell rot werdenden Abdruck. Mortimer senkte seine Hand wieder und entspannte ihre Finger.

"Du bist doch wohl wirklich der blödeste, absolut nichts kapierende Muggelbrütige, den es in Hogwarts je gegeben hat!" Keifte Miriam. "Wenn der blutige Baron aus Hogwarts hinausgeworfen wird, wird sie ihn innerhalb von wenigen Minuten kriegen und bestimmt dazu kriegen, zu tun, was sie will. Wenn die kriegt was sie will, schlägt für uns alle hier die letzte Stunde. Kommt das irgendwie mal bei dir an?!" Die Vertrauensschüler rannten herbei und forderten Miriam auf, sich wieder zu beruhigen. Doch sie zeterte weiter. "du hast doch überhaupt keinen Dunst, was in den uralten Hexen- und Zauberergilden so möglich war, daß selbst ein Geist die mächtigsten Zauberer und Hexen übertreffen kann. Also tu endlich, was ein wirklich kluger Mensch tut, wenn er absolut keine Ahnung hat und halt dein Maul!"

"Eh, von dir lasse ich mich weder hauen noch anbrüllen! Klar?!" Brüllte nun Roy Fielding los, dessen schmerzverzerrtes Gesicht einer Maske unbändigen Zorns Platz gemacht hatte. "Meinst du echt, hier andere Leute anschreien zu dürfen, nur weil sie mal einen Witz gemacht haben? Mann, Mädel, dein Hormoncocktail ist aber mächtig durcheinandergeraten."

"Zum einen muß ich Ravenclaw insgesamt fünfzig Punkte abziehen, davon zehn für Mr. Fielding und Ms. Swann wegen lautstarken Geschreis und Unbeherrschtheit, zehn für Mr. Fielding wegen groben Unfugs und zwanzig wegen der Ohrfeige, Ms. Swann!" Verkündete Nathan Mentry nun selbst wütend dreinschauend. "Zum anderen hat außer dir, Roy niemand wirklich einen Witz darin erkennen können, was du da erzählt hast. Zumindest kann keiner darüber lachen. Das ist nämlich kein Spaß, was uns die graue Dame erzählt hat. Ich habe von dieser Sache gelesen, als ich "berühmte Geister und ihre Geschichten" gelesen habe.

"Mag ja alles sein, Nathan. Aber deshalb braucht die da mir keine zu scheuern", schnaubte Roy und zeigte auf Miriam Swann. Diese knurrte nur bedrohlich, sagte jedoch nichts. Aurora Dawn verfiel in Grübelei. Konnte es sein, daß sie bald miterleben mußte, wie ein Geist die ganze Welt bedrohte, wie es in den Geschichten aus den Glaubensschriften der Menschheit erwähnt wurde? Wehmütig dachte sie an ihren Onkel Dustin, der zu Weihnachten von Handlangern des dunklen Lords ermordet worden war. Ihn hätte sie anschreiben können, um ihn um Rat zu fragen. Doch das ging ja jetzt nicht mehr.

"Leute, wir, die Vertrauensschüler, sind genauso beunruhigt wie ihr anderen auch und wußten vorher auch nichts davon, was passieren soll. Es wäre gewiß besser gewesen, wenn uns das jemand vorher erzählt hätte", sagte Nathan Mentry allen Ravenclaws zugewandt. Aurora hörte ihn wie durch Watte gefiltert. Erst langsam kehrte ihr Verstand in die Gegenwart zurück. Die Bilder ihres Onkels Dustin wichen zögerlich den Bildern aus dem Gemeinschaftsraum von Ravenclaw. "Wir werden uns mit den Lehrern unterhalten, wie wir hier weitermachen können. Denn es ist ja sonnenklar, daß wir nicht alle total verängstigt hier herumsitzen und warten, bis uns Lady Clytemnestra heimsucht. Wir wollen ja schließlich alle was lernen hier. Deshalb werden wir uns mit den Lehrern absprechen, wie wir mit dieser ungeheuerlichen Information umgehen sollen. Wahrscheinlich wird Professor Dumbledore uns heute noch entsprechende Anweisungen und Ratschläge erteilen. Bis dahin möchten wir haben, daß ihr hier ruhig bleibt und nicht unbeherrscht herumbrüllt oder tobt. Danke!"

Die Schüler verteilten sich tuschelnd auf die Tische im Gemeinschaftsraum. Das Quidditchspiel und die Pokalübergabe an die Gryffindor-Hausmannschaft waren nun weiter weg als der Mond von der Erde.

Die älteren Vertrauensschüler verließen den Gemeinschaftsraum. Die Schüler der verschiedenen Klassen setzten sich an die Tische und sprachen ganz leise über das, was sie gerade gehört hatten. Klar war ihnen dabei nur, daß sie selbst am wenigsten tun konnten. Aurora dachte daran, daß sie diese Geisterpfeife hatte, das letzte Weihnachtsgeschenk von Onkel Dustin. Damit konnte sie einen für Geister allein hörbaren Töne ausstoßen, die sie anlocken oder verscheuchen konnten. Doch was sollte ihr das bringen? Im Moment wußte sie nicht, was sie tun würde, wenn ihr die gespenstische Rächerin über den Weg schweben sollte. Sie sah Plinius Porter, der mit einem Briefumschlag in der Hand den Gemeinschaftsraum verließ und dabei sehr entschlossen wirkte. Seine Freundin Dione sah ihm nach und wiegte nachdenklich ihren kopf.

"... und die hat sich erst bei mir zu entschuldigen, bevor ich noch ein Wort mit der rede", fauchte Roy Fielding Dina an, die die ganze Zeit versuchte, ihn dazu zu überreden, sich bei Miriam für den gehässigen Spruch zu entschuldigen, den er gebracht hatte. Petula Woodlane suchte mit ihrem Blick ihre ältere Schwester Priscilla, die sich mit Erica Fielding und zwei anderen Klassenkameradinnen unterhielt. Erica bekam mit, was los war, stubste Priscilla an und kam zusammen mit ihr herüber. Roy, immer noch unter Dampf, funkelte seine große Schwester an, sagte jedoch kein Wort.

"Was ist denn hier los?" Fragte Priscilla ruhig und blickte zuerst Miriam Swann, dann Dina Murphy und dann noch Roy Fielding ins Gesicht.

"Dieser Muggelbrütige da hat nur Blödsinn im Kopf", protestierte Miriam auf Roy deutend. Erica verzog das Gesicht zu einer verärgerten Miene.

"Nur weil er gemeint hat, man könne diese Geisterbraut da mit einem Schild an der Tür zurückweisen oder das Problem damit loswerden, den blutigen Baron rauszuwerfen?" Amüsierte sich Priscilla. Erica flüsterte ihr was zu. Doch Priscilla schüttelte den Kopf. Sie sagte Miriam zugewandt: "Du schnappst zu schnell ein, Miriam. Roy meinte das bestimmt nicht so ernst. Lern das doch, daß nicht jeder Spruch echt ist!"

"Eh, ich meinte das aber ernst, Mann", widersprach Roy. Seine Schwester schüttelte den Kopf und warf ihm einen zur Vorsicht gemahnenden Blick zu.

"Leute, es bringt doch überhaupt nichts, sich hier dumm anzublaffen", warf Petula ein. Doch Miriam und Roy hörten nicht darauf. Sie starrten sich an wie kampfbereite Hunde, die warteten, wer zuerst losspringen würde.

"Wer nicht will der hat schon", seufzte Priscilla und zog Erica mit sich fort, die widerstrebend mit ihr an den Tisch der Fünftklässler zurückkehrte. Aurora, Petula und Dina tauschten noch einmal fragende Blicke aus. Doch weil keine wußte, wie sie die Lage entschärfen konnte, schwiegen sie nur.

Beim Mittagessen herrschte in der großen Halle eine gedrückte Stimmung. keiner sprach lauter als unbedingt nötig, und alle Schüler sahen zum Lehrertisch hinüber. Es wirkte so, als ob jeder Dumbledore beschwören wolle, endlich was zu sagen. Doch es dauerte bis nach dem Essen, bis der Schulleiter sich würdevoll von seinem goldenen Stuhl erhob. Schlagartig wie ausgeschaltet verstummte jeder Laut.

"Meine lieben Schülerinnen und Schüler", begann der altehrwürdige Zauberer und warf einen ruhigen Blick über alle vier Tische, von denen ihm erwartungsvolle Aufmerksamkeit entgegenatmete. "Ihr habt nach dem Spiel alle hören müssen, daß der Geist einer einst mächtigen dunklen Hexe aus einem für sie angelegten Kerker entkommen konnte und auch davon gehört, daß der blutige Baron, der residente Geist von Slytherin, damals den Tod dieser Hexe auf dem Gewissen hatte und wohl deshalb nicht in die Totenwelt hinübergehen konnte." Der blutige Baron, der am Slytherin-Tisch saß, funkelte Dumbledore mürrisch an. Wirkte er schon gruselig und gefährlich, so strahlte er nun eine unausgesprochene Bedrohung aus. Doch Dumbledore sprach ruhig weiter. "Nun, es heißt in den heiligen Schriften verschiedener Kulturen, daß begangene Sünden bestraft werden, egal wann. Das bedauerliche ist an der Sache nur, daß nicht nur der blutige Baron betroffen ist, sondern die gesamte Zaubererwelt, also nicht nur die Geister, sondern auch die Lebendigen. Ihr habt alle die Geschichte gehört?" Die Slytherins schüttelten die Köpfe. "Oh, nicht alle? Nun Die Vertrauensschüler von Slytherin haben einen umfassenden Bericht von Professor Bitterling erhalten. Sie werden nachher alle Rede und Antwort stehen, wie auch eure Hauslehrerin", sagte Dumbledore. Professor Bitterling nickte bestätigend. "Jedenfalls haben wir Lehrer beschlossen, daß wir alles tun werden, um die Gefahr, die uns droht, im Keim zu ersticken. Wir werden Geistersperren errichten, um ein überschnelles Vordringen bösartiger Geister zu vereiteln. Leider wird dies dazu führen, daß die in diesen Mauern weilenden Verstorbenen nicht mehr ungehindert durch das Schloß wandeln können, dies ist uns bewußt. Doch wenn es dient, die Bedrohung von vor drei Jahrhunderten zu beseitigen ist diese hoffentlich nur zeitweilige Maßnahme gerechtfertigt." Die Graue Dame am Ravenclaw-Tisch nickte schwerfällig. Der dicke Mönch, ein stets fröhlicher Geist am Huffelpuff-Tisch wirkte diesmal nicht sonderlich erheitert. Offenbar hatte er, ein jahrhundertealter Geist, Angst vor dieser Bedrohung. "Des weiteren", fuhr Dumbledore fort, "gilt der ganz normale Schulbetrieb. Laßt euch nicht davon abhalten, eure Hausaufgaben zu machen und zu lernen, was wir Lehrer euch beibringen möchten! Hört auch nicht auf Schwarzmaler, die meinen, der Untergang von Hogwarts stehe unmittelbar bevor! Hogwarts hat schlimmere Zeiten überstanden und wird auch diese Krise überstehen. Die Gründer haben unsere altehrwürdige Schule mit sehr vielen Schutzzaubern ausgestattet.

Doch noch etwas: Ich bitte euch alle darum, bis auf weiteres niemandem zu schreiben, was ihr heute morgen hier gehört habt. Die Zaubereiministerin bittet darum, diese Sache nicht breitzutreten. Der Tagesprophet wird auch keine Meldung darüber bringen, zumal ja noch geklärt werden muß, ob an der Sache wirklich so viel dran ist. Ich denke, ihr könnt nun beruhigt das restliche Wochenende verbringen, ohne Angst vor bösen Geistern haben zu müssen. Vielen Dank!"

Danach setzte sich der Schulleiter wieder hin. Sofort klang ein vielstimmiges Gemurmel an den Tischen an, weil nun viele über Dumbledores Worte sprachen.

"Wenn die Slytherins das nicht gehört haben, wieso haben die dann so geknickt ausgesehen?" Fragte Roy Fielding, der die Lage hier offenbar immer noch nicht für so heftig bedrohlich hielt. Aurora Dawn nickte. Die Frage war richtig. Der ihm gegenüber sitzende Plinius Porter antwortete:

"Die haben nicht die ganze Geschichte gehört. Die haben nur mitbekommen, daß ein mächtiger Geist Slytherin bedroht, noch dazu der einer dunklen Hexe. Mit mehr ist seine Blutigkeit wohl nicht rausgerückt." Er grinste verächtlich. Offenbar gehörte der Siebtklässler zu den wenigen, denen die Vorstellung, von einem rachsüchtigen Geist angegriffen zu werden nichts anhatte.

"Na klar, wäre ja auch nicht mehr so heftig mächtig, dieser silbergefleckte Gruselgeist, wenn er rauslassen müßte, daß ihm eine verstoßene Braut an den Kragen will", meinte Roy dazu nur. Plinius nickte. Seine Freundin Dione wandte nur ein:

"Na, wir sollten nicht drüber spotten. Zauberwesen, die selbst einem Geist was anhaben können sind gerade für Lebendige tödlich. Doch ich denke, Dumbledore weiß genau, wie er damit fertig werden muß."

"Im Zweifelsfall kann er sich ja Rat bei Geisterexperten holen", sagte Roy. Aurora verzog darüber das Gesicht. Roy erkannte, was er da so nebenbei gesagt hatte und flüsterte: "'tschuldigung, Aurora!"

"Geht schon klar, Roy. Hast ja recht", nahm Aurora die Entschuldigung an.

Nach dem Mittagessen versuchten Schüler und Lehrer, sich den freien Nachmittag so üblich wie möglich zu vertreiben. Die Gryffindors beschworen die gute Stimmung wieder herauf, die sie nach dem überragenden Sieg gegen Hufflepuff verbreitet hatten und feierten die Pokalverteidigung. So lockerte sich die Anspannung des Morgens zum Abendessen hin wieder auf, und die Schülerinnen und Schüler genossen die angebotenen Speisen.

Auf dem Weg zurück zum Ravenclaw-Eingang hörten sie Peeves laut und überaus gehässig singen:

"Der blutige Baron
fällt bald von seinem Thron!
Denn wenn er endlich Hochzeit macht,
wird es für ihn finst're nacht.
Der blutige Baron
fällt bald von seinem Thron."

"Der hat jetzt natürlich gut gröhlen", meinte Mortimer Swift, der neben Aurora herging. "Wenn dieser blutige Baron den Abflug machen muß, kann dieser Chaosgeist hier wirklich alles machen was er will."

Sie hörten Peeves' Spottlied noch lange durch die Gänge von Hogwarts hallen, bevor sie vor Bruces Gemälde standen. Der gemalte Kuhhüter wartete, bis Nathan ihm das Passwort sagte und gab den Eingang zum Gemeinschaftsraum frei.

"Vielleicht kriegen die von der Geisterbehörde diese Clytemnestra wieder ein, bevor die raushat, wo der blutige Baron jetzt spukt", meinte Bruster noch, bevor er sich mit Roy über die Fußballspiele des Tages unterhielt, deren Ergebnisse sie wohl am Montag im Muggelsportkurier nachlesen konnten.

__________

Das Wochenende und die nächsten Schultage vergingen ohne weitere Informationen über den blutigen Baron und seine rachsüchtige Braut. Das einzige, was anders war waren die von den Hauslehrern angebrachten Runen und Zauber, die es Geistern vereitelten, durch Wände zu schlüpfen. Filch hatte mit Professor Bitterling die Kerkergänge im unteren Bereich des Schlosses abgesucht, um mögliche Schlupflöcher von Außen zu stopfen und in allen ihn bekannten Geheimgängen die Geistersperren angebracht. Aurora bekam einmal mit, wie sich James Potter und Sirius auf dem Weg zur Bibliothek unterhielten. Sie hörte dabei:

"Es ist Mist, daß Filch sie uns weggenommen hat, Sirius. Damit hätten wir diese Gespensterbraut sofort finden können."

"Sollen wir sie uns wiederholen?" Fragte Sirius Black.

"Hmm, schon dran gedacht. Aber dann würden wir Filch mit der Triefnase drauf stoßen, was damit los ist. Neh, im Moment muß es auch so gehen."

"Yep, hast recht", erwiderte Sirius nur dazu. Mehr bekam Aurora nicht mit, zumal die beiden älteren Gryffindors schon ziemlich weit vor ihr herliefen.

Der Mai kam und mit ihm endlich der Frühling. Die Gärten der Ländereien von Hogwarts standen in sattem Grünn und bunter Blütenpracht. Seit der ersten Erwähnung von Clytemnestra Hollingsworth waren so viele Tage mit üblichem Schultreiben vergangen, daß außer Peeves, der zwischendurch seine Spottlieder auf den blutigen Baron sang, keiner mehr so recht darüber nachdachte. Zudem standen im Juni die Prüfungen an, und für die Schüler, die ihre ZAGs oder UTZs möglichst gut haben wollten war dies eine Zeit voller hektischer Betriebsamkeit und Ackerei. Roy Fielding fühlte sich immer besser, während Bruster sichtlich frustriert wirkte. Aurora fragte Roy einmal, was er so schönes hatte, daß er so gut gelaunt war.

"Tja, so wie das aussieht wird Liverpool englischer Meister, und weißt du auch wieso? Weil das so sein muß."

"Halt's Maul!" Hatte Bruster darauf nur verärgert geknurrt und seinen Kameraden angestarrt, als wolle er ihn gleich erwürgen. Mortimer hatte sich mit den Vertrauensschülern unterhalten, ob man da nichts gegen machen könne, daß die beiden sich wegen diesem Muggelsport so bekriegten. Doch selbst die Drohung mit dem Rauswurf aus Hogwarts würde nichts bringen.

In den Stunden drangsalierte Professor Bitterling Roy und Bruster besonders in Zaubertränke, ließ aber auch bei Verteidigung gegen die dunklen Künste nichts aus, um sie sehr betreten aussehen zu lassen.

"Sie wissen genau, daß böse Zauberer wie der dunkle Lord sich nicht drum scheren, daß sie in Muggelhäusern wohnen. Der wird das eher als Einladung sehen, Sie anzugreifen. Also strengen Sie sich gefälligst an!" Sagte sie, als Roy Fielding mit überlangen Armen und Beinen wie eine Spinne am Boden kauerte. Dann nahm sie den Fluch von ihm, mit dem sie ihn derartig verunstaltet hatte.

"Das ist unfair, wie sie das machen", wagte Dina einen Widerspruch. "Sie meinen, nur weil Roy Muggelstämmig ist dürften Sie ihn nach Lust und Laune quälen."

"Ms. Murphy, nur weil Ihr neuer Zauberstab Sie befähigt, bessere Leistungen zu erbringen haben Sie hier kein Recht, meine Unterrichtsmethoden zu kritisieren", herrschte Professor Bitterling Dina an. Ihre dunklen Augen glühten vor Zorn, und der Zauberstab in der rechten Hand zitterte ein wenig. Dina erbleichte. "Zehn Punkte abzug für Ravenclaw wegen ungebürlicher Rede gegen einen Lehrer, Ms. Murphy. Seien Sie froh, daß Sie mich nicht auch noch beleidigt haben! Sonst hätten sie fünfzig Punkte Abzug für Ihr Haus verantwortet und eine Strafarbeit verhängt bekommen. Aber für alle hier, die nicht so mutig sind, mich im Unterricht offen zu kritisieren: Ich sehe meine Aufgabe hier darin, allen Schülern das beizubringen, was ich Ihnen beibringen kann. Gerade diejenigen, die meinen, sie hätten es nicht nötig, zu lernen, werden deshalb besonders gefordert. Deshalb haben die Herren Fielding und Wiffle mir zu zeigen, was sie können, um nicht der irrigen Auffassung zu verfallen, ihre nichtmagische Abstammung, ob gänzlich oder zur Hälfte, sei eine Rechtfertigung für Schluderei und Lernunwillen. Ich hoffe, dies ist endlich bei Ihnen allen angekommen!"

"Klar, damit wir bei Ihren Sympathienoten bloß nicht zu gut aussehen", wagte Bruster ein Widerwort.

"Wie bitte?! Sie erdreisten sich, mir, die ich seit über dreißig Jahren an dieser Lehranstalt unterrichte, Parteinahme und Sympathiebenotung zu unterstellen? Das ist eine Beleidigung! Fünfzig Punkte Abzug für Ravenclaw und Strafarbeit für Mr. Bruster Wiffle! Wollen Sie mir noch unterstellen, meine Position hier an der Schule triebe mich an, bestimmte Schüler oder Schülergruppen gesondert zu bevorzugen oder zu benachteiligen?!" Schnaubte Professor Bitterling, wobei sie sichtlich darum kämpfte, nicht in wilde Wut zu geraten. Aurora und Petula starrten kreidebleich auf die selbst in ihrem Alter noch sehr hübsch aussehende Lehrerin.

"Sie waren hier in Slytherin, leiten diesen Sauladen und haben was gegen Muggelstämmige", schleuderte Bruster ihr unbeeindruckt entgegen. Er hatte nichts zu verlieren, meinte er.

"In Ordnung, Mr. Wiffle! Das reicht jetzt. Sie erinnern sich, wie letztes Jahr Ihr Mitschüler Kain Gallows wegen solcher Unverfrorenheiten der Schule verwiesen wurde? Ich fürchte, Sie dürfen schon einmal Ihren Koffer packen. Aber erst, wenn Sie mir bei der Herrichtung von Zaubertrankzutaten geholfen und sämtliche Bettpfannen im Krankenflügel und alle Trophäen im Pokalraum mit eigener Muskelkraft gereinigt haben. Hinzu kommen noch einmal fünfzig Punkte Abzug für Ravenclaw. Ihre Mitschüler werden sich sichtlich erkenntlich zeigen, Ihretwegen derartig viele Punkte verloren zu haben und daß Ravenclaw damit jeden Anspruch auf den diesjährigen Hauspokal verwirkt hat", sprach die Lehrerin ein hammerhartes Urteil über Bruster Wiffle aus. Mortimer Swifts Gesichtsfärbung wechselte von galliggrün über kalkweiß zu feuerrot. Er hätte seinem Vetter wohl am liebsten eine runtergehauen, konnte jede und jeder hier im Klassenraum sehen. Doch er wollte nicht auch noch Punkte verjubeln. Als die Unterrichtsstunde zu Ende war behielt Professor Bitterling den Halbmuggelstämmigen im Klassenraum, während alle anderen totenstill und genauso bleich an ihm vorbeigingen und den Raum verließen.

"Wie bescheurt muß jemand sein, die Bitterling derartig anzumachen?" Schnaubte Mortimer. "hundert Punkte allein wegen dem zum Schornstein rausgefeuert. Wie hirnverbrannt ist der?"

"Reg dich nicht so auf, Mortimer, der fährt doch bald nach Hause", feixte Roy, der seine Schadenfreude nicht ganz verhehlen konnte. Mortimer zog seinen Zauberstab. Doch Dina packte ihn wild entschlossen am Arm.

"Du machst hier nix damit", zischte sie ungewohnt entschlossen. Mortimer war von dieser plötzlichen Stimmung Dinas so beeindruckt, daß er wortlos seinen Zauberstab wieder fortsteckte.

"Roy, die schmeißt dich auch raus, wenn du ihr die Gelegenheit dazu gibst", warnte Dina ihren Klassenkameraden. "Vergiss das nicht. Wenn die jetzt so reinhauen kann, macht die dich bei 'ner ähnlichen Sache sofort fertig."

"Kapiere schon, Dina. Aber fliegt der jetzt wirklich raus?" Erwiderte Roy, dem jetzt klar wurde, daß Bruster wohl bald wegfahren würde.

"Die Bitterling hat doch nur drauf gewartet, einen Schüler aus einem anderen Haus rauswerfen zu lassen, nachdem sie Kain Gallows rausgeworfen haben. Mortimer hat recht. Wer ihr so eine tolle Möglichkeit gibt, muß wirklich dumm sein."

"Das hast du gerade nötig", schnaubte Petula Woodlane, die sichtlich wütend über den Ausgang dieser Stunde war. Mehr sagte sie jedoch nicht.

Es sprach sich schnell herum, daß Bruster Wiffle Ravenclaw einen saftigen Punktabzug eingebrockt hatte. Die Slytherins johlten und riefen bereits, daß der Halbblüter ja schnell gehen solle, sonst müßten die für Ravenclaw ja noch ein Punkteglas für Punkte unter keinem anschaffen. Alles in allem war es vor allem für Mortimer ein Spießrutenlauf, als die Zweitklässler die große Halle wieder verließen. Tonya Rattler, der es wohl eine tierische Freude bereitete, den sie andauernd verachtenden Bruster Wiffle endlich loszuwerden, flötete:

"Am besten gehst du gleich mit, Roy, bevor dich wer von deinen Leuten noch wegen Punkteverschwendung umbringt."

"Friss es selbst, Klotzweib!" Rief Roy Fielding zurück. Mortimer meinte nur:

"Pack dir erst an die eigene Nase, Rattler!"

Im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws mußten die zweitklässler erst allen erzählen was passiert war. Petula und Roy erzählten es ihren Schwestern, Miriam sprach mit einigen Drittklässlern, während Aurora und Mortimer sich mit Amalia und Nathan unterhielten, die mit den anderen Vertrauensschülern noch am Nachmittag bei Dumbledore und Flitwick antreten sollten.

"Ich fürchte, ich muß dann auspacken, daß Bruster sehr schwierig ist und die Sache mit diesem Muggelsport auch nicht gerade für ihn spricht."

"Ja, aber daß sich wer für Fußball interessiert interessiert hier doch keinen, Nathan", wandte Amalia Hopfkirch ein. "Außerdem ist die Sache nicht so heftig wie bei Gallows. Der hat es ja gewagt, Professor Sprout direkt anzugreifen und hat sich mehreren Befehlen von ihr widersetzt. Klar könnte Bruster sich mal mehr zusammennehmen. Na ja, wenn sie ihn wirklich entlassen, soll es wohl so sein. Schade, Mortimer. Ich dachte, dein Cousin käme hier langsam besser klar."

"Professor Bitterling hat ihn und Roy immer am heftigsten drangsaliert. Sowas tut kein Lehrer, der nur zeigen will, wie schwierig was ist. Die hat die beiden heftig getrietzt, und Bruster hat eben die Schnauze voll gehabt und ihr gesagt, daß sie wohl nur reinblütige Schüler mag. Wenn das nicht stimmt, soll die jeden gleich behandeln", sagte Mortimer schroff. Amalia nickte schwerfällig.

"Hundert Punkte wegen einem zu verlieren ist aber hart", merkte Aurora Dawn an. "Die holen wir doch so schnell nicht mehr auf."

"Das hätte er wissen müssen, als er heute morgen die ersten fünfzig Punkte Abzug verschuldet hat. Offenbar hat der Hut sich geirrt, und Bruster wäre ein besserer Gryffindor geworden", sagte Priscilla Woodlane, die Jüngste der Vertrauensschülerinnen.

"Nun, das ist jetzt sowieso egal", knurrte Mortimer. "Ich habe es schon damals gedacht, als der Hut ihn nach Ravenclaw geschickt hat, der hätte den nur zu uns geschickt, weil Gryffindor komplett überfüllt ist. Aber ich darf mir dann Tante Normas Geplärre anhören, wenn wir uns in den Ferien treffen. Wo ist denn Bruster jetzt eigentlich?"

"Professor Bitterling hat ihn wohl gleich zum Froschlaichsortieren eingeteilt", vermutete Aurora Dawn. "Die war ja so was von wütend.

"Ja, wahrscheinlich will sie sicherstellen, daß er auch wirklich noch alles putzt, bevor er rausfliegt", knurrte Mortimer.

Bruces Gemälde glitt bei Seite, und Professor Flitwick turnte behände in den Gemeinschaftsraum hinüber. Er suchte die Vertrauensschüler. Schlagartig versickerte fjeder Laut in tiefem Schweigen. Alle Augenpaare richteten sich auf den weißhaarigen Zauberkunstlehrer, der würdeheischend auf Nathan Mentry zuging. Dann sprach er mit seiner quiekenden Stimme, jedoch in alle Ecken des großen Raumes deutlich hörbar:

"Sehr geehrte Damen und Herren Vertrauensschüler. Professor Bitterling hat den Antrag auf Verweis des Schülers Bruster Wiffle bei mir und Professor Dumbledore eingereicht. Nach Prüfung der Sachlage besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, daß wir den jungen Mann unserer Lehranstalt verweisen müssen, sofern nicht entlastende Gründe gefunden werden, die seinen groben Verstoß gegen die Unterrichtsdisziplin rechtfertigen können. Ich bitte Sie alle zu Professor Dumbledore, um mit mir und ihm diesen Fall zu erörtern! Was den von Professor Bitterling ausgesprochenen Punktabzug betrifft, mußich Ihnen allen bedauerlicherweise mitteilen, daß an diesem nichts mehr verändert werden kann. Schade, wo Sie alle Ravenclaw vor diesem Morgen auf einem sicheren zweiten Platz gehalten haben."

"War wohl nicht anders zu erwarten", meinte Mortimer, als die Vertrauensschüler ihrem Hauslehrer folgten und das allgemeine Getuschel wieder einsetzte.

"Im Moment wäre es für Bruster wohl besser, wenn er die Schule verläßt", flüsterte Aurora, die an den Gesichtern der Schüler deutlich die Verachtung ablesen konnte. Wenn Bruster nicht von der Schule flog würde er in Ravenclaw bis zu seinem letzten Schultag als derjenige behandelt, der das ganze Haus um einen möglichen Hauspokal gebracht hatte, egal ob die Ravenclaws in den nächsten Jahren einen Hauspokal kriegen würden oder nicht. Aurora fühlte, wie der Gedanke daran sie traurig machte. Wieso hatte Bruster nicht aufgepaßt und sich beherrscht, als Professor Bitterling ihm zum ersten Mal fünfzig Punkte abzog?

Niemand dachte an die Hausaufgaben oder die anstehenden Prüfungen. Jeder blickte immer wieder zum Einstieg in den Gemeinschaftsraum oder sprach mit Klassenkameraden über die Folgen von Brusters Ausfälligkeit. Es dauerte jedoch eine ganze Stunde, bis die Vertrauensschüler wieder zurückkehrten. Erneut verstummten alle Gespräche und Geräusche. Nathan trat vor die wartenden Schüler und blickte kurz von einem zum anderen. Dann sprach er ruhig und deutlich:

"Wir haben mit Professor Dumbledore, Professor Flitwick, Professor Bitterling und Professor McGonagall gesprochen. Bruster Wiffle war auch dabei. Wir haben ihn noch einmal genau befragt, was vorgefallen ist, und er hat uns alles geschildert. Professor Bitterling bestand darauf, ihn deswegen der Schule zu verweisen. Professor McGonagall schloss sich dieser Forderung an, weil sie der Überzeugung ist, daß aufsässige Schüler nichts in Hogwarts zu suchen haben. Die Argumente für ihn, daß er sich benachteiligt fühlte, wollte Professor Bitterling nicht gelten lassen. Professor Flitwick wandte ein, daß Bruster durch seine halb magische halb nichtmagische Abstammung zwischen zwei Welten hin- und hergerissen wäre, wenn er hier und jetzt der Schule verwiesen würde. Denn in der Muggelwelt hätte er gewisse Schwierigkeiten, ohne Schaden für sich und andere weiterzuleben, anders als ein reinmuggelstämmiger Schüler, der dann immer noch eine Muggelschule besuchen könne und ein reinblütiger Zauberer, der trotz des Verweises zumindest noch ein gewisses Familienumfeld hat. Naja, Professor Dumbledore sprach dann davon, daß derartige Ausrutscher zwar nicht straflos hingenommen werden dürften, aber ein Schüler nicht wegen einer reinen Vermutung über einen Lehrer von der Schule geworfen werden solle. Er schlug vor, daß sich Bruster bewähren solle. Zum einen solle er die verhängte Strafarbeit in vollem Umfang ausführen. Zum zweiten solle er in den Stunden, in denen er unterdurchschnittlich sei freiwillig nachsitzen oder um Punkte zurückzugewinnen nützliche Arbeiten im Schloß ausführen. Professor Bitterling und Professor McGonagall waren dagegen, natürlich. Dann passierte aber was, das die ganze Sache in ein anderes Licht gerückt hat." Nathan genoß es, wie die Spannung stieg. Er wartete bald eine Minute, bis er weitersprach.

"Eine Posteule kam zu Professor Dumbledore. Der Schuldirektor hat uns den Brief vorgelesen. Er kam von Zaubereiministerin Bagnold persönlich. Sie hat Professor Dumbledore mitgeteilt, daß das Ehepaar Wiffle gerade so eben einem Anschlag von Ihr-wißt-schon-wem entgangen ist. Offenbar hat Brusters Mutter sich mit Widersachern des bösen Hexenmeisters zusammengetan, und der hat das rausbekommen. Da die Wiffles, so Ministerin Bagnold zu wichtigen Geheimnisträgern erklärt wurden, die man vorerst verbergen müsse, sei die Schulleitung angehalten, die beiden zur Zeit hier eingeschulten Kinder der Eheleute Wiffle um jeden Preis zu beschützen, bis geklärt sei, wie sie sicher in die Ferien fahren könnten. Es ist ein Plan in Arbeit, der den Schutz der ganzen Familie sicherstellt. Hierzu soll auch die Muggelpolizei herangezogen werden, weil Mr. Wiffle ja nicht sang- und klanglos aus der Muggelwelt verschwinden kann. Bis das aber alles geklärt ist, sollen Bruster und Doris Wiffle auf jeden Fall hier bleiben. Jeder Verstoß gegen die Schulregeln, der zu einem Schulverweis führen könnte, soll daher mit halber Härte geahndet werden oder wenn ein Schulverweis nicht vermieden werden kann, sollen die betroffenen Schüler erst nach Ende des Schuljahres entlassen werden. Tja, da hättet ihr mal die Kinnlade von Professor Bitterling sehen sollen." Alle lachten mit Nathan zusammen, weil sie sich vorstellten, wie heftig diese Nachricht die nicht sehr beliebte Lehrerin getroffen haben mußte. "Ja, sie wollte den Brief selbst lesen und tat dies auch. Danach war sie total geknickt. Professor McGonagall sprang dann doch auf Professor Dumbledores Vorschlag an, Brusters Schulverweis "zur Bewährung" auszusetzen, unter dem Vorbehalt, daß er sich von da an vorbildlich zu führen, jede unnötige Streiterei vermeiden und von sich aus an Arbeiten zur Ordnung des Schlosses und der Ländereien antreten möge. Solle er bis zu den Ferien rein freiwillig mehr als zweihundert Punkte für Ravenclaw einbringen, bleibe es lediglich bei einer Verwarnung, die jedoch darin besteht, daß er bei der kleinsten Ausfälligkeit gegenüber einem Mitschüler oder einem Lehrer ohne Widerrufsmöglichkeit von Hogwarts runter muß. Wir jedoch dürfen dies nicht ausnutzen, beispielsweise ihn provozieren oder mit der Situation seiner Familie behelligen. Im Moment darf er genauso wenig von der Sache wissen wie Doris. Die Lehrer haben sich gegen Professor Bitterlings Einspruch durchgesetzt und diese Bewährungsauflagen beschlossen. Brusters dummerweise verschuldeter Punktabzug bleibt bestehen, die bisher verhängten Strafarbeiten auch. Professor Dumbledore hat an Bruster einen Gedächtniszauber gewirkt, der ihn vergessen macht, was in dem Brief von Ministerin Bagnold steht. Danach haben sie alle verkündet, daß man ihn noch einmal mit einer Verwarnung davonkommen lasse, die solange bestand hätte, bis er entweder ordentlich die Schule beenden oder sich erneut eine Untat zu Schulden kommen läßt. Das Angebot, sich freiwillig bei der Instandhaltung der Ländereien und des Schlosses einzusetzen nahm er nach kurzer Denkpause an. Professor Bitterling zog danach mit ihm ab in den Zutatenraum, um ihn dort weiterhin schaffen zu lassen.

So, und damit wir das hier alle noch einmal klar geregelt haben: Bruster bleibt in Hogwarts und damit auch in Ravenclaw. Ich weiß, daß das vielen hier mißfällt, weil er eben viele Punkte an einem Morgen verspielt hat. Allerdings kann er jetzt bis zu den Ferien mehr als das doppelte alleine reinholen, wenn wir ihn nicht wie einen Aussätzigen behandeln oder übermäßig verachten oder bemitleiden. Es gilt jedoch auch", dabei sah Nathan Roy Fielding an, "daß dieses hirnlose Gezänk um diese Fußballsachen aufzuhören hat. Ihr könnt ja beide diesem langweiligen Zeug nachhängen. Aber es wird hier nicht mehr gestritten oder verächtlich übereinander hergezogen! Klar, Mr. Fielding?"

"Heh, kuck mich nicht so schräg an, Nathan! Wenn der mir nicht immer damit kommt, daß seine Mannschaft besser ist habe ich mit dem keinen Krach", protestierte Roy Fielding. Seine Schwester räusperte sich warnend.

"Will sagen, du bist natürlich völlig unschuldig an euren Kindergartenzankereien", bedachte Nathan Roys Widerspruch mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck. "Wie dem auch sei, dieser Unsinn ist ab heute verboten! Wie gesagt ist es an uns, ob wir die verlorenen Punkte wieder zurückbekommen wollen und nicht nur von uns aus dafür arbeiten, sondern auch Bruster die Chance nutzen lassen, den drastischen Punktabzug umzukehren. Was mit seiner Familie, also seinen Eltern und den beiden jüngeren Geschwistern ist, ist vorerst zu verschweigen. Professor Dumbledore trug mir auf jeden hier darauf hinzuweisen, daß er rauskriegen kann, wenn einer was ausplaudert und der oder die dann einfach von der Schule werfen wird, ohne wenn und aber. Ich hoffe mal, der Hut hat recht und jeder hier ist intelligent genug, das zu begreifen."

"Ja, Nathan. Aber warum hast du uns das dann überhaupt erzählt, eh? Warf Mortimer ein.

"Eben zum einen, damit ihr nicht meint, Bruster jetzt mit Gewalt rausekeln zu können und zum anderen um zu erklären, warum bei ihm eine wohl seltene Sonderregelung gemacht wurde. Obwohl, das steht in "Eine Geschichte von Hogwarts", daß bei Affektsachen, also wenn jemand unvermittelt wütend wurde und sich an Mitschülern oder Lehrern zu heftig vergriffen hat so'ne Bewährungsstrafe aufgebrummt bekam. Also Leute, wenn Bruster nachher wieder an unseren Tisch kommt könnt ihr meinetwegen mit ihm drüber reden, was er verschuldet hat, aber ihn nicht angreifen. Wir sind übrigens die einzigen, die wissen dürfen, was Ministerin Bagnold erbeten hat. In den anderen Häusern wird das keiner mitkriegen."

"Wenn die Bitterling nicht aus Rachsucht ihren Leuten steckt, was ihr den coolen Rauswurf von Bruster Wiffle verhagelt hat", wandte Roy Fielding ein und erhielt zustimmendes Kopfnicken von allen auch von seiner Schwester und den Vertrauensschülern.

"Vielleicht darf er die dann auch rauswerfen", meinte Plinius Porter, der neben seiner Freundin und Klassenkameradin Dione saß. Mortimer hob die Hand und wartete, bis alle still waren.

"Moment, Nathan! Wenn meine Tante von ihm angegriffen wurde, dann könnte der doch auch meine Eltern und Geschwister angreifen."

"Die haben sich schon vor zwei Tagen abgesetzt, hat Professor Dumbledore uns erzählt", wandte Priscilla Woodlane ein.

"Na toll, und ich bin der letzte Idiot, der das mitkriegt", grummelte Mortimer ungehalten. Sicher, er hatte Angst um seine Eltern. Denn nachdem die Aufregung um die Braut des Barons sich gelegt hatte, waren die Meldungen über Angriffe des Unnennbaren wieder deutlicher ins Bewußtsein der Schüler getreten.

"Idiot würde ich das nicht nennen, was du bist, Mortimer", sagte Nathan. "Die sind halt schnell abgereist. Irgendwer aus Professor Dumbledores Umgebung hat die untergebracht. Wo genau das ist werden die erst einmal nicht verraten. Glaub mir, es steht längst nicht alles in der Zeitung, was so passiert!"

"Wie beruhigend", schnaubte Mortimer. Aurora dachte mit Unbehagen daran, wie es sie getroffen hatte, als ihr Onkel Dustin vor ihren Augen tot umgefallen war und sie bis zum Ende der Weihnachtsferien an einem sicheren Zufluchtsort zubringen mußte. Wenn die Swifts auch so übereilt hatten fliehen müssen war das verständlich."

"Also die hundert Miesen liegen uns immer noch schwer im Magen, Nathan", sagte ein Siebtklässler, der sehr gestriegelt aussah und schulweit als ordnungssüchtig galt. "Gut, ich nehme es hin, daß dieser Bursche den Karren noch einmal aus dem Dreck zu ziehen versuchen darf. Aber wenn der hier noch mehr Punkte verjubelt ..."

"Werden Sie ihn schon rauswerfen, Arminius", fuhr Amalia Hopfkirch dazwischen. Mortimer, der Cousin des Missetäters, nickte schwerfällig. Aurora fragte sich, woran er jetzt gerade dachte.

Als dann zum Abendessen Bruster Wiffle in die große Halle kam, wirkte er angestrengt, ja sehr ausgezehrt. Was immer Professor Bitterling ihm abverlangt hatte mußte ohne Zauberkraft sehr viel Kraft kosten, erkannte Aurora. Wortlos nahm Bruster zwischen Mortimer und Roy Platz. Erst nach einer kurzen Ansprache Dumbledores, der noch einmal erläuterte, daß Bruster nur wegen einer Sonderregelung zur Bewährung in Hogwarts sei, weil er die Möglichkeit haben sollte, die verschenkten Punkte wieder hereinzuholen, sprach Bruster mit Roy und Mortimer, Aurora und Petula über die Anhörung in Dumbledores Büro. Die Jungen faszinierte es, was da alles herumstand. Die Mädchen horchten vor allem auf, als er von einem großen rot-goldenen Vogel erzählte, der auf einer Stange gesessen habe, während man ihn anhörte.

"Dumbledore hat also echt einen Phönix", stellte Petula fest. "Schöne Tiere sind das und vor allem ziemlich mächtige Zauberwesen. Die können sehr schwere Lasten tragen, mit ihren Tränen heilen, egal was es ist und sind schier unsterblich."

"Unsterblich? Wie denn das?" Wollte Roy wissen.

"Das ist was komplett geniales. Die verbrennen, wenn sie zu alt sind und verjüngen sich dabei zum Küken, das aus der alten Asche wieder aufersteht. Auf diese Weise können die wohl ewig leben."

"Na klar, daher kommt ja dieser Spruch vom Phönix aus der Asche", erkannte Roy und schalt sich selbst einen Idioten. "So sagen Leute wie meine Eltern, wenn jemand, dem man nix mehr zutraute, ohne Ansage wieder voll da ist oder wenn eine Firma, die fast kaputt ist, sich durch irgendwas wieder fangen und noch besser weitermachen kann als vorher."

"Ach, so sagen die Muggel dann?" Fragte Aurora Dawn interessiert. Roy nickte.

"Kann man diese Vögel irgendwo kaufen?" Wollte Dina Murphy wissen. Miriam schüttelte den Kopf.

"Phönixe gehören zu den magischen Geschöpfen, die man nicht einfach so mitnehmen kann. Die müssen Vertrauen zu einem fassen und zu einem hinkommen, wenn man ihren Lebensraum aufsucht. Bei manchen Tieren sollte man aber genau überlegen, ob die einen nicht sofort angreifen. Einhörner zum Beispiel sind sehr scheue Tiere und suchen eigentlich nur die Nähe von Hexen auf. Dann gibt es noch die Kniesel, die aussehen wie große Katzen mit großen Ohren und löwenartigem Schwanz. Von denen heißt es, daß sie je nach Grad der Eigenständigkeit einen Zauberer oder eine Hexe als Vertrauten begleiten, aber auch als Haustiere gezüchtet werden, wenn in ihre Zuchtlinie gewöhnliche Hauskatzen eingekreuzt werden."

"Hopla, Miriam! Hast du dir den ganzen Lehrplan für Pflege magischer Geschöpfe schon reingezogen?" Wunderte sich Roy.

"Man sollte immer so früh wie möglich mit dem Lernen anfangen, damit es dann nicht so anstrengend ist oder dann da ist, wenn's gebraucht wird", sagte Miriam selbstsicher.

Tonya Rattler stierte vom Slytherin-Tisch herüber. Offenbar versuchte sie Bruster zu reizen, damit der doch noch von der Schule flog. Doch Bruster schien wie ausgewechselt. Er lächelte Tonya nur zu und winkte. Roy winkte gleichfalls.

"Bruster, du hast ja gehört, was Dumbledore gesagt hat", flüsterte Mortimer.

"Ja, habe ich, Mortimer. Aber die Schnäpfe soll nicht denken, die könnte mich jetzt einschüchtern. Ich mach das jetzt anders. Vielleicht hat Mum doch recht, und ich muß die nur anlächeln, anstatt die zu verhauen", flüsterte Bruster Wiffle.

"Tja, fürs dumm angrinsen kann dir hier keiner Punkte abziehen", erkannte Mortimer und mußte auch grinsen.

Nach dem Abendessen trafen sich die Zweitklässler in der Bibliothek mit Cynthia und Melinda. Als Eunice Armstrong, die mit Joan Austin und Doris Wiffle einige Tische weiter weg Zauberkunstbücher durchblätterte sah, daß Bruster in Sichtweite war, sprach sie mit Doris und kam mit ihr herüber.

"Neh, nicht die Nummer", grummelte Bruster. "Wollen wir jetzt das lieb Schwesterlein vorführen?"

"Das habe ich gehört, Bruster", nasrümpfte Doris Wiffle. "Weißt du eigentlich, was für ein Schweineglück du hast, daß deine Leute dich nicht gleich in deine Anatome zerflucht haben? Mann, wenn Mum das mitkriegt, daß du wegen dieser Bitterling fast gefeuert worden wärest setzt es wohl so'n Heuler, von dem sie uns mal erzählt hat."

"Ach ja", tat Bruster den Tadel seiner Schwester als unwichtig ab. "Mum hat so'n Ding selbst mal gekriegt als sie hier beim Blumenpflücken erwischt wurde. Ich leih mir von Sprout mal ein paar Ohrenschützer aus, dann kann mich so'n Heulerdings nicht fertigmachen."

"Ich dachte, du wärest auf Bewährung", wunderte sich Eunice. "Zumindest hat das Lily Evans so erzählt."

"Tja, so ist es. Ich bin auf Bewährung drinnen und nicht wie so'n Knastbruder draußen", entgegnete Bruster trotzig. "Das heißt nur, daß ich Leute wie die Bitterling und die Rattler nicht mehr gebührend abbürsten darf. Aber das heißt nicht, daß ich mir alles bieten lassen muß, Eunie."

"Wie heiße ich?" Fragte Eunice Armstrong gefährlich klingend.

"Öhm, Eunice", berichtigte Bruster sofort. Nachher ging die noch zu McGonagall und plärrte rum, er habe sie beleidigt. Er stand nicht gerade auf sicherem Boden. Nur um wen zu ärgern, die ihm nichts getan hatte wäre ein Rauswurf doch zu viel.

"Schön, das merkst du dir bitte. Schon schlimm genug, mit dem Namen meiner seligen Urgroßtante geschlagen zu sein. Da will ich den nicht noch versaubeuteln lassen, klar."

"Hui, das saß aber jetzt", freute sich Miriam Swann, weil bruster wie ein begossener Pudel dreinschaute.

"Was für 'ne Stunde war das denn, wo du dir das mit der Bitterling geleistet hast?" Wollte Doris wissen.

"Das Verteidigungszeug", sprach Bruster ganz leise. Doris nickte.

"Die hat mich da auch heftig rumgescheucht. Offenbar will die, daß die Leute mit Muggeln in der Verwandtschaft besonders heftig lernen."

"Du wirst doch Paps nicht einen Muggel nennen, Doris. Sowas sagen Zauberer und Hexen nur, weil sie Leute, die nicht zaubern können unterbewerten, ähnlich wie die Weißen in den Staaten die Schwarzen "Nigger" oder "Bimbo" rufen", wies Bruster seine Schwester zurecht.

"Nein, Muggel ist nicht so heftig wie die Schimpfwörter, die du da gerade erwähnt hast", widersprach Petula. "Es gibt wirklich schlimmeres."

"Erzähl du mir was über Schimpfwörter, Mädel! Wenn ich hier welche anfangen würde würden dir die Ohren abfallen", erwiderte Bruster.

"Auf jeden Fall bin ich froh, daß du nicht rausgeflogen bist. Aber deine Leute sind ja wohl hart im nehmen, daß sie dich nicht in deine Anatome zerflucht haben", bekräftigte Doris.

"Mädchen, die heißen "Atome". Wenn du schon meinst, die hätten mich hier zerbröseln sollen", berichtigte Bruster.

"Was für Dinger?" Wollte Aurora Dawn wissen. Miriam meinte nur dazu:

"Wird wohl ein Muggelzeug sein."

"Neh, nicht nur für Nichtmagier", wandte Bruster ein. "So heißen die angeblich kleinsten unteilbaren Grundbausteine aller Stoffe. Aber das Bitterling uns darüber nichts erzählt ist ja klar. Die Alchemisten hatten's ja nicht sonderlich mit Grundbausteinen."

"Achso", meinte Aurora Dawn. Doris verabschiedete sich von ihrem Bruder und kehrte mit Eunice an den Tisch zurück, wo Joan Austin noch immer in den Büchern blätterte.

"Glaubt ihr, daß meine Mum so'n Heuler herschickt?" Wollte Bruster von Aurora und Miriam wissen.

"Meine würde das machen, wenn ich derartig danebengehauen hätte", sagte Aurora Dawn grinsend. Alle lachten hinter vorgehaltener Hand. Denn Auroras Mutter würde keine Eule schicken, um Aurora auszuschimpfen.

__________

Es war am zweiten Freitag im Mai, wo Aurora Dawn gerade zusammen mit Petula und Miriam im Badezimmer für Mädchen auf dem dritten Stock war. Es war nach Sonnenuntergang, und die drei wollten nach der anstrengenden Schulwoche noch ein wenig im Gemeinschaftsraum musizieren. Sie schwatzten über einen Artikel, der in der neuesten Hexenwoche gestanden hatte und dachten nicht daran, daß heute noch was passieren würde.

Aurora Dawn wusch sich gerade ihre Hände, als sie im Spiegel über dem Becken eine nebelhafte Erscheinung sah. Sie verstummte und starrte auf den weißen Dunst der zweifellos aus der Toilettenkabine hinter ihr herausdrang. Miriam sah auch, was da hervorquoll und erschrak lautstark.

"Das ist doch kein Nebel. Was ist das?" Fragte sie ängstlich.

"Nichts gutes", antwortete Petula mit Unheil erahnender Stimme.

Schlagartig breitete sich eisige Kälte im Waschraum aus, die die drei Mädchen wie in einen Eispanzer einfror. Die Kälte fuhr ihnen durch alle Glieder und kroch ihnen in den Leib, während das dunstige Etwas aus der Toilettenkabine sich vor ihnen verdichtete und zu einer durchscheinenden, blütenweiß glänzenden Erscheinung wurde, einem Gespenst von mindestens zwei Metern größe. Aurora blickte unter der eisigen Lähmung starr auf das weiße Phantom, das da vor ihnen dreien Gestalt annahm. Es war kein übliches Geisterwesen. Das konnten die drei Zweitklässlerinnen sofort sehen. Denn je genauer sich seine Formen herausbildeten, desto undurchscheinender wurde es. Bald war die stumpfweiße Holztür hinter der Erscheinung nicht mehr zu sehen. Doch eindeutig war dieses Etwas kein Gebilde aus festen Stoffen. Denn die Erscheinung flimmerte sacht wie die Luft über erhitztem Boden. Die Gestalt schwebte einen halben Meter über den stumpfgrauen Bodenfliesen. Sie überragte die drei Mädchen weit. Eindeutig als Frauengestalt erkennbar stach Aurora das makellos weiße Kleid mit Spitzenbesatz an Ärmeln, Ausschnitt und Rockschoß in die Augen. Über der Schulter der Erscheinung lag eine zusammengefaltete Schleppe, und sie trug einen hauchzarten Schleier vor ihrem Gesicht.

"Ihr verharret hier, Jungfern. Niemand soll Kunde haben, daß ich schlußendlich hier eingekehrt bin", sagte die Spukgestalt im weißen Kleid, und jedes ihrer Worte schlang sich wie ein Strick um Arme und Beine der Zweitklässlerinnen, die so starr standen, daß sie nicht einmal vor Kälte zittern konnten. Das Gespenst aus der Toilettenkabine nickte den dreien zu und glitt zur Badezimmertür, die noch verschlossen war. Aurora konnte nicht sehen, was passierte. Sie wußte nur, daß auf die Tür Geistersperrzauber aufgebracht worden waren, um dieses Unwesen zu hindern, frei im Schloß herumzugeistern. Sie hörte ein hohles Pong von der Tür her und einen laut geschnaubten Fluch.

"Vermaledeites Pack. Haben die es doch wirklich geschafft, mich in diesen Raum zu sperren?" Aurora hörte dann, wie die unheimliche Besucherin wohl versuchte, durch eine Wand, den Boden oder die Decke hinauszuschlüpfen. Doch wieder klang ein merkwürdig hohler Laut, wie zwei gegeneinandergeklopfte Tonvasen auf, und die Fremde fluchte.

"Ich werde hier schon entfahren. Magd, öffne die Tür und gib mir den Weg frei!" Aurora Dawn spürte die helle Panik in sich aufsteigen. War sie gemeint?

Als sie dann hörte, wie Petula Woodlane laut aufschrie, wußte sie, daß die unheimliche Geisterfrau ihre Schulfreundin gemeint hatte, die der Badezimmertür am nächsten stand.

"Los, Tür auf und den Weg frei!" Befahl die Unheimliche. Petula wimmerte. Dann hörte Aurora, wie sie zur Tür ging und sie öffnete. Starr im Bann der ungeheuerlichen Gestalt aus der Klokabine gefangen konnte Aurora nichts sehen oder tun, um petula zu helfen. Sie hörte, wie ihre Freundin hinausging. Warme Luft strömte vom Korridor in den eiskalten Waschraum hinein, streichelte wie mit großen warmen Händen Auroras Wangen und blies die Kältestarre hinweg wie eine Sommerbrise. Aurora fühlte, wie ihre Erstarrung verflog. Sie drehte sich hölzern um und sah Miriam, die ebenfalls ihre Bewegungsfreiheit zurückbekam.

"Petula ist mit ihr mit", wimmerte Miriam. "Die hat ihr die Geisterhand auf die Schulter gelegt. Petula ist dann wie einer dieser Zombies, von denen es die Bitterling hatte zur Tür, hat die aufgemacht und ist rausgegangen. Wieso hat die nicht ihre Geisterkräfte benutzt, um die Tür zu öffnen?"

"Weil die Geistersperre das eben genauso vermasselt wie das einfache durch die Tür schlüpfen", wußte Aurora. Ihr Onkel Dustin hatte ihr genug von den Gesetzen des Geisterdaseins erzählt, um zu wissen, daß gute Geistersperren die einem Gespenst naturgemäße Telekinese unmöglich machte. Offenbar wirkten diese Sperrzauber auch bei dieser unheimlichsten aller Geistererscheinungen, die Aurora in ihrem kurzen Leben gesehen hatte. Dagegen war selbst der blutige Baron ein lustiger Zeitgenosse. Der blutige Baron! Das war die Geisterbraut des blutigen Barons! Das war diese Clytemnestra Hollingsworth!

"Petula soll ihr alle Türen aufmachen, bis sie frei nach Slytherin gehen kann", stellte Aurora verängstigt fest und hastete mit klammen Händen zur Tür hinaus. Der Wasserhahn ließ unbeeindruckt das wieder warm gewordene Wasser in einem silbrigen Strahl in das leere Waschbecken rauschen. Miriam eilte Aurora nach und holte sie keine zehn Schritte nach der Tür ein. Nun eher vor Angst und Aufregung bibbernd hetzten die beiden Mädchen durch einen Gang, der zum östlichen Treppenhaus führte. Zumindest würde an diesem Abend der Gang dahinführen, wußten sie.

"Die kommt nicht nach Slytherin hinein", keuchte Miriam, als sie endlich die Treppenflucht erreichten und sich auf die erste Stufe stellten. Kaum standen sie, kehrte der obere Treppenabsatz sich von dem direkt gegenüberliegenden Eingang weg und drehte sich völlig geräuschlos nach links, bis er vor einem anderen Ausgang verharrte.

"Verdammt, wir haben neun Uhr durch. Da dreht sich die Treppe doch immer mal anderswo hin", fauchte Aurora und stampfte auf die Marmorstufe. Doch als sie das tat, schüttelte sich die Treppe kräftig, hob sich wie ein erschrecktes Pferd nach oben und rastete beinahe senkrecht an der Wand über der Tür ein. Miriam und Aurora konnten sich im letzten Moment am Geländer festhalten, um nicht abgeworfen zu werden. Sie zogen sich mühsam die nun sehr steile Treppe nach oben bis zur Wand. Doch da war kein Durchkommen.

"Tja, das ist eben toll, wie die Treppe sich wehrt, wenn jemand auf ihr rumtrampelt", gluckste es schadenfroh unter den beiden Schülerinnen.

"Verdammt, Peeves!" Knurrte Miriam und mußte sich anstrengen, nicht den Halt auf der steilen Treppe zu verlieren.

"Na, was macht ihr denn da oben?" Trötete der Poltergeist von Hogwarts und schien wohl unter den beiden herumzutanzen.

"Petula ist von ihr entführt worden", sagte Miriam schnell. Ihr war egal, ob der Poltergeist das nun hören mußte oder nicht.

"Wer denn?" Flötete der allseits unbeliebte Unruhestifter der Schule.

"Mann, wer schon, du Chaosgeist. Diese Lady Clytemnestra ist hier!" Rief Miriam wütend.

"Juhuiiii!" Frohlockte der Poltergeist und sauste unüberhörbar davon.

"Miriam, mußte das jetzt wirklich sein?" Fauchte Aurora. "Der will doch haben, daß dieser Baron verschwindet und pfeift drauf, ob dabei die ganze Zaubererwelt vor die Hunde geht."

"Wir müssen wieder runterklettern, Aurora", meinte Miriam, als die verhexte Treppe mit leichtem Ruck wieder nach unten klappte, an der Tür vorbei und beinahe wieder senkrecht vor einer anderen Tür endete. Aurora und Miriam klammerten sich kopfüber hängend am Treppengeländer und fürchteten, mit den Köpfen aufzuschlagen. Doch weil sie bereits am Ende der Treppe hingen, konnten sie sich nach kurzem Schrecken vom Geländer lösen und durch die offene Tür hindurchkrabbeln wie Babys.

"Los, wo sind wir jetzt?" Fragte Aurora.

"Weiß ich jetzt nicht", zischte Miriam gereizt. Sie standen beide in einem Korridor, den sie noch nie betreten hatten. Bilder hingen an den Wänden, in denen altehrwürdige Personen beieinandersaßen. Dann sah Aurora einen Jungen auf einem Besen, der durch das Bild flog. Es war ein Quidditchspieler, wie er auf Bildern in Madame Hooches Büro zu sehen war. Er trug einen scharlachroten Gryffindor-Umhang und pfiff sich eins. Sie rief ihm zu, er möge ihr verraten, wo sie denn seien.

"Och, ihr seid im Korridor zum Geschichtsraum rausgekommen. Könnte sein, daß der alte Binns noch da arbeitet. Seit dem die Geistersperren da sind, geht er nicht mehr so frei im Schloß herum."

"Um die geht es. Diese Clytemnestra ist aufgetaucht", sagte Aurora dem gemalten Spieler. Dieser erschrak und fiel fast vom Besen. Dann meinte er:

"Oha, dann muß Dumbledore sofort alarmiert werden. Wie ist die denn reingekommen?"

"Durchs Mädchenklo im zweiten Stock", sagte Miriam kurz angebunden.

"Huch, wie Myrte. Oh, dann ist die durch das Abwasserrohr vom See aus ... ich schlag sofort Alarm!" Sprach's und sauste mit seinem Besen, einem Silberpfeil, wie Aurora erkannte, durch den rechten Bildrand davon.

"Ist dies auch wahr, Mädchen?" Fragte ein kraushaariger Zauberer in dunkelbraunem Umhang. Aurora und Miriam nickten.

"Dann müssen wir sofort handeln. Wenn Clytemnestra es schafft, ihren Verlobten zu finden und den fetten Mönch dazu bringt, sie beide zu verheiraten, wird sie sofort um ein vielfaches stärker werden. Kehrt am Besten in euer Haus zurück!"

"Die hat unsere Kameradin mitgenommen", sagte Aurora Sofort. Miriam fragte dann noch:

"Wo geht's hier nach Slytherin?"

"Keiner, der anständig aufgewachsen ist will da freiwillig hin", bemerkte der alte Zauberer mit feistem Grinsen. Er forderte noch einmal, daß Aurora und Miriam in ihr Haus zurückkehrten. Doch da war er an die zwei sturesten Mädchen der zweiten Klasse geraten. Sie wollten ihre Freundin nicht im Stich lassen. Denn jetzt fiel Aurora Dawn ein, daß sie ihre Geisterpfeife ja mithatte. Sie baumelte an einer Kette um ihren Hals. Konnte sie vielleicht doch damit was ausrichten?

"Nein, ich sage euch nicht, wo der Weg nach Slytherin führt. Da gehört ihr nicht hin", weigerte sich der Zauberer im Bild. Da trat Lady Medea zusammen mit einem Mädchen mit rotem Kopftuch ins Bild, schob den alten Zauberer zur Seite und sagte:

"Ist dies nun eingetreten, was wir wseit Monaten fürchten mußten. Gut, ich weise euch den Weg nach Slytherin", sagte sie und ging los, durch den rechten Bildrand. Aurora lief sofort los, zum nächsten Bild, durch das die in ein langes rotes Kleid gehüllte Hexenlady gerade hindurchschritt. Miriam folgte ihrer Klassenkameradin bis zu einem Abzweig. Sie konnten nach links oder rechts abbiegen. Lady Medea verschwand aus dem Bild und rief einige Meter weiter im linken Gang, die beiden Mädchen möchten nachkommen.

"Wir sollten einen Lehrer rufen", schlug Miriam unterwegs vor. Aurora nickte zwar, fragte aber dann, wie sie das machen sollten.

"Auch wieder richtig", sagte Miriam.

Unterwegs hörten sie Peeves Lied über den Baron, der bald von seinem Trhon fallen würde, wie auch Alarmrufe aus anderen Bildern. Hektisches Fußgetrappel klang über und unter den beiden Hexenmädchen auf, und Aurora konnte den Geist eines kahlköpfigen Mannes sehen, der mit hoher Geschwindigkeit aus einem Seitengang kam und vor ihnen davonhuschte. Sie hörten ihn über die Geistersperren fluchen, die ihn dazu zwangen, wie jeder Lebendige in den Korridoren zu bleiben.

In dem Korridor, der zur großen Marmortreppe zur Eingangshalle führte rannten drei Jungen die beiden Schülerinnen fast um. Es waren Sirius Black, James Potter und Plinius Porter, welcher einen merkwürdig bauchigen Gegenstand in einem weißen Tuch eingeschlagen mit sich trug. Sirius Black hielt seinen Zauberstab in der Hand und James Potter ein Büschel Kräuter.

"Heh, woher wohin?" Fragte James Potter.

"Die Geisterbraut, James. Sie ist im Mädchenklo im zweiten Stock aufgetaucht und hat sich Petula geschnappt, weil sie sonst nicht aus dem Raum gekommen wäre", warf Aurora dem Schulsprecher hin. Dieser zuckte die Achseln, nickte dann jedoch und fragte:

"Habt ihr sehen können, wo die hin ist?"

"Wahrscheinlich will sie nach Slytherin", vermutete Miriam.

"Und wieso hat die jemand vor Hufflepuff gesehen?" Fragte Sirius Black. "'n Kumpel von Jake Bernstein hat die da gesehen und gehört. Er meinte, eine irische Todesfee würde bei dem Lied grün vor Neid werden."

"Ach du meine Güte. Die will doch heiraten", erkannte Aurora. "Dann braucht die den dicken Mönch als geistlichen Zeremonienmeister."

"So verhält es sich, Jungfer", sagte Lady Medea aus einem Bild heraus, auf dem üblicherweise eine Gruppe Pfeife rauchender Hexenmeister zu sehen war. Diese standen nun gespannt um die Hexenlady herum.

"Wo ist denn der blutige Baron hin?" Fragte James Potter die gemalten Leute. Einer der Pfeifenraucher blies eine blaue Qualmwolke aus seiner langen Holzpfeife, die sich im Bildvordergrund zu einem großen Ring ausdehnte, der wiederrum den Schriftzug "im tiefsten Kerker" formierte.

"Eh, den Trick lerne ich aber auch noch", lachte Sirius Black. Der Zauberer, der diesen Qualmzauber vorgeführt hatte lachte ebenfalls.

"Unwichtiger Kleinkram", schnaubte Lady Medea und huschte nach links unten aus dem Bild.

"Mädels, ihr macht besser den schnellen Rückmarsch in euer Haus", schlug James Potter vor. Aurora und Miriam schüttelten die Köpfe und lehnten es ab. Als der Schulsprecher seine Rangstellung ins Spiel bringen wollte holte Aurora ihre Geisterpfeife hervor.

"Vielleicht können wir damit dieses Gespenst von Petula wegkriegen. Die ist gegen die geistereigene Bewegungsmagie gefeit. Wo ist Petula denn, wenn die Braut des blutigen Barons vor Hufflepuff war?"

"Oha, die Frage ist wohl berechtigt", stellte Plinius Porter fest.

"Die jüngere Jungfer Woodlane steht erstarrt vor Magistra Bitterlings Unterweisungskerker", wußte Lady Medea, die gerade in einem Bild neben der Treppe aufgetaucht war.

"Erstarrt? Verdammt, was für Dinger hat die drauf?" Entfuhr es Sirius.

"Mensch, Sirius, die Braut ist eine schwarze Hexe gewesen, sowas wie deine Mummy", stieß Plinius Porter aus. Sirius normalerweise blasses Gesicht errötete schlagartig.

"Muß das wirklich noch einen Monat vor Schulende rumgehen, Plinius?" Fragte James Potter verbittert. Dann sah er nach vorne und pfiff auf den Fingern. Remus Lupin kam um die Ecke gewetzt. Hinter ihm schnaufte der kleine Peter Pettigrew.

"Das Quartett ist komplett", kommentierte Plinius Porter und nahm Aurora und Miriam bei Seite.

"Dieser Geist hat euch in eisiger Starre gebannt, richtig?"

"Öhm, woher weiß'n du ...?" Wunderte sich Aurora.

"Meine Mutter ist Expertin für böse Zauberwesen und Geister dunkler Magier. Sie hat mir sofort nach meinem Kurzbericht eine Menge nützlicher Tips und Warnungen zurückgeschickt und dann noch das hier", sagte Plinius und klopfte leicht gegen das bauchige Etwas unter seinem linken Arm. Es klang metallisch und hohl. "Gut, daß dieses Biest jetzt erst aufgekreuzt ist. Dione wollte mich schon bei Dumbledore verpfeifen, weil ich in den letzten Wochen nur alte Gesänge geübt habe, um das hier richtig einzusetzen. Hoffentlich geht's damit."

"Was ist das denn?" Wollte Aurora wissen, während sie die breiten Treppenstufen hinunterhasteten.

"Das kennst du sowieso nicht, Aurora. Das stammt von einer ganz anderen Sorte Magie ab. Damit können Geisterbeschwörer des afrikanisch-karibischen Voodoo-Kultes umherirrende Seelen einfangen und festhalten. Ich hoffe nur, daß dieses Ding mich nicht hängen läßt", sagte Plinius bereitwillig.

Vor dem Kerker für Zaubertränke stand Petula wie eine Schaufensterpuppe so starr. Aurora Dawn eilte auf sie zu und wollte sie anfassen. Doch Plinius packte sie im Nacken und zerrte sie brutal zurück, daß sie fast hinten übergefallen wäre.

"Willst du an ihr hängenbleiben und genauso starr dastehen?" Fauchte er ziemlich entrüstet. "Der Bann der Seelenkälte hält sie in dieser Starre, ein ziemlich heftiger Fluch, den Nachtschatten und ähnliche dunkle Seelen besser bringen als lebendige Hexen und Zauberer."

"Mist, wie können wir die entfluchen?" Fragte Miriam, die von Sirius festgehalten wurde, weil sie auch versucht hatte, ihre Klassenkameradin anzufassen.

"Alraunentrunk!" Rief Aurora wie von der Bogensehne geschnellt.

"Hat den wer zufällig mit?" Fragte Sirius, der den Anschein erweckte, die Lage nicht sonderlich ernstzunehmen.

"Ich führe dieses Gebräu mit", sagte eine allen zu vertraute Stimme von hinten. Professor Bitterling eilte im mitternachtsblauen Umhang herbei. Hinter ihr keuchte Professor Dumbledore, dessen silberner Bart wild ausschlug wie das Pendel einer großen Uhr.

"Mr. Potter, wieso sind die minderjährigen Schülerinnen hier?" Fragte der Schulleiter, der unbändige Kraft und Entschlossenheit ausstrahlte.

"Das ist ihre Kameradin, Sir. Sie wollten partout nicht in ihr Haus zurück", warf James rasch eine Antwort hin und deutete auf Petula.

"Nun, offenkundig werden sie in ihr Haus zurückkehren, wenn ihre Kameradin wieder im Vollbesitz ihres freien Willens und ihrer Beweglichkeit ist", stellte Dumbledore ruhig fest. Aurora hatte erwartet, daß er sie mit aller Macht seiner Stellung hier nach Ravenclaw zurückschicken würde. Lady Medea, die in dem einzigen Bild vor dem Kerker auf einem von ihr selbst gezauberten Stuhl saß beobachtete das Treiben vor dem Kerker. Professor Bitterling holte eine große Glasflasche aus ihrem Umhang, zog mit einem lauten Plopp den Korken aus dem Hals und trat mit der leicht dampfenden Flüssigkeit auf Petula zu.

"Mir war bewußt, daß die nachlebendige Nachtfraktionärin Erstarrungsflüche und dergleichen beherrschen würde", sagte die Lehrerin, als sei sie gerade dabei, im Unterricht was vorzuführen. Dann schüttete sie einige Tropfen des Gebräus über Petulas strohblondes Haar. Es zischte und sprühte knisternde blaue Funken. Schlagartig verdampfte die Flüssigkeit restlos.

"Ui, der wirkt aber heftig", staunte Sirius Black. Professor Bitterling rümpfte die Nase und schüttete eine größere Menge des Trankes über Petula aus. Es zischte, blitzte blau und rot, dann gab es einen lauten Knall und einen Ruck, und Petulas vorhin so starrer Körper fiel schlaff wie ein nasser Sack hinten über. Sirius fing sie auf. Es dauerte zehn Sekunden, da bewegte sich Petula Woodlane.

"Wo bin ich?" Fragte sie mit schwacher Stimme.

"Sie sind vor meinem Zaubertrankkerker", sagte Professor Bitterling. "Wenn Sie sich wieder bewegen können, kehren Sie mit ihren Kameradinnen in Ihr Haus zurück, und zwar unverzüglich!" Befahl Professor Bitterling. Petula sah sich um und erkannte Miriam und Aurora. Sie lächelte ihnen zu. Aurora ging auf sie zu und ergriff ihre Hand.

"Am besten machen wir das so, wie Professor Bitterling sagt", wisperte sie.

"In Ordnung", sagte Petula. Aurora und Miriam nahmen ihre Kameradin in die Mitte. Da fiel Aurora Dawn ein, daß sie ja noch die Geisterpfeife hatte. Vielleicht sollte sie sie Dumbledore oder Professor Bitterling geben.

Peeves' Gesang kam von der Treppe her. "Hier kommt die Braut! Heut wird getraut!"

"Woher kennt dieser Banause den Hochzeitsmarsch von Richard Wagner?" Fragte sich Aurora Dawn, die dieses Lied von ihrer Tante mal von einer dieser schwarzen Tonabspielplatten vorgespielt bekommen hatte. Doch diese Frage wurde sofort unwichtig. Denn von der Treppe her kamen drei Geister angeschwebt. Die unheimliche Gespensterbraut überragte die beiden anderen Geister, den Hausgeist der Hufflepuffs und den der Slytherins und wirkte auch fester als die beiden anderen. Aurora erstarrte als sie erkannte, daß die Unheimliche in jeder ihrer perlweißen Hände hauchzarte Gebilde hielt, die an dunstartige Gestalten verkleinerter Menschen erinnerten. Als sie dann genauer hinsah, konnte sie erkennen, das es nicht irgendwelche Menschen waren, sondern Nachbildungen von Tonya Rattler und Melinda Bunton. Denn die eine dampfartige Form war rundlich und wirkte weich und propper, während das andere Gebilde einem Würfel mit Armen, Beinen und Kopf Ähnelte.

"Verdammt!" Fluchte Plinius Porter.

"Wie ihr sehen könnt, Magister Dumbledore, habe ich Unterpfänder, um von diesen beiden Nachlebendigen zu erheischen, was ich seit langer Zeit ersehne. Euch ist der Vacuanima-Fluch geläufig?" fFragte die Gespensterbraut, während sich vier Zauberstäbe gleichzeitig auf sie richteten.

"Zu gut", sagte Dumbledore ruhig. Aurora vermeinte eine gewisse Furcht herauszuhören. Doch rein äußerlich blieb er die Ruhe in Person. Sein purpurroter Umhang, sein silberweißes Haar und der bis zum Gürtel reichende Bart gaben ihm das Aussehen eines alten und weisen Königs, einer gelungenen Verschmelzung von Merlin, dem weisen Zauberer und seinem Schützling Arthus, dachte Aurora Dawn, bevor sie begriff, was das Gespenst im Brautkleid meinte.

"Es hat lange gedauert, bis ich endlich Einlaß in eure Mauern fand", sagte die Geisterbraut. "Die alten Wehrzauber sind wahrlich unüberwindlich. Doch ich erhielt durch lange Beobachtung Kunde, daß auf unterirdischem Wege in den großen See ein Durchlass durch die Schutzzauber möglich war. Ihr alter Erzfeind, der Emporkömmling, der sein Aussehen verschandelte, weil er meint, damit dem Tode zu trotzen, wies mir diesen Weg. Doch er wußte nicht, wie ich ihn finden konnte. Es war wahrlich ein dreckiges Unterfangen, durch den Abfluß einer Toilettenschüssel in den inneren Bereich von Hogwarts zu gelangen. Doch hier bin ich nun, und eure Geistersperrzauber haben mich nicht hindern können, hier und jetzt nachzuholen, worauf ich seit mehr als erträglich habe warten müssen."

Die rauchartigen Nachbildungen von Tonya und Melinda öffneten ihre Münder und schrien mit winzigen, wie aus weiter Ferne dringenden Stimmen um Hilfe. Da war es Aurora klar, daß Clytemnestras finsterer Geist die Seelen der beiden Mädchen aus den Körpern gerissen und wohl auf diese Größe eingeschrumpft hatte. Offenbar hatte ihr Geisterdasein wahrlich Tore zu ungeahnten dunklen Kräften geöffnet.

"Ihr wißt, daß wir dies nicht zulassen dürfen", sagte Dumbledore wieder ganz ruhig, jetzt, wo er wohl wußte, woran er war. Professor Bitterling nickte entschlossen.

"Wenn es gilt, euch davon abzubringen, uns zu unterjochen, Ms. Hollingsworth, so müssen wir die beiden Opfer bringen", sagte Professor Bitterling. Tonyas verkleinertes Sein rief laut:

"Nein, Professor. Bitte helfen Sie mir!"

"Wie reizend, eine Hexe, die keine Skrupel kennt", lachte Clytemnestra. Sie warf Tonyas verkleinerte Geisterform hoch in die Luft. Tonya drohte wie Rauch im Wind zu zerfließen und schrie mit immer schwächerer Stimme. Doch da griff die Gespensterfrau in die Luft und bekam den linken Fuß der Dunstgestalt zu fassen. Tonyas nebelhafte Miniversion bekam ihre vorherige Form zurück. Aurora hörte sie schluchzen.

"Aurora, gib mir deine Geisterpfeife!" Flüsterte Plinius Porter von hinten. Aurora löste die Halskette langsam, während Dumbledore weiter auf Clytemnestra einsprach.

"Was tut sie da?" Fragte die Geisterbraut unvermittelt und warf Melinda Buntons nebelhafte Miniatur, ihre gefangene Seele, in ihre linke Hand. Dann streckte sie den rechten Arm aus, der lang und länger, dünner und durchscheinender wurde.

"Zurück!" Rief James Potter Aurora zu. Die sprang jedoch schon zurück, obwohl ein eisiger Hauch ihr entgegenwehte, der sie zu lähmen drohte.

"Larvacaptus!" Rief Dumbledore mit auf den immer länger werdenden Geisterarm deutend. Ein orangeroter Blitz krachte aus dem Stab und traf den Gespensterarm, der mit einem Schlag auf die ursprüngliche Länge zurückschrumpfte. Ein orangerotes Feuer brannte im ätherischen Leib der dunklen Braut des blutigen Barons, der wie ein schwächliches Spiegelbild im Korridor schwebte und angstvoll umherblickte.

"Das büßt Ihr Mir!" Stieß die Braut des Barons aus, während sie unter orangen Funken heftig gerüttelt und geschüttelt wurde. Sie flackerte wie eine Fackel im Sturm. Dann krachte es laut, und sie war verschwunden. Die beiden Gebilde, die wohl Tonyas und Melindas seelen darstellten, trieben in der Luft. Professor Bitterling und der Schuldirektor riefen rasch Zauberworte aus, bevor die beiden Rauchgebilde zerflossen. Es krachte zweimal laut. Dann waren die beiden verschwunden. Doch eine Sekunde später ertönte ein lauter Schrei. Dann schwebte eine perlweiße, durchsichtige Erscheinung im Raum, die wie Melinda Bunton aussah.

"O nein, sie hat unseren Zauber vorhergesehen und eine Rückzugsmöglichkeit geschaffen", erkannte Dumbledore.

"Dieses Biest!" Fluchte Plinius Porter. "Jetzt kann sie frei im Schloß herumlaufen."

"Was heißt das?" Fragte Miriam Swann.

"Sie hat Melindas Körper übernommen", sagte Aurora Dawn, die verstand, was die Geistererscheinung bedeutete. Der blutige Baron schien aus einer Starre zu erwachen, blickte sich um und raste davon.

"Immerhin haben wir Tonya Rattlers Seele in den angestammten Körper zurückbringen können", stellte Dumbledore fest. "Das dunkle Band, daß sie zwischen ihrer Seele und dem Baron geknüpft hat ist wieder gerissen, daß der Baron aus dem Bann befreit wurde", erklärte er noch.

"Das heißt, Melindas Körper ist jetzt von dieser Höllenbraut besetzt?" Wollte Petula wissen, der das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand.

"Nicht mehr lange", tröstete sie Dumbledore und ging zu dem Bild, wo Lady Medea noch auf ihrem Stuhl saß.

"Mylady, bitte lassen Sie nach der Schülerin Melinda Bunton suchen!" Beauftragte der Schulleiter die Hexenlady. Diese gehorchte ohne jedes weitere Wort. Sie stand auf, legte ihre Hände an die Stirn und schien über irgendwas nachzudenken. Dann verließ sie das Bild und verschwand.

"Das hätte nicht passieren dürfen", schnaubte Professor Bitterling. "Wir hätten ihr nicht die Zeit lassen dürfen, diesen Zauber zu wirken."

"Sie ist zu stark, sie ist zu schlau. Das was sie will kriegt sie genau!" Trällerte Peeves, der unsichtbar in der Nähe herumspukte. Remus Lupin und Peter Pettigrew sahen James an, der ihnen zunickte. Sie liefen los und rissen ihre Zauberstäbe heraus. Keinen Moment später hörte Aurora, wie sie Peeves mit Zauberflüchen bombardierten."

"Die sollen den zurücktreiben und bloß von uns abhalten. Nachher meint der noch, der gespenstischen Lady helfen zu müssen", raunte James Potter. Plinius Porter nickte.

"Was ist mit Melindas Geist?" Fragte Aurora Dawn.

"Sie ist solange untätig, solange ihr Körper noch lebt. Ob sie danach ein Geist bleibt oder aus der Welt verschwindet ist fraglich", erwiderte die Lehrerin.

"Das sagen Sie so einfach?!" Empörte sich Miriam Swann. Plinius legte ihr die rechte Hand auf die Schulter und machte Schschsch.

"Habe ich das richtig verstanden, daß der Geist des dicken Mönchs durch den Bann, mit dem Clytemnestra Melinda gefangen hat auch gebannt ist?" Wollte Aurora Dawn wissen.

"Genau so ist es", sagte Plinius Porter. "Sie konnte die beiden Geister nur unter ihren Willen zwingen, wenn sie zwei Seelen lebendiger Gesinnungsgeschwister in ihre Gewalt bringen konnte. Über die Jahrhunderte wirkt die Magie der Gemeinschaftlichkeit zwischen Geistern und Lebendigen", sagte Plinius Porter. Professor Dumbledore kehrte zurück. Offenbar war er erfolgreich.

"Melinda Buntons Körper wurde gefunden. Mr. Cale hat sie von der Aura des Hochzeitskleides umgeben aus Hufflepuff hinauseilen sehen. Über ein Bild dort hat er Lady Medea informiert. Ah, da ist sie ja auch zurück."

Lady Medeas gemaltes Ich erschien wieder im einzigen Bild vor dem Zaubertrankkerker.

"Sie eilt hierher zurück. Wenn sie den lebendigen Leib der Jungfer Bunton als Unterpfand mitbringt wird ihr nicht beizukommen sein, ohne die Jungfer Melinda zu verletzen. Wahrlich eine würdige Nachfolgerin", berichtete Lady Medea.

"Nachfolgerin?" Fragte Petula. Doch dann begriff sie es wohl auch, wie Aurora, Miriam, die Jungen der siebten Klasse und die beiden Lehrer.

"Hmm, würde der Zauber gebrochen, wenn es gelingt, einen der gebannten Geister zur Bewegung zu zwingen?" Fragte Plinius Porter. Dumbledore runzelte die Stirn, während Professor Bitterling den Kopf wiegte.

"Das wäre die einzige Möglichkeit, den dunklen Halt zwischen den drei Geistwesen zu beenden. Immerhin entkam der blutige Baron, weil es gelang, die Schülerin aus seinem Haus in ihren Körper zurückzuschicken."

"Die verstoßene Braut ist bereits im vorletzten Korridor!" Meldete Lady Medea. Aurora fragte sich, woher die dunkle Lady, die ihr vor den Osterferien heftig zugesetzt hatte das wissen wollte.

"Aurora, deine Pfeife. Blas den Herrufton, schnell!" Rief Plinius Porter. Aurora begriff zwar nicht sofort, wozu das gut sein sollte. Doch als sie ihre Geisterpfeife hervorholte und hineinblies, einen sanften Ton haltend, den außer einem Geist wohl keiner hören konnte, leuchtete es ihr ein. Gelang es, auch nur den dicken Mönch dazu zu bringen, dem Lockruf der Pfeife zu folgen, würde der Bann von ihm abfallen und dann auch von Melindas ausgesperrtem Geist.

Bange Sekunden verstrichen, während derer Dumbledore und Bitterling genau aufpaßten, ob ein untersetztes Mädchen von einer dunstigweißen Aura umweht den Korridor entlanglaufen würde. Dann sah sie, wie Melindas Geistform sich regte, langsam und träge auf sie zuschwebte. Zoll für Zoll taumelte der ausgesperrte Geist der Klassenkameradin auf sie zu, doch mit jeder Sekunde, die der für die Ohren Lebender unhörbare Ton klang schneller vorankommend. Dann blitzte es blau zwischen Melindas Geist und dem des dicken Mönches, der bis dahin teilnahmslos einen Meter über dem Steinfußboden geschwebt hatte. Dann hörte Aurora einen lauten Schrei aus Melindas durchsichtigem Mund, bevor sie einfach nicht mehr da war. Der dicke Mönch schien aus einem abgrundtiefen Schlaf aufzuwachen. Als er merkte, was geschehen war, verzog er sein perlweißes Mondgesicht zu einer entsetzten Fratze. Doch dann erkannte er wohl seine Chance. Er sprang förmlich nach oben und prallte gegen die Decke. Auch hier wirkte eine Geistersperre.

"In den Kerker!" Befahl Professor Bitterling. Dumbledore nickte heftig. Aurora konnte hinter den halbmondförmigen Brillengläsern ein höchsterfreutes Aufblitzen der stahlblauen Augen sehen, bevor die Zaubertranklehrerin sie und alle anderen in ihren Unterrichtsraum shubste und die Tür zuschlug.

"Natürlich. Die Geistersperre", erkannte der dicke Mönch und hielt sich den durchsichtigen Kopf. "Was ist denn geschehen?"

"Clytemnestra ist aufgetaucht und hat euch in ihren Bann gezogen, Bruder", informierte Plinius Porter den Geist von Hufflepuff.

"Vermaledeit seid ihr alle!" Schrie es vom Korridor her. Clytemnestra war offenbar wieder da.

"Ist melinda nun frei?" Fragte Aurora.

"Dein Pfeifen hat sie aus dem Bann gelöst, weil der Ton die im Moment überlagernde Magie gewesen war", flüsterte Plinius. Dann sah er James an und bedeutete ihm, sich fertig zu machen.

"Jetzt werden wir Moms Plan umsetzen. Clytemnestra hat ihre Unterpfänder verloren und ist nun angreifbar. James, Sirius und ich gehen raus."

"Alles klar", bestätigten der Schulsprecher und sein bester Freund. Offenbar hatte Plinius mit ihnen was abgesprochen, und die beiden sonst so ungestümen Burschen aus Gryffindor hatten ihn für diese Sache als Anführer angenommen.

James öffnete die Tür, gerade als Dumbledore und Bitterling gemeinsam einen Zauberspruch ausriefen. Doch schlagartig verstummten die beiden. Offenbar hatte sie der Geist der verratenen Braut unterbrochen. Denn sie lachte laut und böse.

"Ihr seid beide für euch mächtig. Aber den Fluch der gefrorenen Seelen könnt auch ihr nicht ohne lange Vorbereitung abwehren. Jetzt hole ich mir den feisten Klosterbruder und dann meinen wortbrüchigen Verlobten zurück."

"Verdammt, die hat den Kälteschock benutzt", zischte Plinius Porter. James Potter verstand. Er hielt seinen Zauberstab an das Büschel Kräuter und sagte leise "Incendio!" Eine winzige Flamme sprang auf ein Büschel der Kräuter über, die Aurora jetzt als wilden Salbei erkannte. Da fiel ihr noch etwas ein, was sie in einem Kräuterkundebuch gelesen hatte. Wilder Salbei, beträufelt mit dem Saft der Mitternachtswurz, zusammen mit getrocknetem Geisterampfer setzte bei Verbrennung einen weißen Rauch frei, den alle körperlosen Wesen flohen, weil er sie durchdrang und fesselte.

"Friss deine eigene Medizin, Nebelbraut!" Knurrte Sirius Black, der mit einem Wink des Zauberstabes die Tür aufspringen ließ. Sofort schlug den Schülern eisige Luft entgegen.

"Wie bei diesem Dementor, den uns die Bitterling vor einem Jahr vorgeführt hat", bibberte Sirius.

Clytemnestras Geist ragte wie ein unwirkliches Standbild über Bitterlings und Dumbledores erstarrte Körper und grinste. Doch als der weiße Rauch zur Tür hinauswehte erschrak sie.

"Ihr Bastarde!" Rief sie und wich vor dem magischen Qualm zurück. "Ich werde euch gleich lehren, meinen Weg zu verstellen!" Sie ballte die rechte Hand zur Faust und schlug mit brachialer Gewalt in die weißen Schwaden hinein. Es krachte, als habe sie gegen eine Betonwand gehauen. Der Rauch wirbelte zur Seite. "Meine Magie ist zu mächtig auch und gerade nach meinem Tode, ihr kleinen Lehrbuben!" Frohlockte sie. Dann trieb sie mit weiteren Schlägen den weißen Rauch zur Seite. Sie schoss auf den Kerker zu. James ließ das Kräuterbündel in seiner Hand lichterloh entflammen. Das zwang die verratene Braut des Barons zurück, denn die weiße Qualmwand war zu dicht, um sie mit ihren feinstofflichen Händen zu zertrümmern.

"Aurora!" Rief Plinius. Doch Aurora schaltete bereits. Sie blies den Anlockton auf ihrer Geisterpfeife. Sie zwang sich, nicht zu hektisch zu atmen, nicht zu sehr aufgeregt zu sein.

"Was fällt euch ein?!" Rief Clytemnestra, als müsse sie gegen eine übermächtige Müdigkeit ankämpfen. Dann knisterte es. Aurora Dawn konnte deutlich erkennen, wie der böse Geist in die dichten Schwaden taumelte und dort wie festgemauert stecken blieb.

"Das Kraut ist gleich bis auf deine Finger runter, James!" Warnte Sirius seinen Freund, während Aurora den Anlockton wieder und wieder blies, den außer dem dicken Mönch, der von hinten auf sie zutrieb keiner hörte. Clytemnestra bblieb wie festgebacken im Rauch stecken. Die Magie der Pfeife zwang sie, genau in den Rauch hineinzuschweben und hielt sie nun fest. Aurora spürte, wie ein eiskalter Schauer von hinten ihren Rücken traf. Der dicke Mönch, im Banne der Geisterpfeife gefangen, war keinen Zoll hinter ihr. Da schlug Plinius Porter das Tuch von seinem geheimnisvollen Mitbringsel, einem kugelbäuchigen Kessel aus versilbertem Metall. Gleichzeitig stimmte er einen kehligen, in der Tonhöhe schwankenden Gesang an, wobei er mit der freien Hand über den Kessel streichelte, der merkwürdig unter dem Klang der Töne vibrierte.

"James, wirf deas Grünzeug weg!" Rief Sirius. James Potter schleuderte das brennende Krautbündel nach vorne genau unter Clytemnestra. In wenigen Sekunden würde es vollständig verbrannt sein, und sein Rauch würde kurz darauf verfliegen und den gefangenen Geist freigeben.

"Was passiert jetzt?" Wollte Petula von Miriam wissen.

"Hoffentlich was gutes", flüsterte Miriam ängstlich.

Plinius sang immer lauter und nun immer sicherer. Der Kessel in seinen Händen nahm die Töne auf und schwang mit ihnen im Gleichklang. Aurora vermeinte, es hallend aus dem Inneren des Kessels zu hören, was Plinius Porter sang. Er sah sie kurz an, deutete auf die Geisterpfeife und schüttelte den Kopf. Aurora verstand wieder ohne weitere Erklärung. Sie ließ die Geisterpfeife in ihrem Umhang verschwinden, während Plinius weitersang. Der dicke Mönch löste sich aus dem Bann der Pfeife und lauschte dem Gesang, der auf ihn wie ein Betäubungsmittel wirkte. Aurora hörte zwischen den ihr unverständlichen Lauten den Namen Clytemnestra Hollingsworth heraus, unterschiedlich betont zwar, aber deutlich genug. Als der Geisterverdrängungsrauch sich verflüchtigte, erkannte die dunkle Geisterbraut, was da mit ihr geschah und versuchte, mit einem Kältebann den Zaubergesang abzuwürgen. Dies gelang auch bei Aurora, Miriam, Petula, James und Sirius. Doch Plinius sang weiter. Der Kessel in seinen Händen glühte jetzt bläulich auf, verbrannte ihm aber nicht die Finger. Eher legte sich eine dunstige Aura aus himmelblauem Licht um Plinius, der sang und sang. Clytemnestra murmelte irgendwelche Formeln. Dabei schrumpfte sie vorübergehend ein und wurde pechschwarz. Aurora hatte schon von Nachtschatten gehört, finsteren Seelen finsterer Zauberer, die nicht als übliche Gespenster erschienen, sondern als Schatten ihrer früheren Daseinsform. Offenbar wollte Clytemnestra einer werden. Doch schlagartig wurde sie wieder die über zwei Meter große Erscheinung, die Aurora Dawn wohl in ihren Träumen verfolgen würde, wenn sie das hier überlebte.

"Gib es auf, Bursche!" Schrie die verstoßene Braut des blutigen Barons. Doch Plinius gab es nicht auf. Er erhöhte die Tonhöhe ein wenig. Da glomm ein purpurrotes Licht aus dem Kessel. Es beschien die Geisterbraut, die noch einmal versuchte, eine mächtige Magie dagegen zu verwenden. Dies gelang ihr beinahe. Denn ein silberner Blitz sprang von ihr zum Kessel über und hätte ihn Plinius fast aus der Hand geschlagen. Doch dann wurde Clytemnestra Hollingsworth gänzlich im roten Schein aus dem Kessel gebadet und wie an tausenden haarfeiner Fäden gezogen auf den Kessel zugetrieben. Wieder sang Plinius die Formeln, in denen ihr Name vorkam, und mit einem wilden Aufschrei stürzte die Geisterbraut in den bauchigen Behälter, wobei sie zu einer dichten, weißen Substanz, nicht Luft nicht Wasser verdichtet wurde. Plinius, dessen Hände vom langen Halten des Kessels zitterten, schaffte es noch, den Deckel aufzusetzen und mit einem massiven Stahlbügel am Rand zu befestigen. Dabei sang er noch einmal eine Formel, in der Clytemnestras Name erklang. Der Kessel leuchtete jetzt außen so wie vorher innen. Aurora konnte deutlich das Gesicht einer Frau mit langem Haar im glühenden Kessel sehen. Plinius ließ das bezauberte Ding zu Boden fallen, wo es scheppernd aus dem Kerker hinauskullerte.

Die Kälte wich schlagartig, als Plinius den Kessel verschlossen hatte. Aurora und die anderen kamen aus der magischen Kältestarre frei. Sirius trat zu Plinius und klopfte ihm auf die Schultern.

"An dir ist wirklich ein Geisterbeschwörer verlorengegangen. Doch keine Lust in die Abteilung für Exorzismus zu gehen, wenn der UTZ stimmt?"

"Nein, Sirius. Das könnt ihr vergessen. Das war das schlimmste, was ich je habe machen müssen. Dieses Weib hat mir böse Traumbilder ins Gehirn gespült, das glaubt ihr nicht", keuchte Plinius.

"Deine Hände sind leicht angesengt", sagte James Potter und prüfte auch seine eigenen Finger, die zwar leicht rußig waren aber nicht verbrannt.

"Das ist die Kraft von ihr. Wenn der Kessel nicht bald kühlgestelllt wird, verglüht er und läßt dieses Biest wieder raus", keuchte Plinius und deutete mit leicht angesengten Fingerspitzen auf den glühenden Kessel. Aurora konnte das Gesicht einer Frau darin schimmern sehen und hörte metallisch klingend die Stimme Clytemnestras:

"Ihr habt mich in diesen Kerker gezwungen. Doch ich werde ihm rasch wieder entschlüpfen. Das werdet ihr mir alle büßen, euch wider mich und meine Pläne gestellt zu haben."

"Denke ich nicht", sagte Professor Dumbledore. Denn auch er war wieder frei und sah den immer heller glühenden Kessel an.

"Ein afrikanischer Seelenkessel. Diese Artefakte stehen auf der Liste nicht exportierbarer Zaubergegenstände, weil man all zu leicht mit ihnen Unfug anstellen kann."

"Es war die einzige Chance, die dunkle Braut zu bannen, Sir. Aber wir müssen den Kessel kühlen, damit er nicht verglüht", sagte Plinius.

"Ich entfahre gleich wieder!" Rief Clytemnestras metallische Stimme. Doch Professor Bitterling ließ bereits einen dicken Wasserstrahl aus ihrem Zauberstab schießen, der den Kessel in eine Wolke aus Dampf und Sprühnebel einhüllte. Die Glut ließ etwas nach.

"James, lauf schnell zu Professor McGonagall. Sage ihr, wir hätten den Geist gebannt und müßten ihn rasch aus dem Schloß haben!" Befahl Dumbledore. James Potter nickte und wetzte los.

"Ich hätte diesen verdammten Seelenkältebann doch abwehren müssen", schimpfte Professor Bitterling, während sie den Seelenkessel unter Wasser hielt.

"Euch wird die Kraft eher schwinden als mir", lachte der gefangene Geist siegessicher. "Ihr vermögt meinen Kerker nur für eine gewisse Weile zu netzen. Doch ich werde nicht lange brauchen, um ihn zu sprengen. Dann gnade euch jede Gottheit, die euch sonst so wohlgesinnt war."

Professor Flitwick, Professor Sprout und Professor McGonagall eilten herbei, keine Minute nach James' Abrücken. Flitwick unterstützte Professor Bitterling beim Kühlhalten des Kessels, was von dem darin gefangenen Geist mit wüsten Beschimpfungen bedacht wurde. Dann meinte Dumbledore:

"Ihr alle hier sofort in die Häuser! Was ist mit Ms. Bunton?"

"Sie ist bei Madame Pomfrey, wie auch Ms. Tonya Rattler. Offenbar haben sie das Bewußtsein verloren", erwiderte Professor Sprout. Dumbledore nickte und sagte erleichtert.

"So, und ihr nun alle husch zurück in eure Häuser! morgen früh kommt ihr alle zu mir ins Büro!"

"Zu Befehl, Professor Dumbledore", willigten Plinius, Sirius und die anderen ein. Dann liefen sie los, zurück in ihre zugewiesenen Schulhäuser.

Dina war noch im Gemeinschaftsraum zusammen mit Roy, Bruster und Mortimer. Aurora, Petula und Miriam setzten sich zu ihnen. Kaum hatten sie Platz genommen, tauchte Lady Medea im Bild von Auroras Urahn über dem Kamin auf und lächelte in die Runde.

"Die Bedrohung ist getilgt. Der Kessel wird in einen Block aus ewigem Eis in der Abteilung für magische Mysterien verwahrt. Vielleicht ergründen sie dort auch, ob sie die mächtige Clytemnestra endgültig aus der Welt schaffen können."

"Was für'n Kessel?" Fragte Roy. Aurora und Miriam mußten die ganze Geschichte erzählen. Erst glaubte ihnen keiner. Doch weil Plinius am Nebentisch mit Dione und Nathan sprach und da ähnliche Sätze fielen, mußten die Klassenkameraden von Aurora Dawn einsehen, daß die Geschichte wohl stimmte.

"Es ist heftig, daß sie so mächtig war, den Kessel zum glühen zu bringen", sagte Plinius zu Aurora und Miriam. "Das darf nämlich nicht passieren. Habt ihr auch ihr Gesicht im Kessel sehen können?" Aurora, Petula und Miriam nickten bestätigend. "Das muß ich meiner Mutter unbedingt erzählen. Die meinte nämlich, daß dieser Kessel zwanzig freie Seelen einfangen könne. Die wären aber nicht zu sehen und könnten auch nicht wieder entweichen, bis ein Befreiungsritual ausgeführt würde. Die alte Lady hatte eine ungeahnte Kraft."

"Will ich meinen, wenn sie Dumbledore und Bitterling auf einen Schlag kaltstellen konnte", wandte Roy Fielding ein.

"Nun, der Schuldirektor hatte bestimmt Vorkehrungen getroffen, dem Bann zu entrinnen. Er wollte es halt nicht", sagte Nathan.

"Na klar, weil Dumbledore sowas nicht passieren kann, wenn er es nicht will, passiert es ihm eben, weil er es will?" Wunderte sich Plinius.

"So ähnlich, Plinius. Oder denkst du, der schlaue Fuchs hätte nicht mitbekommen, was James und du in den Händen hattet. Der hat nur so getan, als ob er von dem Bann betroffen wurde, damit ihr in Ruhe den Einkerkerungsfluch wirken konntet."

"Das setzt voraus, daß Dumbledore gewußt hat, was ich vorhatte, Nathan. Er hätte ja meine Gedanken lesen müssen, und das habe ich ihm vergellt."

"Ach ja, du hast ja Aussichten auf den Ohne-Gleichen-UTZ in Verteidigung gegen die dunklen Künste", trällerte Dione Craft leicht gehässig, lächelte dabei aber anerkennend.

"Schade, daß man diesen Voldemort nicht auf ähnliche Weise eintopfen kann", grummelte Roy. Alle im Raum zuckten zusammen. Doch dann meinte Plinius:

"Der wird wohl erfahren, daß seine gespenstische Verbündete verloren hat und sich ärgern, überhaupt auf die gesetzt zu haben. Ich denke mal, er kann froh sein, wenn er nicht von Clytemnestras Rache getroffen wird. Ich hoffe, sie können sie irgendwie völlig verschwinden lassen. Wenn die wieder freikommt kriegen wir heftigen Ärger", sagte Plinius noch und wirkte dabei nicht mehr so selbstsicher wie noch vor einer Stunde.

Aurora Dawn überlegte derweil, was sie mit dem, was sie heute erlebt hatte anfangen mußte. Sie hatte Begriffe gehört, die ihr noch fremd waren, wie "Nachtfraktionärin" und "Lady Medeas Nachfolgerin". Außerdem fragte sie sich, was mit dem blutigen Baron passierte, wenn man den Geist seiner verstoßenen Braut wirklich ganz und gar verschwinden lassen konnte. Was würde dann aus Slytherin, aus Hogwarts?

"Leute, ich sage es nur ungern, aber für die kleineren von euch ist jetzt Schlafenszeit!" Sagte Amalia Hopfkirch und scheuchte die Schüler der ersten drei Klassen in die Schlafsäle.

Im Bett lag Aurora noch einige Minuten wach. ihr gingen Clytemnestras Worte nicht aus dem Kopf. Alle, die sich ihr in den Weg gestellt hatten solten es büßen. Das hieß auch, daß Aurora eine echte Feindin haben würde, wenn der Kessel den bösen Geist nicht festhalten konnte.

Bleierne Müdigkeit legte sich auf das Hexenmädchen und trug sie hinüber in tiefen Schlaf.

__________

Am nächsten Morgen fanden sich alle in Dumbledores Büro, einem runden Raum an der Spitze eines Turmes ein. Der Schulleiter verlas laut ein Schreiben von Ministerin Bagnold, die den beteiligten Schülern sehr dafür dankte, daß sie die Bedrohung aus der Welt geschafft hatten und jeder Familie eines beteiligten Schülers eine größere Summe ins Gringotts-Verließ gelegt werden würde. Danach meinte Dumbledore:

"Nun, was die Punkte angeht. So waren an der Aktion vier Ravenclaws und zwei Gryffindors beteiligt. Ich messe für Ms. Dawn und Mr. Porter jeweils fünfzig Punkte für Ravenclaw zu, für Mr. Potter und Mr. Black je fünfzig Punkte für Gryffindor. Ms. Swann und Ms. Woodlane erhalten je zwanzig Punkte wegen Tapferkeit und Beharrlichkeit für Ravenclaw. Somit entfallen zusammen einhundert Punkte auf Gryffindor und einhundertvierzig Punkte auf Ravenclaw. Ich hoffe, damit sind alle Anwesenden hier einverstanden."

Mit allen Anwesenden waren die vier Hausvorsteher von Hogwarts gemeint. Diese nickten eifrig und sagten, daß sie mit dieser Bewertung keine Probleme hatten, selbst wenn Professor Sprout und Professor Bitterling den so gewachsenen Vorsprung der Häuser Gryffindor und Ravenclaw nicht ohne Wimpernzucken hinnahmen. Doch der böse Geist war gebannt worden und wurde, so wußten sie es von Bagnold, von der Mysteriumsabteilung streng in magischen Fesseln gehalten. Plinius grinste wohlwollend. Dumbledore meinte noch:

"Eigentlich müßte ich Mr. Porters fünfzig Punkte wieder aberkennen, weil er diesen Seelenkessel ohne Zustimmung in Besitz hatte und auch nicht so sicher war, ihn im Ernstfall richtig anwenden zu können. Ich habe jedoch darauf verzichtet, weil ohne dieses Zauberding die Braut des Barons nicht hätte besiegt werden können."

"Tja, eigentlich hätten wir Sie auch der Schule verweisen müssen", fügte Professor McGonagall dem hinzu, wobei ihre quadratischen Brillengläser auf Plinius Porter gerichtet waren.

"Nun denn. Die Geistersperren können nun wieder entfernt werden. Unsere Hausgeister werden es uns danken", lächelte Dumbledore und entließ die Schüler aus seinem Büro. Aurora und Miriam blieben jedoch für eine Minute vor dem prächtigen Vogel auf der Stange stehen und betrachteten ihn lange. Dumbledore lächelte und sagte:

"Das ist Fawkes, mein getreuer Freund und Helfer."

"Ein schöner Vogel", sagte Aurora. "Ist es wahr, daß seine Tränen alle Verletzungen und Vergiftungen heilen können?"

"Ja, aber nur, wenn er von sich aus Tränen vergießt", erläuterte Dumbledore. "Allerdings kann man, wenn man einen Phönix dazu ermuntern kann, Tränen zu vergießen, mächtige Heil- und Schutztränke anrühren. Aber das werdet ihr wohl nur lernen, wenn ihr auch nach dem ZAG Zaubertränke beibehaltet."

"Das wäre zumindest ein Anreiz", sagte Aurora Dawn. Professor Bitterling lächelte.

"Ich gehe davon aus, daß Sie und Ms. Murphy in der Endprüfung wieder zu den Besten meiner Zaubertrankklasse zählen. Aber ob ich noch so lange hierbleibe, bis Sie in die UTZ-Klassen kommen, muß ich mir ernsthaft überlegen."

Aurora witterte eine Falle. Offenbar wollte die Lehrerin, daß sie fragte, warum sie den Unterricht nicht noch die anstehenden fünf Jahre machen wollte. Doch Aurora wollte nicht darauf eingehen. So verabschiedete sie sich zusammen mit Miriam von Professor Dumbledore und stieg die lange Wendeltreppe wieder hinunter, verließ den Trakt des Schulleiters und ging zum Ravenclaw-Gemeinschaftsraum zurück.

___________

Aurora fragte sich bei den Prüfungen, ob sie mit Absicht so schwer gemacht worden waren. Denn jeder Lehrer oder jede Lehrerin wollte sie an die Grenzen des Machbaren heranführen. So unterschied sie sich nicht von Bruster und Roy. Bruster, der durch eifriges Lernen und Arbeiten in der Freizeit, bei denen ihm die Ausflüge mit Hagrid, dem Wildhüter über die Ländereien am besten gefallen hatten, hatte seinen unnötigen Punkteverlust mehr als wieder wettmachen können. Am Ende des Schuljahres waren alle sichtlich geschafft. Vor allem die Siebtklässler waren irgendwie merkwürdig drauf. Einerseits freuten sie sich, daß sie es nun hinter sich hatten. Andererseits war Hogwarts für sie eine Heimat geworden, die sie nun verlassen mußten. So erklärte es zumindest Nathan Mentry, der nach den Prüfungen eine kurze Abschiedsansprache hielt, um sich bei allen zu bedanken, die ihm das Amt des Vertrauensschülers erleichtert hatten. Dione und Plinius hatten jedem der es hören wollte verkündet, daß sie wohl in einem Jahr heiraten würden, weil Dione zunächst sicheren Halt im Berufsleben finden wollte und Plinius verschiedene Angebote prüfte, von denen einige ihn nach Amerika führen würden.

In der letzten Woche vor den Ferien hörte Aurora Dawn am frühen Dienstagmorgen aus dem Jungentrakt fröhlichen Gesang klingen. Sie lauschte und grinste. Roy und Bruster sangen zusammen eine Lobeshymne auf Liverpool.

"hip hip Hurra!
Jetzt ist es endlich klar.
England hat einen neuen Meister.
FC Liverpool soheißt er."

"Sag mal, was ist denn mit Bruster los?" Fragte Aurora Petula, die wie sie da stand und lauschte.

"Pack schlägt sich. Pack verträgt sich, Aurora. Das ist wie bei der Quidditchliga. Da können die Fans einer rivalisierenden Mannschaft auch mitsingen, wenn die Sache längst entschieden ist. Flucht nach vorne."

"Denke eher, daß Bruster sich nicht noch kurz vor den Ferien den Rauswurf einhandeln will oder 'ne Wette verloren hat", vermutete Aurora Dawn amüsiert grinsend. Petula nickte. Natürlich war das eher so als anders.

Am letzten Schultag hielt Dumbledore noch einmal eine ergreifende Rede zum verstrichenen Schuljahr. Er wies alle darauf hin, daß sie trotz der dunklen Bedrohung durch den bösen Hexer Voldemort nicht den Mut verlieren dürften und führte an, wieso das stimmte. Denn durch gemeinsame Aktionen war es bisher immer wieder gelungen, die Ausdehnung von Voldemorts Macht zu behindern, ja auch das Auftauchen der verratenen Braut des blutigen Barons hatte gezeigt, wie wichtig Mut, Zusammenhalt und Hoffnung waren, um düstere Bedrohungen zu meistern. Anschließend verkündete er die Punktestände.

"Nun, dieses Jahr war es doch noch einmal richtig spannend, muß ich feststellen", begann er. Über dem Lehrertisch war noch keine Dekoration zu sehen. Die Slytherins, allen voran dieser schleimige Severus Snape, grinsten sich eins. Sie gingen davon aus, daß sie dieses Jahr den Pokal holen mußten. "Für Hufflepuff waren es in diesem Jahr insgesamt dreihundert Punkte." Die Hufflepuffs klatschten. So hohe Punktestände waren ihnen nicht allzu häufig beschieden. "Slytherin konnte mit dreihundertundvierzig Punkten einen nicht zu verachtenden Jahreserfolg verbuchen." Am Slytherin-Tisch erhob sich ein Murren. Doch als Dumbledore einmal in die Hände klatschte schwiegen sie. "Ravenclaw hat sich in diesem Jahr wahrlich spannend präsentiert. Sie haben sich in einer Zeit sehr gut, dann wieder sehr schlecht und am Jahresende wieder sehr gut behauptet. Vierhundert Punkte genau bringen dem Haus dieses Jahr einen passablen zweiten Platz ein. Jedoch hat nur ein Hauch gefehlt, und Ravenclaw hätte den ersten Platz noch ergattert. Denn Gryffindor ..." Am Gryffindor-Tisch wurde schon wild applaudiert. Dumbledore wartete einige Sekunden. Dann fuhr er fort: ".... hat mit vierhundertundsieben Punkten soeben noch die Führung verteidigt. Ich gratuliere."

Auf Dumbledores Klatschen hin erschien über dem Lehrertisch ein rotes Banner mit dem goldenen Gryffindor-Löwen. Alle außer den Slytherins jubelten den Gryffindors zu. Aurora sah Professor Flitwick und ihre Mutter am Lehrertisch an. Beide lächelten, als sie mitbekamen, von wem sie genau betrachtet wurden. Aurora dachte daran, daß dies der letzte Tag für ihre Mutter in Hogwarts war, wieder einmal. Denn wie Aurora jetzt war ihre Mutter einmal hier Schülerin gewesen und hatte in Ravenclaw gewohnt, wie Aurora es jetzt tat. Tja, sie hatte den UTZ geschafft und ein solches Festmal erlebt wie es ihre Tochter nun konnte. Aurora war froh, daß sie mit ihren Spitzennoten in Zaubertränke, Kräuterkunde, Zauberkunst und Verwandlung zur drittbesten Schülerin ihres Jahrgangs geworden war, hinter Eunice Armstrong aus Gryffindor und Tara Branigan aus Hufflepuff. Das machte ihre Mutter bestimmt stolz. Vor allem freute sich Aurora, daß Tonya Rattler gerade einmal sechstbeste des gesamten Jahrgangs geworden war, noch hinter Cynthia Flowers. Roy und Bruster hatten sich mächtig ins Zeug gelegt, um gute Noten zu kriegen, besonders Bruster hatte die Bewährungsauflagen brillant erfüllt. Sie war froh, daß er nun zu seiner Familie fahren konnte. Denn seitdem das, weswegen Voldemort sie bedroht hatte erledigt war, konnten sie wieder ein einigermaßen geregeltes Leben führen.

Im nächsten Jahr, so dachte sich Regina Dawns Tochter, würde ihr Cousin Philipp hier eingeschult werden. Würde sie dann so für ihn fühlen wie Erica Fielding für ihren jüngeren Bruder oder wie Priscilla Woodlane für Petula? Sie wußte es nicht und wollte sich dazu auch noch keine Gedanken machen. Sommerferien standen bevor. Hoffentlich würden sie friedlich und abwechslungsreich verlaufen!

Am nächsten Tag war die Heimfahrt. Die Mädchen aus Ravenclaw belegten ein Abteil für sich. Während der Fahrt zurück sprachen sie leise über die Sache mit Clytemnestra Hollingsworth. Zumindest war es für die betroffenen Schülerinnen Melinda und Tonya ohne bleibenden Schaden abgelaufen. Denn der Seelenrücksprung hatte die Minuten außerhalb des eigenen Körpers aus dem Gedächtnis gelöscht, worüber sie wohl froh sein konnten. Der blutige Baron spukte noch immer in Hogwarts. Aurora schmunzelte, wenn sie daran dachte, wie sie ihn beobachtet hatte, wie er Peeves übel verdroschen und mit irgendwelchen Geisterquälzaubern beharkt hatte, weil der Poltergeist Hohn und Spott über ihn ausgeschüttet hatte. Der war wieder der alte. Doch bestand die Verbindung zu der von ihm verstoßenen Braut noch? Das wußte sie auch nicht.

"Also am sechzehnten August kommt ihr alle zu meiner Geburtstagsfeier", sagte Petula leise. Aurora, Cynthia, Melinda, Dina und Isis, die mit im Abteil saßen, nickten.

"Spielst du im Sommer Quidditch, Aurora?" Fragte Petula noch. Aurora nickte.

"Mein Dad wird mit mir und Mum nach Wales reisen, wo wir ausgiebig trainieren können. Schließlich wollen wir den Quidditchpokal ja nächstes Jahr mal in Professor Flitwicks Büro besuchen können, oder?"

"Kunststück, wenn jedes Haus neue Mannschaften aufbauen muß", grummelte Isis, die wehmütig daran dachte, daß mit James Potter und Rosina Oaktree zwei schwer zu ersetzende Spieler für Gryffindor fehlen würden.

Tonya Rattler schlich an den Abteilen vorbei. War ihr langweilig, oder suchte sie was bestimmtes? Aurora interessierte es nicht. Irgendwann, wohl nach vielen Stunden, rollte der Hogwarts-Express auf dem Gleis 9 3/4 im Bahnhof Kings Cross in London ein. Schnell holten Eltern und Kinder das Gepäck aus dem Zug. Die Verabschiedung fiel für Mrs. Dawn besonders herzzerreißend aus. Denn ihre UTZ-Schüler, sowie die, die bei ihr einen guten Stand gehabt hatten, hatten eine große Blumenvase mit einem üppigen Strauß Sommerblumen beschafft und eine singende Grußkarte dabeigetan. Dann waren die Erwachsenen und Jugendlichen alle vom geheimen Bahnsteig herunter und tauchten im Trubel des für alle Menschen begehbaren Bahnhofs unter.

ENDE

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