VOM FLIEGEN UND FLÜCHEN

Eine Fan-Fiction-Story aus der Vergangenheit der Harry-Potter-Serie

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© 2003 by Thorsten Oberbossel

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P R O L O G

Aurora Dawn wächst im vollen Bewußtsein auf, eine echte Hexe zu sein, mit einem Zauberer und einer Hexe als Eltern. Sie wohnt bis zu ihrem elften Lebensjahr im Landhaus ihrer Eltern, bis sie einen Brief von Hogwarts, einer Schule für erkannte Hexen und Zauberer bekommt und sich freut, dort hinzugehen. Ihre Mutter ist dort selbst eine Lehrerin.

Auroras Schulbeginn wird überschattet von den Untaten einer Bande von schwarzen Magiern, angeführt von dem bei allen Zauberern und Hexen gefürchteten Lord Voldemort. So bekommt Aurora mit, wie ein Junge, der zwar zaubern kann aber keine Zauberereltern hat, von Handlangern des dunklen Lords gepeinigt wird, bevor das Schuljahr beginnt.

In Hogwarts selbst wird sie vom sprechenden Hut nach Ravenclaw geschickt, wo auch die Cousins Mortimer Swift und Bruster Wiffle, so wie der nicht von Zauberereltern abstammende Roy Fielding unterkommen. Mit den Mädchen Petula Woodlane und Miriam Swann bekommt Aurora schnell guten Kontakt.

Von den Schulfächern gefallen Aurora Zaubertränke und Kräuterkunde am meisten. Doch die friedliche Stimmung wird durch Pöbeleien der Bewohner Slytherins, insbesondere den Schwestern Delila und Tonya Rattler, gestört.

Als die Weihnachtsferien anbrechen, fährt fast jeder Schüler nach Hause. Auf dem Ankunftsbahnsteig inszenieren die Anhänger Voldemorts einen Überfall, um die sogenannten Schlammblüter, eben die nicht von Zauberern abstammenden Schüler in Angst und Schrecken zu versetzen. Die Weihnachtsferien verlaufen aber ruhig, und Aurora kehrt erholt nach Hogwarts zurück. Sie freut sich, daß sie wegen ihrer guten Flugkünste auf dem Besen am Quidditch-Training teilnehmen darf.

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Die ersten Schultage im neuen Jahr waren vollgepfropft mit Arbeit. Professor Bitterling, die Zaubertränke und Verteidigung gegen die dunklen Künste lehrte, halste den Erstklässlern schwierige Sachen auf. Einmal wollte sie einen Wohlbefindlichkeitstrank zubereitet haben. Doch Roy Fielding überdosierte eine Zutat und der Zaubertrank verwandelte sich in eine bräunliche brodelnde Brühe, die bestialisch nach verbranntem Stoff und Öl roch.

"Da werden Sie aber nicht viel Freude dran haben, wenn Sie mir sowas in der Prüfung zusammenrühren", bemerkte Professor Bitterling und nahm den verdorbenen Trank vom Feuer, um ihn unschädlich zu machen. "Wie passierte Ihnen das wohl, Mr. Fielding? Haben Sie einen Teelöffel Einhornhornpulver zu viel eingerührt?"

"Nö, zwei, wie angegeben", sagte Roy Fielding schnell. Er führte vor, wie er die Menge auf einen Teelöffel bekam. Professor Bitterling seufzte.

"In dem Buch, dem Sie und der Rest der Klasse dieses Rezept entnahmen steht groß genug gedruckt, daß Sie gestrichene Teelöffel nehmen müssen, nicht gehäufte. Offenbar kommen Sie aus einem Haushalt, wo nur ihre Mutter kochen und backen darf, wie?"

"Na und?" Versetzte Roy aufsessig. Doch die Lehrerin mit den dunkelbraunen Augen und dem schwarzen Locken sah ihn böse an.

"Werden Sie nicht frech! Glauben Sie nur nicht, daß Sie sich hier alles erlauben können, nur weil Ihre Eltern keine Zauberer sind. Das ist nämlich kein Privileg, sondern ein Nachteil, den Sie nur ausgleichen können, wenn Sie korrekt verinnerlichen, was ich Ihnen beizubringen versuche. Ich ziehe Ravenclaw 10 Punkte wegen fahrlässiger Gefährdung Ihrer Mitschüler ab und noch mal 5 Punkte wegen Aufbegehrens. Und zur nächsten Stunde werden Sie alle im Buch gebräuchlichen Maße auswendig lernen und mir zur nächsten Stunde vorführen!"

In Kräuterkunde zusammen mit den Slytherins stand Roy Fielding nicht besser da. Zwar strengte er sich hier mehr an, doch die Slytherins, allen voran die klobige Tonya Rattler, zogen immer wieder über ihn her, daß er als Muggelkind doch sowieso nie richtig zaubern lernen würde und sowieso ein Schwächling sei, der in der Zaubererwelt sofort zu Grunde gehen müsse. Bruster und Mortimer hielten ihn immer wieder zurück, wenn er auf Tonya, Samiel oder Kain losgehen wollte. Professor Sprout zog Slytherin einmal 10 Punkte ab, weil sich Tonya unvorsichtigerweise zu laut über Dina Murphy lustigmachte, obwohl es dazu keinen Anlaß gab, da Dina hier wie in Zaubertränken nach Aurora Dawn die beste Schülerin der Ravenclaws war.

In Verwandlung kamen Mortimer und Bruster langsam besser zurecht. Auch Aurora fand eine gewisse Ruhe und Konzentration, um die Übungen zu schaffen, die Professor McGonagall ihnen abverlangte. Dina war hier jedoch sehr unbeholfen. Einmal, als sie eine Teetasse in eine Zigarrenkiste verwandeln sollten, fing ihre Teetasse an, sich wild zu drehen, sich auseinanderzubiegen und dann mit einem lauten Knall in einer Wolke aus Kohlenstaub zu explodieren. Mit geschwärzten Gesichtern, niesend und hustend, mußten die Schüler ihre Übung aufgeben, bis sich alle die Gesichter gereinigt hatten. Professor McGonagall zeterte, daß Dina gefälligst mehr auf ihren Sprech- und Bewegungsrhythmus achten solle. Zwar bekam die Klasse insgesamt 20 Punkte für Ravenclaw, aber nur, weil Professor McGonagall 40 verteilte und wegen Dina 20 abzog. Da Dina in Kräuterkunde und Zaubertränken aber immer wieder Punkte hereinholte, wie auch Aurora Dawn, war das leichter zu verschmerzen.

Ende Januar kam dann Kelvin Hightowers, der Ravenclaw-Quidditchkapitän, zu Aurora Dawn und verkündete:

"Nächsten Freitag beim Training kannst du mitmachen. Als Vorbereitung auf das Spiel von uns gegen die Slytherins, da können wir in Ruhe mit wechselnden Mannschaften trainieren. Vielleicht bist du ja im nächsten Jahr für die Stammauswahl fit."

"So, du meinst, ich könnte nächstes Jahr in der Stammauswahl mitspielen?" Fragte Aurora Dawn frech.

"Wenn ich das richtig mitbekommen habe, hat deine Mutter ja selbst hier gespielt, als sie Schülerin war und dein Vater auch", sagte Hightowers. Aurora lächelte. Sie wußte zu gut, wie gut ihre Eltern spielen konnten. Immerhin hatte sie von ihnen ja das Fliegen gelernt. Sie sagte noch, daß sie sich freue, mitmachen zu dürfen.

Petula Woodlane kam mit Roy Fielding durch den vom gemalten Kuhhirten Bruce und seiner Kuh Maggy behüteten Einstieg zurück. Sie schob Roy vorwärts, als gelte es, ihn möglichst schnell und zwar gegen seinen Willen in Sicherheit zu bringen.

"Mist, Petty, lass das!" Versetzte Roy und sprang fort, um nicht noch weiter geschubst zu werden.

"Petty? Du hast mich hier nicht Petty zu nennen, Bursche", schnaubte Petula und sah sich im Gemeinschaftsraum um, zu wem sie sich hinsetzen konnte. Sie sah Aurora Dawn, die ihr zunickte. Schnell kam die blondhaarige Klassenkameradin an den Tisch, auf den Aurora das Verwandlungsbuch und zwei Rollen Pergament hingelegt hatte, weil sie gerade in den Hausaufgaben für McGonagall steckte.

"Warum ist Roy bei uns gelandet und nicht bei den Gryffindors?" Schnaubte Petula Woodlane leise eine Frage, als sie sich zu Aurora hinsetzte. Aurora sagte nur:

"Weil dieser alte Hut "Ravenclaw" gerufen hat, als Roy ihn aufsetzte."

"Ich meine das natürlich so, daß ich nicht weiß, warum der in Ravenclaw ist, wenn er sich von diesen Slytherin-Rabauken andauernd ärgern läßt. Ich habe ihn gerade noch dabei erwischt, wie er sich mit diesem Kain Gallows geprügelt hat. Sein Glück, daß Filch und seine Katze nicht um die Ecke kamen. Aber dieser Poltergeist hat die beiden noch angefeuert."

"Ach, und Kain hat sich das bieten lassen, daß ein Mädchen ihm sein Lieblingsspielzeug wegnimmt?" Versetzte Aurora überaus sarkastisch und sagte dann leise: "Die haben ihn zu ihrem Lieblingsprügelknaben erklärt, und der hat sich darauf eingelassen, es zu sein, Petula. Willst du dich andauernd dazwischenstellen, wenn was ist? Oder willst du zu der Bitterling rennen, um das zu verpetzen? Die lacht dich doch aus."

"Es geht mir nicht darum, daß der arme Junge Prügel kriegt oder nicht, sondern daß er nicht begriffen hat, warum er hier ist und was Ravenclaw bedeutet. Die Slytherins sind doch sowas von überheblich, weil einige von deren Verwandten mit dem Unnennbaren zusammenhängen. Die freuen sich doch, ihre Überlegenheit zu beweisen, wenn sie meinen, daß nur durch Prügel und dumme Sprüche zu schaffen."

"Soll ich ihn an die Hand nehmen und ihm zeigen, wie man es richtig macht? Seitdem der dieser Tonya Rattler einen Schlag ins Gesicht verpaßt hat, haßt die den doch und hetzt gegen ihn."

"Wie du meinst, Aurora. Ich habe auch keine Lust, mich da mit reinziehen zu lassen", sagte Petula leise.

Roy Fielding kam an den Tisch, wo die beiden Mädchen saßen. Er wirkte leicht ramponiert. Der Umhang war faltig, der Zaubererhut hatte eine Delle und Roy auf der Stirn eine Beule. Aurora sah ihn bedauernd an und fragte:

"Ist alles noch dran an dir?"

"Was besonderes, Aurora?" Fragte Roy zurück.

"Vielleicht", erwiderte Aurora schlagfertig. Dann winkte sie ihm, er möge sich doch zu ihr und Petula setzen. Petula sah Roy zwar ein wenig grimmig an, doch Roy hielt diesen Blick aus, nickte und setzte sich.

"Dieser Kain Gallows hat meine Familie beleidigt. Das dieses Arschloch mich andauernd runtermacht, seitdem ich den Klotz mit Dutteln auf die Bretter geschickt habe, habe ich ja mittlerweile verdaut. Aber wenn der noch herkommt und meine Eltern als dumme Untermenschen bezeichnet, die ja froh sein können, daß sie zu unwichtig sind, weil Voldemort die sonst längst abgemurkst hätte, dann kriegt der Hundesohn eine rein, daß es kracht."

"Na, du wirst doch wohl nicht die Hunde beleidigen, in dem du Kain zu ihrer Art zählst", wandte Aurora ein. Petula biß sich förmlich auf die Lippe, um nichts zu sagen. "Und deine Ausdrucksweise, Roy. Wenn Flitwick hört, wie du in der Anwesenheit von Damen daherredest, würde er dir wieder Punkte wegnehmen."

"Damen? Wo sollen die sein?" Fragte Roy trotzig. Aurora lachte.

"Damen nennt man weibliche Menschen, die das Alter von elf Jahren überschritten haben, schreibt Mirella Goodmean in ihrem Buch "Gute Hexenstube". Insofern sind Petula und ich doch als Damen zu bezeichnen."

"Hebst du jetzt völlig ab?" Fragte Roy, dem Auroras kurze Ausführung die Zornesröte aus dem Gesicht und eine totale Verblüffung hineingezaubert hatte. Aurora lächelte wohlwollend und antwortete:

"Nein, noch hebe ich nicht ab. Erst nächsten Freitag."

"Also, was Aurora dir damit sagen will, Roy, hier in Ravenclaw achtet jeder auf eine gute Wortwahl. Viele, die hier gewohnt haben, sind hohe Leute im Zaubereiministerium oder in der magischen Forschung geworden. Das wären die bestimmt nicht geworden, wenn die so geredet hätten, wie du's gerade getan hast", fügte Petula noch hinzu.

"Mädels, ich lasse mir von Kindern, die nicht älter als ich selbst sind nicht vorbeten, wie ich mich zu verhalten habe. Klar? Es reicht mir schon, mich mit diesem Typen aus Slytherin rumkloppen zu müssen", erwiderte Roy verbittert. Aurora fragte ihn darauf:

"Wieso mußt du das?"

"Was heißt, wieso muß ich das? Die haben es doch darauf angelegt", gab Roy ungehalten zurück. Aurora Dawn rümpfte nur die Nase und fragte:

"Und du machst, was die wollen und läßt dich von denen ärgern und herumschubsen?"

"Ach ja ich vergaß ja, daß die Slytherins die Kronprinzessinnen und -prinzen sind, weil dieser Lord Voldemort sie ja zu den Herrschern der Welt machen will. Da darf man sich natürlich nicht mit ihnen kloppen. Man könnte ja von Voldemort zerbröselt werden", spottete Roy. Petula, die jedesmal zusammenfuhr, wenn der Name des dunklen Lords laut genannt wurde, wandte sich mit Hilfe suchendem Blick ab. Aurora Dawn stand langsam auf. Roy erhob sich ebenfalls.

"Du magst ja keine Angst vor ihm haben und auch der Überfall auf Gleis 9 3/4 hat dich wohl nicht sonderlich erschreckt. Aber in Hogwarts leben Leute, die haben mit ansehen müssen, wie der dunkle Lord oder seine Handlanger ihre Familien gequält haben, wo der noch nicht so mächtig war, wie der heute ist. Die Eltern von Isis Waverly aus Gryffindor sind bereits von ihm ermordet worden, und hier laufen genug Leute herum, die nachts nicht gut schlafen können, weil sie damit rechnen, daß er bei ihnen auftaucht und ihre Liebsten umbringt, wenn er sie nicht vorher quält. Das ist nicht besonders mutig, ihn beim Namen zu nennen, wenn du absolut nicht weißt, was der schon alles gemacht hat. In einem hat Kain leider recht: Deine Eltern und deine Schwester leben nur, weil sie für ihn zu unbedeutend sind. Hoffe lieber, daß er nicht eines Tages auf die Idee kommt, alle Muggel aus purer Lust am Töten niedermetzelt und deine Eltern dann dabei sind."

"Es gibt in unserer sogenannten Muggelwelt Leute, die schlimmer sind als dieser Voldemort. Die haben Waffen, womit sie ganze Städte plattmachen können. Weißt du, wieviele Kriege gerade auf der Welt ablaufen?" Aurora schüttelte den Kopf. "Dachte ich's mir doch. Du erzählst mir einen, daß wir alle Angst vor diesem Kerl haben müssen und den blöden Slytherins, die meinen, was abzubekommen, wenn er sich alles unter den Nagel gerissen hat, nichts entgegenhalten sollen, weißt aber überhaupt nichts von den Waffen der sogenannten Muggelwelt, von den Atomraketen, von Maschinengewehren oder Granaten. Für mich ist Voldemort nur ein besonders gemeiner Gangster, der bedauerlicherweise Magie als Mordwaffe einsetzen kann. Aber er ist nur ein Gangster. Und alle Gangster sind mal irgendwann krepiert."

"Dennoch solltest du uns Zauberergeborene nicht verhöhnen, indem du es lächerlich redest, wie Du-weißt-schon-wer uns bedroht", sagte Aurora Dawn mit fester Stimme. Sie hatte das nur wenig beeindruckt, was Roy gesagt hatte.

Erica Fielding kam durch den Einstieg. Sie suchte und fand ihren jüngeren Bruder Roy und eilte auf ihn zu.

"Hast du dich wieder mit diesen rauflustigen Idioten geprügelt, Roy?" Fragte sie barsch. Roy sah sie an und sagte:

"Ich hätte diesen Galgenstrick Kain fast niedergehauen, wenn Petty nicht gemeint hätte, mich beschützen zu müssen."

Ansatzlos versetzte Erica ihrem Bruder eine Ohrfeige. Dann sagte sie mit sich überschlagender Stimme: "Du hirnverbrannter Dummkopf! Die wollen doch nur einen Vorwandt haben, dich umzubringen, aus reiner Notwehr. Habe ich dir nicht oft genug erzählt, daß die Slytherins sich von diesen Gangstern angezogen fühlen, die uns in der Winkelgasse und in den Weihnachtsferien auf Gleis 9 3 /4 angegriffen haben? Ich frage mich wirklich, was du hier in Ravenclaw zu suchen hast."

"Frage doch lieber gleich, was ich hier in Hogwarts zu suchen habe!" Stieß Roy wütend aus. "Die Zauberei läuft bei mir nicht so, daß ich davon überzeugt bin, daß ich hier hinpasse."

"Immmerhin kannst du zaubern. Die Diskussion hatten wir zu oft schon. Ich kam her, weil ich die Fähigkeiten habe. Du wurdest auch als Zauberer erkannt. Also ist das keine Frage mehr. Aber daß du nicht daran denkst, weshalb du ausgerechnet in Ravenclaw wohnst, wo alle über ihre Taten nachdenken?"

"Frage diesen Dreckshut, der mich hierhergeschickt hat. Die Gryffindors haben damit keine Probleme, die Slytherins in die Ecke zu pfeffern, wenn die ihnen dumm kommen."

"Deshalb leben von denen ja nicht mehr so viele", sagte Erica und kämpfte gegen aufsteigende Tränen an. Dann sagte sie mit erzwungen fester Stimme: "Ich verbiete dir, dich ohne triftigen Grund auf Prügeleien mit den Slytherins einzulassen! Sonst gehe ich zu Flitwick und bitte ihn darum, dich von der Schule zu werfen, allerdings mit der Auflage, daß du nur in eine gewöhnliche Oberschule ohne große Aufstiegsmöglichkeiten kommst."

"Oh, Schwesterchen droht mir", flötete Roy. Dann sagte er noch: "Wenn diese Leute mich dumm anmachen, dann kriegen die aufs Maul, wie diese Rattler. Und wenn die mich rauswerfen sollten, dann werden sich Mum und Dad nicht mehr von denen reinreden lassen. Dann kann ich doch auf das schweizer Internat, was sie für mich ausgesucht haben. Die werden froh sein, mich von diesen Leuten von Voldemort fernhalten zu können."

"Wenn du in die Schweiz gehst, kommst du in die Zuständigkeit eines Zaubereiministeriums, das Schüler der Beauxbatons-Akademie verwaltet. Die könnten auf die Idee kommen, dich statt Hogwarts dort einzuschulen. Dann hast du aber nichts mehr zu lachen. Wir hatten, wo ich in der ersten Klasse war, eine Austauschschülerin von da. Die hat uns heftige Geschichten erzählt, was die da mit aufsässigen Schülern anstellen und wie die Schüler immer springen müssen, wenn ein Lehrer das befiehlt."

"Juhuhu! Mußt du jetzt auf erfundene Stories zurückgreifen, um mir Angst zu machen? Wird aber nicht klappen", sagte Roy belustigt.

"Dir ist im Moment nicht zu helfen, Roy", fauchte Erica und ging zu einem Tisch, wo eine Klassenkameradin von ihr saß. Petula und Aurora sahen, wie Roy mißmutig den Gemeinschaftsraum verließ und zu den Jungenschlafsälen hinaufstieg.

"Hoffentlich kriegt der sich wieder ein", bemerkte Petula zu Aurora. Diese nickte nur zustimmend.

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Es war an einem Freitag nachmittag Ende Januar, als acht Ravenclaws auf das noch mit Schnee bedeckte Quidditchfeld traten.

Aurora sah sich unter den Spielern um. Neben dem hoch aufgeschossenen Kelvin Hightowers fielen ihr der kleine pummelige Sucher, Ronin McDougal mit seinem feuerroten Haar, so wie die schlanke und zierliche Erin Runfield auf, deren langes blondes Haar sie heute, wo trainiert werden sollte, unter einem blauen Kopftuch verborgen hatte. Aurora sah noch mal auf den goldenen Ring an Erins linker Hand, einem Verlobungsring. Natürlich hatte sie die Geschichte gehört, daß Erin und Emerald Stoker miteinander verlobt waren, da sie und Emerald ihrer beiden Eltern irgendwie davon überzeugt hatten, daß es ratsam sei. Wie, das wußte Aurora noch nicht.

Kelvin sprach zu den sieben Stammspielern und der Erstklässlerin und verkündete:

"Leute, wie ihr gesehen habt, sind Gryffindor und Slytherin heftige Gegner, zumal die Slytherins keinen faulen Trick auslassen können. Deshalb müssen wir besonders flink sein und beweglich bleiben, um unser Spiel zu machen. Heute nimmt Aurora Dawn zum ersten Mal an unserem Training teil. Ich weiß nicht, ob sie sich für die nächste Saison schon gut einbringen wird, bin mir jedoch sicher, daß sie auf jeder Position einiges zu bieten hat. Wir trainieren heute erstmal Kombinationsspiel und machen dann Hütertraining, weil die Slytherins gerne aus weiter Ferne oder aus direkter Nähe heraus auf die Torringe spielen. Deshalb brauche ich Bewegungsabläufe, mit denen ich schnell einen direktwurf parieren oder einen aus großer Entfernung anfliegenden Ball vorausberechnen kann, da die Quaffel schön trudeln können, wenn sie richtig geworfen werden. Auf dann!"

Aurora nahm den Schulbesen, den man ihr zum Training überlassen hatte und besah sich die etwas ramponierten Reisigbündel, die an den Enden schon abzusplittern begannen. Doch sie nahm das magische Fluggerät und wartete, bis Kelvin alle vier Bälle aus einer Kiste aufgelassen hatte. Er schnellte mit seinem Besen nach oben und ging vor den drei rechten Torringen in Stellung. Aurora wartete, ob sie nun auch schon aufsteigen sollte. Kelvin machte Zeichen, sie möchte sofort mitfliegen. Im Training war die Größe der Mannschaft unerheblich. So startete Aurora zunächst ohne Schläger und raste zwischen den immer wieder anfliegenden Klatschern hindurch über das Feld, sah zu, wie die eingespielte Mannschaft sich den Quaffel zupaßte und ging erst einmal vor dem anderen Tor in Stellung. Dies nahmen die drei Jäger, Erin Runfield, Marion Witt und Norman Wayne als Herausforderung an und versuchten, an Aurora vorbeizukommen, um den Quaffel durch einen der Torringe zu werfen. Zwar konnte Aurora einige direkte Würfe zurück ins Feld dreschen, war jedoch trotz schneller Flugmanöver unfähig, die Mehrheit der Quaffelschüsse abzufangen. Erin meinte dazu irgendwann:

"Lass mich ins Tor, Aurora! Geh du auf meine Position!"

Aurora nahm dieses Angebot an und spielte nun auf der Position der Jägerin, zusammen mit Norman und Marion.

Eine Serie aus schnellen Ballstaffetten, Pässen, keilförmigen Vorstößen oder Pyramidenformationen füllte die nächste Viertelstunde aus. Erin, die ja als Jägerin geübt war, machte sich aber auch als Hüterin nicht schlecht. Sie parierte die meisten Bälle. Nur einmal schaffte es Aurora, durch eine schnelle Auf- und Abstiegsbewegung, den Wurfwinkel für den von ihr gerade gespielten Quaffel so trefflich einzurichten, daß der Wurf in weniger als einer Sekunde durch den linken Torraum zischte.

"Huh, das Manöver war gut", sagte Kelvin, der sich ansah, was Aurora tat. Noch mal griff die Gruppe der Jäger Erins Tor an und schaffte es über drei schnelle Abgaben, daß Norman einen der drei Ringe direkt anspielen konnte. Dann forderte Kelvin, daß alle übrigen gegen ihn spielen sollten.

"Vier Jäger gegen dich? Das ist doch nicht mehr regelgerecht", wandte Marion Witt ein.

"Eben darum. Wenn den Slytherins einfällt einen Treiber mal eben den Quaffel werfen zu lassen, obwohl das verboten ist, muß ich den ja nicht gerade durch einen Ring lassen, oder?" Erwiderte Kelvin. So fügten sich die restlichen sieben Spieler und boten auf, was die altersschwachen Schulbesen hergaben. Aurora, die einmal ein Zuspiel verpatzte, schimpfte:

"Auf meinem Himmelsstürmer hätte ich den Quaffel erwischen können. Verdammte morsche Krücke!"

"Wir haben alle so komische Besen", sagte Norman im Vorbeifliegen. "Die rücken doch keine gescheiten Besen raus, zumindest nicht im Training."

"Wie dem auch sei ... Mmmmmrrrg!" Setzte Kelvin an, doch ein Klatscher direkt in seinen Magen würgte ihn brutal ab. Fast fiel der Kapitän hinten über und stürzte vom Besen. Wenn er nicht so ein guter Flieger gewesen wäre, hätte dies ein tödlicher Sturz werden können. So fing er sich, atmete heftig und schnell, um den heftigen Schmerz zu verdrängen und landete sicher.

"Eine halbe Sekunde nicht genau aufgepaßt", keuchte er.

"Ich muß erst zu Madame Pomfrey, ob mir dieses Biest was getan hat. Das Training ist für heute vorbei."

"Sollen wir nicht Formationen weiter üben?" Fragte Marion Witt. Kelvin überlegte kurz und nickte dann.

"In Ordnung, Leute! Ihr trainiert weiter Formation und ausweichen. Die Jäger möchten sich zwischenzeitlich mal stören, um uns auf das unsaubere Spiel der Slytherins besser einzustellen!"

Kelvin verließ das Quidditchfeld und ging zum Schloß hinüber, um sich dort im Krankenflügel behandeln zu lassen.

Die nächste Viertelstunde flogen die Jäger und Treiber der Hausmannschaft ohne Hütertraining. Sie blockierten Ronin, den Sucher, um ihn zu schnelleren Ausweichbewegungen zu treiben, störten sich beim Ab- und Zuspiel oder spielten schnelle Kombinationen und Umgruppierungen durch. Aurora Dawn erwies sich bei den Störmanövern als besonders schnell. Sie fischte den Quaffel knapp vor Marion aus der Luft, rempelte voller Absicht Norman Wayne an, als der sich gerade anspielen lassen wollte oder Hielt beim Abspiel einfach den Arm in die Flugbahn, um den Quaffel abzufälschen oder sicher zu fangen. Einmal krachten sie und Erin Runfield beinahe frontal zusammen. Erin meinte dazu:

"Hui, das hätte aber ins Auge gehen können, Aurora. Gut, daß du so gut fliegen kannst und die Ausweichregel kennst, dernach zwei direkt aufeinander zufliegende Spieler sich rechts an rechts passieren müssen."

Ein Klatscher zischte heran. Aurora fühlte die von ihm vorangepeitschte Luft und warf sich flach auf den Besenstiel. Wusch! Knapp über ihrem Hinterkopf hinweg flog der gefährliche schwarze Ball und wühlte dabei das lange Haar der Erstklässlerin auf.

"Oh, das wäre fast auch schiefgelaufen", stellte Alessandro Boulder, einer der Treiber bestürzt fest. Dann mußte er selbst fast vom Besen springen, weil der zweite Klatscher genau auf ihn zuraste.

"Hepp!" Rief Erin und warf den Quaffel auf Aurora ab. Die nahm den Ball und raste auf einen der unbesetzten Torräume los, dicht gefolgt von zwei Klatschern, die fast gleichzeitig auf sie abgeschlagen worden waren. Kurz vor einem der Tore rollte sich Aurora mit dem Quaffel seitlich herum, ließ dabei den ersten Klatscher ins Leere sausen und wedelte mit dem Besenstiel kurz hin und her, wodurch der zweite Klatscher knapp an ihrer linken Wange vorbeizischte und wie der erste wirkungslos ins Leere flog.

"Achtung! Die kommen wieder!" Warnte Erin Runfield, weil die beiden Bälle, kaum daß sie über die Spielfeldabgrenzung hinaus waren, wie von einer dicken Mauer abgeprallt zurückschlugen und mit Wucht auf Aurora und Norman losflogen. Ken Dasher, der zweite Treiber, brauste auf seinem Besen heran, schwang den Schläger durch und hieb den Klatscher mit viel Kraft aus der Flugbahn. Der zweite schwarze Ball zielte auf Erin Runfield, die überdachte, ob sie ihn noch durch eine Seitwärtsrolle ins Leere fliegen lassen oder ihm doch besser ausweichen sollte. Fast zu spät entschied sie sich für einen Rückwärtslooping, um den schräg von vorne ankommenden Klatscher vorbeifliegen zu lassen. Als der Looping vollendet war, flog Erin auf den von Aurora abgeworfenen Quaffel zu, der kraftlos auf den Boden hinabsank. Schnell warf sie den Ball an Marion Witt weiter, die ihn an Norman weiterspielte, welcher ihn jedoch nicht annehmen konnte, weil Aurora unvermittelt links von ihm auftauchte und den Quaffel aus der Flugbahn pflückte und davonpreschte, um wieder ein leeres Tor anzufliegen. Erin, die sie jagte, tauchte unter einem Klatscher hindurch, versuchte, Aurora am Besenende zu packen, was an und für sich ein Foul war, aber von Kelvin ja so angeordnet war. Mit häßlichem Knacken brachen vier Reisigzweige aus dem Schweif heraus und lähmten den Besen damit. Unvermittelt spürte Aurora, wie das an sich schon schwerfällige Fluggerät nun bockte und ruckte, schlingerte und wippte, weil seine Beweglichkeit durch das Fehlen einiger Zweige und das Durcheinander im Schweif keine brauchbare Lagebeibehaltung mehr zuließ. Aurora pfefferte den Quaffel noch durch den mittleren unbehüteten Torring und sah zu, daß sie noch eine weiche Landung hinbekam. Unvermittelt löste sich der Besenschweif völlig auf, und Aurora schaffte es nur mit einer schnellen Bewegung links herum, die Waagerechte Lage des Besens zu erhalten, bevor sie unsanft auf die Füße kam. Gerade noch so eben federte sie den Aufprall mit den Beinen ab, verlor dabei aber den Besenstiel zwischen den Beinen und stolperte wegen des restlichen Schwungs darüber. So schlug sie der Länge nach auf den mit Schnee bedeckten Boden des Quidditchfeldes und blieb für mindestens vier Sekunden mit dem Gesicht nach unten liegen. Dann erst schaffte sie es, sich wieder aufzurichten.

"Das wollte ich wirklich nicht", beteuerte Erin, die mit besorgter Miene neben Aurora landete und sah, ob sie sich was getan hatte. Doch Aurora schüttelte leicht den Kopf und ließ dabei Schnee und etwas gefrorene Erde aus ihrem Haar fallen.

"Man sollte nicht fliegen, wenn man vor dem Fallen zu viel Angst hat", sagte die Erstklässlerin. Dann schimpfte sie erneut über den Besen, der jetzt bestimmt zum Abfallholz gelegt werden konnte.

Madame Hooch kam angelaufen und erkundigte sich:

"Ist dir was passiert, Mädchen? Ich habe gedacht, ihr würdet nicht mehr trainieren, weil Kelvin im Schloß ist."

"Mir ist nichts passiert, Madame Hooch", gab Aurora Dawn beruhigend wider. Erin Runfield und Ronin McDougal erklärten der Fluglehrerin, daß Kelvin Hightowers es angeregt habe, daß bei einem zusätzlichen Spieler gut Stör- und Blockademanöver geprobt werden könnten, da es ja Ende des Monats gegen die Slytherins ginge. Madame Hooch schnaubte nur verächtlich. Dann fragte sie:

"Ihr wollt doch nicht etwa genau so schmutzig spielen wie die?"

"Das nicht, Madame Hooch", warf Marion Witt ein. "Aber wir müssen ja drauf gefaßt sein, daß die das tun. Wir wollten nur üben, wie wir uns vor sowas schützen können und haben dabei den Besen von Aurora Dawn beschädigt."

"Das heißt nur, daß dieser alte Besen da aus dem Verkehr gezogen wird", sagte die Fluglehrerin. "Und was das mit den unsauberen Spielweisen der Slytherins angeht, so hat Professor McGonagall Professor Bitterling doch darauf hingewiesen, daß ihre Hausmannschaft sich doch besser auf die Spieltechniken der Quidditchregeln besinnen sollte. Unfair spielen kann jeder."

"Denen ist aber jedes Mittel recht", wandte Marion Witt ein und fand allgemeine Zustimmung bei ihren Mannschaftskameraden. Madame Hooch sah in die Runde und sagte mit fester Stimme:

"Wenn die immer nur Strafwürfe herausfordern, dann werden sie das Spiel verlieren, auch mit einem Sucher wie Orcus Ripley."

"Wollen's hoffen", antwortete Erin Runfield und löste das blaue Kopftuch, um ihr Haar auszuschütteln. Denn nun, wo Auroras Besen kaputt war, konnten sie endgültig aufhören. Denn nur mit zwei Jägern und einem Störer zu trainieren war für das Mannschaftsspiel sinnlos. So nahmen sie die noch benutzbaren Besen und trugen sie in den Geräteschuppen des Stadions. Aurora ordnete ihr schwarzes Haar mit Erins Hilfe und reinigte ihren Umhang von Erd- und Schneeresten. Sie würde ihn im Schloß in die Schmutzwäsche geben und einen anderen anziehen. Auf dem Weg ins Schloß trafen sie die Gryffindor-Hausmannschaft an, die nun, da die Ravenclaws fertig waren, das Feld nutzen wollten.

"Hallo, ihr! Habt ihr euch für die Slytherins vorbereitet?" Fragte ein Junge mit struweligem schwarzen Haar, der das Vertrauensschüler-Abzeichen auf dem Umhang trug.

"Da kannst du drauf wetten, James", erwiderte Ken Dasher und straffte sich zur ganzen Größe.

"Und das ist Professor Dawns Tochter, die demnächst bei euch mitspielen soll?" Fragte der Gryffindor-Junge. Erin sagte:

"Das ist Aurora Dawn, James. Aurora, das ist James Potter, Jäger bei den Gryffindors."

"Aja", erwiderte Aurora zunächst und fügte dann hinzu: "Ich fand das genial, wie du fliegen kannst. Du hast ja fast alle Tore geschossen, die ihr gemacht habt. Aber die Slytherins haben euch zum Dreckspiel überredet."

"Was nicht an uns lag, Aurora", fühlte sich James Potter genötigt, zu widersprechen.

"An wem soll es denn dann gelegen haben, Potter?" Kam eine verächtlich klingende, beinahe zischende Frage vom Schloßtor her. Aurora wandte ihren Kopf und sah einen Jungen mit einer ziemlich langen Hakennase und schwarzem, irgendwie fettigem Haar. Ihr fiel ein, daß dies Severus Snape sein mußte, hinter dem Tonya Rattler angeblich hergelaufen sein sollte.

"Das weißt du ganz genau, Snape", gab James Potter verächtlich zurück. "Eure Lausebande meint ja, daß jedes Mittel recht ist, um Tore zu machen und vergißt dabei, daß Quidditch ein Sport ist."

"Ach, fühlt sich der große James, die Hoffnung aller Gryffindors gedemütigt, weil er verlernt hat, um etwas zu kämpfen und nun unterzugehen droht?"

"Wer nur in dunklen Kellern Zaubertränke umrührt ist sowieso nicht berufen, sich dazu zu äußern, Hakennase. Die Misthaufen aus eurem Haus glauben ja, daß alles erlaubt ist, was ihnen was einbringt", sagte James. Erin trat zu Aurora und zog sie sanft mit sich. Sie nickte James und den Gryffindors noch zum Abschied zu und betrat mit ihrer Hauskameradin aus der siebten Klasse das altehrwürdige Schloß.

"Die beiden haben sich schon gehaßt, als die vor sechs Jahren hier ankamen. Snape und seine Bande führen Krieg gegen James und seine Bande. Die finden immer was, worüber sie sich verkrachen können", sagte Erin.

Unterwegs nach Ravenclaw trafen sie noch Cynthia Flowers und Melinda Bunton, die giggelnd aus einem der Mädchenklos kamen. Erin fragte sofort:

"Tritt im Klo ein Gaukler auf, oder was gab's da zu kichern?"

"Nichts für Außenstehende", flötete Cynthia belustigt und verschwand mit Melinda um die nächste Biegung des Korridors.

"War das der Toilettenraum von dieser maulenden Myrte, von dem mir Amalia erzählt hat?" Erkundigte sich Aurora bei Erin.

"Nöh, der ist im ersten Stock. Da geht auch fast keine hin, weil es einmal häufig kaputtgeht und zum anderen die maulende Myrte jeden volljammert, was sie doch für ein schweres Schicksal hat."

"Was ist denn mit der passiert? Sie ist doch ein Geist, oder?"

"Ja, das ist sie. Aber wie das passiert ist, daß sie zum Geist wurde, weiß von uns keiner. Es hat sie auch bisher keiner danach gefragt", erwiderte Erin.

"Oh, dann müßte ich die mal besuchen", dachte Aurora laut. Erin lachte nur.

"Du hältst das keine Minute bei der aus, Aurora. Ich selbst mußte mal sehr dringend und konnte mich nur in diesen verspukten Kloraum retten. Zum Glück hat dieses Geistermädchen so laut gejammert, daß ich eine von ihr unbesetzte Kabine finden konnte. Das hat mir peinliche Ausrutscher erspart."

"Hallo, Aurora!" Rief Petula Woodlane, die gerade von Ravenclaw kam. Aurora grüßte die Klassenkameradin und Schulfreundin.

"Habt ihr heute Quidditch trainiert?" Fragte Petula. Erin bejahte dies und fügte hinzu:

"Aurora kann besser fliegen, als ich in den ersten zwei Schuljahren. Irgendwer in ihrer Familie muß ihr das Talent eines Profis vererbt haben."

"Wird wohl so sein, Erin. Aurora, kommst du mit mir in die Bibliothek? Miriam will dort noch was über die entzündungshemmenden Zaubertränke nachlesen."

"Ich bin in zehn Minuten bei euch, Petula", erklärte sich Aurora Dawn einverstanden und ließ die blondhaarige Mitschülerin mit den rehbraunen Augen vorbei.

Vor dem Zugang zum Gemeinschaftsraum von Ravenclaw blieben Erin und Aurora stehen. Das Bild mit der Wiese, auf dem üblicherweise der Kuhhirte Bruce mit seiner braun-weiß gescheckten Kuh Maggy zu sehen war, zeigte nur die unter einer dünnen Schneedecke liegende Wiese.

"Ist der schon wieder nicht da!" Schnaubte Erin. Sie klopfte an das Bild, als sei Bruce damit herbeizuholen. Doch dieser blieb verschwunden.

"Warum haben die uns ausgerechnet den vor den Eingang gehängt?" Wunderte sich Aurora Dawn und betastete das Bild, das sich für sie wie ein unbemaltes Stück Leinwand anfühlte.

"Flitwick hat uns in Zauberkunst erklärt, daß es einen Zauber gibt, mit dem gemalte Lebewesen, die aus ihrem Gemälde verschwinden, in dieses zurückgeholt werden können. Wie ging der noch mal?"

"Juhu, ihr könnt da jetzt nicht rein! Ihr müßt für immer draußen sein!" Trällerte hoch und unverschämt die Stimme des Poltergeistes Peeves. Erin und Aurora wandten sich um, konnten den Unruhestifter aber nicht sehen.

"Ach, Peeves. Hast du soviel Angst vor uns, daß du dich wieder unsichtbar machst?" Fragte Erin. Aurora fragte:

"Dann war das doch der blutige Baron, der hier herumgeschwebt ist, Erin?" Erin stutzte zwar, weil sie beide keinem Geist, schon gar nicht dem blutigen Baron, begegnet waren. Doch dann verstand sie.

"Der hat was gesagt, daß er mit Peeves noch was zu klären hat, wahrscheinlich kommt er gleich hier an."

"Oooo nein!" Entfuhr es dem unsichtbaren Poltergeist. Die Mädchen hörten, wie er sich eilig davonstahl.

"Du gehörst jedenfalls nach Ravenclaw, Aurora. Das war echt eine geniale Idee, ihm vom blutigen Baron zu erzählen", sagte Erin halblaut, als sie sicher sein konnten, daß Peeves wohl nicht mehr in der Nähe war.

"Die graue Dame erzählte mir mal, daß der blutige Baron der einzige Geist sei, der mit Peeves fertig werden könne. Das wird wohl stimmen."

"Natürlich stimmt das, Miss Dawn", sagte die Stimme der grauen Dame von hinten. Dann wurde der Geist dieser altehrwürdigen Frau sichtbar, die in ihrer durchscheinenden Gestalt im wallenden grauen Kleid den Gang entlangschwebte und sich dem Einstieg zu Ravenclaw näherte.

"Ich wollte Sie nicht beleidigen, Mylady", sagte Aurora Dawn schnell. "Es war nur so, daß Peeves sich hier herumgetrieben hat und uns verspottet hat, weil Bruce im Moment nicht in seinem Bild ist und wir eben nicht reinkönnen."

"Peeves, diese Kanallie! Nun, das mit Bruce kann ich nicht besorgen. Ich habe dafür kein Mittel an der Hand. Wenden Sie sich doch an Professor Flitwick!"

"Wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben", sagte Aurora Dawn. "Nachher kommt Peeves wieder vorbei oder der blutige Baron selbst."

"Nun gut. Ich muß meine eigenen Dinge erledigen", sagte die graue Dame und glitt ohne weiteres durch das Bild hindurch in den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum hinüber.

"Dann zu Flitwick!" Nahm Erin den Vorschlag des Ravenclaw-Hausgespenstes auf und begab sich mit Aurora zum Büro von Professor Flitwick. Dort standen zwei Slytherins höherer Klassen herum. Erin verzog das Gesicht und zog Aurora einige Schritte zurück.

"Rossier und Lestrange. Die müssen uns nicht anquatschen", flüsterte Erin. Die beiden Slytherins bemerkten die Ravenclaw-Mädchen nicht. Sie redete halblaut über andere Dinge. Aurora vermeinte einmal, den Namen Voldemort herauszuhören, gefolgt von einem gehässigen Lachen. Doch sie konnte es sich auch eingebildet haben.

Flitwick holte sich die beiden älteren Schüler in sein Büro und sprach mit ihnen. Aurora und Erin zogen sich in einen Gang zurück, wo sie gerade ankommen konnten, wenn die Slytherins das Büro wieder verließen. Als dies nach fünf Minuten passierte, entfernten sich die Schritte der älteren Schüler, sodaß Erin und Aurora unbemerkt zu Flitwicks büro zurückkehren konnten. Professor Dawn kam um eine Abbiegung und näherte sich den beiden Schülerinnen.

"Oh, sind Sie vom Besen gepurzelt, Miss Dawn?" Fragte sie mit der Unpersönlichkeit einer Lehrerin sprechend. Aurora nickte und erzählte kurz:

"Wir trainierten Abfangmanöver. Dabei ging das Reisigwerk meines Übungsbesens zu Bruch, Professor. Ich wollte meinen Umhang wechseln, doch unser Türhüter ist offenbar ausgeflogen."

"Ach, und Sie beherrschen den Reinitimaginus-Zauber nicht, Miss Runfield? Dann lassen wir den guten Flitwick unbehelligt! Ich helfe Ihnen aus", bot Professor Dawn an. Erin stimmte zu, was Aurora beruhigte, da sie nicht vorpreschen wollte. Zwar wußten ja alle, die Professor Dawn kannten, daß Aurora ihre Tochter war. Doch weder Mutter noch Tochter machten daraus einen großen Umstand, wie sie es vereinbart hatten.

"Dann wollen wir mal!" Trieb die Arithmantiklehrerin die beiden zum Aufbruch und ging voran. Da sie einst selbst in Ravenclaw gewohnt hatte, kannte sie ja den Weg noch gut genug, um schnell wieder bei dem unbesetzten Gemälde zu sein. Davor jedoch schwebte der blutige Baron in seiner gruseligen Erscheinung mit den über den ganzen Körper verteilten silbrigen Blutflecken und sah die drei Hexen an.

"Wo ist dieser Bastard Peeves. Ich werde ihm noch heimleuchten, was ihm einfiel die Räume meiner Residenz zu penetrieren und zwei seiner lebendigen Bewohner mit Drachendung zu besudeln."

"Und dann erwartet Ihr ihn hier, Baron?" Fragte Professor Dawn unbeeindruckt.

"Tyrannia die schreckliche hat ihn hierherfliegen sehen können, obschon sich dieser niedere Wicht in seiner Unsichtbarkeit sicher wähnte. Also wo ist er?"

"Vielleicht ärgert er die maulende Myrte", entgegnete Aurora Dawn keck. Der Baron verzog sein schon so grimmiges Gesicht zu einer Maske unbändigen Zorns und lief auch silbern an, so wie ein Mensch aus Fleisch und Blut vor wut erröten kann.

"Hüte sie ihre Zunge, ungeratene Maid und fürchte meinen Zorn. Denn wer ihn entfacht, wird sich dem Wunsch ergeben, nimmer mehr zu leben."

"Ihr wißt, Baron, daß uns die Geschäfte Eurer Mitgeister nichts angehen. Ebenso solltet Ihr euch vor irgendwelchen Drohungen vorsehen. Denn Dumbledore könnte darüber nachdenken, ob Ihr nicht das Wohl der Schüler gefährdet und Eure Verbannung aus Hogwarts in Erwägung ziehen", sprach Professor Dawn eine Gegendrohung aus. Der blutige Baron verzichtete auf weitere Beschimpfungen oder Drohungen und schwebte schnell davon, um Peeves zu erwischen.

"Ui, da haben wir dem alten Polterer doch glatt den richtigen Tipp gegeben", fiel es Erin ein. Aurora berichtete kurz, daß sie Peeves wirklich hier angetroffen hatten und ihm vom blutigen Baron erzählt hatten, der angeblich hinter ihm her sei.

"Drachendung ist auch nicht gerade 'ne schöne Angelegenheit. Das sollte Peeves sich besser abgewöhnen", sprach die Arithmantiklehrerin. Dann zeigte sie den beiden Mädchen, wie der Reinitimaginus-Zauber ging. Aurora schrieb sich alle Schritte und Zauberworte auf, da sie davon ausging, daß sie den Zauber hier wohl häufiger benutzen müßte. Als Professor Dawn mit dem Wort "Reinitimagine!" die Prozedur beendete und den Zauberstab auf den gemeinsamen Kreuzungspunkt von vier Linien hielt, rotierten diese Linien wie wild, bis eine weiß leuchtende Fläche entstand. Ein Brausen klang auf, wie ein wilder Sturm. Dann ertönten Geschrei und ängstliches Brüllen. Das Bild wurde total grau und dann wieder völlig klar. Nun hockte Bruce auf der Wiese, Maggy rannte quer übers Bild und verließ es in heller Panik wieder.

"Solche Barbareien!" Fluchte Bruce in einer Mischung aus Angst und ohnmächtiger Wut. "Was soll das?"

"So, ihr könnt jetzt reingehen, Kinder", sagte Regina Dawn und zog sich ohne weiteres Wort zurück.

"Terra pulchra!" Rief Aurora Dawn mit breitem Grinsen. Bruce gab sofort den Eingang zum Gemeinschaftsraum frei. Drinnen wurde Aurora Zeuge, wie ein silberner Lichtstrahl von irgendwo her Erin traf und sie unvermittelt zum hemmungslosen Lachen zwang. Sie krümmte sich und verkrampfte sich.

"Oh, Mist!" Fluchte Roy Fielding von drinnen her. Aurora schob Erin weiter in den Gemeinschaftsraum hinein. Roy Fielding hielt seinen Zauberstab in der Hand. Erica stand neben ihm und sah betroffen auf Erin.

"Mach das wieder rückgängig, Erica!" Flehte Roy. Sie nickte und holte ihren Zauberstab hervor.

"Finite Incantatem!" Rief sie. Unvermittelt entspannten sich Erins Gesichtszüge wieder, und sie konnte wieder ruhig atmen.

"Entschuldige, Erin! Ich wollte Roy gerade zeigen, wie die einfachen Flüche gehen. Er hat Rictussempra ausprobiert, wollte ihn einfach nur aus dem Raum schicken und ..."

"Schon gut, Erica", erwiderte Erin Runfield. "Ich sollte nur darauf gefaßt sein, daß wer hier mit Flüchen durch die Gegend feuert. Nachher brennt mir noch einer den Alopetius oder den Senecuticula-Fluch auf. Da hätte ich sehr viel dagegen."

"Das wird hoffentlich nicht passieren", sagte Erica Fielding. Dann sah sie Aurora an. Der Umhang von ihr war zwar schon wieder getrocknet, aber fleckig von der eingetrockneten Erde.

"Habt ihr sie vom Besen gehauen, Erin?" Fragte sie. Erin schüttelte den Kopf. Aurora ging derweil schnell in den Mädchenschlafsaal der Erstklässler und wechselte den Umhang. Vor einem der Spiegel im Mädchenwaschraum richtete sie ihr Haar wieder her und kehrte dann in den Gemeinschaftsraum zurück. Dann fiel ihr ein, daß sie ja mit Miriam und Petula in der Bibliothek verabredet war, holte sich noch ihr Zaubertrankbuch und verließ Ravenclaw wieder.

Im Eingang zur Bibliothek rannte sie fast in Severus Snape und die beiden Slytherin-Jungen Rossier und Lestrange hinein. Snape fauchte sie an, warum sie nicht langsamer machen könne. Dann sah er das Zaubertrankbuch unter dem Arm des Mädchens und grinste gehässig.

"Nur weil du die Tochter von dieser viel zu fröhlichen Arithmantikhexe bist meinst du, in allem gut zu sein? Wieso mußt du dann noch Bücher mit dir herumschleppen? Das ist doch hier eine Bibliothek. Da stehen hunderte rum?"

"Aus denen ich mir bestimmt ein paar ausleihen werde, wenn ich gelesen habe, was für Bücher ich noch brauche", sagte Aurora und rang jede Spur von Furcht oder Verachtung nieder. Sie wollte den großen Slytherins gegenüber nicht klein und schwach erscheinen. Diese grinsten sie von oben herab an.

"Ach neh. Welche Zaubertränke müßt ihr denn demnächst machen?" Fragte Snape, der wohl als Wortführer dieser Bande auftrat.

"Entzündungshemmer und Fiebersenker. Aber warum fragst du nicht eure Hauslehrerin nach unserem Unterrichtsplan?" Erwiderte Aurora Dawn immer noch ruhig.

"Ich habe euren Stundenplan gemacht, du dumme Göre", schnitt Snape gehörig auf.

"Warum fragst du dann noch? Wenn du, wovon ich stark ausgehe, wesentlich wichtigere Sachen zu tun hast, als Erstklässlerinnen anzusprechen, gehe ich jetzt in die Bibliothek", sagte Aurora Dawn keck, peilte genau in die Lücke zwischen den Slytherin-Jungen und schlüpfte ansatzlos zwischen ihnen durch. Rossier fuhr zwar herum und wollte das Mädchen festhalten, doch Snape zischte ihm zu, daß dies nichts bringe und blieb vor der Tür.

"Na, bist du an dem vor der Tür herumliegenden Dreck vorbeigekommen, Aurora? Fragte Rebecca Hawkins, die gerade mit einem Stapel Büchern unter den Armen um eine Ecke der Sektion Zauberkunst kam. Aurora Dawn nickte und grinste.

"Denen muß wohl sehr langweilig sein, daß die drei meinen, Leute vor der Bibliothek anpöbeln zu müssen, Becky."

"Die warten bloß auf Delila Rattler. Die hängt da hinten mit ihrer liebreizenden Schwester im Bereich für Zauberflüche herum und kichert sich einen nach dem anderen ab."

"Danke für den Hinweis", flüsterte Aurora Dawn und begab sich zu Miriam und Petula. Diesen erzählte sie kurz, was ihr unterwegs passiert war und machte sich dann mit ihnen daran, die Zaubertrankhausaufgaben zu erledigen. Aurora riet sich und den beiden Klassenkameradinnen, die Pergamente gut fortzustecken, für den Fall, daß die Slytherin-Jungen immer noch vor der Tür warteten und auf die Idee kämen, die Aufgaben zu rauben.

Tonya Rattler und ihre Schwester, die groß und breit gewachsene Delila, gingen zehn Minuten später aus der Bibliothek und unterhielten sich laut mit Snape und Rossier. Dann wurde es still. zwei Stunden später verließen Aurora, Miriam und Petula die Bibliothek wieder und gingen unbehelligt zu ihrem Schulhaus zurück. Bruce hockte wieder in seinem Bild und sah Aurora verängstigt an, weil er wußte, daß sie wohl mitbekommen hatte, wie ihre Mutter ihn und Maggy in das Gemälde zurückgezaubert hatte.

"Terra pulchra!" Rief Aurora Dawn fröhlich und wünschte Bruce noch einen schönen Abend. Petula und Miriam lachten nur, als Bruce sagte, daß er nicht mehr ruhig seinen Tag verbringen könne, weil ja nun jeder diesen brutalen Rückholzauber lernen würde und er keine Ruhe mehr fände. Aurora sagte nur:

"Oh, das ist aber jetzt sehr bedauerlich."

"Wie du meinst", knurrte Bruce, der sich nicht so recht ernstgenommen fühlte.

Im Gemeinschaftsraum trafen die drei Mädchen Bruster und Mortimer an, die sich heftig über was stritten. Aurora bemerkte die Zeitung mit unbeweglichen Bildern, die Bruster in den Händen hielt und wohl gerade daraus vorgelesen hatte.

"Was geht denn hier vor?" Fragte Aurora.

"Ach, mein Vetter hat nur geäußert, daß seine Fußballmannschaft demnächst wohl ein wichtiges Spiel habe und wollte mich mal wieder davon überzeugen, wie toll das doch sei. Mehr war nicht", sagte Mortimer. Das gelangweilte "Achso" von Aurora und Miriam regte Bruster richtig auf.

"Wenn United das Spiel vergeigen, rutschen die auf Platz vier ab, Mädels. Das wäre eine Katastrophe."

"Mit dem Wort solltest du aber vorsichtig umgehen", sagte Mortimer verunsichert. "Katastrophen sind, wenn Leute dabei zu Schaden kommen oder sterben. Fußball ist ja doch nur ein Sport. Der ist zwar langweiliger als Quidditch, wesentlich langweiliger. Aber es ist nur ein Sport, Bruster."

"Mal sehen, was Roy dazu sagt. Immerhin muß United ja noch gegen die Roten ran und dann geht's zur Sache, falls die Blauen vorher 'n so wichtiges Match verlieren."

"Juckt mich nicht, Bruster. Die von Manchester United können doch in die vierte oder fünfte Division abrutschen, wann sie wollen. Liverpool auch. Dann haben wir hier endlich Ruhe vor diesem unwichtigen Krempel."

"Eh, Morty, wenn du Streit haben willst, kein Problem", drohte Bruster und schüttelte die rechte Faust. Mortimer grinste nur höhnisch und erwiderte:

"Komm, benimm dich wie ein richtiger Mann, nicht wie ein Kindergartenkind! Was sollen denn die Mädels von dir halten?"

"Oh, daß Mädchen immer vernünftig wären wäre mir neu", erwiderte Miriam Swann mit breitem Grinsen. "Wenn ich mir da anschaue, wie sich bei einer Hexenparty welche aufregen, nur weil zwei Hexen im Raum genau dennselben Umhang und denselben Schmuck tragen, hat Sport doch noch was für sich."

"Solange es Quidditch ist", fügte Aurora Dawn hinzu.

"Ihr mit eurem Quidditch. Das erste Spiel war eine Prügelei auf fliegenden Besen und das zweite ein Schlafwagenspiel. Wenn das eure Vorstellung von toll ist, dann bleibe ich lieber bei Fußball", sagte Bruster.

"Roy kam mit seiner Schwester von einem Besuch der Bibliothek zurück. Er hörte, daß man seinen Lieblingssport erwähnte und sah Brusters Zeitung.

"Ach, hat dein Dad dir endlich die Sportergebnisse geschickt. Super! Was sagst du denn zu nächster Woche, Brusi? Die Blauen kriegen dann eins auf ihre hohlen Köpfe und plumpsen zickezacke auf den vierten Platz runter. Dann kommt die beste Truppe aller Zeiten und haut die noch mal 'n paar Plätze runter", tönte Roy vergnügt.

"Das du das sagen mußt, muß ich ja hinnehmen. Aber wer am Ende wem eins überbrät, werden wir spätestens übernächste Woche wissen, Burschi. Die Roten! Die taugen doch nur was, wenn man mit weißer Farbe "Coca Cola" draufschreibt, so langsam wie die laufen."

"Heh, friedlich!" Rief Erica ihren Bruder zur Ordnung, der auf den Spötterich Bruster losgehen wollte. Aurora fragte, was denn "Cocacola" sei und erfuhr, daß dies der Name für ein zuckerhaltiges, mit Kohlensäure versetztes Getränk sei, was bei den Muggeln häufig getrunken würde. Dann sagte Regina Dawns Tochter:

"Klingt interessant. Muß ich vielleicht mal ausprobieren. Und eure Spieler laufen wirklich so langsam herum, daß sie Werbung für sowas machen können?"

"Glaub dem kein Wort, Aurora! Das ist purer Neid, weil die Gurkentruppe von Manchesterverunratet nur Geld kriegen, weil jemand eine große Spendenaktion auf den Weg gebracht hat, um die überbezahlten Fußballer nicht verhungern zu lassen. Denn fürs Spiel kriegen die bei der schwachen Leistung kein Geld mehr", spottete Roy. Bruster sprang auf und ging auf Roy los. Erica hatte unvermittelt ihren Zauberstab hervorgeholt und auf Bruster gerichtet.

"Was für Roy gilt ist auch für dich verbindlich, Mr. Wiffle. Hier in Ravenclaw wird sich um eine solche Belanglosigkeit nicht geprügelt. Überhaupt hat sich hier keiner zu prügeln, klar?"

"Yep, Mummy!" Machte Roy gehässig.

"Jetzt hast du zumindest einen Einblick, was ich jede Woche mitmachen muß", flüsterte Mortimer Aurora zu. Diese nickte nur.

"Wie war denn euer Quidditchtraining?" Fragte Mortimer Swift Aurora. Diese meinte:

"Wir könnten wesentlich schöneres Quidditch spielen, wenn die Schule zumindest den Stammspielern bessere Besen gibt. Die Krücken, mit denen man hier herumfliegt, taugen nur noch fürs Kaminfeuerholz. Erin hat nur den schnellen Bremsgriff probiert, um zu testen, ob wir uns vor dem bei dem Spiel gegen die Slytherins besser absichern können, da brach mir der Besenschweif weg und ich konnte das morsche Ding gerade noch landen. Aber ansonsten habe ich den Eindruck, daß die mit mir gut auskommen wollen. Ich weiß nur noch nicht, als was ich spielen soll. Hüter ist doch etwas seltsam für mich. Jäger oder Treiber ist wohl eine tolle Position, weil man da das ganze Feld ausnutzen kann."

"Die rücken hier keine guten Besen raus. Als der Nimbus 1000 auf den Markt kam, wollten Kelvin, Isadora, Rosina und Nero die Schulleitung beknien, mindestens 40 Besen anzuschaffen, weil ja keiner seinen eigenen Besen haben darf, wieso auch immer. Aber Dumbledore hat gesagt, daß wir mit den Sauberwischs und Himmelsstürmern bislang besser zurechtkamen und jeder gleiche Chancen haben sollte, da hochgezüchtete Besen nicht für jeden geeignet seien und so weiter und so weiter. Den eine Besen, den Erin heute zerpflückt hat, werden sie wohl durch ein typgleiches Fluggerät ersetzen. Na ja, irgendwie ist das ja bisher gut gelaufen mit den Spielen", erläuterte Erica.

"Ja und das bessere ist der Todfeind des guten", widersprach Aurora Dawn, die sich ja mit ihrer Mutter schon über die unzureichenden Besen unterhalten hatte. "Hier wollen vielleicht einige in die Profi-Liga überwechseln, wenn sie mit Hogwarts durch sind. Ich denke, dieser James Potter von den Gryffindors stellt sich sowas vor, vielleicht auch Kelvin oder Erin, so wie ich die heute habe fliegen sehen dürfen. Da können die doch nicht von solchen Klappergestellen auf Hochleistungsbesen umsteigen."

"Das wäre genauso, als wenn ein Straßenautofahrer in einen Rennwagen einsteigt oder ein doppelzöpfiges Schulmädchen vom Pony auf ein arabisches Rennpferd umsattelt", warf Bruster ein.

"Hast du was gegen Mädchen mit Zopf?" Fragte Miriam, die sich wegen ihres rotblonden langen Zopfes angesprochen fühlte.

"Ich sagte was von Mädchen mit zwei Zöpfen, Miriam. Die sehen zu niedlich aus, zu klein und brav", bekräftigte Bruster seine Äußerung.

"Schön, daß ich dir nur halbniedlich und halbso artig erscheine", erwiderte Miriam schnippisch. "Aber ich mag meine Haare so. Nichts gegen deine Haare, Aurora. Aber ich kann das nicht haben, wenn meine Haare mir um den Kopf wehen."

"Da sagst du noch, wir sollten uns nicht um so langweiligen Kram wie Fußball streiten, Morty? Da brauch ich nur ein Wort zu sagen, und die Mädchen käbbeln sich."

"Oh, ist mir da gerade was entgangen? Ich kann mich nicht erinnern, daß ich mich mit Miriam um ihre Haare oder meine Haare zanken würde, wie du dich mit Roy um diesen Laufsport Fußball zankst", warf Aurora schnell ein. Miriam nickte beipflichtend.

"Sagt mal, habt ihr heute überhaupt keinen Hunger?" Fragte Erica. Alle sagten schnell, daß sie doch Hunger hätten. So nahm Erica Roy beim Arm und führte die ganze Gesellschaft von Erstklässlern in die große Halle hinunter, wo bereits das Abendessen wartete. Roy sträubte sich zwar ein wenig, neben seiner Schwester zu sitzen. Doch diese zischte ihm nur etwas ins Ohr, und er wurde fügsam.

Das Abendessen war wieder reichhaltig, sodaß niemand etwas daran auszusetzen hatte. Jeder langte zu und ließ es sich schmecken. Die graue Dame leistete den Ravenclaws wieder Gesellschaft. Sie sprachen über das nächste Quidditchmatch, den Unterricht und die Artikel im Tagespropheten, die im Moment etwas fröhlicher gestaltet waren. Offenbar hatten die Handlanger des dunklen Lords im Moment keine Lust, anständige Hexen und Zauberer zu terrorisieren. Doch die meisten gingen davon aus, daß dies nur eine kleine Atempause sei und der dunkle Lord sich schon bald um so schrecklicher bemerkbar machen würde. Aurora, die zwischen Miriam und Petula saß, hielt sich aus den Diskussionen über Sinn und Vorhaben der dunklen Magier heraus und besprach mit ihnen exotische Zauberkräuter, über die sie etwas gelesen hatte und von denen Professor Sprout behauptete, daß man mit diesen sehr lustige Sachen machen könne.

"Da gibt es ein Grasgewächs, das pulverisiert und in Milch mit Honig gerührt die Stimme total tief klingen macht, solange das Zeug im Körper ist. Brummbinsen heißen die glaube ich. Ein anderes Zauberkraut bringt den Körper in der Dunkelheit zum leuchten", erzählte Aurora und fügte an, wo diese Pflanzen erwähnt wurden. Bruster, der rechts von Petula saß, fragte:

"Daß du für Kräuterkunde schwärmst, wissen wir ja, Aurora. Dann hast du bestimmt auch schon von diesen Hexenkelchsamen gehört, die in Glücksplätzchen eingebacken werden können und sowas wie Gedankenübertragung mit anderen Pflanzen ermöglicht."

"Stimmt, davon habe ich gelesen. Aber die Autoren haben sich sehr vage über diese Pflanze ausgelassen. Aber Dianthuskraut ist noch besser. Es bewirkt, daß du unter Wasser atmen und mit gewachsenen Schwimmhäuten zwischen Fingern und Zehen besser schwimmen kannst. Das wächst aber nur bei Neumond im Mittelmeer und ist auch nicht einfach zu halten", fügte Aurora Dawn noch hinzu.

"Was hat Professor Sprout erzählt, als Tonya Rattler sie gefragt hat, was es für schöneres Aussehen gäbe?"

"Den Liebestaupilz, der nur dort wächst, wo Tiere oder Menschen sich fortgepflanzt haben, aber nur einen vollen Tag lang stehen bleibt, bevor er sich in süß und berauschend riechenden Staub auflöst. Zerkocht man den mit einigen Sachen, von denen uns Sprout nichts erzählt hat, so kann ein Mann dadurch volleres Haar und eine straffere Haut bekommen, Frauen glatte Haut und seidenweiches Haar. Für die Augen gibt es ja die gemeine schwarze Tollkirsche, Atropa belladonna", führte Aurora aus, was sie über Hexenkosmetik wußte.

"Das sagt ja der Name schon", warf Alessandro Boulder, einer der Treiber in der Quidditchmannschaft Ravenclaws ein. Alle wußten, daß seine Mutter aus Italien, genauer einem kleinen Dorf bei Rom, abstammte und er neben Englisch auch Italienisch konnte. "Bella donna heißt einfach nur schöne Frau, weil die Frauen, ob Muggel oder Hexen, sich mit dem Gift die Pupillen größer geschminkt haben."

"Ansonsten nicht zu gebrauchen", warf Bruster ein. Aurora und Petula widersprachen ihm.

"Es ist für viele Zaubertränke wichtig, Bruster. Das Gift als solches wirkt wie ein Rauschmittel, aber bei Überdosis tödlich", wußte Petula. Bruster grinste.

"Hat dich Aurora schon mit ihrem Fimmel für magisches Grünzeug angesteckt? Dann kann ja die Sprout froh sein, wenn wir Ravenclaws bei ihr noch ein paar Punkte mehr holen als die Slytherins. Immerhin hat sie ja die Hufflepuffs zu betreuen, die bestimmt auch besser dastehen wollen, als nur als Idioten, die nur für harte Arbeit ranzuholen sind."

"Ach, du meinst also, daß Cynthia oder Melinda blöde Ziegen sind, die nur nach Anleitung arbeiten können?" Fragte Aurora Dawn. Bruster nahm das sofort wieder zurück.

"Das bringt doch überhaupt nichts, wenn hier die alten Vorurteile hochgekocht werden", sagte Erica Fielding, die links neben Miriam saß und alles mitbekommen hatte. "Mit den Hufflepuffs und Gryffindors kommen wir doch alle klar, oder?"

"Natürlich", bestätigte Miriam Swann, und alle anderen nickten ihr beipflichtend zu.

Der Rest des Abendessens verlief weiterhin in friedlicher, teils heiterer Atmosphäre. Dumbledore kündigte an, daß für das Wochenende für alle Drittklässler und darüber ein Ausflug nach Hogsmeade, dem von Hexen und Zauberern bewohnten Dorf bei Hogwarts, stattfinden sollte. Miriam erzählte Erica darauf noch etwas, was sie dort neues vorfinden konnte, seitdem sie wohl am Halloweentag das letzte Mal dort gewesen sei. Erica bedankte sich bei der Erstklässlerin, deren Eltern ja in Hogsmeade lebten und ging mit ihrem Bruder davon.

"Was soll'n das jetzt, dieses Große-Schwester-Getue?" Fragte Bruster Wiffle. Aurora wußte es nicht und hätte ihm wohl auch nichts darüber gesagt, wenn sie es gewußt hätte. Sie konnte sich jedoch denken, daß Erica Roy gezielt mit den schönen und häßlichen Seiten der Zaubererwelt vertraut machen wollte, da dies ja bislang niemand so richtig hinbekommen hatte. Wenn es Roy davon abbrachte, immer davon zu reden, daß er doch lieber wieder in die Muggelwelt zurückgehen würde, sollte es ihr recht sein. Denn sie fand Roys energisches Wesen erfrischend und kurzweilig, wenngleich sie bislang noch keine Gefühle wie Bewunderung oder gar Verliebtheit für einen Jungen empfand.

Den Rest des Abends vertrieben sich die Ravenclaws mit Musik bis elf Uhr nachts. Dann gingen alle ins Bett. Da am Samstag kein Unterricht stattfand, konnten sie alle ausschlafen.

_________

Als das nächste Quidditchspiel beginnen sollte, pfiffen eisige Winde über die Ländereien von Hogwards hinweg und rüttelten an den kahlen Ästen der Bäume. Schneereste flogen wie weiße Wölkchen über den Boden, die mittlerweile vereisten Schneedecken über den Baumwipfel bröckelten unter der Gewalt der Sturmböen ab und rieselten endgültig zu Boden. Alle Schülerinnen und Schüler hatten sich in ihre Winterumhänge gehüllt, dicke Wollpullover darunter angezogen und Schals und Wollmützen zum Schutz ihrer Köpfe angezogen. Aurora Dawn saß mit Petula Woodlane zusammen in einer der mittelhohen Reihen der Tribüne um das Quidditchfeld und beobachtete, wie sich die vierzehn Spieler mit Aufwärmübungen auf das Spiel vorbereiteten. Nero Roots, der Kapitän der Slytherins, schlug Saltos, um die Geschmeidigkeit seines Körpers zu beweisen, während Kelvin sich durch einfache Gymnastik die Kälte aus Körper und Gliedern fernhielt. Als Madame Hooch die Kapitäne aufforderte, sich zu begrüßen, konnten alle Zuschauer sehen, wie verbissen die beiden großen Jungen einander die Hände gaben. Offenbar wollte Slytherin hier und heute die Chance zurückerkämpfen, am Jahresende den begehrten Quidditchpokal zu gewinnen, der unter Umständen auch zum Gewinn des Hauspokals führen konnte. Ravenclaw rechnete sich dagegen schon höhere Gewinnchancen aus, weil es Hufflepuff bereits im ersten Spiel geschlagen hatte. Jeder und jede wußte, daß die Slytherins unfair spielten. Doch keiner hätte deswegen darauf bestanden, daß das Spiel deswegen abgesagt würde. Die Ravenclaws wollten denen aus Slytherin beweisen, daß sie mit sportlichen Mitteln mehr erreichen konnten, als durch unsauberes Spiel, und die Slytherins trachteten nur nach dem Ruhm, ohne sich zu fragen, zu welchem Preis dieser zu bekommen war.

Tobias Clover, ein sechzehnjähriger Hufflepuff-Junge, kommentierte das Spiel. Er hielt ein magisches Megaphon in Händen und sah zu, wie die Kapitäne voneinander abließen und zu ihren Mannschaften zurückgingen. Schweigen, so eisig wie der böige Wind, lag über dem Stadion. So konnte jeder aus dem Publikum hören, wie Madame Hooch mit befehlsgewohnter Stimme rief:

"Besteigt die Besen!" Sie ließ die beiden Klatscher und den goldenen Schnatz aus einer Kiste frei. Der Schnatz wirbelte golden glitzernd davon, während die Klatscher wild aufwärts rasten, dabei immer größere Spiralen drehten und dann in zwei unterschiedliche Richtungen davonjagten. "Drei! Zwei! Eins!" Zählte Madame Hooch. Statt eines weiteren Wortes warf sie den roten Quaffel nach oben, pfiff lang und schrill auf ihrer Trillerpfeife und stieß sich selbst auf ihrem Besen vom Boden ab. Die vierzehn Jungen und Mädchen der Quidditchmannschaften brausten auch nach oben und bedrängten sich gegenseitig, um den Spielball zu kriegen, um damit auf des Gegners Tor loszufliegen.

"... Und da hat Runfield den Quaffel durch eine geschickte Seitwärtsrolle erspielt und ist schon unterwegs zum Torraum der Slytherins. Doch Cracklebone stört durch Querung und ... Ui!" Kommentierte Tobias Clover den Spielverlauf und mußte selber durchatmen, als Erin Runfield gleich von zwei Klatschern angeflogen wurde. Sie schaffte es jedoch, den Quaffel zu behalten und kurz vor dem Torraum in eine gute Schußposition zu kommen. Da flog einer der großen Slytherin-Jäger an ihr vorbei und rammte ihr kurz den Arm in die Seite. Madame Hooch pfiff, während alle außer den Slytherins laut buhten und pfiffen.

"Freiwurf für Ravenclaw wegen mutwilligen Einsatzes des Ellenbogens!" Rief sie auf etwa 20 Metern Höhe schwebend. Norman Wayne übernahm den Freiwurf und jagte mit viel Wut den Quaffel durch den linken Ring, nachdem er den Hüter der Slytherins durch eine schnelle Rechtsbewegung zum Flug in die falsche Ecke verleitet hatte. Der Slytherin-Hüter zog eine bitterböse Grimasse. Nun stand es zehn zu null für Ravenclaw.

"Jetzt werden die Slytherins ihre schmutzigen Tricks auspacken", unkte Miriam Swann, die rechts von Aurora Dawn saß.

"Das ist wohl zu befürchten", bemerkte Aurora dazu.

"Epuna Buggers holt sich den Quaffel von Marion Witt und spielt ab zu ihrem Teamkollegen Armus Dillinger, der rempelt sich mal eben an Norman Wayne vorbei! ... Schön, noch ein Freiwurf!" Kommentierte Clover. Professor McGonagall, die in seiner Nähe stand, sah den Kommentator kritisch an, während sich der kleine Professor Flitwick sichtlich freute, daß Ravenclaw wieder einen Freiwurf zuerkannt bekam. Erin führte aus und wäre fast an Orcus Ripley, dem Hüter gescheitert, wenn sie nicht die Nerven behalten und den Quaffel erst abgeworfen hätte, als Ripley eine Zehntelsekunde lang zwei Ringe preisgab. Das Publikum klatschte begeistert, als die Anzeigentafel zwanzig zu null für Ravenclaw zeigte.

Nun griffen die Slytherins mit brachialer Gewalt an. Sie flogen derartig schnelle Vorstöße, daß die Ravenclaw-Spieler Mühe hatten, auf den klapprigen Schulbesen mitzuhalten. Hinzu kamen die mörderisch geschlagenen Klatscher, die Erin und Marion fast von den Besen rissen. Innerhalb von zwei Minuten glichen die Slytherins aus. Dann schafften Erin, Marion und Norman eine schnelle Ballstaffette und überwanden Ripley durch einen wuchtigen Distanzwurf. Ripley, der auf ein Abspiel und einen Nahbereichangriff ausgegangen war, ballte seine Fäuste und prällte den Quaffel mit solcher Wut aus dem Torraum, das dieser wie einer der Klatscher auf einen Ravenclaw-Spieler zuflog, Alessandro Boulder, einen der Treiber. Der rote Ball krachte mit großer Wucht in das Reisigbündel des Spielers, daß dieser sich viermal um die Senkrechtachse drehte, bevor er sich und den Besen wieder unter Kontrolle bekam. Dadurch war Ravenclaw vorrübergehend ohne einen Treiber, was die beiden grobschlächtigen Treiber der Slytherins eiskalt nutzten, um die beiden Klatscher gezielt gegen den Hüter und Kapitän, Kelvin Hightowers, zu dreschen. Einen Klatscher konnte Kelvin noch austanzen. Dafür erwischte ihn der zweite schwarze Ball voll am Brustkorb. Stöhnend glitt er nach unten, und Buggers pfefferte den Quaffel locker durch den mittleren Torring. Madame Hooch pfiff eine Auszeit.

Madame Pomfrey eilte auf das Spielfeld und besah sich Hightowers. Sie tat irgendwas mit ihrem Zauberstab, gab Kelvin einen Trank und reckte dann den Daumen der rechten Hand nach oben. Alle Ravenclaws jubelten und klatschten. Kelvin schwang sich wieder auf seinen Besen und stieg wieder auf.

Slytherin foulte, daß es wieder unansehnlich zu werden drohte, fand Aurora. Die technischen Finessen der Ravenclaws verliehen der Partie jedoch einen gewissen Glanz, zumal die für manche groben Verstöße verhängten Freiwürfe gekonnt verwandelt wurden. Einmal warf Erin von schräg unten in den rechten Ring ein, einmal zirkelte Norman für die erlaubten zwei Sekunden Bewegungszeitfreigabe wie eine stechlustige Hornisse vor Ripley herum, bevor er den Ball brilliant durch den linken Torring beförderte. Einmal drohte Erin, wie Aurora wegen eines Schadens an ihrem Besen auszufallen. Doch sie bekam ihr Fluggerät wieder klar und jagte zwei der drei Jägern der Slytherins nach, die auf den von Kelvin behüteten Torraum zueilten, sich den Quaffel immer hin- und herpassend. Mit einer schnellen Vorstoßbewegung erwischte sie den Quaffel bei einem solchen Paß und warf sich mit einer schnellen Seitwärtsrolle aus der Flugbahn eines ihr geltenden Klatschers, der dann Buggers knapp am rechten Ohr vorbeizischte. Armus Dillinger stürzte sich aus über zwanzig Metern Höhe auf Erin und drohte, sie vom Besen zu reißen. Sie ließ den Quaffel fallen und fing ihren Sturzflug ab. Dillinger schnappte den Quaffel auf und wollte zurück zum Ravenclaw-Torraum, als Ronin McDougal wie ein niederstoßender Greifvogel an ihm vorbeistürzte und im Bruchteil eines Augenblicks einen winzigen goldenen Schimmer mit der linken Hand überdeckte. Der Sucher der Slytherin preschte heran und wollte Ronin den Fang noch im allerletzten Augenblick vermiesen, indem er den Besenstiel des Suchers packte, um diesen wegzudrehen. Doch da hielt Ronin den walnußgroßen Spielball mit den silbernen Flügeln schon sicher in der Hand. Ein Boxhieb des Slytherin-Suchers auf die Nase Ronins ließ diese bluten. Doch das Spiel war entschieden. Ravenclaw gewann mit 230 zu 70 das Match. So machte sich Ravenclaw berechtigte Hoffnungen auf den Pokal, während den Slytherins ihr unfaies Spiel überhaupt nichts eingebracht hatte. Flitwick sprang wie ein erfreuter Junge hoch in die Luft und klatschte begeistert, während Professor Bitterling dem Hauslehrer der Gewinnermannschaft höflich gratulierte. Aurora Dawn meinte, daß die orientalisch aussehende Zaubertranklehrerin sich wohl über die Mannschaft aus ihrem Haus ärgerte, weil zum einen völlig unnötige Freiwürfe provoziert worden seien und der Sucher von Slytherin offenbar geschlafen hatte, weil er den goldenen Schnatz zu spät ausgemacht hatte, um noch hinzugelangen. Aurora war sich auch sicher, daß sich die Slytherins einiges anhören mußten, wenn sie wieder in ihrem Gemeinschaftsraum sein würden. Petula wandte den Kopf und meinte dann zu Aurora:

"Delila Rattler sieht nicht gerade glücklich aus, Leute. Wahrscheinlich hat sie sich eingebildet, daß die Schubser und Schläger von Slytherin mit ihrem Ding durchkommen. Aber Technik setzt sich auch dort durch, wo jemand sich nicht an Regeln halten will."

"Mir soll Delila oder ihre Schwester Tonya egal sein, Petula", warf Aurora barsch ein. "Wenn wir das Spiel gegen Gryffindor noch gewinnen, haben wir den Pokal sicher. Slytherin muß noch gegen Hufflepuff ran, Gryffindor auch noch gegen Hufflepuff und schließlich gegen uns. Die stehen jetzt unter Dampf, weil sie weiter um den Pokal zittern müssen."

"Du hast recht, Aurora", stimmte Miriam Swann zu. "Die Slytherins werden sich das nicht bieten lassen, daß sie derartig schlecht angeschrieben sind. Wenn dann auch noch ein Superspieler wie Sean Bradley von den Hufflepuffs mit von der Partie ist, dann wird es für die noch mal heftig. Wir hatten beim Spiel gegen Hufflepuff mehr Glück als Verstand, daß unser Sucher den Schnatz erwischt hat, bevor die Hufflepuffs richtig in Fahrt kommen konnten."

"So sehe ich das auch, Leute", sagte Aurora Dawn und stand von ihrem Platz auf, um die siegreiche Mannschaft zu beglückwünschen. Petula und Miriam begleiteten sie. Als sie unten auf dem Quidditchfeld ankamen, gruppierten sich ältere Slytherins um ihr Team und redeten auf es ein. Offenbar war die Foulspieltechnik doch nicht die Garantie dafür, daß Slytherin den Pokal kriegen würde.

"Das hat ja fast ausgesehen, als hätte dich der Quaffel vom Besen geputzt, Alessandro", erinnerte sich Aurora Dawn an den wütenden Abschlag vom Tor, der Alessandro fast vom Besen geschleudert hätte. Alessandro nickte nur und wandte sich an Orcus Ripley, der gerade von Tonya Rattler umgarnt wurde.

"Bilde dir nicht ein, daß du uns mit derartigen Krawallwürfen aus dem Tritt bringst! Am besten trainiert ihr wieder Spielen und nicht Foulen!"

"Halt den Rand, Klugscheißer!" Versetzte Orcus Ripley derb und kicherte künstlich und gehässig. Severus Snape und seine beiden Freunde Rossier und Lestrange traten auf den Quidditchplatz und unterhielten sich mit Ripley und Buggers. Alle lachten dann. Offenbar heckten die Slytherins was aus, dachte Aurora. Aber was dies war, konnte sie sich nicht ausmalen. Sicher war nur, daß Ravenclaw den härtesten Gegner überwunden hatte und das, obwohl das Team sauber gespielt hatte. Das Störertraining hatte sich also ausgezahlt.

"Du bist eine sehr gute Fliegerin, Erin", lobte Aurora die sehr hübsche Jägerin der eigenen Hausmannschaft. Diese bedankte sich mit einem Lächeln für dieses Kompliment und erwiderte:

"Du bist aber auch nicht schlecht. Wenn im nächsten Jahr unsere Positionen neu besetzt werden müssen, denke ich, daß du mich würdig beerben wirst."

"Klingt ja so, als wolltest du sterben, Erin?" Warf Miriam mit beklommen klingender Betonung ein. Erin schüttelte sacht den Kopf.

"Nein, das nicht, Miriam. Aber ich mache hier in Hogwarts das letzte Jahr und denke nicht, daß ich das Jahr nachholen muß, wegen schlechter Noten. Deshalb meine ich, daß mich Aurora als Jägerin beerben kann."

"Ich denke auch nicht, daß hier irgendwer Witze damit macht, wann auch immer zu sterben", bemerkte Petula Woodlane dazu. Aurora nickte. Dann gingen sie alle zurück in den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum und feierten den Sieg der Technik über die grobe Gewalt. Musik erklang durch den Gemeinschaftsraum, und die wildesten Quidditch-Geschichten machten die Runden. Dann kam das Abendessen, wo die Hausmannschaft den rechtschaffen erworbenen Hunger stillen konnte. Anschließend wurde im Gemeinschaftsraum noch Schach gespielt, während eine Fünftklässlerin leise eine silberne Harfe spielte. Irgendwann kurz vor Mitternacht beorderten die Vertrauensschüler ihre Hauskameraden in die Schlafsäle. Doch auch in den großen Schlafsälen wurde weiter über das Spiel geflüstert, bis irgendwann um zwei Uhr der letzte Ravenclaw die Augen schloß und einschlief.

__________

Die Wochen bis zum Spiel Hufflepuff gegen Slytherin verflogen mit viel Arbeit und Hausaufgaben. Offenbar wollten die Lehrer prüfen, wer ihre hohen Anforderungen erfüllte. Besonders Professor Bitterling und Professor McGonagall halstn den Erstklässlern eine Unmenge an Aufgaben auf. Dina Murphy, die in den Zauberfertigkeiten immer noch sehr unbeholfen war, konnte sich nur über Kräuterkunde und Zaubertränke über Wasser halten. Flitwick rief sie einmal zu sich, um mit ihr zu klären, ob es doch an ihrem Zauberstab liegen könne, daß sie nur einen von zehn verlangten Zaubern hinbekam. Als Dina zurückkamwirkte sie etwas trübsinnig.

"Was hat er gesagt?" Fragte Roy Fielding sie.

"Flitwick meint, ich möge mir in den nächsten Osterferien einen anderen Zauberstab kaufen und vor Ort, also da, wo ich ihn kaufe, schon ausprobieren, ob ich damit besser klarkomme. Der, den ich im Moment habe, geht bei Flitwick zwar ohne Probleme, aber bei mir spinnt der nur rum. Wahrscheinlich komme ich mit dem Material nicht zurecht, aus dem der gemacht ist."

"Dann ist es doch gut", sagte Roy aufmunternd. "Wenn es nur am Zauberstab von dir liegt, kriegst du das mit der Zauberei doch schnell wieder hin."

"Das ist eines der zwei Dinge, die mir Sorgen machen, Roy", hörte Aurora Dawn Dina sagen. "Einmal haben meine Eltern nicht genug Geld, um zwei Zauberstäbe in so kurzer Zeit zu kaufen, zumal Flitwick mich an diesen Ollivander verwiesen hat, der wohl sehr genau prüft, wer mit welchem Stab am besten zaubern kann. Zweitens weiß ich nicht, was ist, wenn rauskommt, daß es nicht am Zauberstab liegt, sondern an mir."

"Hmm", machte Roy. "Wenn der Zauberstab bei Flitwick so wirkt, wie er soll, braucht der vielleicht wen, der schon besser zaubern kann, also wen, der mit der Schule fertig ist. Dann könntest du den Stab von dir doch gebraucht verkaufen. Erica hat doch erzählt, daß viele erwachsene Hexen und Zauberer sich Zweitzauberstäbe anschaffen, weil sie Angst haben, einen zu zerbrechen."

"Aber dann kriegen wir doch nie den Preis wieder raus, den der hier schon gekostet hat", wandte Dina ein. Aurora sah die beiden Klassenkameraden fragend an und bekam die Erlaubnis, was zu sagen.

"Wenn es bei dir an den Materialien hängt, müßtest du doch vor einem Neukauf mit verschiedenen Zauberstäben ausprobieren können, ob's an den Zauberstabbestandteilen hängt oder an dir. Wenn's an dir hängt, kann geklärt werden, ob man für dich nicht eine Sonderanfertigung macht. Ich hörte von Mum, daß Ollivander für nur zehn Galleonen einen maßgefertigten Zauberstab herstellt."

"Haben meine Eltern nicht", warf Dina betrübt ein.

"Das ließe sich einrichten, Dina. Wenn wir Ravenclaws alle ein wenig zusammenlegen, jeder so eine Sickel, kommst du locker auf zehn Galleonen, um den zu bezahlen", hielt Professor Dawns Tochter eine Lösung bereit. Dina machte große Augen. Dann sagte sie:

"Meine Eltern wollen nicht, daß ich bei anderen Leuten um Geld bitte. Sie sind zwar nicht gerade reich, aber auch nicht arm genug, um sich auf anderer Leute Hilfe einlassen zu wollen. Aber ich werde das behalten, Aurora. Vielleicht hängt es aber auch nur am Tier, das die Bestandteile des Zauberstabes geliefert hat. Da, wo ich den Zauberstab herhabe, haben sie mir erzählt, der Kern sei aus dem Schweif eines fünfjährigen Einhorns."

"Oh, dann kann da schon was verkehrt laufen", sagte Aurora, als sie den Weißbuchenstab Dinas noch mal genauer betrachtete. "relativ junge Einhörner brauchen das Holz eines alten Baumes als magisches Gegengewicht, habe ich gelesen. Dann spielt auch noch die Stablänge hinein und so weiter. Warst du nicht bei Silvartis oder Ollivander?"

"Neh, ich habe meinen Zauberstab in einem Laden für Rundumausrüstung gekauft, wo Umhänge, Zauberstäbe und Kessel im Gesamtpaket gekauft werden können. War meinen Eltern billiger."

"Na wunderbar, sparen am falschen Ende", knurrte Roy Fielding. "Erica und ich haben unseren Krempel in verschiedenen Läden gekriegt. Die Zauberstäbe haben wir bei Silvartis geholt. Die Hexe, die mir meinen angedreht hat, meinte, es käme auf die Zusammensetzung der Stäbe an, Balance zwischen Zauberer und Stab wäre eine Frage der Übung. Wenn die bei dir einfach einen Stab, einen Kessel und mehrere Umhänge zusammengepackt haben, wohl noch gebraucht, haben die nicht auf die Zusammensetzung des Zauberstabes geachtet."

"Deshalb habe ich meinen bei Ollivander gekauft. Das war meinen Eltern die Sache wert", bekundete Aurora Dawn.

"Wie gesagt, Dina, das muß nicht an dir hängen, wenn du im Moment mit diesem Stab nichts hinkriegst", erinnerte Roy die Klassenkameradin daran, daß der Zauberstab vielleicht nicht richtig gefertigt sein mochte. Dina gab Roy ihren Zauberstab und bat ihn, damit zu zaubern. Roy nahm den Stab und schaffte fast spielerisch mehrere Zauberkunststücke. Damit hatte er nicht erreicht, was er erreichen wollte, denn Dina sah nun noch trübsinniger drein. Roy gab ihr seinen Zauberstab, und Dina setzte fast den Gemeinschaftsraum in Brand, weil ein Strahl aus roten und goldenen Funken im wilden Flug durch den Raum schoß.

"Ich weiß nicht, ob die Vertrauensschüler das mittragen, Dina. Aber vielleicht sollten wir fragen, ob sie das organisieren, daß wir für eine Einzelanfertigung zusammenlegen", griff Aurora noch mal den Vorschlag auf, den sie vor kurzem gemacht hatte.

"Wie gesagt, Aurora, denke ich, daß meine Eltern das nicht haben wollen, daß ihr oder sonst wer mir Geld zusteckt."

"Hmm, wie gut schmeckt der Stolz. Denn nimmer enttäuscht er im Geschmack, weil man ihn nicht essen kann", warf Petula Woodlane ein, die bis dahin stumm dabeigesessen und zugehört hatte. Dina fing fast zu weinen an. Aurora sah Petula grimmig an und meinte:

"Ich glaube nicht, daß deine Eltern sich nachsagen lassen wollen, sich Geld von Schülern ausleihen zu müssen, um einen Zauberstab, ja irgendwas auch immer kaufen zu können."

"Du hast recht, Aurora", stimmte Petula zu. "Wir können Dina nur anbieten, ihr zu helfen. Wenn Ihre Eltern das nicht wollen, müssen wir das hinnehmen."

"Denke ich auch", sagte Aurora zur Bestätigung.

"Lasss uns mal von anderen Sachen reden!" Schlug Roy vor. Dann ging es um das anstehende Match zwischen Hufflepuff und Slytherin. Nun, da die Slytherins gemerkt hatten, daß ihr ruppiges und regelwidriges Spiel nicht immer zum Erfolg führen mußte, war die Frage, ob sie die ohnehin auf schwachem Fuße spielenden Hufflepuffs nicht auch auf einwandfreiem Weg auspunkten würden. Aurora sagte dazu nur:

"Die können nur unfair, Roy. Wenn die denken, die Hufflepuffs seien sowieso schwach, dann nutzen sie das aus, um sich möglichst viele Punkte zu holen. Immerhin wollen die wie wir ja noch den Pokal haben, wozu sie mindestens dreihundert Punkte brauchen, um die beiden Siege von uns und die Niederlage gegen Gryffindor auszubügeln."

"Dann wäre es wohl besser, wenn die Hufflepuffs gleich ihre Niederlage eingestehen", meinte Petula, die sich vorstellen mochte, daß Slytherin mit brutaler Gewalt Tor um Tor erkämpfen würde.

"Dann würde Slytherin vielleicht mit tausend Punkten in die Gesamtführung gehen. Nix da! Sollen die ruhig sehen, ob sie immer mit ihrem Krawall-Quidditch durchkommen!"

"Du hast recht, Aurora", pflichtete Petula der Klassenkameradin bei. "Sollen die Hufflepuffs zeigen, daß Quidditch ein Sport für Könner ist und nicht für Unholde."

Als dann am nächsten Samstag alles auf den Beinen war, um sich das Spiel Slytherin gegen Hufflepuff anzusehen, waren sich Cynthia und Melinda aus Hufflepuff nicht so sicher, ob ihre Mannschaft den Tag unverletzt überstehen konnte. Doch sie freuten sich, daß hier und heute vielleicht ein wichtiger Sieg gegen die bei den meisten Schülern verachteten Slytherins möglich war. Ein Meer aus kanariengelben Fahnen mit dem schwarzen Hufflepuff-Dachs wogte über der Zuschauertribüne. Vereinzelt hörte Aurora auch magische Tröten, die in schnellen Rhythmen aufmunternde Melodien über den Platz tönen ließen. Sie selbst saß mit Miriam und Petula in einer Reihe gleich neben Cynthia, Melinda und Tara aus Hufflepuff. Tara Branigan, ein kleines Mädchen mit roten Locken und dunkelbraunen Augen, hatte ein vier Meter langes Spruchband mit der schwarzen Aufschrift auf kanariengelbem Tuch hergestellt. Sie war wohl eine Könnerin in Zauberkunst, wußten Melinda und Cynthia zu berichten. Auf dem Spruchband standen die Worte: "Dachse in der Erden, schaffen so wie ihr. Siegreich sollt ihr werden! Ja, das wünschen wir. Hufflepuff voran, bringt den Sieg uns an!"

Tonya Rattler, die mit ihrer Bande von Slytherin-Jungen und Mädchen ein grünes Spruchband mit einer silbernen Slytherin-Schlange hochhielt, glotzte kurz zu den Hufflepuff-Erstklässlern und blökte etwas, daß im allgemeinen Tumult unhörbar verflog, was, so fand es Aurora, wohl auch richtig so war.

"Weil wir stets am besten fliegen, werden wir auch wieder siegen" las Aurora das Slytherin-Spruchband, dessen goldene Buchstaben durch Zauberkunst zu hüpfenden, Kraft strotzenden Schriftzeichen geworden waren. "Gleich beißt euch die Slytherin-Schlange! Dann lebt ihr Flaschen nicht mehr lange!" Rief Samiel Sharkey überlaut. Roy, der zusammen mit Bruster neben die Mädchen aus seiner Klasse trat und sich hinsetzte, sah den Slytherin-Jungen nur verächtlich an. "Die kleinsten Köter kläffen am lautesten!" Grummelte er nur. "Wenn die meinen, sie würden wieder siegen, dann pfeift da nur ein kleines Mädchen im dunklen Wald", warf Bruster noch ein. Beide Jungen lachten über diesen Vergleich.

"Möchtest du etwa sagen, daß Mädchen sich in einem dunklen Wald immer fürchten, Bruster?" Fragte Miriam Swann leicht verärgert.

"Öhm, stimmt das etwa nicht?" Kam es von Bruster keck zurück.

"Die meisten guten Hexen wuchsen im Wald auf, weil da die meisten Zaubertiere und -kräuter zu finden sind", erwiderte Miriam ungehalten. "Wenn die sich vor was gefürchtet haben, dann waren das fremde Zauberer aus der Stadt und die Mordgeräte der Muggel, die durch ihre Wälder gezogen sind."

"Miriam, er hat doch nur einen Vergleich gemacht", versuchte Aurora, den Unmut Miriams zu dämpfen. Doch diese sah ihre Klassenkameradin an und sagte:

"Ich höre mir derartige Dummheiten nicht unerwidert an, Aurora. Jungen bilden sich ein, Mut und Können, Überlegenheit und Vorrangstellung gepachtet zu haben und ziehen über Mädchen und Frauen so her, als kämen die ohne Jungen und Männer nicht klar. Dabei sind sie es, die verhungern müßten, weil sie vor lauter Handwerkstechniken verlernen oder gar nicht mitkriegen, wie Nahrung beschafft und zubereitet werden muß. Hinzu kommt, daß Männer keine Kinder kriegen können und daher nicht wissen, wieviel Mut eine Hexenmutter hat, die wagt, neues Leben in sich auszutragen und unter großen Schmerzen zur Welt zu bringen. Also braucht Bruster nicht so zu tun, als sei das so, daß wir Mädchen uns grundsätzlich fürchteten."

"Schade, daß die keine Muggeleltern hat, Bruster. Die könnte genial mit den ganzen Frauenrechtlerinnen von denen quatschen, wie?" Fragte Roy seinen Bettnachbarn. Dieser grinste nur lausbubenhaft. Miriam zwickte Roy kurz aber spürbar in den linken Arm und sagte:

"Vor achthundert Jahren war es noch so, daß Familien vom Geschick der Mütter und Großmütter bestimmt wurden, Mr. Fielding. Die sogenannte Vorherrschaft der Männer, ob Muggel oder Zauberer, ist nur deshalb so weit verbreitet, weil Kraft und Unüberlegtheit in einer ständig hektischer werdenden Welt wichtiger wurden, als Wissen und überliefertes Können. Das steht ..."

"In irgendeinem Buch", schnitt Roy Miriam den Redefluß ab. diese fauchte wie eine gereizte Katze:

"Hoffe inständig, daß nicht eines Tages alle Frauen, womöglich alle Hexen, aufstehen und das alte Vorrecht wiederhaben wollen. Ihr würdet verlieren."

"Miriam, nimm's doch locker!" Warf Petula ein. "Es ging doch nur um dieses Getue von den Slytherins. Spul dich daran nicht unnötig auf!"

"Petula, ich gehe davon aus, daß du mich in nicht ferner Zukunft gut verstehen wirst", wandte Miriam ein. Dann sah sie wieder auf das Quidditchfeld, wo Madame Hooch die beiden Kapitäne, Nero Roots und Isadora Meadows dazu anhielt, sich zu begrüßen. Dann ging die Partie auch schon los.

Aurora fühlte sich auf unangenehme Weise bestätigt, als sie und die übrigen Zuschauer Zeugen wurden, wie brutal die Slytherins von der ersten Sekunde an vorpreschten. Sie schlugen die Klatscher gezielt auf den Hüter der Hufflepuffs, rempelten und blockten, schubsten und zerrten. Ihr Hüter nahm breit grinsend jeden Freiwurf hin und parierrte einen nach dem anderen. Slytherin führte bereits mit sechs zu null Toren, als die Sucherin der Hufflepuffs unvermittelt eine schnelle Wende machte und beinahe übergangslos den Schnatz in der linken Hand vorzeigte. Die Hufflepuffs schrien auf. Nach nur fünfzehn Minuten war das Spiel gelaufen. Hufflepuff hatte durch einen glücklichen Zustand eine vernichtende Niederlage in einen Triumph umgewandelt. Die Ravenclaws und Gryffindors amüsierten sich köstlich, als die so unbarmherzig vorgehenden Slytherins mit bedröppelten Gesichtern landeten und sich wild gestikulierend um ihren Sucher scharrten.

"Mistkerle! Dummbeutel! Flaschen!" Polterten Samiel Sharkey und Tonya Rattler gerade noch zu verstehen und stürzten mit den Slytherins von der Tribüne, direkt ins Schloß. Die Ravenclaws beglückwünschten die Hufflepuffs, die nun, da sie einen relativ schnellen Schnatzfang geschafft hatten, gute Ausgangschancen für das Jahresendspiel gegen Gryffindor hatten. Die Slytherins waren auf jeden Fall aus dem Pokalrennen heraus. Drei Niederlagen würden diesem Haus keinen Pokalplatz mehr ermöglichen. Jetzt ging es nur noch darum, wie Ravenclaw gegen Gryffindor spielte, ob Hufflepuff noch berechtigte Ansprüche auf den Pokal anmelden durfte oder auf dem dritten Platz vor den Slytherins die Saison beenden würde.

"Die haben sich ja schnell aus dem Staub gemacht", grinste Bruster Wiffle und deutete auf die leeren Tribünenplätze, wo die Slytherins gesessen hatten. "Ich sagte es ja: Wie die kleinen Mädchen im dunklen Wald."

"Dir werden wir noch Anstand und Ehrfurcht vor Mädchen und Frauen beibringen", raunte ihm Miriam zu und strich sich mit einer wilden Armbewegung den langen rotblonden Zopf glatt.

"Ehre oder Furcht?" Versetzte Bruster hämisch grinsend.

"Eher Furcht, wenn du so weitermachst. Es gibt Hexen, die warten förmlich darauf, daß sie die Geschicke der Zaubererwelt wieder in die Hände nehmen können", erwiderte Miriam. Bruster, der sich nicht erschüttern lassen wollte, erwiderte:

"Dann sollten sie sich aber beeilen, bevor der dunkle Lord die alle abmurkst."

Klatsch! Traf eine Ohrfeige Miriams Bruster an der rechten Wange. Dieser sah das Mädchen total verdutzt an und kämpfte um seine Fassung. Er schnaubte:

"Was fällt dir ein? Sei froh, daß ich keine Mädchen haue und ..."

"Schweigst du wohl!" Zischte Miriam. "Es ist absolut unerhört, sowas zu sagen, was du gerade gesagt hast. Deine Mutter sollte dir bei der nächsten Gelegenheit mal mehr Anstand beibringen", erwiderte Miriam wütend. Ihr Gesicht war knallrot, und in ihren Augen glitzerten kleine Tränen, Tränen der ohnmächtigen Wut, weil Bruster sich so herablässig über den dunklen Lord geäußert hatte, ja es wie einen Witz angedeutet hatte, daß der andauernd Leute umbrachte, was für Miriam überhaupt nichts war, worüber jemand sich lustig machen durfte.

"Wir alle sollten froh sein, wenn uns und denen, die wir lieben, nichts passiert, ja wenn das Treiben dieses grausamen Zauberers bald beendet wird", stellte Aurora Dawn fest, um die Situation zu beruhigen.

"Das glaube ich auch", sagte Petula. Miriam schnaubte nur:

"Trotzdem sollte niemand mit sowas rumalbern, nur weil ihm oder ihr nichts besseres einfällt."

"Wenn du sonst keine Sorgen hast, dann geht es dir gut", versetzte Bruster und eilte davon. Er hatte einstweilen genug von Mädchen, die schnell eingeschnappt waren und sogar handgreiflich werden konnten.

Als nach dem Abendessen die Ravenclaws im Gemeinschaftsraum saßen, hing Bruster über einer Muggelsportzeitung, die er von seinen Eltern bekommen hatte und wies jeden Kontaktversuch seiner Mitschüler zurück. Offenbar hatte ihn Miriams Ohrfeige heftiger getroffen, als nur an der rechten Wange, fand Aurora. Doch sie wollte sich nicht einmischen. Wenn Bruster meinte, sich mit Miriam anlegen zu müssen und die das auch noch herausforderte, dann sollten die beiden das unter sich ausmachen.

__________

Wie heftig den Slytherins diese dritte und wohl unerwarteteste Niederlage in die Glieder gefahren war, merkten Aurora und die Ravenclaws bei der nächsten Kräuterkundestunde. Sie sollten an rotblättrigen Stauden schneiden und die abgetrennten Blätter auspressen und den Saft in kleinen Fläschchen auffangen, während die festen Überreste zum Kompost gegeben werden sollten. Aurora arbeitete mit Miriam, Petula und Mortimer Swift zusammen. Doch vom ruhigen Arbeiten konnte keine Rede sein. Denn bereits in der ersten Minute gab es Ärger.

Tonya Rattler, die mit ihren neuen Klassenkameradinnen in weiter Entfernung von Professor Sprout arbeitete, rief unvermittelt:

"Wußte gar nicht, daß diese Verlierer aus Hufflepuff einen Extrabonus für das Spiel bekommen haben! Haben Sie Dumbledore dafür bezahlt, daß der denen den Sieg gönnt?!"

"Konzentrieren Sie sich auf den Unterricht!" Befahl Professor Sprout barsch. Tonya lachte.

"Also doch!" Rief sie, und ihre Klassenkameraden stimmten in das Lachen mit ein. Dann jedoch wurden sie ungehalten und frech.

"Das konnte ja auch nicht mit rechten Dingen zugehen, Tonya. Unser Sucher ist wesentlich schneller als der von den Huffis!" Rief Samiel Sharkey, der etwas weiter von Tonya entfernt stand. Dann rief Gallows:

"Dieser Schlammblutfreund Dumbledore will uns mit diesem Unsinn zwingen, seine lächerlichen Ansichten zu teilen. Wer nicht spurt, verliert im Quidditch."

Knall! Professor Sprout hatte ihren Zauberstab gezückt und einen grellen Blitz mit Donnerschlag in den Raum gefeuert. Für wenige Sekunden kehrte erschrockenes Schweigen ein.

"Fünfzig Punkte Abzug für Slytherin wegen fortgesetzter Störung des Unterrichts, Beleidigung des Schulleiters und des Lehrkörpers von Hogwarts und unflätiger, ja beleidigender Rede gegen Mitschüler!" Rief die Kräuterkundelehrerin barsch. Doch die Slytherins fühlten sich offenbar nicht an diesen Beschluß gebunden. Drei Jungen aus der Gruppe der Slytherins traten wild entschlossen vor und zogen ihre Zauberstäbe.

"Nehmen Sie diesen Blödsinn vielleicht zurück, Madame oder müssen wir Ihnen zeigen, wie egal Sie und ihre Bande uns eigentlich sind?" Sagte einer der Burschen.

"Sie drohen mir, Gallows? Sie wagen es wirklich, mich zu bedrohen?" Fauchte Professor Sprout. Kain Gallows winkte mit dem Zauberstab und murmelte etwas. Doch Professor Sprout war auf der Hut. Als ein violetter Blitz aus Kains Zauberstab fuhr, richtete sich eine feuerrote Wand zwischen ihm und der Kräuterkundelehrerin auf. Mit einem lauten Rums und knisternden Funken zerstreute sich der violette Blitz in dieser feuerroten Lichtmauer.

"Raus!" Befahl Professor Sprout Kain Gallows. "Hundert Punkte Abzug wegen tätlichen Angriffs auf mich! Raus!!"

Kain Gallows sah verdutzt die rundliche Lehrerin mit dem grauen Haarschopf an, die wild entschlossen, ja über alle Maßen bedrohlich dreinschaute. Tonya machte zwar den Mund auf, als wolle sie noch was sagen, verkniff es sich. Kain wollte einfach stehenbleiben. Doch unvermittelt packte ihn eine unsichtbare Gewalt, hob ihn wie eine Feder vom Boden auf und warf ihn wie vom Katapult geschleudert aus dem Gewächshaus hinaus. Draußen segelte er noch einige Meter weiter, bevor er auf dem Boden aufschlug. Die Tür fiel krachend zu und ließ die Glaswände des Gewächshauses nachklirren.

"Fühlt sich noch jemand berufen, ja verpflichtet, Slytherin zu massiven Punktverlusten zu verhelfen und seine oder ihre weitere Ausbildung hier zu riskieren?" Fragte Professor Sprout mit festem, unerschütterlichen Unterton. Keiner aus Slytherin wagte, was zu sagen.

Zwar wurde noch weitergearbeitet, aber Dina, Roy und Bruster bekamen zwischendurch von den Slytherins leise Verwünschungen zugezischt. Samiel hielt einmal den Zauberstab auf Roy gerichtet und tat so, als wolle er etwas zaubern. Roy warf sich sofort hin. Samiel lachte nur kurz. "So'n Feigling", flüsterte er darauf nur.

Es mochte wohl fünf Minuten gedauert haben, seitdem Kain Gallows des Gewächshauses verwiesen worden war, als eine überaus wütende Professor Bitterling mit Kain im Schlepptau zurückkam und mit hochrotem Gesicht die Kräuterkundelehrerin anschrie:

"Was hat mir Gallows erzählt? Sie haben ihn des Unterrichts verwiesen, noch dazu mit einem Zauber?"

"Kinder, hört auf! Unter diesen Umständen können wir nicht weitermachen", begann Professor Sprout, die sichtlich wütend wurde. Die Schüler beendeten die Arbeit. Die Slytherins grinsten hämisch, weil sie glaubten, daß ihre Hauslehrerin mit Sprout leichtes Spiel habn würde und diese sich bei Kain entschuldigen müßte. Doch die Kräuterkundelehrerin sah die schwarzgelockte Zaubertranklehrerin sehr ernst an.

"Gallows hat mich mit einem Fluch angegriffen, Semiramis. Vorher hat er mit einigen Klassenkameraden unqualifizierte, teilweise Beleidigungen gegen Hufflepuff und Professor Dumbledore erhoben. Ich weigere mich, diesen undisziplinierten jungen Mann noch eine Minute länger als bisher in meinem Unterricht zu dulden. Wenn Sie sich zu beschweren haben, können wir sofort zu Direktor Dumbledore gehen", sagte Professor Sprout. Professor Bitterling sah Kain Gallows an und fragte:

"Sie waren doch nicht wirklich so dumm, einen Lehrer mit einem Fluch ... Was für ein hirnloser Idiot sind Sie?" Kain hatte dämlicherweise kurz gegrinst, als seine Hauslehrerin ihn gefragt hatte. Kreidebleich sah er in das wütende Gesicht der Zaubertranklehrerin und schien merklich zusammenzusinken.

"Wer hat was gesagt?" Fragte Professor Bitterling ihre Schützlinge. Diese schwiegen eisern. Lediglich Tonya Rattler grinste überheblich. Dann wandte sich Professor Bitterling an Roy Fielding.

"Haben Sie was gehört, Fielding?"

"Nur das, was Professor Sprout Ihnen schon erzählt hat, Professor Bitterling", sagte Roy ganz ruhig. Das Samiel seinen Zauberstab halb aus der Tasche holte, um ihn zu bedrohen, steckte er unbeeindruckt weg.

"Ich will wissen, wer hier so dumm war, eine Meuterei anzuzetteln!" Schrillte Professor Bitterlings Stimme.

"Wir haben nur gesagt, daß das mit dem Sieg von Hufflepuff nicht mit rechten Dingen zuging, Professor", wandte Dana Bullwhip, ein hochgewachsenes Slytherin-Mädchen mit nachtschwarzem, leicht struweligem Haar ein. Professor Bitterling schnaubte ungehalten:

"So, es geht also immer noch um dieses Quidditchspiel. Glauben Sie in der Tat, daß dies einen massiven Punkteverlust für Slytherin rechtfertigt? War das Ihnen den Schulverweis wert, Mr. Gallows?"

Kain zuckte zusammen. Offenbar war er davon ausgegangen, daß ihm außer dem Rauswurf aus dem Gewächshaus nichts schlimmeres passieren würde, dachte Aurora. Er sagte nichts.

"Wir gehen sofort zu Dumbledore", beschloß Professor Bitterling. Professor Sprout nickte entschlossen und klatschte in die Hände.

"Bis zur nächsten Stunde keine Hausaufgaben!" Verkündete sie und trieb ihre Schüler aus dem Gewächshaus. Unterwegs zum Schloß trat Samiel an Roy heran, der bereits in Kampfstellung auf ihn wartete.

"Du dreckiges Schlammblut reißt nicht die Schnauze auf, wenn ich oder meine Freunde in der Nähe stehen, klar?"

"Friß Mist, Sharkey!" Rief Roy und trat Samiel locker den Zauberstab aus der Hand. Der hagere Slytherin stürzte sich auf Roy, bezog jedoch unverzüglich zwei kräftige Kinnhaken und sackte benommen zu Boden.

"Ohne Zauberstab bist du doch ein jämmerlicher Schlappschwanz", fauchte Roy und sah sich schnell um. Doch die übrigen Slytherins waren einfach weitergelaufen. Offenbar hatte Samiel sich eingebildet, den Muggelstämmigen alleine bedrohen zu müssen.

Aurora bekam im verlaufe des Nachmittags noch mit, wie Kain Gallows tatsächlich ohne Zauberstab und Schulkoffer aus Hogwarts abreisen mußte. Dumbledore selbst hatte ihn mit wütendem Gesicht aus der Schule gebracht und einigen Zauberern übergeben, die ihn wohl zu seinen Eltern zurückbringen sollten. Zwar wurden die Slytherins durch diesen massiven Strafakt etwas vorsichtiger, was direkte Angriffe auf Schüler oder Lehrer im Unterricht anging, doch Roy, Bruster oder andere Muggelstämmige sahen sich von da an der Gefahr, aus dem Hinterhalt heraus angegriffen zu werden aus. In einer der nächsten Stunden Verteidigung gegen die dunklen Künste sprach Mortimer diese Situation an.

"Ist Hogwarts eine Schule oder ein Tummelplatz für fluchwütige Jungzauberer, Professor?"

"Wie meinen Sie das, Swift?" Fragte Professor Bitterling mit lauernder Betonung.

"Vorgestern wurde Roy von irgendwem mit dem Ganzkörperklammerfluch behext. Einen Tag davor habe ich meinen Vetter Bruster mit heftigen Furunkeln im Gesicht zu Madame Pomfrey bringen müssen. Erica Fielding berichtete, daß sie sich gegen zwei Schüler aus Ihrem Haus verteidigen mußte, als sie zum Klo ging und fast in die Hose gemacht hätte, weil die Leute, die sie nicht erkennen konnte, ihr den Weg verstellten und mit irgendwelchen Flüchen auf sie losgingen. Finden Sie das etwa toll, daß Ihre Schüler sich rausnehmen, hier hausen zu können, wie die Handlanger von Du-weißt-schon-wem?"

"Erstens kann ich nicht überall sein, Swift. Zweitens wissen Sie nicht, ob die von Ihnen aufgezählten Leute das nicht mit Absicht provoziert haben, um die Bewohner meines Hauses in Ungnade zu stürzen. Drittens hat bisher niemand sagen können, wer genau was gemacht hat und damit keine Grundlage für Strafmaßnahmen geliefert. Und letztlich verbitte ich mir die Behauptung, meine Schüler würden sich wie die Vasallen des dunklen Lords aufführen. Damit macht man keine Scherze."

"Das war auch kein Witz", wandte Mortimer gereizt ein. "Die bilden sich doch ein, daß hier alles nach ihren Wünschen zu laufen hat. Das sind doch alles verwöhnte Bälger, deren Eltern ihnen wohl eingeredet haben, daß sie einmal wichtig sein werden", sagte Mortimer. Professor Bitterling zog Ravenclaw daraufhin 50 Punkte wegen falscher Verdächtigungen und Anstiftung zum Aufruhr ab. Zudem gab sie Mortimer eine Strafarbeit auf. Roy sprang auf.

"Sie halten also mit diesen Verbrechern und ihren Abkömmlingen, Professor Bitterling? Gut, daß Sie das hier und jetzt zugeben. Dann wissen wir zumindest, woran wir sind."

"Strafarbeit auch für Sie, Mr. Fielding! Zwanzig Punkte Abzug für Ravenclaw! Ich werde mich mit Ihrem Hauslehrer unterhalten müssen, ob Sie wirklich wert sind, hier Zauberei zu lernen. Vorerst werden Sie und Mr. Swift morgen nach dem Unterricht bei mir antreten und mit mir Zaubertrankzutaten vorbereiten. Wollen doch mal sehen, ob man Sie nicht zähmen kann."

"Zähmen Sie lieber diese wilden Tiere, die bei Ihnen im Haus wohnen", warf Bruster Wiffle ein. "Ich lasse mich auf jeden Fall nicht mehr als Zielübungspuppe für Ihre machtsüchtigen Möchtegernprinzen behandeln."

"Sie legen es wohl alle darauf an, am Jahresende weniger als keine Punkte für Ihr Haus zu haben, wie?! Noch mal zwanzig Punkte Abzug für Ravenclaw! Und damit Sie morgen einmal Ruhe vor diesen angeblichen Nachstellungen haben werden auch Sie bei mir antreten, Mr. Wiffle. Ich bin es nun leid, mir hier unbewiesene Anschuldigungen anhören zu müssen. Und jetzt werden Sie mir zeigen, was Sie in den letzten Stunden bei mir gelernt haben", sagte Professor Bitterling und forderte Bruster auf, sich ihren Angriffszaubern zu stellen. Er versagte schon nach dem zweiten ihm geltenden Angriff, dem Ganzkörperklammerfluch. Dafür zog Professor Bitterling Ravenclaw noch mal 10 Punkte ab und gab zur nächsten Stunde auf:

"Lesen und lernen Sie über die Körperverändernden oder lähmenden Flüche! Jeder von Ihnen wird in der nächsten Stunde praktisch geprüft. Wer versagt, wann auch immer, verschuldet einen Punktabzug für Ravenclaw!"

Bedröppelt über derartig hohe Punktabzüge verließen die Ravenclaws den Klassenraum, nachdem sie noch etwas über Nachtschatten gelernt hatten, körperlose, im dunkeln hausende Wesen, die einst mächtige schwarze Magier waren und nach ihrem Tod zu dunklen Geistern wurden, die man nur durch starkes Licht oder auf Licht basierende Zauberflüche davon abhalten konnte, lebenden Menschen die Körperwärme zu entziehen. Zurück im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum schimpfte Erica ihren Bruder aus, was dem den einfiele, derartig aufsässig gegen Professor Bitterling zu sein. Roy rief zurück:

"So, du findest das also toll, daß diese Slytherin-Bande uns wie sie will angreifen, verhexen oder bepöbeln tut, ja, Erica?! Ich bin genau wie du hergekommen, weil irgendwer befunden hat, daß ich hier was lernen soll. Ich habe aber keine Lust, mich hier zum Punching-Ball für überdrehte Möchtegernvoldemorts machen zu lassen. Das habe ich Professor Bitterling nur gesagt. Wenn sie mir Punkte für Ravenclaw abzieht, dann doch nur, weil ihre eigene Bande so viele Punkte eingebüßt hat. Ich lasse mir auf jeden Fall nichts mehr von denen bieten, Erica. Und wenn die mich deshalb rauswerfen, habe ich zumindest meine Ruhe vor diesen Arschlöchern, klar! Aber du kannst ja weiterhin den Kopf einziehen und dich bange in eine Ecke ducken."

"Ich verstehe zwar, was du meinst, Roy. Aber wir ändern daran nichts, wenn wir uns gegen die Lehrer auflehnen und ..."

"Ich habe mich nicht gegen einen Lehrer aufgelehnt, sondern nur gesagt, daß ich mich nicht von anderen Schülern so rumschubsen lassen will. Wenn die Bitterling das ihren Leuten nicht abgewöhnen kann, unsereins wie Jagdwild nach belieben zu beballern, dann muß eben jemand dafür sorgen, daß sich das für die nicht lohnt. Ich für meinen Teil werde mir sehr gut Flüche und Abwehrflüche einprägen, um gegen diese Mistbande kämpfen zu können, wenn ich muß."

"Du hältst mich also für feige?" Fragte Erica verstimmt.

"Wenn dir dieser Schuh paßt, zieh ihn an, Cinderella!" Erwiderte Roy schnell. Erica sprang auf und wollte ihrem Bruder eine runterhauen. Doch Amalia Hopfkirch, die Vertrauensschülerin, trat dazwischen.

"Erica, dein Bruder hat recht, wenn er sich bei denen beschwert, die was ändern können. Nur weil du dich damit abgefunden hast, daß du als Muggelgeborene denen aus Slytherin immer ausgeliefert bist, ist das noch lange nicht in Ordnung. Wenn Roy was dagegen hat, hat er ein Recht, sich bei der Hauslehrerin zu beschweren. Und es stimmt auch, daß die sich viel rausnehmen, weil sie angeblich mit dem dunklen Lord so gut stehen. Irgendwer mußte ja mal den Mund aufmachen."

"Ja, aber ...", setzte Erica Fielding an. Doch Amalia Hopfkirch schüttelte den Kopf.

"Wer sagt: "Lass das doch wen anderes machen!" hilft denen, gegen deren Treiben er oder sie was hat. Professor Bitterling wird ja selbst mitbekommen haben, wie gereizt ihre Schüler sind, weil sie nicht den Quidditchpokal kriegen werden und wohl auch entsprechende Maßnahmen ergreifen. Außerdem war und ist Roy ja nicht der einzige, der sich beschwert. Nur, weil Roy dein Bruder ist, mußt du ihm nicht einreden, sich alles gefallen zu lassen."

"Ja, aber wenn sie ihn rauswerfen", wandte Erica ein. Roy lachte nur gehässig und erwiderte:

"Dann wissen wir alle, daß ich hier nichts zu suchen hatte. Vergiss es also, mir hier sogenannte Zauberermanieren beibringen zu können!"

"Wieso regt ihr euch alle über diesen Punktabzug auf?" Fragte Aurora Dawn. "Wichtiger ist doch, daß Hogwarts eine Schule für alle mit Magie begabten Jungen und Mädchen ist. Da stört das doch nur, wenn Slytherin-Leute Muggelstämmige oder jeden, der oder die ihnen nicht paßt aus dem Hinterhalt angreifen. Das kann doch nicht die ganzen Jahre so gehen."

"Denkst du, ich will, daß Roy eines Tages getötet wird, nur weil er nicht gelernt hat, auch mal einzustecken?" Fragte Erica.

"Dann sterbe ich zumindest in der Sicherheit, daß ich mir nichts habe bieten lassen, Erica", sagte Roy.

"Ich persönlich gehe davon aus, daß Professor Bitterling ihre Leute wieder zur Vernunft bringt. Wenn die sich gegen alle Häuser stellen, werden die nicht lange in Ruhe weiterlernen können. Dann verlieren die mehr Punkte als Ravenclaw und verspielen sicherlich auch Sympathien bei den Lehrern", sagte Amalia Hopfkirch. Dann betonte sie noch mal, daß es richtig sei, sich zu beschweren, wenn es berechtigt war und ließ Erica und Roy wieder allein.

__________

In den nächsten Tagen erwies es sich, daß Professor Bitterling ihre Schüler tatsächlich zur Ruhe bringen konnte. Zwar pöbelten die Slytherins die Muggelstämmigen weiterhin an, unterließen jedoch körperliche Angriffe oder Fluchattacken. Dafür mußten die Schüler im Unterricht zur Verteidigung gegen die dunklen Künste heftig ran.

"... kommen wir heute zu den leichten Körperbeeinflussungen, von denen wir ja einige wie den Rictussempra-Zauber schon kennenlernen durften", begann Professor Bitterling eine der nächsten Stunden der Ravenclaw-Erstklässler. "Zählen Sie mir alle Flüche auf, die Ihnen bekannt sind, Mr. Fielding!"

Roy lief leicht rot an und erbleichte dann. Dann hob er schüchtern die Stimme und sagte:

"Da gibt es einiges, Professor. Wovon wollen Sie genau hören?"

"Mr. Fielding, spreche ich Arabisch oder Chinesisch? Ich sagte: Alle Flüche, von denen Sie wissen", schnaubte die Lehrerin.

"Hmm, Rictussempra", begann Roy verhalten.

"Hatten wir gerade erwähnt, Mr. Fielding", warf Professor Bitterling ein, der man ansehen konnte, daß ihr Geduldsfaden zum zerreißen gespannt war.

"Tarantallegra, der unkontrollierte Tanzfluch", setzte Roy fort. "Dann noch die Klammerflüche, Locomotor Mortis und Petrificus Totalus, für eine magische Armklammer auch Restricto Brachiabilis. Es gibt Flüche, die Krankheiten verursachen, wie den Ignifebris-Fluch, der einen heftigen Fieberanfall verursacht, den Furnunculus-Fluch, der Geschwüre in der Haut entstehen läßt oder den Conjunctivitus-Fluch, der eine starke Bindehautentzündung bewirkt. Dann sind da noch Entstellungsflüche, die Körperteile verformen oder übermäßig vergrößern, wie der Zahnverlängerungszauber Densaugeo oder der Langohrigkeitsfluch Asinaures. Möchten Sie noch mehr hören?"

"Sie haben doch erst angefangen", wandte Professor Bitterling ein. Roy setzte fort, daß es verschiedene Verunstaltungsflüche gab, wo man einen übergroßen Kugelbauch, Körperfell oder Haarausfall angehext bekommen konnte, überempfindlich gegen Wärme oder Kälte gemacht werden und total schläfrig gehext werden konnte. Irgendwann nickte Professor Bitterling, Roy könne aufhören. Dann sagte sie:

"So sehen Sie alle, wie nötig Sie es haben, unter einem gewissen Druck zu lernen. Mr. Fielding hat sich diese ganzen Flüche nur eingeprägt, weil die Gefahr besteht, daß er mit ihnen zu tun bekommt, bevor er gelernt hat, sich dagegen zu verteidigen. Tarantallegra ist jedoch kein Körperbeeinflussungsfluch, sondern ein Gemütsbeeinflussungsfluch, weil er über den Geist des Opfers wirkt. Da haben Sie sich etwas vertan, Mr. Fielding. Zählen Sie mir bitte die wichtigsten Gegenflüche inklusive Zauberstabgesten auf, Ms. Dawn!"

Aurora zählte schnell und vollständig die fünf generellen und vier besonderen Gegenflüche auf. Danach wurde es praktisch.

"Ich werde nun auf der Grundlage Ihres Grundwissens prüfen, wie gut Sie alle in der Praxis sind, werte Herrschaften. Wenn Sie hier und heute unversehrt aus meinem Unterricht gehen können, haben Sie korrekt gelernt. Falls nicht, wissen Sie, was Sie noch lernen müssen. - Mr. Wiffle, treten Sie vor!"

"Ich?" Fragte Bruster erschrocken.

"Wenn hier sonst niemand Wiffle heißt, können ja nur Sie gemeint sein", fauchte Professor Bitterling. "Wird's bald?"

Bruster stand auf und zog seinen Zauberstab hervor. Er trat vor die Lehrerin hin, die ansatzlos und ohne Vorankündigung "Ballinflato!" rief, wobei sie mit dem Zauberstab eine schnelle Kreisbewegung vor Brusters Bauch machte. Bruster warf sich zur Seite, weil ihm so schnell nicht der Gegenfluch einfiel. So zischte der rosarote Blitz aus Professor Bitterlings Zauberstab knapp an Bruster vorbei in die Wand. Grummelnd quoll ein Stück Mauerwerk auf, wie ein sich mit Wasser vollsaugender Schwamm. Krachend barst das Stück Mauerwerk, als es auf den doppelten Durchmesser eines Fußballs angeschwollen war und sprühte Staub und Steinsplitter durch das Klassenzimmer. Ein kreisrundes, nach innen gewölbtes Loch befand sich nun in der Wand.

"Sie sollten den Fluch abwehren und nicht wie ein aufgescheuchter Hase davonspringen, Wiffle!" Schnarrte Professor Bitterling. Sie deutete auf den Haufen ausgesprengter Steine und murmelte: "Murrestauratus!"

Wirbelnd flog Steinstaub durch die Klasse, winzige Gesteinssplitter sausten zur beschädigten Wand hin und paßten sich schnell und fugenlos in den gesprengten Krater in der wand, der schnell schrumpfte, immer flacher wurde, bis nach zehn Sekunden die Mauer wieder vollkommen glatt und unbeschädigt war.

"Und jetzt stellen Sie sich gefälligst meinen Angriffen, Mr. Wiffle! Falls nicht, sitzen Sie heute nach, und das wird kein Zuckerschlecken."

Bruster parierte vier der ihm geltenden Angriffe mit einem einzigen Gegenfluch, der für diese Art von Angriffen geeignet war. Der fünfte Fluch, ein Rüsselnasenzauber, kam jedoch durch, sodaß Brusters Nase unvermittelt zu einem armlangen, fleischfarbenen Rüssel anwuchs. Darauf schickte sie den Schüler zu Madame Pomfrey. Aurora Dawn schaffte es, die meisten Angriffe abzuwehren, fing sich aber zum guten Schluß einen Ganzkörperbehaarungsfluch ein, worauf sie in Gesicht und an den Händen lange schwarze Haare bekam, die zu einem dichten Fell wuchsen. Sie behob dieses Problem, nachdem Professor Bitterling ihr nächstes Opfer, Roy Fielding, aufgerufen hatte, mit dem entsprechenden Gegenfluch.

Bis auf Aurora, die sich selber heilen konnte und Mortimer, der alle Flüche zurückschlagen konnte, verließen alle Schüler die Unterrichtsstunde mit irgendwelchen körperlichen Verunzierungen. Miriam hatte überlange Arme und Beine, Roy watschelte wie eine Ente mit großen Plattfüßen aus der Klasse, Petula konnte einen Langohrzauber nicht zurückschlagen. Dina Murphy hatte es am schlimmsten erwischt. Sie hatte schon den ersten Fluch nicht abwehren können, den Tarantallegra-Fluch. Um die ohnehin schon heftige Wirkung noch zu steigern, hatte ihr Gegenfluch noch einen Hochspringanfall ausgelöst. So tanzte sie einen temperamentvollen Flamenco, wobei sie fast bis an die Klassenzimmerdecke sprang. Das zehrte sie körperlich so sehr aus, daß sie keine zwei Minuten später total erschöpft auf den Boden fiel und bewußtlos wurde. So fanden sich die meisten Schüler bei Madame Pomfrey ein, die die angerichteten Schäden wieder behob.

"Dieses Weib hat's auf uns abgesehen", knurrte Roy Fielding nach dem Unterricht im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum. Aurora Dawn fragte, wie er darauf komme.

"Ja, die will mir und Bruster zeigen, wie hilflos wir doch sind und uns besser nicht mit ihr anlegen sollten", erwiederte Roy auf diese Frage.

"Das gehört zu ihrem Unterricht, uns gegen die dunklen Kräfte zu wappnen", warf Petula altklug klingend ein. "Die macht das nicht, weil du Muggelstämmiger bist, Roy. Das steht wohl so im Lehrplan. Immerhin hat sie uns alle ja heftig getroffen."

"Na, ich bin mir da nicht so sicher, Petty. Immerhin hat sie die Slytherins unter sich und wird uns wohl immer beweisen wollen, daß sie uns überlegen ist, egal, wieviel wir lernen."

"Wenn du mich wieder Petty nennst, braucht sie das dir nicht mehr zu beweisen, Bursche. Dann kriegst du Ärger mit mir, klar?" Schnaubte Petula Woodlane. Roy lachte zwar, doch mußte es sich schnell wieder verkneifen, weil Priscilla Woodlane auf ihn zukam.

"Ziehst du wieder meine Schwester auf, Bursche? Solltest du nicht tun, wenn du die nächsten Jahre keinen Ärger haben willst."

"Soso", sagte Roy nur. Dann sah er auf den Einstieg zum Gemeinschaftsraum. Professor Flitwick kam gerade herein. Der kleine Lehrer mit dem weißen Haar wirkte zwar zerbrechlich und kraftlos, strahlte aber eine unübersehbare Selbstsicherheit und Macht aus. Er ging auf eine ältere Schülerin der Ravenclaws zu und unterhielt sich mit ihr im leisen Ton. Dann verließ er Ravenclaw wieder.

"Was war denn jetzt los?" Fragte Roy leise. Aurora Dawn flüsterte zurück:

"Das war doch eine von den Fünftklässlerinnen. Wahrscheinlich geht es um was wegen der ZAG-Prüfungen."

"Achso", sagte Roy.

"Noch mal zu Professor Bitterling", griff Petula Woodlane das vorige Gesprächsthema wieder auf. "Die will dich nicht fertigmachen, Roy. Ich glaube sogar, du bist ihr völlig egal. Sie will einfach nur, daß alle bei ihr das lernen, was sie unterrichtet, damit sie ihr Geld kriegt. Mehr ist das nicht."

"Wenn du ihr aber zeigst, daß du sie nicht abkannst, könnte es wirklich passieren, daß sie dich irgendwann wirklich auf den Kieker nimmt und dann tatsächlich alles tut, um dich klein zu machen", erwiderte Aurora Dawn etwas beklommen. Roy nahm diese Ankündigung sehr ernst. Er schwieg nun zu diesem Thema.

__________

Die nächsten Wochen krochen zähflüssig dahin. Der Unterricht wurde immer schwieriger, insbesondere der von Professor Bitterling und Professor McGonagall. Aurora mied die Nähe von Slytherins, die sich in den Gängen herumdrückten und tuschelten. Die Bande von Snape pöbelte zwar immer noch Roy und Bruster an, doch die Beleidigungen hielten sich in Grenzen. Offenbar hatte ihre Hauslehrerin ernste Folgen angedroht, wenn noch ein Slytherin Hogwarts verlassen mußte. Denn der Weggang von Kain Gallows hing immer noch über den Erstklässlern, wie ein überhängender Felsbrocken, der langsam abzurutschen droht. Das Quidditchtraining, an dem Aurora Dawn teilnahm, würzte diesen Brei aus zähem Schulalltag. Sie ließ sich von Erin Runfield neue Tricks zeigen, wie sie als Jägerin vorgehen konnte und beschloß, daß dann, wenn Erin mit Hogwarts fertig war, sie auf ihrer Position weitermachen würde. Kelvin war wohl damit einverstanden, denn Aurora war sehr wendig und reaktionsschnell auf dem Besen.

"Wenn wir einen der Nimbus-Besen hätten, könntest du noch besser fliegen, Aurora", sagte er nach einer temporeichen Trainingsstunde. Aurora Dawn erwiderte:

"Mit diesen Besen kann man keinen Blumentopf gewinnen, Kelvin. Wird Zeit, daß die Schulregeln geändert werden und jeder seinen eigenen Besen haben darf."

"Da müßten schon heftige Gründe für genannt werden", sagte der Ravenclaw-Kapitän. "Die Regeln sind ja deshalb so gemacht worden, damit alle dieselben Chancen haben. Sonst könnten sich ja die superreichen die besten Besen zulegen, und Quidditch wäre kein Spiel mehr, wo Können zählt sondern nur Papas Geldbörse."

"Das leuchtet mir zwar ein, Kelvin. Aber warum dann die erwiesenermaßen guten Spieler keine Sondervollmacht, womöglich auch Geld für einen eigenen Besen kriegen, wundert mich doch", sagte Aurora.

"Wie gesagt, werden die Regeln wohl so schnell nicht geändert", wandte Kelvin Hightowers ein.

"Dann wollen wir hoffen, daß wir mit dem, was wir haben, noch schönes Quidditch spielen können", sagte Erin Runfield. Das hofften dann alle.

Als dann vor den Osterferien das Spiel Gryffindor gegen Ravenclaw stattfand, waren alle gespannt, wie es ausgehen würde. Die Hufflepuffs hofften, daß die Ravenclaws gewinnen würden, denn dann bekäme Hufflepuff im Endspiel des Jahres die Chance, Gryffindor um den Pokal zu bringen. Nun, wo Slytherin es nicht geschafft hatte, den Pokalerfolg vom letzten Jahr zu wiederholen, hofften die Hufflepuffs, daß sie nach vielen vielen Fehlversuchen endlich die begehrte Trophäe gewinnen würden. Denn auch bei ihnen würden nach diesem Schuljahr wichtige Spieler von Hogwarts abgehen, und ob dann noch mal eine Chance wie diese kam, war mehr als fraglich.

Aurora Dawn saß am Samstagmorgen, wo das Spiel beginnen sollte, zusammen mit Petula, Miriam und Mortimer in einer Reihe, während Roy und Dina sich mit Erica und Priscilla zusammengesetzt hatten. Bruster Wiffle hockte irgendwo in den Reihen der Zweitklässler von Ravenclaw. Er hatte sich mit seinem Cousin Mortimer darüber in die Wolle gekriegt, daß Mortimer etwas harsches gegen Manchester United gesagt hatte und Bruster dies als persönliche Beleidigung empfand und sich nicht anhören wollte, wie toll Quidditch war. Da jedoch alle Hogwarts-Schüler den Spielen zuschauten, hätte sein Fernbleiben unliebsame Fragen aufgeworfen. So saß er weit ab von den Klassenkameraden und schien sich nicht sonderlich für das so wichtige Spiel zu interessieren. Immerhin könnten die Ravenclaws heute ebenfalls zu den Kandidaten für den Quidditchpokal werden. Wenn sie Gryffindor mit einem großen Vorsprung besiegten, standen sie sehr gut.

Das Spiel begann mit einer schnellen Führung der Ravenclaws. Erin schaffte es, Gryffindor innerhalb von einer Minute zwanzig zu null zu überflügeln. Zwar versuchten die Treiber der Gryffindors, durch gezielten Klatschereinsatz die Formationen der Ravenclaws zu durchbrechen, doch Erin, Marion und Norman waren geschickte Flieger und tauchten unter den Klatschern durch, sodaß die schwarzen Bälle gegen die Gryffindor-Jäger selbst flogen. Nach einer weiteren Minute stand es sogar schon vierzig zu null für Ravenclaw. Wenn das so weiter ging, dachte Aurora Dawn, würde Ravenclaw den Pokal noch vor dem Endspiel Gryffindor gegen Hufflepuff bekommen. Doch da schossen der Sucher der Gryffindors und der Sucher der Ravenclaws wie Greifvögel auf das Tor der Ravenclaws zu. Aurora sah, wie der Gryffindor-Sucher Ronin McDougal regelrecht aus der Flugbahn trieb und genau auf der Höhe des mittleren Torrings der Ravenclaws einen winzigen Gegenstand ansteuerte. Die Gryffindors jubelten schon, als ein Klatscher dem Sucher den linken Arm abzuhauen drohte, sodaß er fast nicht mehr den Schnatz zu fassen bekam. Laut krachten er und Ronin McDougal zusammen und fielen fast von ihren Besen. Da Gryffindors Sucher den Schnatz zuerst erwischt hatte, wurden die 150 Punkte Gryffindor zugeschlagen. Hufflepuffs und Slytherins buhten gleichermaßen. Denn nun hatten die Gryffindors eine geniale Ausgangssituation, um den Pokal zu gewinnen.

"So ein Mist!" Fluchte Mortimer Swift. "Den hätte McDougal doch kriegen müssen!"

"Der von den Gryffindors hat ihn fast geblockt", stellte Aurora fest. "Eigentlich hätte Madame Hooch den Spielzug abpfeifen müssen. So haben die Gryffindors 110 wichtige Punkte mehr, um den Pokal noch zu kriegen."

"Verdammt noch mal!" Fluchte Mortimer wiederholt. Petula meinte dazu nur:

"Das nützt keinem was, wenn du hier rumschimpfst, Mortimer. Wir haben unsere Chance verspielt."

"Schade für Erin", sagte Aurora. "Die hätte den Pokal wohl gerne noch mal in der Hand gehabt."

"Überhaupt wäre es schön gewesen, wenn Ravenclaw den noch mal gewonnen hätte", sagte Aurora. "Mum hat mir erzählt, daß Ravenclaw den das letzte Mal vor zehn Jahren geholt hat."

"Ja, ich weiß", sagte Petula. "Gryffindor und Slytherin haben sich fast jährlich abgewechselt. Hufflepuff hat den Pokal das letzte Mal vor zweiundzwanzig Jahren geholt."

"Ach du meine Güte! Das ist ja lange her!" Stellte Mortimer fest. Dann sagte er: "Zumindest sollten wir unserer Mannschaft gratulieren."

"Stimmt", pflichtete Aurora Dawn ihm bei. So gingen sie alle zu den enttäuschten Ravenclaws hinunter und versicherten ihnen, daß es nur ein unglücklicher Zufall war, der den Pokalgewinn vereitelt hatte. James Potter, einer der Jäger der Gryffindors, kam herüber und sagte etwas zu Erin Runfield. Diese lachte nur, nicht verächtlich, sondern wirklich amüsiert. Aurora trat zu ihrer Trainingspartnerin und fragte:

"Was hat er gesagt?"

"Der hat gemeint, daß ich wohl nach Hogwarts in die Profi-Liga überwechseln könne. Ich habe ihm nur gesagt, daß ich zwar gerne spiele, aber doch schon einen festen Posten in Aussicht habe, wenn meine UTZ-Noten stimmen. Er meinte dazu nur, daß man für Quidditch ja keine guten UTZ-Noten bräuchte. Deshalb mußte ich lachen."

"Pech für euch, daß ihr diese Idioten nicht besiegt habt", bemerkte ein nicht so willkommener Zuhörer. Es war Severus Snape. James Potter, der das wohl hören sollte, fauchte nur zurück:

"Ihr seid doch schon unter ferner liefen, Hakennase. Du brauchst dich doch gar nicht so aufzuspielen."

Ein Klassenkamerad von James Potter mit langen schwarzen Haaren trat heran und meinte: "Mußte sich Snapey wieder über dich auslassen, James? Pech für sein Haus, daß die diese Saison keine guten Quidditchspieler hatten."

"Immer noch besser als solche Typen wie dich, Black", fauchte Snape und zog sich zu seinen Freunden aus Slytherin zurück.

"Die konnten dieses Jahr nur unfair spielen", wandte Aurora Dawn ein. Der Junge, der wohl mit Nachnamen Black hieß, nickte und fragte:

"Habe ich das richtig gehört, daß du auch eine gute Spielerin bist?"

"Kann sein", erwiderte Aurora Dawn. James Potter sagte:

"Dann treffen wir uns nächstes Jahr bestimmt auf dem Feld wieder."

"Ich arbeite dran", sagte Aurora Dawn belustigt.

Nach dem Spiel zogen sich die Ravenclaws in ihren Gemeinschaftsraum zurück und unterhielten sich über das Problem, daß Ronin McDougal den Schnatz nicht früh genug gesehen hatte. Ronin meinte dazu nur:

"Es ist vorbei, Leute! Die Show ist für dieses Jahr gelaufen."

"Dafür geht's nächstes Jahr wieder richtig rund", sagte einer von Ronins Klassenkameraden.

"Aber gewiß doch", erwiderte Ronin.

__________

Die Wochen bis zu den Osterferien vergingen wie üblich langsam und zäh. Aurora war froh als am letzten Tag vor den Ferien die Glocke das Ende der Stunde einläutete und sie keine Hausaufgaben in diesem Fach hatten. Sie packte ihre Sachen zusammen und fuhr mit Petula und den Fieldings zusammen in einem Abteil des Hogwarts-Expresses in die Ferien. Professor Dawn blieb zwar in Hogwarts, aber Auroras Vater freute sich, seine Tochter über die kurze Ferienzeit bei sich zu haben.

ENDE

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